Missionieren ist Völkermord an den Toten

Die Wikipedia sagt uns über den Völkermord: Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

In der Regel erreicht man das, indem man die Mitglieder der Gruppe tötet, doch es geht auch anders – zumindest was die nationalen und religiösen Komponenten betrifft.

Man erkennt den Genozid an einer Menge Massengräber und einem deutlichen Bruch in der Kulturgeschichte. Wenn man die Massengräber aber mal ausser Acht lässt, dann wird es schwierig zu unterscheiden, ob in einem bestimmten Gebiet ein Völkermord oder eine Missionierung gewütet hat. Die Kultur ist danach nicht mehr die gleiche wie davor.

(Eine ganze Gruppe zu sterilisieren, sie aber noch bis ans Ende ihrer Tage ihre Kultur weiter leben zu lassen, wäre ebenfalls ein Genozid – jedoch einer ohne Massengräber.)

Das heisst, je nach dem, ob ich den Bruch vor oder nach der letzten Generation der alten Kultur lege, ist es ein Völkermord oder eine Missionierung. Im einen Fall hat man die Lebenden getötet und im anderen Fall gewissermassen die Toten.

Wenn man nämlich davon ausgeht, dass ein Volk eine Gemeinschaft von Menschen ist, die sich darüber einig sind aufgrund ihrer Kultur ein Volk zu sein, dann würden die Leute der vergangenen Kultur sich trotz gemeinsamer Ethnie und Sprache nicht mehr dem gleichen Volk zugehörig fühlen wie die Leute der neuen Kultur, denn alles, an was sie glaubten, hat dort keine Gültigkeit mehr.

Jede Veränderung der Kultur ist der Tod eines Volkes und die Geburt eines neuen. Das klingt natürlich wesentlich drastischer als es wirklich ist, denn das braucht keine Leben zu kosten. Vielmehr ist es einfach der natürliche Lauf der Dinge.
Doch wenn man hingeht und die Kultur vorsätzlich verändert, dann ist es Mord.

Evolution als Plot

Vampire sind cool. Sie sind zwar nicht real, aber es lassen sich spannende Geschichten mit ihnen erzählen. Das gleiche gilt für Werwölfe, Zombies, Gott oder auch Elfen, Einhörner und Conan den Barbaren.

Dann gibt’s natürlich auch reale Persönlichkeiten, die sich in die unterschiedlichsten Geschichten verirren. Keine SciFi-Serie, die sich nicht mal an einem Mord an Hitler versucht hätte. Und auch Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub ad-Dawīnī – hierzulande besser bekannt als Saladin, Albert Einstein oder Kleopatra tauchen immer mal wieder auf.

Es ist Ehrensache, dass man den realen Persönlichkeiten zumindest ein Pfitzelchen Authentizität erhält. So sollte Saladin Sand aus den Schuhen rieseln, Einstein irgendwie was weises sagen und Kleopatra eine wundervolle Nase haben.

Wenn jedoch die Evolution in Serien und Film auftaucht – meist in Form einer nächsten Stufe wie bei den X-Men – , dann stehen einem regelmässig die Haare zu Berge. Das ist zwar an sich schon mehr als bloss bedenklich, doch noch wesentlich schlimmer ist, dass die Kreationisten und Anhänger des Intelligent Design genau diese Karikaturen vor Augen zu haben scheinen, wenn sie über die Evolution herziehen.

Und Hüften lügen doch!

