Politics wrecks your ability to do math

Ein wunderbares Beispiel dafür, wie stark, resp. gefährlich Bias sein können. Wie es scheint, wird das was wir glauben, weniger von der Logik, sondern viel mehr von der Ästhetik diktiert. Wobei unter Ästhetik hier die Harmonie mit unseren anderen Überzeugungen gemeint ist.

Helden – Wenn dein Land dich braucht

Heute Abend auf RTL Helden – Wenn dein Land dich braucht, ein Katastrophenfilm, wo das Unglück im CERN seinen Anfang nimmt.

Ich liebe solche Filme. Was die wissenschaftliche Plausibilität betrifft, ist das alles natürlich ausgemachter Blödsinn. Was die Wirkung angeht, so ist das äusserst bedenkliche Propaganda. Alles in allem also wohl eher etwas, was man dem Publikum lieber vorenthalten sollte.
Nichtsdestotrotz werden wohl nirgends die Träume und Ängste der Menschen besser dargestellt als in solchen Blockbustern (wenn man diesen Begriff für RTL-Produktionen überhaupt verwenden darf).

Wenn man etwas verändern will, muss man genau hier ansetzen. Denn das ist es, was das gemeine Volk über die Gesellschaft und die Wissenschaft denkt. Verschwörungen, Helden und Nerds in weissen Kitteln.
Nicht dass man glauben würde, dass es wirklich so ist.
Man denkt lediglich, dass es so wohl wahrscheinlicher ist als die Realität.
Und das ist bedenklich. Es zeigt nämlich, dass ein immer noch mythisches Weltbild mit moderner Technik kollidiert.
Es zeigt, dass das Konzept, dass Ereignisse nicht die Folge von Heldentaten einzelner sind, sondern aus den Handlungen vieler erwachsen, noch nicht wirklich verstanden wurde.

 

 

Eine Diskussion gewinnen

Wissenschaft ist wie Springreiten. Wenn was runterfällt, hat man verloren. Wenn nichts runterfällt, dann vergleicht man die Eleganz.
Das Problem ist, dass viele sich nur an die Eleganz klammern und völlig ignorieren, wie viele Hindernisse umgehauen wurden.

Prototyping

„Nur EIN Mensch war anders. Jesus. Er ist der Prototyp des neuen Menschen…“

Die Mutter von Jesus war Maria und sein Vater nicht Josef, sondern irgendein Gott.
Das macht ihn zu einem Menschen wie einen Kentauren zu einem Pferd.
Jesus ist ein ein Halbgott, ein Hybrid. Und wenn ein Mischwesen der Prototyp den neuen Menschen sein soll, dann stecken wir in ziemlichen Schwierigkeiten.

Wenn ich aus einem Auto ein Amphibienfahrzeugs bastle, dann kann das wohl kaum der Prototyp einer neuen Generation von Autos sein, wenn nicht auch die Produktionsweise der Autos entsprechend angepasst wird. Sich einfach eine neu Art des Fahrens anzueignen reicht einfach nicht.

Superman rettet nicht die Welt

Superman

Clark Kent hadert mal wieder mit dem Schicksal und fragt sich, was er mit seinem Leben und seinen Superkräften anfangen soll.
Sein (irdischer) Vater Jonathan (Kevin Costner) empfiehlt ihm Bauer zu werden. Das seien die Kents schon seit fünf Generationen.
Das hält der Mann aus Stahl – mit allem nötigen Respekt – für eine doofe Idee. Fakt ist aber, dass er als Superbauer mehr Menschen retten könnte als wenn er hie und da ein Kätzchen vom Baum rettet. Daher stellt sich die berechtigte Frage, ob sich Clark Kent nicht womöglich für die nette Seite der dunklen Seite der Macht entschieden hat…

