Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Warum sollten Frauen für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn kriegen wie die Männer? Ihr Friseur ist zwar teuerer und auch all die Schuhe müssen irgendwie bezahlt werden, doch verbrennen Männer, wie man gemeinhin weiss, mit demselben Körpergewicht mehr Kalorien als Frauen. Das Prinzip „gleicher (finanzieller) Lohn für gleiche Arbeit“ bedeutet demzufolge einen höheren (sättigenden) Lohn für die Frauen. Ist das wirklich gerecht?
Der Vorschlag dies als Kompensation der in der Vergangenheit erlittenen Ungerechtigkeiten zu verstehen, ist zwar verständlich, aber – zumindest wenn man nicht Anhänger der Erbschuld ist – nicht wirklich gerechtfertigt.
Eben gerade weil die Bedürfnisse jedes Einzelnen verschieden sind, darf die Perspektive, aus welcher man die Lohnungleichheit bekämpfen muss, nicht, wie oben, die der Arbeitnehmer sein, sondern jene der Arbeitgeber. Profit aus der Ungleichheit der Menschen zu schlagen ist nicht fair. Auf diese Weise werden sie nämlich gegeneinander ausgespielt und dienen lediglich als Mittel zum Zweck.
Woraus man einzig und allein Profit schlagen dürfen sollte, ist das Gefälle beim Know-how. Wer etwas besser, schneller, billiger oder glänzender produzieren kann, sollte das Geschäft machen und nicht der, der seinen Arbeitern, oder einem Teil von diesen, aufgrund irgendwelcher fadenscheiniger Argumente weniger zahlt.
Wie steht es nun aber mit Arbeiten, die ich billiger im Ausland machen lasse? Verstösst das nicht auch gegen das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“? Ich vermute fast, dass es das sehr wohl tut.
Man könnte einzuwenden versuchen, dass man doch einem Inder nicht Schweizer Löhne zahlen könne, schliesslich ist da alles viel billiger, doch ist dieses Argument wieder aus der Perspektive der Arbeitnehmer formuliert, was, wie wir gesehen haben, nicht wirklich zulässig ist. Der Clou hierbei ist, dass der Arbeitnehmer ja nicht notgedrungen all das Geld kriegen muss, das der Arbeitgeber für ihn ausgibt. Den Unterschied könnte man beispielsweise als Steuer verstehen, Geld, welches dem ganzen „armen“ Staat zugute kommt. Und trotzdem könnte es sich lohnen im Ausland zu produzieren, wenn dort das Know-how grösser ist.

Mir ist schon klar, dass ich der Marktwirtschaft damit womöglich den einen oder anderen Stein in den Weg lege, doch meine philosophische Intention war schon immer nur die utopische Gerechtigkeit.

Xundheit!

Manche Leute niesen, andere etwas häufiger. Und spätestens nach dem 5. Haptschi wird das „Xundheit!“-Wünschen natürlich lästig. Also ist man geneigt einen „Xundheits!“-Wunsch gleich für den ganzen Tag gelten zu lassen. Das ist an sich okay, hat aber seine Grenzen. Einen solchen Wunsch gleich auf einen ganzen Monat auszuweiten, birgt nämlich gewisse Probleme. Womöglich geht einem der andere nämlich mit der Zeit dermassen auf den Keks, dass man ihm statt der „Xundheit!“ lieber die Pest auf den Hals wünscht.
Während also nix zu sagen im schlimmsten Fall als unhöflich interpretiert werden kann, besteht beim kumulativen Vorauswunsch die akute Gefahr des dreisten Lügens. Und zumindest aus moralischer Hinsicht ist ersteres dem zweiten absolut und notwendigerweise vorzuziehen.
Andererseits hat der Nieser mit dem Dank zum „Xundheit“-Wunsch eine Art Vertrag abgeschlossen, dass er nun aber endlich gesund und ruhig sein würde. Und ein erneutes Niesen kommt daher einem Vertragsbruch gleich, der im Extremfall gar vor dem Bundesgericht landen kann.
Es empfiehlt sich daher sowohl aus moralischer als auch aus rechtlicher Sicht, keine „Xundheits!“-Wünsche für mehr als 42 Stunden zu akzeptieren.