Nach langen, langen Jahren der stillschweigenden Ignoranz habe ich mir wieder einmal die Mühe gemacht und den Text eines echten Solid Gold Hits etwas genauer unter die Lupe genommen. (Ich schätze, dass der Ausdruck „Solid Gold Hit“ plastisch veranschaulicht, wie lange ich diese spezielle philosophische Disziplin, die so genannte Pop-Exegese, nicht mehr betrieben habe!)
Zur Auswahl standen unter anderem „Hardrock Hallelujah“ von Lordi (Ihr Titel „Bringing Back The Balls To The Rock“ würde zweifellos mehr hergegeben haben), „Crazy“ von Gnarls Barkley (Hier bedürfte wohl eher der Name einer Exegese) und „Sos“ von Rihanna (Wenn mich nicht alles täuscht, war „Tainted Love“ tatsächlich noch ein echter Solid Gold Hit).
Als Philosoph und Special Agent der CSI Oerlikon bin ich jedoch in erster Linie der Wahrheit verpflichtet und deshalb fiel meine Wahl schliesslich auf Shakiras „Hips Don’t Lie„, eine Coverversion von „Dance Like This“ auf dem „Dirty Dancing II“ Album (habe ich mir sagen lassen).
Abkupfern ist eine Form von Klauen, Klauen eine Form von Lügen und Dirty Dancing ist sicherlich auch nicht ganz koscher. Nichtsdestotrotz hat dies aber keinen nachweisbaren Einfluss auf den Wahrheitsgehalt der Message „Hüften lügen nicht“ von diesem erst-gemopsten-dann-gepimpten Song.
Bedauerlicherweise fielen aber die Ausführungen darüber, weshalb Hüften nun so offensichtlich nicht zu lügen imstande sind, eher dürftig aus. Weit mehr Raum bekamen da schon die Begeisterungsbekundungen der männlichen Protagonisten.

„I never really knew that she could dance like this“

Deren Euphorie geht angeblich sogar so weit, dass sie ihretwegen Spanisch lernen möchten:

„She makes a man want to speak Spanish / Como se llama, bonita, mi casa, su casa“

Letzteres heisst soviel wie: „Wie heisst du, hübsches Fräulein? Mein Haus ist dein Haus.“ Ich schätze, das ist etwa das Niveau vom Chuchichästli auf dem Basar von Istanbul, und wenn mich nicht alles täuscht, darüber hinaus noch in höchstem Masse anzüglich.
Dem scheint auch Shakira beizupflichten, denn sie warnt die Herren, dass man sich auf diese Weise nicht gerade beliebt macht bei den Frauen.

„Oh baby when you talk like that / You make a woman go mad“

Und dass sie stattdessen gut daran täten auf die Körpersprache zu achten um – nun ja – nicht übers Ziel hinaus zu schiessen.

„So be wise and keep on / Reading the signs of my body“

Und zu Übungszwecken, möchte man meinen, liest sie gleich mal ein bisschen an ihrem eigenen Körper vor.

„I’m on tonight / You know my hips don’t lie / And I’m starting to feel it’s right / All the attraction, the tension / Don’t you see baby, this is perfection“

Diese Zeilen haben mich nicht wenig überrascht. Statt zu zeigen, wie sich aus der weiblichen Feinmotorik Rückschlüssen auf die seelische Verfassung einer filigranen Persönlichkeit ziehen lassen, gerät sie über sich selbst in Verzückung und bestätigt den anwesenden Herren eindrücklich, dass sie eigentlich doch eine wirklich heisse Schnecke ist. Und dem wissen sie nichts entgegenzusetzen.

„Hey Girl, I can see your body movin’ / And it’s driving me crazy / And I didn’t have the slightest idea / Until I saw you dancin’“

An dieser Stelle bleibt mir nichts anderes übrig, als den pädagogischen Wert dieses Liedes massiv in Frage zu stellen. Die Männer sind jetzt zwar etwas besser in der Lage den Grund für ihre Erektion zu formulieren, doch fallen sie spätestens im Refrain wieder in ihre alten Basar-Verhaltensmuster zurück. Schade eigentlich.
Der Verdacht liegt ohnehin nahe, dass die Wahrheit, welche die beweglichen Hüften zu offenbaren fähig sind, höchstwahrscheinlich lediglich die sexuellen Qualitäten der Tänzerinnen betreffen.