Klar, Superman wurde mit seinen Fähigkeiten erfunden, damit er spektakulär dem Bösen entgegentritt. Doch jetzt mal ehrlich: Braucht es, um einem Schurken wie Lex Luther das Handwerk zu legen, wirklich Stärke und Flugtüchtigkeit? Reicht nicht auch solide Polizeiarbeit und die Steuerfahndung?
Im Prinzip würde es das, so Supermans Verteidiger, doch leider funktioniert das nicht in einem Land voller korrupter Polizisten und Politiker…
Sollte dann Superman sich nicht eher der Korruption annehmen als der Verbrecherjagd? Als Reporter beim Daily Planet wäre Clark Kent da sogar an der richtigen Adresse. Und wenn der Zeitung von zwielichtigen Interessengruppen Steine in den Weg gelegt würde, wer wäre da besser geeignet als Superman, diese wieder aus dem Weg zu räumen? Ja, er könnte im Notfall sogar die Zeitung selbst verteilen…

Reale Bedrohung

Gehen wir die Sache pragmatisch an. Welches sind die grössten Bedrohungen der Menschheit? Das Millenium Project listet die folgenden 15 Punkte auf:

  1. Nachhaltige Entwicklung der Welt und Klimawandel
  2. Versorgung mit sauberem Wasser
  3. Bevölkerungswachstum und Ressourcen
  4. Autoritäre Regime und Demokratie
  5. Langfristige Ziele in der Politik einführen
  6. Informationsgesellschaft für alle
  7. Ethisches Wirtschaften, das die Kluft zwischen Arm und Reich verkleinert
  8. Bedrohung durch Krankheitserreger
  9. Behörden und Institutionen handlungsfähiger machen
  10. Ethnische Konflikte, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen
  11. Rechte der Frau
  12. Organisierte Kriminalität
  13. Steigender Energiebedarf der Menschheit
  14. Wissenschaftliche und technologische Innovationen zur Verbesserung des Lebens
  15. Ethische Standards als Grundlage globaler Entscheidungen

Reale Lösungen

Manches davon sollte sich doch eigentlich relativ leicht mit Hilfe von Supergeschwindigkeit entschärfen lassen: Lieferung von Kondomen, Pizzas und Informationen, resp. Abtransport von Waffen, Viren und Demagogen (zugegeben, ein Abtransport ist ethisch nicht völlig unbedenklich, doch eine harmlose Verschiebung um jeweils 2 Meter sollte es eigentlich auch tun.)
Zur Lösung der Energieprobleme könnte man Superman in einen leistungsfähigen Laufrad-Strom-Generator stecken.
Auch artgerechte und risikofreie Landwirtschaft sollte dank Superman kein Problem mehr darstellen. Massentierhaltung und Monokulturen sind nicht mehr nötig. Geerntet wird individuell und aus dem höchst eigenen heimeligen Habitat.
Bergbau betreibt Superman im Asteroidengürtel, geliefert wird über den Weltraumlift, den Superman zu installieren geholfen haben wird.
Superman übernimmt die Müllabfuhr. Global. Und entsorgt auch den ganzen Müll, der die Umwelt belastet.
Und irgendwie wird sich sicher auch die eine oder andere seiner Fähigkeiten zum Rezyklieren eignen. Und ich bin sicher, Superman könnte auch mal für die Bienen einspringen und ihnen ihren wohlverdienten Urlaub ermöglichen.
Auch als Wahlbeobachter oder als Blauhelmstrumpf könnte er tätig werden und allein durch seine Präsenz so manche politische Situation entschärfen. Wenn er einfach vor Ort ist, wenn irgendwo Unrecht passiert, sollte das schon seine Wirkung zeigen. Vor allem, wenn er gleich eine Delegantion des UN-Tribunals mit sich führt.
Selbst als Versicherungsvertreter hätte er grosses Potential, denn ihm entgeht kein Betrug und alle bekommen, was ihnen wirklich zusteht – selbst wenn sie es selbst nicht wissen.
Und wenn er keine Skrupel hat Menschen auch gegen ihren Willen zu helfen, dann könnte er alle Menschen impfen.
Oder er könnte auch an Weihnachten den Santa Claus spielen.

So gut wie alle Probleme auf der Bedrohungs-Liste sind verursacht in der einen oder anderen Form durch einen Mangel an Effizienz. Sei es ein Herstellungsprozess, ein Filter oder eine Kontrollinstanz. Mit Superman ist das alles aber überhaupt kein Problem mehr, denn Effizenz = Ertrag / Aufwand & AufwandSuperman = 0.

