King of Gütsch

Als ich mal klein war, habe ich Michael Jackson einen Brief geschrieben, in dem ich ihm anbot, dass er, sollte es ihn mal in die Schweiz verschlagen, ohne weiteres bei uns in Luzern wohnen könne. Meinen Eltern habe ich davon zwar nichts erzählt, aber das wäre schon in Ordnung gegangen.
Ob ich den Brief überhaupt abgeschickt habe, weiss ich nicht mehr, reagiert hat Michael Jackson auf mein Angebot auf jeden Fall nicht. Ich ging bis jetzt immer davon aus, dass er den Brief wohl bei der gleichen Gelegenheit verloren hat wie seine Nase. Sowas kann passieren.
In der Zwischenzeit ist mir aber auch klar geworden, dass es das Schicksal nichtsdestotrotz gut mit mir gemeint hat, denn wer weiss, ob nicht auch ich andernfalls noch traurige Bekanntheit erlangt hätte.
Und nun muss ich lesen, dass Michael Jackson erwägt das Château Gütsch zu kaufen und sich in Luzern nieder zu lassen. Hat er meinen Brief also doch gekriegt und ihn bloss irgendwo verlegt? Ist er wieder aufgetaucht als er seine Neverland-Ranch aufräumte? Und hat er auch seine Nase wieder gefunden?

War er nicht erst kürzlich völlig pleite? Irgendwas mache ich scheinbar falsch mit dem Geld, das ich nicht habe.

Eiercognak

Ich habe den Eiercognak wiedererfunden!

Ich habe erst mal 6 Eier eingemaischt. Das heisst, ich habe sie vorsichtig in den Mixer gelegt und diesen dann für einige Sekunden eingeschaltet. Bei diesem Prozess geht es darum, die festen und flüssigen Eierbestandteile zu vermischen. Da auch dunkle Eier darunter waren und der Farbstoff bekanntlich in der Schale steckt, musste der Kelterprozess schon relativ bald erfolgen, so dass zwar die Aromastoffe genug Zeit haben um aus der Eierschale in die Maische zu gelangen, nicht aber der Farbstoff. Das Timing ist hierbei das Schlüssel zum Erfolg.
Im Kelterprozess wird der Eierbrei dann ausgepresst und damit die Eierrückstände (Trester) von dem Eiersaft (Most) getrennt. Aus den ca. 420g der Maische lassen sich ungefähr 310g Most gewinnen. Ich stand vor der Wahl, hier eine Zentrifuge zur Entschleimung einzusetzen, doch ich liess es bleiben, weil gegen ein bisschen Schleim ist ja nichts einzuwenden. Auch auf das Schwefeln habe ich bewusst verzichtet, da Eier ja selbst relativ viel Schwefel enthalten. Sowohl Oxidation als auch mikrobieller Verderb sollten daher eigentlich nicht drohen. Und die gewünschten 40 mg Schwefeldioxid pro Liter im fertigen Eierwein werden wohl schon da sein.
Anschliessend fand die Gärung statt. Da ich mir nicht sicher war, ob sich auch tatsächlich Hefepilze auf der Eierschale befunden haben, und laut meiner Freundin sich in der Küche ganz bestimmt keine solchen befinden, habe ich zur Sicherheit noch etwas Gärhefe zugesetzt. Die Gärung dauerte dann 7 Tage und ich versuchte die Temperatur bei 15 bis 18° zu halten. Wieviel Prozent Alkohol der Eierwein dann enthielt, kann ich nicht sagen, da mir die nötigen Instrumente fehlen, aber ich schätze, dass es analog zum Wein zwischen 8 und 13 Prozent gewesen sein dürften. Tatsächlich ist dann auch irgendetwas Abgestorbenes zu Boden gesunken – ich vermute, dass es die Hefe war. Beim Abstich wurde diese dann entfernt und der Eierwein in ein kleines Barriquefässchen umgelagert. In diesem gärte er noch ein bisschen nach, die enthaltenen Eiweisse wurden nach und nach abgebaut und die Salze an den Wänden abgelagert.
Jetzt musste der Eiwein nur noch destilliert werden. Ich erhitzte ihn also in einer selbst gemachten Brennblase auf 80° C und erhielt dadurch den Rohbrand. Im zweiten Durchlauf habe ich nur den Mittellauf, den so genannten coeur aufgefangen, woraus der Feinbrand besteht. Das Ergebnis sieht zwar noch nicht wie Eierkognak aus und es riecht auch nicht so, doch nachdem ich es wiederum in einem Barrique ein paar Jahre lagern lasse, wird es wohl schon noch zu einem edlen Tropfen reifen.