Doch damit komme ich auf einen Punkt, der mir etwas Kopfschmerzen bereitet. Dazu muss ich jedoch leider etwas ausholen: Mollige Frauen sind attraktiver als knöchrige. Dem mögen Diätgurus, Pornoproduzenten und schwule Modedesigner zwar widersprechen, doch werden sie darin von Anthropologen klipp und klar Lügen gestraft. Reichlich Fettgewebe an der Frau erhöht nämlich die Chance einer erfolgreichen Schwangerschaft und Aufzucht des Nachwuchses. Und was wir als Attraktivität bezeichnen ist nichts anderes als ein Signal für möglichst günstige Startbedingungen bei der Weitergabe der eigenen Gene. Das heutige Schönheitsideal muss daher im Kontext der geologischen Zeiträume, innerhalb derer sich die Evolution abspielt, als unbedeutendes Modefürzchen betrachtet werden.
Fettgewebe ist also gut! Jedoch wohin damit? An die Beine? Das würde wohl das Gehen behindern. An den Kopf? Könnte problematische Fliehkräfte erzeugen. Als Höcker auf den Rücken wie die Kamele? Das ginge genauso wie am Bauch. Doch wenn man es an den Brüsten platziert, dann verstärkt es optisch die Milchproduktionsfähigkeit der Frau, obwohl es damit eigentlich gar nichts zu tun hat. Milchdrüsen und Fettgewebe sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das Gleiche gilt eben auch für den Hüftbereich, der ein gebärfreudiges Becken suggeriert. Es werden also Signale ausgesendet, welche im Betrachter falsche Schlüsse hervorrufen. Und das ist Lügen.
Der Wahrheitsgehalt von Shakiras „Hips Don’t Lie“ ist also so gut wie nichtexistent. Im Gegenteil könnte man sogar behaupten, dass die weibliche Hüfte (zusammen mit den Brüsten) womöglich sogar die erste Lüge der Menschheit war.

 

Nachtrag 15.7.2013: Eigentlich ist dieser Beitrag am 30. Mai 2006 um 19:07 im DisOrg erschienen, doch irgendwie hatte er sich in die Gegenwart geschlichen.

Magie durchdringt einfach alles

Rotkäppchen, Rappunzel und Dornröschen sind fiktive Personen und selbstverständlich glaubt keiner wirklich, dass historische Personen sind. Doch wenn es um Überbegriffe wie Hexen, Drachen und Vampire geht, sieht die Sache völlig anders aus und man wird kaum ein Fabelwesen finden, das nicht irgendjemand für real hält.
Man möchte fast meinen, der Mensch könne sich nicht vorstellen, dass etwas allein ein Produkt der Fantasie sei: Wenn etwas gedacht werden kann, dann muss es das auch geben. Und mit jeder Erwähnung schwinden die Zweifel – selbst wenn die Erwähnung explizit den fiktionalen Charakter unterschreicht.

Die gängige Erklärung für dieses Phänomen verweist in der Regel darauf, dass fiktive Reisszähne  erst seit relativ kurzer Zeit schärfer sein können als reale, und dass die Evolution des menschlichen Gehirns nun mal noch etwas hinterher hinkt. Das heisst, so lange wie unsere Instinkte gleich auf Abbild und Abgebildetes reagieren, werden wir wohl oder übel an den Osterhasen glauben wollen. Und manche werden diesem Wunsch dann auch nachgeben.

Da fragt man sich natürlich, wie die Welt heute wohl aussehen würde, wenn jener Homo ergaster, dessen Gehirn einen raffinierten Trick entwickelt hatte, der es ihm ermöglichte zuverlässig zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, nicht an einer Fischgräte erstickt wäre?
Vielleicht würden wir dann ein so intuitives Verständnis für Statistiken haben, wie wir es jetzt nicht haben. Vielleicht wäre uns die begrenzte Verallgemeinerbarkeit unserer Erfahrungen bewusst. Vielleicht würden wir nicht mehr mit Kausalitätszuschreibungen um uns werfen. Vielleicht würden wir den Wert von Doppelblindstudien zu schätzen wissen. Und vielleicht würde Werbung nicht mehr funktionieren. Und vielleicht wären uns die Religionen erspärt geblieben.
Finde ich auf jeden Fall mal nen Versuch wert. Meinen Segen zur Wiedergeburt hat er, jener Homo ergaster.

Bis dahin dürfen wir uns nicht wundern, dass sich keiner gross an pseudowissenschaftlichen Praktiken stört.