Einschränkung

Das einzige Problem ist, dass sich so zwar durchaus eine schöne neue Welt aufbauen lässt, doch ist das Ganze nicht wirklich nachhaltig. Denn alles ist allein auf Superman aufbaut und selbst seine Ressourcen sind voraussichtlich nicht unerschöpflich. Es bleibt aber zu hoffen, dass seine Werke lediglich eine Starthilfe sind und die Sachen dann selbst laufen.

Supermans Verteidiger wird wohl nach dem Verbleib der Superschurken fragen. Die Frage ist berechtigt, doch ich denke, dass diese sich nicht weiter von einem Supermüllman bedroht fühlen würden und ihn daher nicht weiter bei der Arbeit behindern würden. Und ich bin auch überzeugt, dass der Schaden, den sie anrichten, trotz allem kleiner sein würde, als der Schaden, den Superman in der gleichen Zeit beheben kann.

Konklusion

Selbstverständlich sind die hier erwähnten Lösungen wohl selbst für einen Superman zu viel, geschweige denn von all den anderen Möglichkeiten, an die ich bisher noch gar nicht gedacht habe, doch allein schon das Umsetzen einer davon ist ohne Zweifel besser als nur eine einzige Stadt von der Kriminalität zu säubern.
Das heisst, der Moment, in dem sich Clark Kent dagegen entscheidet ein Bauer zu werden, ist der Moment, in dem der Welt ein Schritt in eine bessere Zukunft entgangen ist.

Briefwahl und die Dynamik der Meinungsbildung

Mich würde schon interessieren, wieviele Leute ihre Meinung noch ändern, nachdem sie ihre Stimme bereits brieflich abgegeben haben.

Zu viele ist natürlich nicht gut, denn dann entspricht das Ergebnis nicht mehr dem tatsächlichen Stimmungsbild. Hierbei wäre es allerdings interessant zu erfahren, ob der Meinungsumschwung vernünftigen Argumenten oder schnöder Angstmacherei geschuldet ist.
Zu wenige wäre aber auch nicht gut, denn dann haben es die öffentlich geführten Diskussionen offenbar nicht geschafft, die Erstentscheidung zu kippen, also eine Position die in der Regel bereits innerhalb vom Sekunden eingenommen wurde.

Je mehr ich so darüber nachdenke, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass es eine faszinierende Aufgabe wäre diese Dynamik der Meinungsbildung etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Und ich wette, die Parteien würden mich mit Geld und politischen Ämtern bestechen…

Die Qual der Wahl

Ich frage mich, wie lange ein Wähler durchschnittlich braucht um sich bei einem politischen Thema für die eine oder andere Seite zu entscheiden? Oft sind die Fragestellungen äusserst komplex und die Konsequenzen kaum abschätzbar. Ich tippe auf unter 30 Sekunden.
Und ich würde auch drauf wetten, dass höchstens ein mikroskopisch kleiner Teil später noch die Meinung ändert.

Wieso ist das so?

Es dem Einfluss der Hauspartei in die Schuhe schieben zu wollen, greift zu kurz, denn die Entscheidung fällt auch, wenn diese noch gar keine Parole rausgegeben hat. Was in Tat und Wahrheit dahinter steckt, ist das Weltbild, das man hat, und zu dem die Antwort auf eine politische Frage entweder kompatibel ist oder eben nicht.

Profi- und Laienverbrecher

Im seinem Buch „Denken hilft zwar, nützt aber nichts“ schreibt Dan Ariely, dass im Jahr 2004 sich in den USA der finanzielle Schaden durch Raub, Einbruch und Diebstahl auf etwa 16 Milliarden Dollar belief. Die Schäden aus Diebstahl und Betrug am Arbeitsplatz werden dagegen auf rund 600 Milliarden Dollar geschätzt. Hinzu kommen ungefähr 350 Milliarden Dollar an entgangenen Steuern sowie etwa 24 Milliarden Dollar in der Versicherungsbranche, die durch überhöhte Schadensmeldungen erschwindelt wurden. Ariely führt noch ein paar weitere Posten auf, ich will es jedoch damit mal gut sein lassen.
Unter dem Strich heisst das also, dass den 16 Milliarden Dollar, die von Berufsverbrechern erbeutet wurden, mehr als eine Billion Dollar, die von „Laienverbrechern“ erschwindelt wurden (und rund 12 Milliarden, die pro Monat des Jahres 2008 für den Irakkrieg aus dem Fenster geworfen werden), gegenüberstehen.
Zugegeben, das Verhältnis zwischen der Anzahl Profi- und Laienverbrechern wird wohl wesentlich kleiner sein als 1 zu 50, doch das heisst nicht notgedrungen, dass die Schadenssumme pro Ereignis auf der Seite der Laien entsprechend kleiner wäre. Statt mich hier in Spekulationen auszulassen, beschränke ich mich lieber auf ein paar Fragen:

