Es ist eigentlich schon seltsam, dass, obgleich alle einer Siesta mit Begeisterung zustimmen würden, diese bei uns dennoch nicht praktiziert wird. Und mir bangt, dass es nicht daran liegt, dass man befürchtet damit produktiv nutzbare Arbeitszeit zu vergeuden, sondern daran, dass sich schlicht und ergreifend noch nie jemand getraut hat, es vorzuschlagen.
Auch die Gleichstellung der Frau wird wahrscheinlich nicht etwa durch die Böswilligkeit der Arbeitgeber und religiöser Fundamentalisten blockiert, sondern schlicht und ergreifend allein durch den Umstand, dass man sich der komplexen Konsequenzen gewisser Verhaltensmuster nicht bewusst ist. Und dass Tiere bisweilen unter unmenschlichen Bedingungen gehalten werden, liegt nicht an der Profitgier der Halter, sondern daran, dass diese sich nicht bewusst sind, dass Tiere auch nur Menschen sind. Und dass Waffenproduzenten weiterhin Haubitzen produzieren, gründet in dem nur zu verständlichen Missverständnis, dass diese nicht etwa verwendet werden um damit Spatzen für französische Luxusrestaurants zum Verzehr, sondern andersdenkende Menschen zum Verstummen zu erlegen.
Natürlich ahnen diese Leute, dass das, was sie da machen, womöglich nicht völlig über jeden Zweifel erhaben ist, doch gilt das nicht auch für jeden anderen ebenso? „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Und darüber hinaus, so ist dann meist weiter zu hören, wenn ich es nicht tue, so tut es ein anderer. Und das mit nicht annähernd so hohen hygienischen Standards – was insbesondere in Anbetracht der Infektionsgefahr bei einer Haubitzensalve natürlich gar nicht hoch genug gewürdigt werden kann.
Wieso fällt es uns so schwer zu erkennen, dass eine alteingesessene Handlungsweise offenbar Konsequenzen hat, die man nicht guten Herzens akzeptieren kann? Und waren es dann wirklich der Markt oder die Religion, die uns dann die ersehnte Veränderung am Ende doch noch gebracht haben?