Pontifex-Dialoge: Formel fürs Glücklichsein

Seit mir der Papst für ein Twitter-Follow einen Ablass vom Fegefeuer offeriert hat, führe ich von Zeit zu Zeit kleinere Dialoge mit dem Pontifex. Dies ist ein weiterer davon:

14. Februar 2014 – Valentinstag

Papst Franziskus @Pontifex_de
Liebe junge Menschen, scheut euch nicht, eine Ehe einzugehen. In einer treuen und fruchtbaren Gemeinschaft werdet ihr glücklich sein.

Dass  der Pontifex hier den Spassfaktor eines Spiels erklärt, für das er offiziell gesperrt ist, entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Scheint so, als ob der Papst das erotische Potential des Valentinstags in moralische Bahnen zu kanalisieren versucht.

Eda Gregr @meskinaw @Pontifex_de Und wieso sollte ich in einer treuen und fruchtbaren Gemeinschaft ohne Trauschein weniger glücklich sein? Weil ihr mich diskriminiert?

Will man dem Papst glauben, so ist eine treue und fruchtbare (=kinderreiche) Ehe ein Garant für ein glückliches Leben.
Ich will ja gar nicht bestreiten, dass das sein kann, doch ich bezweifle, dass es das notwendigerweise so sein muss. Auch bezweifle ich, dass, wenn eine oder mehrere Komponenten davon fehlen, man – wie es der Tweet suggeriert – zwangsläufig unglücklich werden muss.

Sowohl Untreue als auch unerfüllter Kinderwunsch sind bei den meisten Paaren ein grosser Stressfaktor, aber nicht unbedingt bei allen. Manchen Paaren mag es helfen eine offene Beziehung zu führen, manche wollen vielleicht gar keine Kinder und für manche ist die Ein-Mann-Ein-Frau-Kiste einfach nicht ihr Ding. Werden diese Menschen ihr Glück dann nicht viel eher mit einer anderen Formel finden?
Und selbst wenn – und das ist ein sehr grosses Wenn – die Menschen irgendwie so verkabelt sind, dass sie Treue und Nachwuchs für ihr Seelenheil brauchen, dann ist immer noch nicht klar, warum auch der Trauschein unerlässlich sein soll. Dieser hat ja keinerlei Einfluss auf die Treue oder Zeugungsfähigkeit.

Nun ja, völlig unerheblich ist der Trauschein allerdings auch wieder nicht, denn die Gesellschaft neigt (jetzt vielleicht mal von Steuervorteilen abgesehen) sehr deutlich dazu dem Konkubinat Steine in den Weg zu legen – was tatsächlich ein gewisser Stressfaktor ist. An manchen Orten ein grösserer, an anderen ein kleinerer.
Diese Steine werden allerdings – und das ist bezeichnend – vor allem aus kirchennahen Kreisen geliefert. Also ausgerechnet von jenen Leuten, die uns glauben machen wollen, dass man mit der Ehe glücklicher fährt.

Dass die Chancen in der einzig tolerierten Form der Gemeinschaft glücklich zu sein besser stehen als in jeder anderen, mag schon stimmen, doch auf Grund dessen den Leuten pauschale Empfehlungen über die Art und Weise des Zusammenlebens geben zu wollen, ist genau so problematisch wie Leuten mit schwarzer Hautfarbe eine Musikkarriere, Leuten mit Brüsten eine Kindergärtnerinnenkarriere und Leuten mit einem Nachnamen mit der Endsilbe „ic“ eine kriminelle Karriere empfehlen zu wollen.

NSA, dein Freund und Helfer

General Keith Brian Alexander, seines Zeichens Direktor der NSA, hat die umstrittenen Praktiken seiner Behörde dahingehend verteidigt, dass er leider derzeit keinen besseren Weg kenne, um die Vereinigten Staaten vor der steigenden Terror-Gefahr zu schützen. Doch sei sein Dienst durchaus bereit, über mögliche Alternativen zu diskutieren.

Das coole an der NSA ist, dass das endlich mal eine Bundesbehörde ist, die einem auch wirklich zuhört. Und das jederzeit und überall. Daher kann ich Alexander auch gleich hier im DisOrganizer eine naheliegende Alternative zu den umstrittenen Praktiken anbieten:

Macht, was immer ihr wollt – einfach ohne dabei irgendwelche Menschenrechte zu verletzen (was beispielsweise mit der flächendeckenden Überwachung geschieht).

So einfach ist das!

+ + +

Es ist natürlich lobenswert, dass Alexander so um die Sicherheit seiner Landsleute besorgt ist. Sicherheit ist schliesslich eine ganz tolle Sache.
Bloss dass es wesentlich effektivere Möglichkeiten gibt, mehr Amerikaner vor einem tragischen Tod zu bewahren. Allein im Jahr 2011 gab es in den Vereinigten Staaten 32’367 Verkehrstote, die man beispielsweise mit einer generellen Tempolimite von 5 km/h (3.11 mph) sicherlich zu einem grossen Teil hätte verhindern können. Eine solche Tempolimite wäre zwar äusserst lästig, aber immerhin würde mit dieser kein Menschenrecht verletzt.

Wie viele Leben sich mit Massnahmen dieser Art retten liessen, ist natürlich schwer abzuschätzen, doch wenn man sich anschaut, wie viele Menschen in den USA seit 9-11 terroristischen Anschlägen zum Opfer gefallen sind, dann reichen selbst sehr, sehr, sehr konservativen Schätzungen  um um Grössenordnung erfolgreicher zu sein:

  Anzahl Anschläge Tote Verletzte
Amokläufe 12 128 140
Beltway sniper 11 13 3
Islamistische Anschläge 8 22 332
Linksextreme Anschläge 4 2 6
Rechtsextreme Anschläge 3 9 5
anders motivierte Anschläge 8 19 56
Vereitelte Anschläge 36 0 2
Total in 12 Jahren 82 193 544
Quelle: http://www.johnstonsarchive.net/terrorism/wrjp255a.html

 

Ist es zynisch 32’367 Tote in einem Jahr gegen 193 in zwölf Jahren aufrechnen zu wollen? Ist es zynisch zu fragen, ob die Ressourcen und Menschenrechte, die geopfert wurden um die 193 nicht mehr werden zu lassen, gut investiert waren, wenn man mit weniger Ressourcen und gar keine Menschenrechtsverletzung aus 32’367 hätte wesentlich weniger machen können?