Ich lade alle also heute schon ein mit mir am 7.4.2010 meinen ersten eigenen Eierkognak zu verkosten.

Mozart zum Kugeln

Das sind Nachrichten von der Art, wie ich sie mir wünsche. Keine Kriege, keine Krankheiten, keine Unfälle, keine Politiker, keine Diebstähle, keine Sexskandale. Bloss unglaubliche Enthüllungen, die alles, was wir zu wissen glauben, auf den Kopf stellen.
Heute im Kulturteil des Tagesanzeigers: Rossinis Opern sind Mozarts Werk. Da steht, dass Mozart mitnichten 1791 gestorben und in einem Massengrab verscharrt worden sei, sondern sich nach Italien absetzte und dort unter Rossinis Namen weiter Opern komponierte. Und das bis 1829.
Ganz besonders gefällt mir daran, dass damit die ganze Literatur zu Mozart (Mozartkugeln inklusive) von einem Augenblick zum anderen Makulatur wurde. Das nenn ich epistemologisches Recycling.

Und noch eine Bemerkung am Rande: Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft. Sollte es da nicht dem Souverän überlassen bleiben, zu entscheiden, welcher Artikel in der 1. April – Ausgabe die Zeitungsente ist?

in memoriam

U1_lemAm Montag, 27. März 2006, hat Stanislaw Lem im Alter vom 84 Jahren seine letzte Reise angetreten. Möge diese so spannend und unterhaltsam sein wie jene Expeditionen, auf die er seinerzeit Ijon Tichy in den Sterntagebüchern geschickt hat.

Obwohl seine Science Fiction radikal anders war, als alles was man für gewöhnlich aus dem angelsächsichen Raum kennt, so muss man doch ehrlich zugeben, dass er auf seinen Lebensabend hin eine gewisse Ähnlichkeit mit Meister Joda entwickelt hat.

Die Tücken der Zeitumstellung

U1_dali-uhrMan kann eine Uhr vorstellen, man kann sie nachstellen und man kann sie schräg aufhängen. Letzteres empfiehlt sich natürlich nur bei analogen Wanduhren. Die gehen dann zwar je nachdem fünf Minuten vor respektive nach, doch ist das ein kleiner Preis für die ersparte mühselige Fiselarbeit.
Ich glaube ohnehin, dass man die Bedeutung des Minutenzeigers masslos überschätzt. Wenn man zum Beispiel auf meine Freundin wartet, dann kann man ihn eh vergessen.
Die Umstellung von Sommerzeit auf Winterzeit ist ohnehin so eine Sache. Die einen finden sie gut, die Kühe weniger. Die ganzen Argumente für und wider, so wie sie zur Zeit und alle Jahre wieder durch die Medien schwirren, finde ich jedoch allesamt irrelevant. Das einzige was zählt ist folgendes: Die Umstellung im Herbst ist cool, die im Frühling lästig. Warum lösen wir das Problem also nicht einfach auf die demokratische Art und lassen die eine bestehen und schaffen die andere ab?
Damit würde sich unser Tageszyklus innerhalb von 24 Jahren einmal um sich selbst drehen und den Leuten (und Kühen) wertvolle Einblicke in die Zeitzonen der verschiedenen Kulturschaffenden gewähren. Es ist nur gerecht, wenn auch die Berufsgruppen, die nur Nachts operieren können, ihr Tagwerk auch mal bei Tageslicht erledigen.

Wickie ist ein Junge und daran gibt es nichts zu rütteln. Punkt!