  • Wie ist die Höhe des Schadens über die verschiedenen Einkommensstufen verteilt?
  • Wie ist die Verteilung des Schadenshöhe innerhalb der gleichen Einkommensstufe?
  • Wie sieht das Verhältnis zwischen Profi- und Laienbeuten in anderen Ländern aus?
  • In welche Richtung verschiebt es sich, wenn ein Land ärmer ist, und in welche, wenn es reicher ist?
  • Und in welche wenn es ärmer, resp. reicher wird?
  • Wie sieht das Verhältnis zwischen den Geldern aus, die man in die Verbrechensbekämpfung dieser beiden Sorten investiert?
  • Wenn man die die Verbrechensbekämpfung der einen Art mehr investiert, wie wirkt sich das auf die jeweils andere aus?

 

Okay, eine Spekulation kann ich mir aber doch nicht verkneifen: Wenn wir die Schadensmeldungen bei der Versicherung korrekt ausfüllen würden, könnten wir eigentlich komplett auf die Verbrechensbekämpfung verzichten, denn wir hätten alle unsere Verluste mehr als wieder wett gemacht. Und der allfällige, darauf folgende Anstieg der Diebstähle könnte man dann mit dem korrekten Ausfüllen der Steuererklärung locker kompensieren.

Der Orchestergraben zwischen Realität und Fiktion

In der Serie Navi CIS trinken die Agents dauernd Kaffee aus so überdimensionierten Pappbechern. Das ist dort ein gelungenes Stilelement und sieht auch irgendwie cool aus. Dass in allen Betrieben Informatiker mit einer Tasse durch die Gänge schlurfen, hat auch seine Berechtigung, denn das Funktionieren der IT hängt nicht so sehr von der Menge an Speicher und der Rechenleistung ab, als viel mehr vom Wachzustand dieser Nerds, die sich die Nächte mit ihren Rechnern um die Ohren schlagen.
Wenn nun aber distinguierte Geschäftsherren in Krawatte und Anzug mit tall-grande-venti Starbucks Pappbechern umherlaufen, so driftet dies buchstäblich gen lächerlich. Ob man etwas ernst nehmen kann, hängt nämlich auf fatale Weise von den Umständen ab. Smoking und KnopfImOhr sind coole Accessoires für einen Spion, im Kino am Türsteher vor dem Kinoeingang wirken sie jedoch geradezu grotesk – und dienen allein dazu, dem Türsteher im Gegenzug für den Egotrip weniger Lohn bezahlen zu können.
Im Kino funktioniert die Physik nun einmal ganz anders. Dort fällt der Apfel nicht wegen der Gravitation zu Boden, sondern weil der Boden unten ist und Äpfel nun mal nach unten fallen. Dort explodieren brennende Autos, weil es cool aussieht und man sich dann nicht mehr mit den zerfetzen Leichen auseinander setzen muss. Dort bieten Holztische im Saloon einen zuverlässigen Schutz vor dem Kugelhagel, weil so den Protagonisten mehr Zeit bleibt grösstmöglichen Schaden anzurichten. Und dort tragen Frauen so hohe Absätze, weil sonst ihr Allerwertester nicht hoch genug reichen würde und beim Mini unten raus schauen würde.

MbR – Management by Rumors

Es ist ein Fakt, dass den nächsten Schritten des Managements stets ein breites Spektrum von Gerüchten vorauseilt, von ernstzunehmenden bis hin zu haarsträubenden. Ebenfalls unbestreitbar ist, dass die Untergebenen ein grossen Teil ihrer kreativen Energie in die Weiterentwicklung und Verbreitung der Gerüchte investieren. Damit in direktem Zusammenhang steht, dass die Gerüchte einer gewissen Evolution unterworfen sind: unplausible und nicht originelle geraten in Vergessenheit, während plausible und originelle weiter verbreitet werden und eher sogar noch an Plausibilität und Originalität gewinnen.