Dass man auf richterliche Anordnung hin jemandes Rechte beschneidet, macht aus aus rechtsstaatlicher Position Sinn. Dass man dies aber flächendeckend macht, ist angesichts von Prinzipien, die die Gesellschaft zum Wohle aller kompromisslos höher stellt als die Interessen von Einzelnen, äusserst bedenklich und ohne eine wirklich überzeugende Kosten-Nutzen-Rechnung ein absolutes No-Go.
Bisher scheint der Nutzen allerdings bedenklich bescheiden zu sein.

Ich habe mich mal mit einem Amerikaner unterhalten, der seinen Militärdienst irgendwo im Dunstkreis des Geheimdienstes geleistet haben will. Und der erklärte mir, dass durch die Arbeit der Geheimdienste – insbesondere dank dem Ignorieren des einen oder anderen Menschenrechts – tatsächlich terroristische Anschläge verhindert worden seien. Wie viele, wollte ich wissen. Das konnte er mir nicht sagen (nicht können im Sinne von nicht fähig sein, nicht im Sinne von nicht dürfen). Das sei geheim. Aber es sei so. Okay…
Von insgesamt 82 geplanten Anschlägen innerhalb von zwölf Jahren wurden also dank geheimdienstlicher Ermittlungen 36 + eine-unbekannte-Zahl-nicht-publik-gemachter Versuche vereitelt.
Dass damit mehr Amerikaner gerettet wurden als hätten werden können, beispielsweise durch die Einführung der Tempolimite, strengerer Waffengesetze oder durch das Verbot von Swimming Pools im Garten, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Offenbar ist das Recht SUVs, Waffen und einen Swimming Pool im Garten zu besitzen unantastbarer als die Privatsphäre, welche durch den 4. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten und den 12. Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschützt wird.

Vielleicht ist der folgende Aspekt auch nicht unerheblich: Wenn man von Menschenrechtsverletzungen zum Schutz der Nationalen Sicherheit spricht, dann denkt man für gewöhnlich zuerst an Guantanamo. So hat mir auch mein Ex-Soldat versichert, dass dank unzimperlicher Verhörmethoden etliche Pläne von Abu Nazir durchkreuzt werden konnten – und das klingt doch mehr nach Folter als nach ungefragtem Mithören.
Vom Sahnehäubchen, dass es einen islamistischen Terroristen namens Abu Nasir zwar durchaus gab (er wurde im Juni 2006 getötet), doch dass hier wohl eher Osama bin Laden mit dem Chefbösewicht aus Homeland verwechselt wurde, gar nicht zu sprechen. Nicht, dass man Realität und Fiktion nicht auseinander halten würde, bloss scheint die Fiktion das Vertrauen in die Rechtmässigkeit der in der Realität verwendeten Methoden merklich zu stärken.

Doch die Frage bleibt: Wie viele Bedrohungen konnten dank der massiven Internetüberwachung durch die NSA verhindert werden? Und legitimiert die Zahl diese Massnahmen?
Laut Alexander konnten dank der NSA-Spionage in mehr als 20 Staaten  mehr als 50 potentielle Terroranschläge verhindert werden.
Geoffrey Stone, Mitglied des Expertengremiums des Weißen Hauses, das die NSA-Affäre untersucht, hat diese Zahl jedoch insofern relativiert, dass die Erfolge eigentlich eher anderen Programmen geschuldet sind und dass die Sammlung und Analyse der Metadaten nur einen bescheidenen Beitrag zur Sicherheit der Nation geleistet habe. Er geht sogar so weit zu sagen, dass es keinen Fall gebe, in dem die NSA nachweisen konnte, dass das Ergebnis der Ermittlungen ohne sie anders herausgekommen wäre.

Ist das genug um den unerlaubten Eingriff in die Privatsphäre seiner Bürger zu rechtfertigen? Können das die Repräsentanten des Volkes wirklich guten Gewissens akzeptieren? Dürfen sie das überhaupt? Dürfen sie einen so zentralen rechtsstaatlichen Wert wie den Schutz der Privatsphäre nur aus Furch vor einer möglichen Bedrohung einfach ignorieren?

Wieso ist man dann bereit Opfer hinzunehmen, wenn es um Lösegeldforderungen von Terroristen geht? Man schickt lieber ein SWAT-Team rein und riskiert Opfer, statt einfach das geforderte Geld (plus das freie Geleit) herauszurücken und damit das Leben der Geiseln zu schützen. Wenn die Geiselnehmer den Behörden vertrauten, bräuchten sich die Geiseln nicht zu fürchten.
Weil es hier ums Prinzip geht?
Weil uns hier das Prinzip davor schützt, dass es mehr und mehr Entführungen gibt?

Und wo bleibt dann das Prinzip kompromisslos für die Menschenrechte einzustehen? Besteht nicht die Gefahr, dass wenn man das eine Menschenrecht lockert, schnell auch mal das andere ignoriert? Werden die Menschenrechte dann nicht zu einem Selbstbedienungsbuffet, aus dem man sich picken kann, was gerade zur Gardine passt?
Wir opfern Menschenrechte der Nationalen Sicherheit und schützen uns damit vor mehr und mehr terroristischen Bedrohungen! Nicht wirklich, wie es scheint.

Die offiziellen Erfolgs-Zahlen der Geheimdienste sind offensichtlich viel zu niedrig um die Verletzung der Privatsphäre und die horrenden Ausgaben zu legitimieren. Vielleicht werden die tatsächlichen, um Grössenordnungen höheren Zahlen aber aus strategischen Gründen geheim gehalten.
Wozu sollte das gut sein? Dass man gewisse Details nicht publik macht um die Ermittlungsstrategien zu schützen, kann ich noch nachvollziehen, doch dass man nicht mal die Zahl nennt, verstehe ich nicht. Sollte es aber tatsächlich so sein, dann frage ich mich, wie es möglich sein kann, dass offensichtlich beide Seiten im Schweigen über die tatsächlichen Zahlen einen strategischen Vorteil zu erkennen glauben.
Der einen Seite muss das publik machen der Zahlen mehr schaden als der anderen. Wenn das kein guter Grund ist, sich an die Presse zu wenden, dann weiss ich auch nicht.