Wickie als Mädchen verstehen zu wollen, verlangt schon eine gehörige Portion Selbsttäuschung. Wickie mag wohl die Haare lang tragen und das Beinkleid entbehrt auch nicht einer gewissen Ähnlichkeit zu einem Mini, doch hat letzteres absolut nichts zu heissen, denn ganz unzweifelhaft zieht die wikinger Damenmode Röcke vor, die bis zum Boden reichen. Und nur weil er ein bisschen feige ist und rosa Strümpfe trägt, muss er ja nicht gleich ein Mädchen sein.
Besonders hartnäckige Ignoranz wird von den Irrgläubigen jedoch an all jenen Stellen verlangt, wo über Wickie in der dritte Person gesprochen wird und bisweilen sogar mit jenem Pronomen, welches ziemlich deutlich zwischen den Geschlechtern zu unterscheiden vermag. Und wenn Halvar stolz verkündet, dass der Ursprung der Genialität seines SOHNES ja wohl klar sei, so ist Zynismus hier zwar eine durchaus legitime aber sinnlos abwegige Interpretationsmöglichkeit.
Abschliessen möchte ich meine Beweiskette mit einem Auszug aus dem Titellied, das wir alle mitgesungen haben: „Die Angst vorm Wolf macht IHN nicht froh, und im Taifun ists ebenso, doch Wölfe hin, Taifune her, die Lösung fällt IHM gar nicht schwer“.
Wie oberflächlich und abgebrüht muss man sein, dass man ob all dieser wirklich überdeutlichen Hinweise mit dem Geschlecht von Wickie ins schleudern kommt?

And the Oskar goes to…

„Bei der 78. Verleihung der Academy Awards feierte Hollywood vor allem sich selbst“, kommentierte so ziemlich jede Zeitung die Oskar-Verleihung vom vergangenen Sonntag und kopierte damit vor allem sich selbst. Statt hier aber mit linguistischen Spitzfindigkeiten kollektive Egoplagiatur aufzudecken, nominiere ich stattdessen den Dokumentarfilm „Der Tag, als die Beatles (beinahe) nach Marburg kamen“ von Michael Wulfes zum besten Film in der Kategorie „Was man sich am späten Abend mit der Schwiegermutter anschauen kann ohne rot oder gelangweilt werden zu müssen.“
Es ist die Geschichte vom Friseur Ferdinand „Ferdie“ Kilian, der 1966 mit der Ankündignung, die Beatles würden in Marburg zwei Konzerte geben, die Stadt in helle Aufregung versetzte. Nachgestellte Szenen und Interviews mit Zeitzeugen wechseln sich ab und skizzieren ein amüsantes Portrait der 60er Jahre. Dass Kilian selbst einem Betrüger aufgesessen ist und die Beatles niemals auftauchen sollten, ist die bittere Pointe, die dem Zuschauer erst in der letzten Szene und der schlafenden Schwiegermutter gar nie enthüllt wird.

Schneefreier Bauchnabel

„Siehst Du? Die hat auch sowas an“, beklagte sich im Bus ein Mädchen bei ihrem Vater und deutete auf ein anderes, das bauchfrei und bestöckelschuht draussen durch den Schnee stapfte.
„Die kriegt davon auch eine Lungenentzündung“, war die trockene Antwort ihres modischen Vormunds.
Der Schnute nach zu urteilen, welche nun das Mädchen zog, schien die Logik hinter dieser Replik alles andere als stringent zu sein. Denn was, bitteschön, hat eine Lungenentzündung mit einem rattenscharfen Outfit zu tun? Und kommt jetzt bitte nicht mit blöden Kausalitäten! Hier geht es einzig und allein um die Identität eines Mädchens, die auszudrücken und auszuleben es widerrechtlich behindert wird.
Und mal abgesehen davon, wenn der Vater schon seiner Tochter diesen Kleiderstil verbietet, dann sollte er ihm an anderen Mädchen auch nicht nachschauen dürfen.