Froschkönig vs. Königsfrosch

Ist dem Königreich wirklich mehr gedient mit einem hübschen Prinzen als mit einem sprechenden Frosch?
Man überlege nur mal, wofür man einen intelligenten, sprechenden Frosch alles einsetzen könnte: Nachrichtendienstaufgaben, Erkundungsmissionen, strategische Insektenbekämpfung und nicht zu vergessen Wiederbeschaffung von golden, in den Brunnen gefallenen Gegenständen.
Und wenn er sein „Talent“ an die nächste Generation vererben kann, dann wirds erst richtig spannend. Das Problem beim Planet der Affen war, dass die beiden Primatenarten um die gleiche ökologische Nische gerungen haben. Und sowas kann nicht gut ausgehen. Mit intelligenten Fröschen würde sich dieses Problem nicht stellen.
Natürlich müssten ein paar, für viele wohl unangenehme Grundsatzentscheidungen getroffen werden und den Fröschen die gleichen Rechte wie den Menschen eingeräumt werden (weil andernfalls leider sowas wie Čapeks Krieg mit den Molchen drohen würde). Doch wenn man das hinkriegt – und ich denke, dass dies durchaus im Bereich des Möglichen liegen sollte – dann könnten die beiden Spezies in einer Symbiose neue ungeahnte Stufen der Zivilisation erklimmen.

Ist es im Ausblick auf solche Möglichkeiten nicht ungeheuer egoistisch von der Prinzessin das Wohl der Reiches und der ganzen Menschheit zugunsten ihres Liebeslebens zu opfern? Sollten nicht ausgerechnet Prinzessinnen zu Anderem, Höheren erzogen worden sein?

Nun gut, vielleicht bin ich auch nur ein Idealist und die Prinzessin hatte das alles gründlich durchdacht. Und womöglich ist sie zum Schluss gekommen, dass die Risiken trotz allem die Chancen überwiegen. Und deshalb hat sie den Frosch auch nicht geküsst, sondern an die Wand geschmettert.

Superhelden im Wandel der Zeit

Mit dem verschwinden von Drehtüren und Telefonkabinen verschwinden die letzten Rückzugsgebiete von Superman. Wie smart ist es, dass mein Telefon mir den nächsten Dönerladen vorschlagen kann, doch mit seiner puren Existenz und Verbreitung verhindert, dass ein Kätzchen vom Baum gerettet werden kann, ohne dass der Staatshaushalt wegen der enormen Kosten eines Feuerwehreinsatzes geschröpft wird?
Telefonkabinen sind eben nicht allein zum Telefonieren da.
Superman ist wahrscheinlich nur der erste, der den neuen Technologien zum Opfer gefallen ist. An nanotechnologisch behandelten Hauswänden, die Graffiti abweisen, kleben auch Spidermans Netz nicht mehr. Der Lichtverschmutzung vorbeugende Massnahmen verhindern, dass Commissioner Gordon guten Gewissens in Zeiten der Not das Batman-Zeichen in die Wolken projizieren kann. Kuscheljustiz und Wir-haben-uns-alle-ganz-doll-Lieb-Weltanschauungen lassen den Hulk in ein friedliches Koma fallen.
Entweder richten wir Superheldenschutzgebiete ein, oder wir finden uns damit ab, dass wir die jetzigen in Pension schicken und der Evolution die Gelegenheit lassen, uns neue zur Verfügung zu stellen. Superhelden, die an die aktuellen Nischen von Verbrechen und Technologien angepasst sind.

Trennung von Religion und Medizin

Auf dem Krankenschwesterstirnband in Avas Ärztekoffer ist ein rotes Kreuz. Für Ava ist das ein Symbol des Heilens, also malt sie es auf mein Bein, das sie kurz zuvor als gebrochen erklärte.
Ich finde, dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie basal diese „animistische“ Form der Medizin ist.  Und entsprechend profitiert die Religion davon, dass das Rote Kreuz auch das Kreuz des Christentums ist. Historisch wird dieses Detail der Hilfsorganisation wahrscheinlich überhaupt erst die Durchsetzung ermöglicht haben – ich vermute, weil die Trennung von Spiritualität und Medizin noch nicht so weit forgeschritten war wie heute -, doch ob es deshalb auch heute noch seine Berechtigung hat, möchte ich in Frage zu stellen.
Während sich der Säkularismus für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt, gibt es meines Wissens kein Konzept, welches sich explizit der Trennung von Religion und Medizin annimmt. Doch die ist allein schon deshalb notwenig, weil es das religiöse Denken ist, welches Schuldzuweisungen macht. Und die sind in der modernen Medizin definitiv fehl am Platz.
Die Schuldzuweisung ist übrigens auch ein zentraler Bestandteil der  Alternativ & Komplementärmedizin, allein schon damit, dass sie sich damit zu immunisieren versucht, dass sie erklärt, dass Zweifel an der Behandlung deren Effektivität verringert, wenn nicht gar verunmöglicht.Hier spielt natürlich auch noch der Placebo-Effekt eine grosse Rolle, doch da mein als gebrochen erklärtes Bein eine weitere Behandlung bedarf, muss ich diesen Aspekt auf etwas später verschieben…