Mit der Frage, wie viele Menschenleben gerettet werden müssen, damit es das punktuelle Ignorieren von Menschenrechten legitimiert, kommen wir nicht weiter. Drehen wir den Schuh daher einfach mal um und fragen: Dürfen wir uns durch das Nichtbeachten von Menschenrechten vor irgendetwas schützen?
Bedeutet die Anerkennung der Menschenrechte nicht, dass wir uns das Festhalten an diesen etwas kosten zu lassen gedenken? Nicht beliebig viel, selbstverständlich, aber doch zumindest etwas. Und zwar im Bereich der Sicherheit – weil jemandes Freiheit dadurch zu schützen, dass man sie beschränkt, macht ja nicht allzu viel Sinn.

China, Russland oder Nordkorea kümmern sich hochoffiziell nicht um Menschenrechte. Bei den Vereinigten Staaten sollte man allerdings meinen, dass es an ihrer moralischen Glaubwürdigkeit kratzt, wenn sie sich selbst nicht um die Werte scheren, derentwegen sie anderen bisweilen die Hölle heiss machen.

Da die Regierung eine moralische Pflicht vor allem ihren Bürgern gegenüber hat, kann man ihr das Abhören der Gespräche von Ahmadinedschad, Berlusconi oder Merkel eigentlich nicht wirklich übel nehmen. Es ist nicht nett, ohne Zweifel, doch da die USA die Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert haben, binden sie nur die Verfassung und die Zusatzartikel, deren Geltungsbereich sich allerdings allein auf die eigenen Territorien erstrecken. Insofern sind sie auf relativ sicherem Grund, wenn sie die Welt abhorchen und es mit irgendwelchen Menschenrechten nicht ganz so genau nehmen.

Dass die NSA damit aber auch vor ihren eigenen Bürgern nicht halt, kratzt umso mehr am Lack, je inbrünstiger die USA sich Land of the Free and Home of the Brave nennen.
Brave, ihr versteht schon, tapfer, mutig, unerschrocken, wo man nicht bei jedem Knall den Kopf einzieht.

 

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Noch offene Fragen zu diesem Thema:

  • Werden Menschenrechte verletzt, wenn nur das Opfer meint seine Rechte seien verletzt, der Täter dies zwar nicht bestreitet, aber in Tat und Wahrheit gar nichts macht?
  • Ist es zynisch festzustellen, dass in den USA mit der Abschaffung der Todesstrafe mehr Leben gerettet worden wären als durch das Verhindern aller Terroranschläge seit 9-11?
  • Durch Polizisten kamen 8 mal mehr Amerikaner ums Leben als durch Terroristen. Sollte man sich da nicht vielleicht mal überlegen die Polizei abzuschaffen?
  • Haben die moralisch motivierten Embargos der Vereinigten Staaten ernst zu nehmende wirtschaftliche Einbussen?
  • Und last but not least: Kann eine Organisation böse sein, wenn sie von einer Enterprise-Kommando-Brücke aus gesteuert wird?
Information Domination Center
  • Und selbst wenn eine Organisation mit Enterprise-Kommando-Brücke böse sein kann, darf es die Piratenpartei davon abhalten dieser Föderation dennoch beizutreten?

Massnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit

Kommt es nur mir seltsam vor, dass Kurse zur Optimierung der Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsgesprächstrainings als Massnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit verstanden werden wollen?
Wenn ich bessere Bewerbungsunterlagen habe und mich besser verkaufen kann als ein anderer, dann kriege ich statt ihm den Job. Für mich ist das toll, für den anderen weniger. Doch ein Arbeitnehmer und ein Arbeitsloser sind es nach wie vor.

Gesenkt werden kann die Arbeitslosigkeit allein durch das Aufstocken von Arbeitsplätzen.
Und wenn man für die Kurse zur Optimierung von Bewerbungsunterlagen und für die Bewerbungsgesprächstrainings keine neuen Lehrer einstellt, dann bleibt die Bilanz die gleiche.

Die durchaus noble Idee solcher Massnahmen ist, dass man den Arbeitssuchenden genau das zu verkaufen lehrt, was er zu leisten fähig ist. Doch was geschieht, wenn er sich noch besser zu verkaufen lernt? Was, wenn diesen durch solche Bootcamps gestählten Arbeitssuchende Stellen angeboten werden, für die sie gar nicht mehr qualifiziert sind?
Ist es für eine Wirtschaft besser, wenn die Stellen mit unter- oder überforderten Mitarbeitern besetzt sind?

Liegt es wirklich in unserem Interesse ein Wettrüsten unter den Stellensuchenden zu betreiben?

All European Newborn Babies Will Be Microchipped from May 2014

keepcalmAb Mai 2014 – so geht die empörte Kunde durch sämtliche Social Media – soll in Europa allen Neugeborenen ein Mikrochip eingepflanzt werden.

Interessanterweise stört sich keiner gross dran, dass keinerlei Quellen angegeben werden, die auf eine entsprechende Verordnung verweisen würden.
Allein schon, dass der Urheber einer absurden Aktion eine Regierung ist, reicht voll auf, um die ganze Sache plausibel erscheinen zu lassen. Und wenn auch noch die Pharmaindustrie und/oder der Geheimdienst die Finger mit im Spiel haben, gibt’s daran nichts mehr zu rütteln.