Chicks n Jeeps

U1_autosaloonDer Autosaloon öffnet mal wieder seine Pforten und die Automobilindustrie lenkt mal wieder mit leichtbekleideten Damen von den kleinen Macken ihrer neuen Karossen ab. Letzteres hoffe ich zumindest.
Ich sehe ja durchaus ein, dass man die Vorzüge eines Hemdes am besten an einer Person demonstriert. Und es entbehrt auch nicht einer gewissen Logik, wenn diese Person dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Und so gern ich es täte, ich glaube nicht, dass man dessen magersüchtiges Erscheinungsbild einem fiesen Misanthropen anlasten kann. Vielmehr fürchte ich, dass wir uns da einfach irgendwie hineingesteigert haben.
Ich verstehe ja auch noch, warum auf Werbeplakaten für IKEA-Schränke sich eine sexy Schwedin lasziv an einen Leksvik schmiegt. Schliesslich bleibt dieser nicht stehen, wenn ihn keiner hält. Doch obgleich sie damit falschere Hoffungen wecken, lassen sie die Blondine nichtsdestotrotz weg.
Und natürlich kann ich nichts einwenden gegen die Nackedeis im Playboy. Immerhin würde man ansonsten die zoologische Sensation des Buschelschwänzchens ja nie zu Gesicht bekommen.
Und seit der Lektüre von Umberto Ecos „Platon im Stripteaselokal“ anerkenne ich auch den Verdienst der Entkleidungskünstlerinnen für die Ideenlehre. Ich bin zwar kein Anhänger von dieser, doch das ist nicht der Punkt.
Aber die schmucken Hostessen neben dem schicken Schlitten täuschen auch mit noch so detailliertem Fachwissen nicht darüber hinweg, dass ihre Beziehung zum Automobil nur schlüpfrigverträumter Natur ist. Und selbst das würde nicht so schlimm sein, wenn es nur nicht so offensichtlich wäre, so plump, so unendlich weit entfernt von jeder Raffinesse.

Ist das für die Frauen nicht erniedrigend? Wie fühlen sie sich bei so etwas? Doch kaum so, wie bei jedem anderen Job?
Gibt es im Modellbusiness eigentlich so etwas wie einen „Prestigeindex“ für die einzelnen Gigs? Etwas, das eine Arroganz-Hierarchie in dieser Berufsgruppe rechtfertigen würde? Ich bezweifle nämlich, dass sich Modelle, die auf den Laufstegen von Paris, New York und Milano die Haute Couture irgendeines schwulen Exzentrikers präsentieren, als ebenbürtig mit Kolleginnen verstehen, welche für Damenbinden im Fernsehen werben, Dessous in Erotik-Versand-Katalogen vorführen oder nackt auf Bierflaschen posieren. In die letzte – natürlich dennoch durchaus ehrenwerte – Kategorie zähle ich, wie wohl kaum jemanden überraschen dürfte, auch die Autosaloon-Tussis. Nicht so ehrenwert und gänzlich ohne Raffiness, fürchte ich, sind indessen diejenigen, welche die Mädchen für diesen Job engagieren…

Heute im Zug

Folgenden Dialogfetzen habe ich heute im Zug aufgeschnappt. Es unterhielten sich drei Teenies, zwei Jungs und ein Mädchen, über einen vierten.

Er1: Er ist auch kein Playboy oder so.
Sie: Ich würde nicht mal mit ihm, wenn ich einen Absturz hätte.
Er2: Er steht auf Frauen, die Opern hören.