Der gute Chef weiss dies zu nutzen, indem er sich all die Gerüchte anhört und das beste dann umsetzt.

Alle zusammen oder gar nicht?

Es ist eigentlich schon seltsam, dass, obgleich alle einer Siesta mit Begeisterung zustimmen würden, diese bei uns dennoch nicht praktiziert wird. Und mir bangt, dass es nicht daran liegt, dass man befürchtet damit produktiv nutzbare Arbeitszeit zu vergeuden, sondern daran, dass sich schlicht und ergreifend noch nie jemand getraut hat, es vorzuschlagen.
Auch die Gleichstellung der Frau wird wahrscheinlich nicht etwa durch die Böswilligkeit der Arbeitgeber und religiöser Fundamentalisten blockiert, sondern schlicht und ergreifend allein durch den Umstand, dass man sich der komplexen Konsequenzen gewisser Verhaltensmuster nicht bewusst ist. Und dass Tiere bisweilen unter unmenschlichen Bedingungen gehalten werden, liegt nicht an der Profitgier der Halter, sondern daran, dass diese sich nicht bewusst sind, dass Tiere auch nur Menschen sind. Und dass Waffenproduzenten weiterhin Haubitzen produzieren, gründet in dem nur zu verständlichen Missverständnis, dass diese nicht etwa verwendet werden um damit Spatzen für französische Luxusrestaurants zum Verzehr, sondern andersdenkende Menschen zum Verstummen zu erlegen.
Natürlich ahnen diese Leute, dass das, was sie da machen, womöglich nicht völlig über jeden Zweifel erhaben ist, doch gilt das nicht auch für jeden anderen ebenso? „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Und darüber hinaus, so ist dann meist weiter zu hören, wenn ich es nicht tue, so tut es ein anderer. Und das mit nicht annähernd so hohen hygienischen Standards – was insbesondere in Anbetracht der Infektionsgefahr bei einer Haubitzensalve natürlich gar nicht hoch genug gewürdigt werden kann.

Wieso fällt es uns so schwer zu erkennen, dass eine alteingesessene Handlungsweise offenbar Konsequenzen hat, die man nicht guten Herzens akzeptieren kann? Und waren es dann wirklich der Markt oder die Religion, die uns dann die ersehnte Veränderung am Ende doch noch gebracht haben?

Bumeranggeld

Pflichtbewusst habe ich heute am Postschalter gemeldet, dass der Briefmarkenautomat zwar fleissig Geldstücke entgegen nimmt, sich jedoch beharrlich weigert im Gegenzug irgendwelche Briefmarken rauszurücken. Und getreu der alten Zinggi-Regel scheinbar auch vom Umegäh nichts hält.
Die Schalterdame empfahl mir, es nochmals zu versuchen und einfach etwas länger zu warten. Geflickt könne der Automat ohnehin erst am Montag werden.
Ich habe ihren Rat nicht befolgt und überlege stattdessen, wie ich die 1.20 Fr wohl von den Steuern abzusetzen schaffe. Ich fürchte jedoch, das ist verlorene Liebesmüh. Typisch! Das einzige, was ich als vernünftigerweise absetzberechtigt empfinde, ist wohl das einzige, was nicht absetzberechtigt ist.

Der eine oder andere wird sich wohl fragen, weshalb ich da 1.20 Fr. rein geworfen habe, wo doch dies nicht unbedingt einer der üblichen Markenwerte ist. Nun, nachdem er den Franken geschluckt hat und davon scheinbar nichts mitgekriegt hat, versuchte ich den Automaten mit einem weiteren Zehnräppler „aufzuwecken“. Und als auch das nicht fruchtete, schickte ich einen zweiten Zehnräppler los, das andere Geld zurück zu holen. Irrer Gedanke, das ist mir schon klar, aber zu dem Zeitpunkt erschienen mir die Erfolgschancen durchaus passabel.
Stand oder stehe ich (und mit mir vielleicht die ganze Menschheit) womöglich unter einem Bann, der mich völlig irres Zeug machen lässt, wenn es ums Geld geht? Ich bin schliesslich auch fähig 50 Franken für absoluten Nonsens auszugeben, während es mich reut 4.50 Fr. in das Experiment zu investieren, wie viel Schaum in einer Rasierschaumdose steckt. Da darf es uns dann wohl auch nicht wundern, dass der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister Martin Bangemann nicht so genau wusste, wie viele Nullen eine Milliarde hat.