Diese Meldung hat ein Verfallsdatum, den Mai 2014. Wenn zu diesem Zeitpunkt die systematische Verwanzung nicht angelaufen ist, sollte man meinen, wird das alles wohl bloss ein Hoax gewesen sein. Doch weit gefehlt. Das Ausbleiben solcher Eingriffe ist für den Hardcore Verschwörungstheoretiker nicht etwa der Beweis für deren Nichtexistenz, sondern dafür, dass diese im Geheimen durchgeführt werden (beispielsweise getarnt als Impfung). Dass die Meldung aber davon spricht, dass der Eingriff neu ein hochoffizieller Teil des Neugeborenen-Screenings sein wird und man diesen daher nicht zu verbergen braucht, scheinen sie vergessen zu haben. (Auch, dass sie zu wissen glauben, dass dies schon seit Jahren als Impfung getarnt praktiziert wird.)
Doch selbst die, die sich im Mai eingestehen werden, dass es sich wohl um einen Hoax gehandelt hat, werden trotzdem mit dieser Geschichte in ihrem Misstrauen gegenüber den Regierungen, die mit Geheimdiensten und Pharmariesen unter einer Decke stecken, gestärkt und geraten dadurch in einen paranoiden Teufelskreis.

Davon, dass die gleiche Meldung mit einem anderem Datum des Inkrafttretens in ein paar Jahren wieder durch die Netz spuken wird, ganz zu schweigen.

Wieso soll töten schlecht sein?

Die Frage ist provokativ, das stimmt schon.
Und die Antwort darauf scheint auf der Hand zu liegen. Aufgrund unserer Empathie verurteilen wir instinktiv jegliches Zufügen von Schaden. Und der Tod ist wohl der ultimative Schaden, den man jemanden zufügen kann.

Töten zu müssen, ist traurig. Doch hie und da überwiegen die Vorteile.

Den Ebolavirus zu töten ist okay. Hier wäre sogar ein Genozid durchaus im allgemeinen Interesse.
Tiere zum Verzehr zu töten ist okay. Okay, für Veganer nicht. Für die ist aber das Töten von Pflanzen okay. Okay, für Frutarier nicht. Für die ist der Verzehr von Früchten (=Embryos?) okay. Okay, für Lichtesser nicht.
Sterbehilfe ist okay.
Abtreibung ist okay.

Nun ja, nicht notwendigerweise okay, doch es gibt unbestritten Aspekte, die dafür sprechen. Ob diese die Nachteile wirklich überwiegen sei mal dahin gestellt. Fest steht, dass obgleich alle Menschen diese Dinge als bedauerlich betrachten, es doch viele gibt, die sie für leider unumgänglich halten. Und diese Menschen sind keineswegs ein unmoralisches Pack, als welches sie die Gegner gern bezeichnen.

Man kann die Liste noch etwas weiter ins Absurde erweitern:

Todesstrafe ist okay
Krieg ist okay.
Terrorismus ist okay.

Ob die Vorteile die Nachteile überwiegen, muss diskutiert werden. Allein, dass der Tod enthalten ist, entscheidet aber noch nichts – obwohl uns vor allem Religionen dies gern weismachen wollen.
Wenn etwas zur Diskussion steht, so fürchten sie, ist das Ergebnis beliebig. Doch in solchen Angelegenheiten sollte man lieber soliden Grund unter den Füssen haben. Und da in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die Nachteile die Vorteile deutlich überwiegen, liegt es auch nicht fern, die Sache einfach mal fest zu nageln: Töten ist schlecht. Punkt.
Damit läuft man tatsächlich fast immer richtig. Und stets im Einklang mit der Empathie. Und man braucht sich nicht vor Demagogen zu fürchten, die alles verdrehen könnten. Alles schön und guf, doch man begeht damit eben auch Unrecht.

Interessanterweise sind aber gerade jene Leute, die allzu gern vor der Beliebigkeit warnen, ausgerechnet die, die die etwas weniger absurden Punkte der Liste absurder finden als die absurderen.

Und wie steht es eigentlich hiermit:

 Organspende ist okay. (ich meine jene im Sinne von Monty Python)

 

* Danke an die gbs für den Gedankenanstoss

Pontifex-Dialoge: Verfolgung wegen des Glaubens

Seit mir der Papst für ein Twitter-Follow einen Ablass vom Fegefeuer offeriert hat, führe ich von Zeit zu Zeit kleinere Dialoge mit dem Pontifex. Dies ist ein weiterer davon:

26. Dezember

Papst Franziskus @Pontifex_de
Beten wir vor der Krippe in besonderer Weise für jene, die wegen des Glaubens Verfolgung erleiden.

Eda Gregr @meskinaw
@Pontifex_de Jawohl, deshalb Trennung Kirche Staat, Religionsfreiheit und Missionierung nur unter sozial und intellektuell Gleichgestellten?

Jemanden aufgrund seines Glaubens in irgend einer Art zu diskriminieren (oder auch zu privilegieren) ist eine schlimme Sache. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und es liegt – meines Erachtens – durchaus in unser aller Interesse, dass sich das endlich ändert. Sprich, dass Artikel 18 der Allgemeinen Menschenrechte umgesetzt wird:

Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
„Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.“ (www.humanrights.ch)

Ich kreide dem Papst in unseren Dialogen ja gern an, dass er statt brauchbare Strategien anzubieten (oder gar entsprechend diesen auch konkret zu handeln) lieber einfach zum Beten aufruft – wohl in der Hoffnung, dass sich die Sache so schon irgendwie einrenken wird.
Dann sollte ich lieber mal mit gutem Beispiel vorangehen und mal ein paar konkrete Vorschläge präsentieren, wie sich die Verfolgung und Benachteiligung einzelner Glaubensgemeinschaften beseitigen liesse.

Als Arbeitshypothese würde ich mal annehmen, dass Staaten, in denen die Diskriminierung klein oder nicht vorhanden ist, es wohl schon irgendwie richtig machen.

The Freedom of Thought Report 2013

iheu_map_2013_key
http://freethoughtreport.com/map/

iheu_map_2013

Laut dem Jahresbericht der IHEU können nur die folgenden 15 Länder von sich behaupten, dass keine Fälle von Diskriminierungen Nichtgläubiger bekannt wären. (Es spricht indessen viel dafür, dass Andersgläubige ungefähr gleich behandelt werden wie Nichtgläubige. )
Belgien, Benin, Fiji, Jamaica, Japan, Kiribati, Kosovo, Nauru, Niederlande, Niger, São Tomé and Príncipe, Sierra Leone, Südkorea, Taiwan, Uruguay

In allen anderen Ländern ist die Trennung von Kirche und Staat irgendwo zwischen gar nicht und noch nicht ganz sauber gezogen und die Staatsreligionen geniessen Privilegien. In manchen Fällen bis hin zur Möglichkeit die Todesstrafe auf Konversion und Blasphemie zu verhängen.