Hühner im Weltall

In Anbetracht der gegenwärtigen Probleme, die uns die gefiederte Massentierhaltung in Kombination mit einer globalen Bazillenfreizügigkeit bereiten, liegt die Lösung geradezu auf der Hand: die Geflügelaufzucht in den Weltraum zu verlagern.
Da die Transportkosten zur Zeit jedoch geradezu astronomisch sind und darüber hinaus jeder Abholservice potentiell Krankheiten in dieses hermetisch abgeschlossene Hühnersystem einschleppen könnte, liesse sich sicher ein Mechanismus konstruieren, der die Hühner zu gegebener Zeit einfach auf die Erde katapultiert. Auf diese Weise würden sie erst im Vakuum optimal haltbar gemacht und dann beim Eintritt in die Eratmosphäre knusprig geröstet.
Und wenn man bedenkt, wie viel Platz da oben ist, so sollte eigentlich der Auslauf kein Thema sein.
Das einzige noch nicht gelöste Problem ist der Rückstoss beim Eierlegen.

Eine Frage der Würde

Sehr geehrte Schauspielerinnen und Schauspieler

Macht es euch eigentlich nichts aus, was ihr mit Literaturverfilmungen gelegentlich den Originalen antut? Ihr versichert uns doch jedes Mal, dass ihr dieses spezielle Werk schon seit der frühesten Kindheit abgöttisch liebt. Wie könnt ihr es dann zulassen, dass Passagen geändert oder gestrichen werden? Ich für meinen Teil glaube nicht, dass meine Lieblingsbücher einer Korrektur bedürfen. Ich liebe sie, so wie sie sind, eben gerade weil sie so sind, wie sie sind. Und ihnen – metaphorisch gesprochen – die Möpse zu vergrössern um sie einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen, betrachte ich nicht gerade als ein Zeichen des Respekts.
Natürlich ist ein Tiger, dem man das Fell mit Wasserstoff-Peroxid blondiert, die Krallen geschnitten und über die Schnauze einen Maulkorb gestülpt hat, noch immer derselbe Tiger, doch ist er auch noch immer interessant und aus den gleichen Gründen liebenswert?
So leid es mir tut, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als euch der wiederholten Mittäterschaft bei plastisch-chirurgischen Eingriffen an literarischen Werken zu bezichtigen. Ja, ihr habt euch einer fahrlässigen Verletzung der Bücherwürde schuldig gemacht! Was habt ihr zu eurer Verteidigung vorzubringen?

Diese hier vorgebrachten Vorwürfe mögen lächerlich erscheinen, in Anbetracht der grausigen Zustände die andernorts herrschen, doch bin ich davon überzeugt, dass die Anerkennung der Integrität eines Anderen, sei es nun ein Mensch, ein Tier oder ein Buch, die Grundlage einer jeden friedlichen Koexistenz darstellt.
Natürlich heisst das nicht, dass wir von nun an kein Fleisch mehr essen und keine Bücher mehr verfilmen dürfen. Alles, wofür ich plädiere, ist, dass man es mit Respekt und artgerecht tut.

Hochachtungsvoll & Rumpeldipumpel
Eda

Literarische Schützenhilfe

Egal worüber man auch brüten mag, ein Griff ins Bücherregal und man hat was, das wie auf einen zugeschnitten scheint. Sei es nun ein Liebesroman, ein Kochbuch oder Platons Phaidon, man findet tatsächlich in jedem einzelnen Buch Rat und Inspiration.
Drei Erklärungen sind denkbar für dieses Phänomen: Erstens, die Welt hat sich gegen dich verschworen und schiebt dir jeweils das richtige unter. Zweitens, du änderst unbewusst deine Grübelthemen so, dass das gelesene auf sie passt – hier hat sich offenbar dein Unbewusstes gegen dich verschworen. Oder drittens, du interprtierst alles metaphorisch und wendest die gewonnen Metaphern automatisch auf dein Problem an und entdeckst dass es doch irgendwie funktioniert – man könnte auch von selektiver Wahrnehmung sprechen.
Es wird wohl niemanden überraschen, wenn ich mich hier vehement für die dritte Variante stark mache. Ich glaube nämlich, dass unser gesamtes Denken metaphorisch strukturiert ist und wir daher gar nicht fähig sind „Etwas“ nicht „als Etwas“ wahrzunehmen. Das heisst, dass wovon wir auch sprechen, wir tun es immer in einer „als ob“-Form…
Das klingt jetzt ein bisschen wirr, das muss selbst ich zugeben. Schauen wir mal, ob ein Griff ins Bücherregal uns nicht Erleichterung verschaffen kann? Ich nehme das Buch „Excel 5.0 – Das Kompedium“ und schlage es auf einer zufälligen Seite auf. Seite 549, da steht: Das gleiche gilt für „Zeilen als Legendentext“. Das passt perfekt! Ich bin jedoch nicht sicher, ob auch für Euch…