Das brachte mich zum Grübeln. Es gibt Typen, die sind Playboys, und andere, die es nicht sind. Daran lässt sich nun mal nichts ändern. Dass Frauen jedoch ihre Absturzaffairen planen und gewisse Männer, vorzugsweise letztere, kategorisch ausschliessen, finde ich doch bestürzend. Und dass in einem solchen Umfeld einer jener Benachteiligten einen derart exquisiten Geschmack kultiviert, betrachte ich entweder als halsbrecherisch verwegen oder als durchtrieben raffiniert. Verwegen, weil er sich damit den Darwin-Award noch zu Lebzeiten sichern könnte. Und raffiniert, weil er sich hier auf ein bestimmtes Marktsegment spezialisiert, dadurch per Definitionem ein Playboy wird und sich so elegant dem kategorischen Ausschluss entzieht. Und wenn auch das nicht funktioniert, dann kriegt er wenigstens eins der nekrophoben Darwin-Award-Preisträger-Groupies ab.

Ich glaube nicht, dass sie über mich sprachen.

Ein hübsches Lächeln ist die beste Werbung

Als ich heute in den Zug einstieg, lächelte mir ein hübsches Mädchen zu.
Sie war irgendwo zwischen 16 und 19, schätze ich, also sollte ich wohl eher „eine hübsche junge Frau“ sagen, nicht? Für eine „Dame“ war sie zu jung und darüber hinaus trug sie keine Perlen, was sonst ein untrügerisches Zeichen für Damenhaftigkeit gewesen wäre. Aber „Frau“ klingt hier irgendwie zu reif und auch zu biologisch, so als ob ich anhand ihrer primären Geschlechtsmerkmale ihr Geschlecht bestimmt hätte, dabei hatten diese absolut keinen Einfluss auf meine Zuweisung des verwendeten ästhetischen Attributs. Ich könnte natürlich auch sagen, dass es „ein hübsches Ding“ gewesen ist. Das ist zwar ein niedlicher Ausdruck, doch kaum brauchbar auf einer etwas formelleren Ebene. Und „Tussi“, obgleich in diesem Fall vielleicht sogar zutreffend, lenkt die Gedanken in eine unbeabsichtigte Richtung. Ideal wäre an sich „Fräulein“, das klingt zwar hässlich, doch trifft es exakt die gesuchte Altersgruppe, nur leider ist das mittlerweile regelrecht verboten. Und „Mademoiselle“, „Signorina“, „Señorita“ oder „Slecna“ zu verwenden, wäre zwar an sich erlaubt – ja, es würde sogar irgendwie ziemlich hübsch klingen -, aber es ist leider viel zu gewöhnungsbedürftig.
Und überhaupt, „Frau“ ist eigentlich ein äusserst problematischer Begriff. Er bezeichnet nämlich vier völlig verschiedene Kategorien: die des biologischen Geschlechts („Frauen haben Eierstöcke.“), die der ehelichen Besitzanzeige („Meine Frau kocht.“), die der Art und Weise wie man über eine Frau spricht („Frau Hablützl singt.“) und in der Art und Weise, wie man eine Frau anspricht („Guten Tag, Frau Hablützl!“). Interessanterweise bestreitet der Mann diese vier Kategorien mit zwei verschiedenen Begriffen: „Mann“ und „Herr“.
Und wenn ich mich in der Phrase „eine hübsche, junge Frau“ auf die erste Kategorie beziehe, dann schimmern nichtsdestotrotz die anderen auch noch ein bisschen durch.
Und während ich so darüber das alles nachdenke, höre ich auf einmal wie sie über ihr Handy ihrem Chef zu erklären versucht, dass sie eben gerade jetzt bemerkt habe, dass sie ihr Werkzeug zuhause vergessen hat. Und dass sie überlege, nochmals schnell umzukehren und es zu holen. Doch leider ging das nicht, denn schon um neun würde sie Waschen und Legen müssen. Zum Glück etwas, wozu man kein Werkzeug brauche.
Wie es das Schicksal dann weiter mit ihr gemeint hat, weiss ich nicht, aber offenbar galt ihr entzückendes Lächeln weniger mir, als vielmehr meiner Frisur. Respektive deren Abwesenheit in Kombination mit dem Angebot ihrer kunsthandwerklichen Dienste.