Das heisst, dass die „Verfolgung wegen des Glaubens“, wie der Papst sie nennt, weniger mit dem Glauben des Verfolgten zu tun halt als viel mehr mit dem Glauben des Verfolgers. Der Ausdruck ist daher eigentlich schon richtig gemeint, wenn auch leicht missverständlich formuliert. Nun ja, zumindest sollte der Papst es richtig meinen.
Und das wiederum heisst, dass der Papst mit diesem Tweet eigentlich sich und seinesgleichen an der Nase nimmt, die für ihre Religion beim Staat gewisse Privilegien herauszuschlagen versuchen, die zwangsläufig zu einer Diskriminierung aller anderen Weltanschauungen führen müssen, weil diesen diese Privilegien ja nicht zugesprochen werden.

Das wäre dann also mein erster Vorschlag für eine Strategie, wie sich die Verfolgung und Benachteiligung gewisser Glaubensgemeinschaften beseitigen lässt: indem man die Privilegien der bevorzugten Religion aufhebt, sprich die Kirche vom Staat trennt.


Ein zweiter Vorschlag, der mit den bisher angestellten Überlegungen jedoch nichts zu tun hat, ist die Ächtung der Missionsarbeit – so sie nicht auf gleichem sozialen und intellektuellen Niveau stattfindet. Warum diese Ächtung gerechtfertigt ist, möchte ich in einem anderen Artikel erläutern, hier möchte ich nur die Vermutung äussern, dass Aufgrund der daraus resultirenden Ausgeglichenheit der Kombattanten es zu wesentlich weniger Konversionen und entsprechend weltanschaulichen Reibereien kommen würde.
Dieser zweite Vorschlag ist zugegeben gleichermassen utopisch wie undurchdacht und seine Aufnahme in diesen Dialog verdankt allein meinem Faible für Experimentalpolitik.

change my mind

In science it often happens that scientists say, ‚You know that’s a really good argument; my position is mistaken,‘ and then they would actually change their minds and you never hear that old view from them again. They really do it. It doesn’t happen as often as it should, because scientists are human and change is sometimes painful. But it happens every day. I cannot recall the last time something like that happened in politics or religion.
Carl Sagan, 1987

Da hat Sagan mal ausnahmsweise nicht ganz recht. Bei überzeugten Kreationisten, die fast ausnahmslos wiedergeborene Christen sind, ist es so gut wie jedes mal so, dass sie dir erklären: „Weisst du, früher war ich auch ein Atheist und glaubte an die Evolution. Ich war an genau dem Punkt, an dem du dich jetzt befindest, doch dann erkannte ich die Wahrheit und fand zu Gott.
Man kann also nicht sagen, dass die christlichen Fundamentalisten nicht einen Paradigmenwechsel durchgemacht hätten. Im Gegenteil, dieser ist beinahe schon eine Grundvoraussetzung für die Wiedergeburt, bei der sie alte Überzeugungen über Bord werfen und sich für Jesus entscheiden. Wobei sie diesen Gesinnungswandel jedoch nicht, wie Sagan es bei Wissenschaftlern beschriebt, von da an unerwähnt hinter sich lassen, sondern sie reiben es jedem bei jeder Gelegenheit unter die Nase.
Am liebsten sind mir indessen jene, die diesen Schritt im zarten Alter von 12 ± 3 Jahren vollzogen haben.

Fazit vom Weekend of the Doctor

1:12

Schade, das hätte lustig werden können.
Die Vorlage wurde zwar klar abgelehnt, doch es hat immerhin jeder dritte dafür gestimmt. Die Bedürfnis nach einer faireren Lohnverteilung kann man daher nicht als eine Phantasmagorie von ein paar Spinnern abtun. Das Vertrauen, dass die Wirtschaft das selbst wieder in vernünftige Bahnen zu lenken schafft, ist verschwindend klein und der Handlungsbedarf ist eindeutig.
Von daher ist es ziemlich fragwürdig, wenn die Menschen, die der Initiative ihre Stimme gaben, als neidgetriebene Kommunisten gebrandmarkt wurden.

Die Befürworter haben eine Vorstellung darüber, wie sich der Lohndeckel auf die Wirtschaft auswirken würde. Die Gegner haben eine andere Vorstellung darüber. Doch wie es konkret rauskommen würde, steht – solange man es nicht einfach mal ausprobiert – in den Sternen.

Doctor Who

Downloadverbot

Eigentlich wenig überraschend, dass so etwas früher oder später kommen wird. Nicht, weil die böse Musik- und Filmindustrie dahinter steckt, sondern weil sich damit Geld machen lässt. Und daran ist eigentlich noch nichts schlechtes. Wofür wir nichts bezahlen, bezahlen wir indem wir Werbung über uns ergehen lassen. Die lassen wir uns zwar auch auf Download- und Streaming-Seiten über uns ergehen, doch geht das Geld dort nicht dorthin, wo es hingehört.
(Hierzu schreibe ich gerade an einem Artikel, der bald mal online gehen sollte.)

 

Ironischerweise wäre der Day of the Doctor für viele mit einem solchen Verbot nicht nur zeitverzögert, sondern gar nicht möglich gewesen.
Und bezeichnend ist auch, dass nun raus gekommen ist, dass der neunte Doktor eigentlich der zehnte ist und der Kriegsdoktor der neunte. Was dann aus dem zehnten Doktor den elften macht und den elften zum 12.
Die grundlegende Verbundenheit aller Dinge zueinander ist mal wieder offensichtlich.