Glanz und Glämmer

Laut 20min wurde Elle „The Body“ McPherson (42) vom Modemagazin „Elle“ zur Stilikone des Jahres 2006 gewählt. Sie setzte sich damit gegen ein ganzes Heer von jüngeren Kandidaten durch, denen jedoch durchs Band der richtige Vorname fehlte. Wer indessen in der Kategorie Silikone des Jahres das Rennen gemacht hat, konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ermittelt werden.

Geometrie des gesellschaftlichen Wandels

Ein weiteres soziologisches Werkzeug, das sicherlich mehr Beachtung verdient, ist die Choreographie der Covergirls auf Mode- und Schmuddelmagazinen.
Schaut man sich nämlich die Posen der leicht bekleideten, auf dem Cover abgebildeten Mädchen an, so stellt man fest, dass diese Bilder, wenn man sie als Einzelbilder einer Filmsequenz interpretiert, einen Bewegungsablauf skizzieren, der als eine tänzerische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist verstanden werden kann.
Damit müsste man eigentlich Helen Gurley Brown, Alexander Liberman, Diana Vreeland, Hugh Hefner und Larry Flynt in die Reihe der illustren Choreographen wie Frederick Ashton, George Balanchine, Pina Bausch, Pierre Beauchamp, Matthew Bourne, Fabritio Caroso, Jackie Chan, Chandralekha, Jean Cocteau, John Cranko, Merce Cunningham, Jean Dauberval, Sergej Djagilew, Anthony Dowell, Guglielmo Ebreo, Michel Fokine, Martha Graham, Sammo Hung, Kurt Jooss, Johann Kresnik, Sarah Levy-Tanai, Susanne Linke, Cesare Negri, John Neumeier, Jean Georges Noverre, Wazlaw Fomitsch Nischinski, Rudolf Nurejew, Gret Palucca, Roland Petit, Domenico da Piacenza, Jerome Robbins, Uwe Scholz, Konstantin Michailowitsch Sergejew, Nikolai Grigorjewitsch Sergejew, John Taras, Twyla Tharp, Youri Vamos oder Sasha Waltz aufnehmen.

Woran denkt da wohl der Che?

Ich frage mich, ob sich heute noch irgendjemand an Che Guevara erinnern würde, gäbe es nicht dieses eine Foto von ihm? Natürlich hat er seine Spuren hinterlassen in der Geschichte und von mir aus auch in der Theorie der Methodik, Strategie und Taktik des modernen Guerillakampfes, doch erklären diese seine von vielen bewunderten und von manchen verurteilen Leistungen nicht die Präsenz seines Conterfeis auf so vielen T-Shirs, Taschen, Socken, Unterhosen und Käppis.
Sein Bild ist ein Symbol fürs Revoluzertum, fürs Aufbegehren gegen das Establishment, doch im Zusammenhang mit der Mode ohne den Inhalt. Er ist sexy und die Alten mögen ihn nicht, was braucht es mehr?
All die Leute, die heute mit ihm und der mit ihm assozierten Rotzigkeit riesige Umsätze erziehlen, wären damals von ihm gleich als erstes umgenietet worden und zwar eigenhändig. Sicherlich, er wollte den Armen helfen, doch nahm er ohne Skrupel in Kauf, dass seine Entwicklungshilfe ein sehr blutrünstiges Geschäft ist.

Man hört bisweilen, dass so manch einer über die ausdrucksstarken Augen auf diesem hippen Portrait dazu angestiftet wurde, sich mit ihm selbst auseinander zu setzen, und dass daher in gewisser Weise die Modebrache als unbeabsichtigter Überträger des kommunistischen Virus an ihrem eigenen Grab schaufelt. Das ist wahrscheinlich Nonsens, aber das Argument ist trotzdem cool.