Liebe in der Zeit des SMS

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie ich ein Natel benutzen würde, wenn ich eins hätte, und wie es ein Teenie benutzt, der es effektiv hat. Dieser Unterschied zwischen Konjunktiv und Indikativ ist exakt die Quintessenz vom berühmten Marshall McLuhanschen Schlagwort „the Medium is the Message“.
Ich würde mehr oder weniger die gleichen Anrufe tätigen wie bisher auch schon, vielleicht zu etwas anderen Zeiten. Meine Telefonrechnung dürfte sich eigentlich nicht sehr verändern und im Notfall würde ich schneller wieder aus der Lawine herausgeholt werden. Beim Teenie hingegen klingelt nun nicht nur das Natel dauernd, sondern auch alle anderen Telefone und Telegraphen in der näheren Umgebung. Die Telefonrechnung steigt exponentiell und im Notfall ist der Akku leer.
Das Natel wird nämlich, obgleich man es eigentlich kaum merkt, für etwas ganz anderes eingesetzt als das Festnetz-Telefon. Man darf sich aber vom „für etwas ganz anderes“ nicht irreführen lassen. Man spricht immer noch auf der einen Seite rein und hört es auf der anderen Seite wieder rauskommen. Was jedoch anders ist, ist das, was man da rein spricht, denn das Umfeld, in dem man es tut, ist völlig verschieden. Mit dem Natel tut man es im Bus, im Zug, nicht im Flugzeug, während man wartet, während man zu spät kommt, wenn einem eine Idee gekommen ist und wenn sie doch nicht so gut war. Demgegenüber kommt der Festnetzler im Zug gar nicht zum Sprechen, weil ihn das Abrollen des Telefonkabels komplett in Anspruch nimmt.
In der Evolutionstheorie gilt das Prinzip, dass verschiedene Nischen verschiedene Arten hervorbringen. Demzufolge müsste eine Art, die in der einen Umwelt telefoniert, sich allmählich mehr und mehr von einer anderen Art unterscheiden, die dies in einer anderen Umwelt tut. Damit behaupte ich nicht, dass wir in gleicher Weise der Evolution unterworfen sind, wie zum Beispiel Kaninchen, alles was ich sage, ist, dass ein anderes Medium eine andere Umwelt ist und dass diese einen Einfluss auf unser Denken und den gesellschaftlichen Diskurs hat. Was ich damit aber auch sage, ist, dass ich zwar ganz sicher weiss, dass die Teenies etwas anderes tun, ich aber nicht einmal ein Ahnung haben kann, was das ist.

Infitesimales Toilettenpapier

Kulturelle Unterschiede spiegeln sich durchaus auch im Toilettenpapier wieder (diese Formulierung ist beeindruckend mehrlagig!).
Es ist zwar etwas abwegig in einer kulturkritischen Diskusion Sylvester Stallone als ein vorbildliches Beispiel anzuführen, doch was er im Film Demolition Man auf dem Gebiet der „Toilettenhygiene im Wandel der Zeit“ geleistet hat, ist durchaus der Erwähnung wert: Aus einem Kryoschlaf erwacht, findet er auf dem Klo statt Toilettenpapier drei Muscheln, mit denen er bis ans Ende der Film einfach nichts anzufangen weiss.
Wenn man sich diesen und diesen Artikel in der Wikipedia so anschaut, so merkt man rasch, dass es so gut wie nichts gibt, was nicht zur Reinigung der Ausscheidungsorgane nach dem Stuhlgang oder nach dem Harnlassen verwendet wurde. (Bezeichnenderweise wurde in Japan das Toilettenpapier ausgerechnet in der Edo-Zeit eingeführt.)
Um was es mir hier jedoch geht, ist die Qualität des Papiers als ein soziologischer Inikator für dessen Verwendungsgebiert. Mir ist aufgefallen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Schmirgeleffekt des Toiletten- und dem preislichen Sinken des Aktienpapiers einer Firma gibt. Ob es auch im umgekehrten Fall eine Korrelation gibt, weiss ich nicht. Weiter ist mir aufgefallen, dass chilenisches Toilettenpapier dazu neigt sich im Kontakt mit Feuchtigkeit komplett aufzulösen. Dies ist bewundernswert in ökologischer Hinsicht, doch nicht sehr dienlich bei seinem eigentlichen Verwendungszweck. Argentinisches Toilettenpapier hingegen besitzt die verblüffende physikalische Eigenschaft, dass es mit dem Falten zwar schwerer nicht jedoch dicker und stabiler wird. (In beiden Ländern gehört das Toilettenpapier übrigens nicht ins Klo geworfen!)
Welche konktreten Schlüsse sich aus diesen Unterschieden ziehen lassen, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Ich will mich aber aber auch nicht als Soziologen verstanden sehen, sondern eher als soziologischen Werkzeugmacher.