Experimentalpolitik

Experimentalpolitische Vorstösse

  • 1:12
  • Abschaffung der Polizei
  • Artgerechte Maschinenhaltung
  • Atomausstieg
  • Ausländerstimmrecht
  • Bedingungsloses Grundeinkommen
  • Buchpreisbindung
  • Fenchelverbot
  • Frauenstimmrecht
  • Fremdsprachenunterricht: Jede Gemeinde eine andere Sprache
  • Global gleicher Lohn für gleiche Arbeit
  • Keine Abzüge bei Steuern
  • Keine wirtschaftlichen Beziehungen mit kriegsführenden Ländern
  • Krasse Investition in Bau von Zeitmaschinen
  • Religionverbot
  • Uni-Stipendien für Strapsenträgerinnen
  • Verbot von Genen in Nahrungsmitteln
  • Wahlrecht für Tiere
  • Weihnachten 24 Tage nach dem ersten Schnee
  • Zeitumstellung immer nur in die gleiche Richtung
  • Zwangshomosexualisierung

Ich habe zwar meine nette politische Position, doch wenn es darum geht, was man konkret umsetzen soll, dann vertrete ich eine knallharte Experimentalpolitik. (Links zur Illiustration ein paar Beispiele, die ich sofort befürworten würde, selbst wenn einige davon ganz und gar nicht meiner politischen Agenda entsprechen.)

Ich bin dafür all diese Dinge mal umzusetzen, nicht weil ich denke, dass sie die Schweiz und die Welt besser machen, sondern weil man nur so rausfinden kann, was sich tatsächlich draus entwickelt.
Zugegeben, Voraussetzung dafür sind schlanke politische Prozesse. Denn es könnte verhängnisvoll sein, wenn man beispielsweise mal aus Neugier das Essen verbietet und man 3 Jahre warten muss, bis man es wieder erlauben kann.

Politik ist für einen Experimentalpolitiker das zum Schweigen bringen unbegründeter Spekulationen. Und als Bonus die Möglichkeit einen Teil der Bevölkerung sagen zu lassen: „Seht ihr, ich hab’s ja gesagt.“

Ich frage mich, ob es ethisch verwerflich wäre auf Basis der Experimentalpolitik ein staatliches Wettbüro zu eröffnen? Damit holt man die Verluste wieder rein und darüber hinaus hätten die Astrologen und Wahrsager endlich eine gesicherte Einnahmequelle.


Selbstverständlich gibt es aber gewisse Themen, die kategorisch nicht zur Debatte stehen, weil sie höheren Interessen unterliegen:

  • Einführung der Todesstrafe
  • Abschaffung von Impfungen
  • Rücknahme eines eventuellen Fenchelverbots

Zukunft der Piratsphäre

Stellen wir des Arguments wegen einfach mal die folgenden beiden Prämissen über die Piratenpartei auf:

  • Von allen Parteien haben wohl die Piraten die wenigsten Skrupel kopiergeschütztes Material aus dem Netz runter zu laden.
  • Von allen Parteien hat wohl die Piraten den grössten Anteil an Trekkies.

 

Böse Zungen behaupten ja, dass die Deillegalisierung ihres Filesharingverhaltens überhaupt der Grund war die Piratenpartei zu gründen. Doch muss man zu ihrer Verteidigung anmerken, dass das Richtige selbst dann das Richtige ist, wenn es ursprünglich aus nicht ganz so edlen Motiven gefordert wurde.

Eine weitere Forderung der Piraten ist die Stärkung der Bürgerrechte und da insbesondere der Privatsphäre. Das zeugt allerdings von einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit, denn für den Fall, dass sich die Legalisierung von Privatkopien sich nicht durchsetzen lassen sollte, entzieht man den Behörden vorsorglich die Möglichkeit Verstösse auf legalem Weg herauszufinden.
Insofern ist das Parteiprogramm eine Absicherung für alle Eventualitäten. Und wenn alles andere nicht wirkt, kann  man sich immer noch auf die parlamentarische Immunität berufen.

Doch selbst wenn die Piraten allesamt verschlagene Seebären wären, so bedeutet das nicht im Geringsten, dass eine Reform des Urheberrechts, des Patentrechts und der Bürgerrechte nicht dringend notwendig ist. Die Piraten würden davon profitieren, doch das sollte uns nicht die Augen davor verschliessen lassen, dass auch alle anderen davon profitieren würden.

Und vielleicht würden wir in einer nicht allzu fernen Zukunft in einer schönen neuen Gesellschaft leben, wie sie die Trekkies an ihren Wochenenden nachspielen.
Es entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie, dass es mit der Privatsphäre im Star Trek Universum nicht mehr sehr weit her ist. Man hat zwar die volle Entfaltungsmöglichkeit, doch aufgrund der Technologie weiss man zu jedem Zeitpunkt, wer was wo macht. Und nur der Edelmütigkeit ist es zu verdanken, dass diese Informationen nur in wirklich sehr dringenden Fällen angezapft werden.
Nicht nur weiss man, wie gesagt, wer was wo macht, man kann auch ganze Raumschiffe und Planeten scannen, den ganzen Körper durch medizinische Trikorder checken und einfachere Eingriffe zum Wohl des Gebeamten und aller anderen automatisch durch den Transporter durchführen lassen. Und nicht zuletzt speichert man auch alle seine Log- und Tagebücher auf dem gleichen System.
Und niemand stört sich an dieser allgegenwärtigen Überwachung.

Selbst die Trekkies unter den Piraten nicht.

Die Grenzen des Autoritätsbias

Das Autoritätsargument ist ein Fehlschluss – zumindest so lange, wie die überprüfbaren Belege der erwähnten Autorität nicht nachgereicht werden können. Wenn man diese hingegen nachreichen kann, dann ist das eine bequeme und legitime Abkürzung.

Der Autoritätsbias ist etwas ganz anderes. Das ist unsere natürliche Tendenz die Meinung einer in der Hierarchie uns übergeordneten Persönlichkeit zu übernehmen. Das ist eine natürlich, nicht immer unproblematische, soziobiologisch Reaktion.
Bisweilen wird allerdings statt von der in der Hierarchie übergeordneten Persönlichkeit auch einfach von einem Spezialisten gesprochen. Dies klingt zwar weitgehend deckungsgleich, impliziert jedoch, dass es hier nicht mehr um das Sozialverhalten, wo man die Gültigkeit einer Aussage allein aus der übergeordneten hierarchischen Position der Autorität ableitet,  sondern um die Qualität der Argumentation, welche durch überprüfbare und von Peers weitestgehend akzeptierten Belege gestützt wird, geht. Und das kann verhängnisvoll sein.