Gott mag dumme Menschen. Warum macht er sonst so viele davon?

Auf den erst Blick möchte man meinen, dass man sich damit über das Konzept eines liebenden, persönlichen Gottes lustig macht, doch wenn man sich klar macht, dass Gott tatsächlich eine Schwäche für die geistig Armen hat (Matthäus 5:3), dann wird aus der von den Kreationisten gern gegen die Evolution angeführten Degeneration, die die gesamte Schöpfung seit dem Sündenfall durchdringt, nicht etwa ein Fluch sondern ein Segen. Man könnte es schon fast als einen liebenswürdigen Plan bezeichnen, mehr und mehr Menschen den Eintritt in den Himmel zu erleichtern. Dazu würde auch passen, dass die Gewalt in der Welt – auch es vielleicht nicht den Eindruck erweckt – stetig auf dem Rückmarsch ist. Dummheit scheint also den Frieden zu fördern. So lasst uns die Schulen niederreissen!
Ist es nicht etwas irreführend den biologischen und psychologischen Heilsweg des Herren als Degeneration zu bezeichnen?

Nicht ganz klar wird mir allerdings, wieso in Ländern und Gesellschaftsschichten mit schlechterer Bildung, was ja im Allgemeinen gern als Förderer der geistigen Armut betrachtet wird, die Gewalt höher ist? Hm… pfff… wieso zerbreche ich mir den Kopf… Gottes Wege sind unergründlich.

Anleitung zu einer erfolgreichen, weil seriösen Evolutionskritik

Sollte an der Evolutionstheorie wirklich etwas faul sein, dann kann man was dagegen tun.
Dazu sind aber die folgenden Regeln minutiös und exakt in der vorgegebenen Reihenfolge einzuhalten:

1. Hat die Theorie eine Schwachstelle? Dann zeig sie auf.

Das wars schon.

Eine alternative Theorie ist nicht nötig. Im Gegenteil, wenn diese Lücken hat, lenkt das nur von den Fehlern der eigentlich kritisierten Theorie ab.
Es empfiehlt sich im Vorfeld abzuklären, ob die vermeintliche Schwäche nicht bereits formuliert und von der Fachwelt zurückgewiesen wurde. Das erspart allen Seiten Arbeit. Es ist in der Wissenschaft nämlich leider nicht so, wie beispielsweise in der Religion, dass durch Wiederholung die Gültigkeit steigen würde. Von daher, sollte man eine Schwachstelle gefunden haben, die bereits zurückgewiesen wurde, dann sollte man die Begründung so formulieren, dass alle Fehlschlüsse und falschen Annahmen des Vorgängers elegant umschifft werden. Denn in der Tat bedeutet ein ungültiger Schluss nicht notwendigerweise, dass das Ergebnis auch falsch sein muss.
Noch ein Tipp am Rande: Bevor man damit an die Öffentlichkeit geht, lieber erst mal von einer Drittperson checken lassen. Mit Drittperson ist nicht ein Drittklässler gemeint, sondern eine neutrale bis skeptische Fachperson. Das kann Peinlichkeiten ersparen. Und wie will man die Fachwelt überzeugen, wenn es einem noch nicht mal bei einem einzelnen gelingt?

Ach ja und noch eins: Für den Fall, dass der Einwand stimmig ist, lieber schon mal den Frack in die Reinigung geben, denn ein Nobelpreis ist da auf sicher.