Tic Tac Toe

Heute bin ich an der rechts abgebildeten Werbung für Diesel-Jeans vorbeigekommen. Zwei halbnackte Frauen spielen mit Peitschen Tic Tac Toe auf den Rücken eines ebenfalls halbnackten Mannes, der es sichtlich geniesst. Auch eine der beiden Frauen diente offensichtlich bereits als Spielbrett.
Ich weiss nicht recht, was ich davon halten soll. Umgekehrt nämlich, also dass zwei Männer eine Frau auspeitschen, wäre es wohl nicht gegangen. Ich schätze daher, dass es sich hierbei um eine jener Werbungen handelt, die auf eine sexy Weise mit Tabus zu flirten versuchen. Vom Konzept her also nichts neues.
Ich frage mich, welchen Einfluss diese rein kommerziell motivierten Tabubrüche auf die Gesellschaft haben. Nicht unbedingt die konkrete Werbung, sondern diese Form der Werbung.
Da es meines Erachtens die ureigenste Aufgabe der Kunst ist, Tabus auf ihre „Gerechtfertigkeit“ hin zu prüfen, übernimmt hier die Werbung zum Teil diese Aufgabe. Ich bezweifle jedoch, dass die Massstäbe mit denen sie eben jene „Gerechtfertigkeit“ prüfen, ethischer oder ästhetischer Natur sind. Ich schätze, es sind eher finanzielle Massstäbe. Das macht zwar nichts, doch die Unvollständigkeit ist bedenklich. Das heisst nämlich, dass sie wohl kaum ein Tabu brechen werden, das für sie kontraproduktiv ist. Zum Beispiel die Magersucht.
Ich würde sogar so weit gehen und die Hypothese aufstellen, dass Werbung nur mit jenen Tabus spielt, welche marktwirtschaftlich betrachtet hemmend wirken. Es wird also, um es moralisch populistisch auszudrücken, in Richtung der universellen Zügellosigkeit hingearbeitet.
Es ist durchaus zu begrüssen unsere Tabus gelegentlich zu überprüfen, andernfalls droht man in einen sturen Dogmatismus abzudriften. Doch heisst das nicht, dass diese Überprüfung zwangsläufig auch im Fernsehn stattfinden muss. Gewisse Themen sollten vielleicht einfach anderswo diskutiert werden. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Ideen durch verschiedenartige Mechanismen umherschwappen und das Medium ist schliesslich die Message.

Katjes?