Beispielsweise wenn man leichtfertig dazu aufruft jeglicher Autorität gegenüber respektlos zu sein wie dies Rolf Dobelli in seinem Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ tut. Er baut seine Argumention auf verschiedenen Beispielen auf:

  • Keiner der Abermillionen von ausgebildeten Ökonomen schaffte es das Timing und den Hergang der Finanzkrise vorauszusagen.
    Stimmt, doch erhebt die Ökonomie überhaupt für sich in Anspruch genau dies exakt tun zu können? Dass einzelne Exponenten ein anderes Verständnis von der Präzision der Voraussagbarkeit in der Wirtschaft haben, ist ihre persönliche Fehleinschätzung und kann der Wissenschaft an sich nur sehr begrenzt zum Vorwurf gemacht werden.
  • Bis ins Jahr 1900 war es nachweislich besser als Kranker nicht zum Arzt zu gehen.
    Stimmt, weil die Ärzte zu jener Zeit nur „drei“ Krankheiten erfolgreich behandeln konnten und der Job des Arztes eigentlich nur daraus bestand zu schauen, ob die konkrete Krankheit eine jener drei ist und wenn ja die Therapie anzuwenden. Die Ärzte waren sich dessen bewusst, versuchten aber nichtsdestotrotz ihr bestes – und verschlimmerten die Sache in den meisten Fällen nur. Auch hier liegt eine persönliche Fehleinschätzung vor, begünstigt noch durch die Unkenntnis der Tatsächlichen Wirkzusammenhänge.
  • In Milgrams Experiment brachte der Versuchsleiter seine Probanden dazu andere Probanden im Dienste einer höheren Sache zu quälen.
    Stimmt, doch hier ging es darum den Autoritätsbias überhaupt erst nachzuweisen, indem man zeigte, wie leichtfertig die Probanden die Verantwortung an ihren Handlungen allein aufgrund einer anwesenden Autorität weiter zu geben bereit sind. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Milgram verschiedene Variationen dieses Experiments durchgeführt hat, wobei diese hier das mit Abstand deutlichste Resultat erbrachte.
  • Viele Unfälle in der Luftfahrt ereigneten sich weil der Pilot etwas übersah und der Copilot sich nicht traut es anzusprechen.
    Genau, hier haben wir es endlich tatsächlich mit einem unverfälschten Autoritätsbias zu tun.

 

Das Beispiel aus der Luftfahrt unterscheidet sich allerdings fundamental von den anderen dadurch, dass der Copilot, was das Wissen und die Erfahrung angeht, auf einem ähnlichen Level steht wie der Pilot. Sprich, er könnte diesen im Notfall ersetzen, wodurch sein Schweigen allein auf die Ehrfurcht vor der sozialen Stellung zurückgeht. Das ist jedoch beim Wirtschaftswissenschaftler, resp. Arzt des 19. Jahrhunderts nicht gegeben, weil hier ein Verhältnis zwischen Laie zum Spezialist vorliegt. Klar, was das Tippen auf Börsenkurse betrifft, kann der Normalsterbliche durchaus manchmal besser liegen, doch das ist nur winziger Bruchteil der Wirtschaftswissenschaften, die allerdings auch enthält, wieso es sich bei den Börsentipps genau so verhält. Und klar, ein Hahnemann hat zweifellos genau dadurch etliche Leben gerettet, dass er sprichwörtlich nichts gemacht hat, doch das ist nicht sein Verdienst und schmälert auch nicht die noch so bescheidenen Leistungen der Medizin.
In winzigen Teilgebieten der Ökonomie und der Medizin mag der Zufall zweifellos manchmal besser liegen, jedoch nie im Cockpit eines Flugzeugs. Und deshalb können wir auch nur aus dem Beispiel aus der Luftfahrt etwas lernen und die Erkenntnisse in anderen Branchen übertragen – was zweifellos mehr als angebracht ist.

Doch aus dem Beispiel mit dem Arzt verleitet dazu auch die moderne Medizin zu hinterfragen, inklusive beispielsweise des Impfens. Eine Einschätzung, für die es eigentlich eine wesentlich fundiertere Qualifikation braucht, als einen Analogieschluss.
Als ob das noch nicht schon genug wäre, knüpft Dobelli den Status dieser Spezialisten an Äusserlichkeiten statt an die Zustimmung ihrer Peers. Doch nicht die Überzeugung der Passagiere macht den Piloten zum Chef, sondern die des Copiloten um den Wissens- und Erfahrungsvorsprung. Und nicht der Titel macht den Arzt oder Wissenschaftler zu einem Experten, sondern die andauernde Bestätigung innerhalb des Diskurses mit seinen Fachkollegen.
Weiter merkt Dobelli an, dass in jeder Zeit andere Autoritäten sexy sind und man die Autorität gern fachübergreifend einzusetzen versucht. Das stimmt zwar, doch das ist der Fehlschluss „Autoritätsargument“ und hat mit dem Bias, wie gesagt, nicht viel zu tun.

Dies alles bedenkend, sieht auch Milgrams Experiment auf einmal etwas anders aus, als es vielleicht auf den ersten Blicke erscheint. Es gibt hier nämlich verschiedene Ebenen, auf denen die Autorität wirkt. Zum einen die technische, wo der Versuchsleiter sehr wohl besser als der Proband weiss, wie gefährlich die Stromstösse sind. Und zum anderen die ethische, wo dem Versuchsleiter aber keine besseren moralischen Urteile, die dies rechtfertigen würden, zur Verfügung stehen als dem Probanden. (Hier könnte man bestenfalls zu argumentieren versuchen, dass es sich hier um bedauerliche Opfer zum Wohl der Menschheit handelt. Und tatsächlich sind wir nicht selten geneigt eine solche Begründung durchgehen zu lassen.)