Die Ente

Wenn etwas läuft wie eine Ente, riecht wie eine Ente und aussieht wie eine Ente. Würdest du dann nicht sagen, dass der Designer uns hinters Licht führen will, wenn es keine Ente ist?

Grosse Ideen und der Weg zur Akzeptanz

Jede grosse Idee war mal ein absurdes Hirngespinst, das von der Fachwelt nur belächelt wurde. Und in manchen Fällen brauchte es leider eine zähe und langwierige Überzeugungsarbeit, bis sie sich durchgesetzte. Doch verlief der Weg zur Akzeptanz in der Fachwelt nie über den Kindergarten, wo sich die Knirpse selbst ein Bild machen sollten!
Wenn man Kinder etwas lehrt, auf dass sie es dann später mal in den Hochschulen durchsetzen, dann ist das meines Erachtens ethisch höchst bedenklich, denn auf diese Weise werden die Kinder von den Ideen instrumentalisiert. Instrumentalisiert, weil sie die Gültigkeit der Argumente, welche sie zu überbringen bestimmt wurden, noch gar nicht beurteilen können.

Die auf den ersten Blick sehr tolerant wirkende Position, dass sich jeder seine eigene Meinung bilden soll, verlangen die Fundamentalisten wenig überraschend allerdings nur dort, wo ihre Ansichten lediglich eine verschwindende Minderheit zu überzeugen vermögen. Bei anderen Themen setzen sie dagegen eher auf ein Verbot überhaupt Fragen zu stellen, was ja nichts anderes ist, als wenn man etwas als heilig erklärt. Ich denke da beispielsweise an die Abtreibung, wo das Leben heilig ist, an die Homosexualität, wo die Ehe heilig ist, oder Blasphemie, wo die persönliche Beziehung zu Gott heilig ist.

Thermodynamik der Fundamentaltoleranz

Bis wohin die eigene Meinung gebildet werden soll und ab wann es heilig ist, lässt sich witzigerweise ziemlich exakt bestimmen:

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein allgemein als gültig anerkanntes Argument für eine bestimmte Ansicht aus ideologischen Gründen nicht akzeptiert, sei pi.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein allgemein als gültig anerkanntes Argument für eine bestimmte Ansicht zufällig nicht akzeptiert, sei pz.
  • Dann wird so lange auf die eigene Meinungsbildung gesetzt wie pz > pi ist. Sobald sich das Grössenverhältnis umdreht, wird auf die Heiligkeit gepocht, weil die Zufälligen auch in den eigenen Reihen gefunden werden können und entsprechend wieder die Seite wechseln können.
  • Die Kindergartenkinder gehören übrigens zu den Zufälligen, weil es weder die Qualität des Arguments noch die Treue zur Ideologie ist, was sie überzeugt, sondern weil sie einfach alles nachplappern und glauben, was ihnen gesagt wird – und ob der Lehrer nun ein Theist oder Atheist ist, ist nicht nur in Istrien gewissermassen Zufall.

 

Noch eine relative Relativierung

Okay, wenn die absurden Hirngespinste Toleranz und Gleichberechtigung sind, dann sollte man es trotzdem machen. Nicht weil es dann ethisch wäre, denn das ist es strenggenommen noch immer nicht, weil die Kinder es noch immer nicht wirklich beurteilen können, sondern weil die positiven Konsequenzen am Ende überwiegen.
Okay, genau das sagen natürlich auch die Fundamentalisten über ihre Inhalte, doch ihr Kassensturz wird erst im Jenseits gemacht und entzieht sich damit leider jeglicher institutioneller Kontrolle.

Okay, die Thermodynamik der Fundamentaltoleranz ist schon ein klitzekleines Bisschen überzogen. Doch der Punkt bleibt: Wenn man Laien zwei Seiten präsentiert, wird die Verteilung der Anhänger nicht mit der Qualität der Argumente der beiden Seiten korrelieren, sondern wesentlich ausgeglichener sein, was natürlich den verrückten Theorien zugute kommt. Ein schönes Beispiel hierfür demonstriert der folgende Artikel über den Konsens bezüglich der Akzeptanz des Klimawandels.