Entdeckung von Diskriminierendem

Wir finden es empörend, wenn man eine Meinung nur deshalb nicht ernst nimmt, weil sie von einer Frau geäussert wurde. Wir stören uns aber nicht weiter daran, wenn die Ansicht von jemandem nicht Ernst genommen wird, der in Jeans statt im Anzug kam. Natürlich halten wir es für oberflächlich, aber eben nicht für empörend. Und dabei handelt er sich doch hierbei um den exakt gleichen Mechanismus der Diskriminierung basierend auf nichtreflektierten Vorurteilen.
Und wenn mir nun jemand vorwirft, ich würde offenbar die während Jahrtausenden anhaltende Unterdrückung der Frau für ein gleiches Bagatelldelikt wie den Snobismus im Bezug auf Kleider halten, so missversteht er mich und demonstriert gleichzeitig par excellence, wie selbstverständlich und in keinster Weise revisionsbedürftig wir gewisse Dinge akzeptieren, von denen wir ja noch nicht einmal selbst überzeugt sind.
Ich glaube, das Problem ist nicht, dass man etwas für richtig hält, sondern dass man es nicht gleich für einen Skandal hält. Der Rest folgt dann aus der Dynamik der Sache.

(Stellt sich nun nur noch die Frage, ob ich nicht beispielsweise eine Bank verklagen kann, weil sie einen bestimmten Dresscode verlangt?)

Spiegelwelten

Während mehrerer Tausend Jahren wurden die Frauen von den Männern unterdrückt. Also lange genug, dass sich bei ihnen eine Resistenz hätte entwickeln können, welche es ihnen ermöglicht besser mit der Ungemach der Knechtschaft zurecht zu kommen.
Einschlägige Studien belegen, dass Frauen in ihren sexuellen Phantasien tatsächlich häufiger einen (einverständlichen) Kontrollverlust thematisieren als es Männer tun. Dies mag damit zusammenhängen, dass Frauen kulturbedingt, ob sie es nun wollen oder nicht, mit diesem Thema wesentlich mehr konfrontiert werden und dass sich dies logischerweise auch in ihren Phantasien niederschlägt. Doch man könnte es auch als ein Indiz für eine mögliche Prädisposition ansehen.
Nun stellt sich aber die Frage, ob dieser „Hang zum Kontrollverlust“ eine evolutive Anpassung innerhalb eines anhaltenden Machtgefälles sein könnte oder ob dieser womöglich bereits vorher bestand und die Unterdrückung lediglich begünstigte? Im zweiten Fall müssten dem biologische Ursachen vorausgehen – beispielsweise in der starken Mutter-Kind-Beziehung. Persönlich neige ich dazu dieser Hypothese recht zu geben.
Was daraus nun aber folgt, ist, dass all die utopischen Szenarien in so manch einem Science-Fiction, wo die Rollen von Männern und Frauen und ihren Machtverhältnissen einfach vertauscht sind, einer plausiblen Grundlage entbehren. Es ist also nicht nur eine Frage von Matriarchat versus Patriarchat, sondern eine der Aufgabenverteilung in der Aufzucht von Nachkommen. Und die ist längst nicht so flexibel, wie wir es gerne hätten. Zumindest nicht solange man an die Regeln der Biologie gebunden ist – was wir dank der modernen Technik nicht mehr ganz so sehr sind.
Damit will ich nicht sagen, dass sich die Geschichte nicht anders hätte entwickeln können, partnerschaftlicher beispielsweise, sondern dass das Machtgefälle zwischen den Geschlechtern sich der erwähnten Prädisposition eher bediente als ihm entgegen zu wirken.
Wenn das Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern auf natürlichem Weg spiegelverkehrt entstanden wäre, so wäre auch alles andere völlig anders geworden und zwar alles andere als spiegelverkehrt.