Unter dem Strich empfiehlt es sich den Autoritätsbias gegenüber einem Menschen nur dann abzulegen, wenn man in der Lage ist, ihn in seiner Aufgabe zu ersetzen. Wobei man sich hier höllisch vor dem Dunning-Kruger-Effekt in Acht nehmen muss, nämlich dass man sich umso sicherer ist etwas von einer Sache zu verstehen, je weniger man effektiv von ihr versteht.

Bald bin ich noch reicher…

Heute ist mir um 19:21 über Skype ein weiteres unglaubliches Angebot reingeflattert. Diesmal sogar von einem General.


 

Assalam alakum

With warm heart I write you this mail in confidential and in respect of my interest to invest my funds under your care.

I am Gen.Ahmed Yarba Sieda, I have served the Syria Army for 24years. During these years I served under different categories in many government agencies. I was the Assistant Sec. of the General Peoples’ Committee for Petroleum and Natural Resources before the agitation for the removal of leader President Bashar Assad started and the coming of the anti-government coalition forces. In this portfolio I made a lot of money through overdrafts and some minor contracts which I was given by the President Bashar Assad led government..

I intend to buy some properties and invest the rest in other businesses when I reach my retirement age. Unfortunately, my limbs are about to be amputated.

I am writing you this so that you can be of assistance and help me invest this money in your country in real estate or any profitable business of your interest. The said money is US$15 million, plus my spared salaries.This deal is 100% legal, so there is nothing to worry about.

Furthermore, in respect of the investment shall be offered a negotiable percentage endorsed by signatures for future references. All i need is your approval and trust.

Presently, I am in a private hospital in Saudi Arabia recovering from a serious injury I sustained during an air strike raid five kilometers south-east of the Syria capital city. If you are interested you can notify me through my e-mail for more details:
gen.ahmed_yarbasieda@yahoo.com


 

Ich werde also in absehbarer Zeit noch viel reicher sein (ich meine zusätzlich zum Geld von Herrn Ma­kram Azar, das schon in den nächsten Tagen eintreffen sollte).
Ihr lieben DisOrganizer-Leser könnt euch also gleich nochmal eine Wunschliste zusammenstellen und sie hier posten.

Die Kraft des Glaubens

Wenn man sagt, dass Millionen von Menschen aus ihrem Glauben die Kraft nehmen anderen Menschen zu helfen, dann mag man damit womöglich die Überzeugung dieser Millionen von Menschen wiedergeben, doch heisst das nicht, dass sie ohne ihren Glauben nicht geholfen hätten.
Denn wenn der Glaube tatsächlich verstärkt zur Hilfsbereitschaft motiviert, dann müsste man doch eigentlich ein deutliches Gefälle zwischen Gläubigen und Ungläubigen finden, oder nicht? Doch genau das tut man nicht. Vielmehr sieht es so aus, als ob diese Leute auch sonst geholfen hätten und dass der Glaube hier lediglich einem Bedürfnis, welches immer schon da war, einen Namen gab.
(Eine andere, wenn auch etwas weniger schmeichelhafte Interpretation der Daten könnte auch lauten, dass vom Glauben vorzugsweise asoziale Menschen angezogen werden, deren ursprünglich fehlendes Mitgefühl dann durch diesen auf ein normales Niveau angehoben wird…)

Der Glaube lässt die Menschen also nicht notwenigerweise mehr helfen, aber vielleicht lässt er die Helfer mehr riskieren? Am liebsten fern der Heimat, in Ländern mit bitterster Armut.
Interessanterweise scheint in diesen Ländern die Religion in der Regel eine sehr wichtige Rolle zu spielen – wenn auch aus Sicht der Helfer meist die falsche – während in Ländern, die sich nicht mehr soviel aus dem Glauben machen, die Hilfe nicht ganz so dringend ist.
In den „atheistischeren“ Ländern wird aber nicht weniger geholfen, sondern anders. Hier ist die Hilfe institutionalisiert, so dass das, was an anderen Orten von Menschen mit ihren beschränkten Mitteln aufopfernd geleistet werden muss, hier von weit mächtigeren Organisationen wesentlich effizienter übernommen wird. (Selbstverständlich funktionieren diese Organisationen viel zu oft alles andere als optimal, nichtsdestotrotz ist die soziale Sicherheit in den „atheistischeren“ Ländern in einem Masse gewährt, wie man in Gottesstaaten davon nicht mal zu Träumen wagte.)

Um es etwas provokativ zu formulieren: Wenn die soziale Sicherheit durch Institutionen gewährleistet ist, dann kann man es sich leisten, dass die Leute etwas kaltschnäuziger werden. In den Ländern mit bitterster Armut ist diese nicht gegeben und deshalb ist man auch auf den persönlichen Einsatz möglichst vieler Menschen angewiesen. Doch da es dort mit grosser Wahrscheinlichkeit auch mit dem Bewusstsein für die Menschenrechten nicht nicht besonders gut bestellt ist, wird die Hilfe wesentlich selektiver stattfinden und stigmatisierte Bevölkerungsgruppen tendenziell weniger in deren Genuss kommen. Und die Hilfe wird wohl auch nicht dergestalt sein, dass die generelle Situation zu ändern versuchen würde.
Die institutionalisierte Hilfe ist demgegenüber vergleichsweise blind, was Geschlecht, Hautfarbe, Sprache, Religion oder sexueller Orientierung betrifft, und neigt langfristig dazu die ganze Situation zu ändern.

Unsere Vorstellung davon, wie man Menschen helfen soll, lässt sich ziemlich gut mit dem folgenden nicht aus China stammenden Sprichwort ausdrücken:

„Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt,
lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.“

Doch ist das leider eine romantisch verklärte Vorstellung, die bestenfalls noch in einer Jäger- und Sammlerkultur ihre Gültigkeit hätte. Heute braucht’s dazu ne Lizenz! Schliesslich müssen ökologische, ökonomischen und ethische Auflagen erfüllt und irgendwann mal Steuern bezahlt werden.
Wenn man heute jemandem in persönlichem Einsatz das Fischen beibringt, dann ermöglich man ihm vielleicht etwas länger dahin zu vegetieren, doch um ihm die Möglichkeit zur Entfaltung zu geben, braucht es wesentlich mehr.