Kreationismus in der Beweispflicht

Laut Reinhard Junkers Anmerkungen waren auf Noahs Arche ca. 600 Säugetiergrundtypen als Paare anwesend. 400 davon sollen später ausgestorben sein, was nur 200 für uns interessante übrig lässt. (Wieviele der von Gott ursprünglich erschaffenen Grundtypen einem jähen Ende nicht ausweichen konnten und es nicht auf die Arche geschafft haben, soll uns hier nicht weiter interessieren.)
Fest steht, dass aus den 200 interessanten Grundtypen auf der Arche innerhalb von 4500 Jahren sich mittels „Mikroevolution“ 5400 Arten entwickelt haben, die sich untereinander nicht mehr kreuzen lassen. Das ist etwa 1 neue Art pro Jahr. Sowas müsste doch auffallen! Insbesondere da es die dokumentierte Tierbeobachtung seit mehreren Jahrhunderten gibt und sie Säugetiere – obgleich oft scheu – nicht unbedingt zu jenen Arten gehören, für die sich niemand interessiert.
Man könnte einwenden, dass die Artentstehung vor allem am Anfang, also kurz nach der Sintflut, stattgefunden hat. Das ist plausibel, denn da mussten all die Nischen neu besetzt werden. Doch den Arten eine Degeneration zu unterstellen, die sie der Potenz zur Artbildung (völlig oder auch nur teilweise) beraubte, ist indessen nicht plausibel, weil in den 1500 Jahren zwischen der Genesis und der Sintflut ja ebenfalls eine Artbildung stattgefunden hat und deren Exemplaren dann nach der Sintflut das volle Potential des Grundtyps zur Verfügung stand.

Bei dieser enormen Potenz zur Mikrovariation dürfte es nicht weiter schwierig sein durch ein geeignetes Nischendesign eine neue Art hervorzubringen. Und zwar eine im biologischen Sinn, die sich mit ihrer Schwesterart nicht mehr kreuzen lässt. Oder man müsste nachweisen können, dass zwei Arten, die zur Zeit von Aristoteles noch kreuzbar waren, es heute aber nicht mehr sind. Und wir sprechen hier nicht mehr nur von den Säugetieren.

Wie sich mir die Sache offenbart, ist die Behauptung der Kreationisten, dass die vielen heute lebenden Tierarten sich aus wenigen Grundtypen entwickelt haben, durchaus überprüfbar, da sie eine Potenz zur Artentstehung postuliert, die weit mächtiger ist als die der Evolution.

Blasphemie

§261 des Strafgesetzbuchs:
„Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit
Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig verhindert, stört oder öffentlich verspottet, wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig verunehrt, wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.“

Wenn die Evolution wirklich, wie die Kreationisten immer beteuern, auch nur ein Glaube ist, dann machen sich diese bei ihrem Versuch, diese aus der Welt zu tilgen, strafbar nach Art 261 StGB. Allein schon ihre Lügen und Falschaussagen erfüllen völlig den Tatbestand. Was sich die Kreationisten unter der Evolution vorstellen und zu widerlegen versuchen, ist nämlich lediglich eine naive und erbärmliche Karikatur derselben.
Sie haben eine völlig falsche Vorstellung von der Evolution und glauben dennoch beurteilen zu können, dass sie einerseits falsch ist und andererseits in der Schule relativiert werden sollte. Andererseits haben sie eigentlich schon recht, dass ihre Evolutionstheorie falsch ist. Bloss, dass man leider draus nicht auf den Status der echten schliessen kann.

Wer schrieb die Bibel?

Ich habe mal gelesen, dass die Evolutiontheorie Teufelswerk sei. Das gleiche habe ich auch schon über den Koran gehört. Es sieht also so aus, dass wenn der Teufel was schreibt, es offenbar Sinn zu machen scheint. Zumindest für viele. Aber nicht alle. Eigentlich exakt so viele, dass diese mit denen, die es nicht überzeugt, sich maximal in die Haare kriegen können. Denn wären es zu wenige, würde man es vergessen, wären es zu viele, würde es alle überzeugen, irgendwo dazwischen steckt das Potential für Blutbäder.

Seltsamerweise scheint auch die Bibel nur 2 von 7 Milliarden Menschen zu überzeugen, womit es exakt irgendwo dazwischen wäre.