Ich bin gestern beim Zappen irgendwo im „Deutschland sucht sein Supermodel“ hängen geblieben und musste erfahren, dass Luise ständig Phobien, Ängste und Krankheiten habe und dass sie sich zu sehr anstelle und einfach noch nicht soweit sei. Dem konnte ich natürlich nur beipflichten, aber – bitteschön – wer ist Luise?
Wenn mich nicht alle täuscht, dann wurde ich gestern Zeuge einer Next Generation vom Raumschiff Pig Brother. Diesmal kommandiert von Heidi Klum, der meines Erachtens uninteressantesten Frau der Welt – man erkennt sie eigentlich nur daran, dass sie garantiert keine andere ist. Wie dem auch sei, Ziel dieser Mission scheint es zu sein die unendlichen Abgründe der knallharten Modelbranche zu ergründen. Bloss dass mich die eigentlich gar nicht interessieren. Mich würde dagegen viel mehr interessieren, warum Vögel keine Höhenangst haben…
Wie es der Zufall will, bin ich kürzlich im Web über den Club der Hässlichen gestolpert, in dessen Manifest steht, dass die Mitglieder es als ein Unrecht betrachten, dass die Welt von der Schönheit regiert wird und dass sie diese Ordnung der Dinge nicht länger für sich anerkennen. Besonders interessant scheint mir aber der Punkt zu sein, wo sie erklären sich vom falschen Versprechen und der heimlichen Hoffnung befreien zu wollen, eines Tages selbst schöner zu werden.
Ich dagegen war eigentlich immer der Ansicht, dass nicht moralische Prinzipien unser Handeln bestimmen sollten sondern ästhetische. Ich verstand das aber nie so, dass an einer Kreuzung demzufolge Claudia Schiffer Vorfahrt vor Karl Dall haben sollte. Schönheit, wie ich sie verstehe, entzieht sich nämlich der Vergänglichkeit.

Mein Onkel Karel beschrieb mal einen Umzug von Missen in einem kleinen Kaff. Zuforderst auf einem sorgfältig verzierten Wagen sass ein bildhübsches, junges Mädchen. Über beide Ohren strahlend, den Zuschauern am Strassenrand Blumen zuwerfend. Auf dem nächsten, schon etwas kleineren Wagen sass die Miss des vorangegangenen Jahres. Und hinter ihr kam wiederum ihre Vorgängerin. Doch für sie gab es bereits keinen Wagen mehr, sie musste zu Fuss gehen. Und so zog sich die lange Prozession der Missen durch die Strasse. Jede etwas älter als die vorangehende. Ein paar Falten mehr, das Kleid etwas schäbiger und an manchen Stellen aus den Nähten platzend, das Lächeln etwas zahnloser. Und nach und nach fehlte der eine oder andere Jahrgang.

Vielleicht ist der ganze Schönheitswahn, der geradezu absurde Dimensionen anzunehmen beginnt, nichts anderes als der verzweifelte Versuch einer schnelllebigen Gesellschaft den Verfall zu kaschieren?

Fakir-Disziplinen

Feuerschlucken, über glühende Kohlen laufen, auf Nagelbrettern schlafen, Schlangen beschwören und all das andere Fakirzeug bezeckt im Grunde nichts anderes als im Zuschauer einen gruseligen Schauer auszulösen. In unserer Zeit muss man aber mehr bieten und viel, viel weitergehen um sich auch weiterhin die Glaubwürdigkeit zu blewahren. Daher schlage ich vor, das Gegen-den-Wind-Pinkeln in den Kreis der internationalen Fakir-Disziplinen aufzunehmen.

Gangsta-Mudda

Das heimliche Ethologie-Labor der UniZH ist bekanntlich die S12. Es ist daher nicht weiter überraschend, dass ich dort Zeuge einer erstaunlichen Interaktion innerhalb einer Gruppe etwas lauterer Halbwüchsiger wurde.
Alle bis auf einen waren meiner Sicht entzogen, doch dieser eine, nach eigenen Angaben ein gebürtiger Kroate, war geschniegelt und gestriegelt und trug schwarze Handschuhe (!).
Nach einem kurzen Begrüssungsritual in komparativer Linguistik, bei dem sie verglichen, wie man „Finger“, „Bauch“ und „Backe“ in den verschiedenen, in der Gruppe gebräuchlichen Sprachen sagt, fingen sie an, gegenseitig ihre Mütter zu beleidigen. Dabei legten sie erstaunlicherweise eine schier unfassbare Kreativität an den Tag. Im Gegensatz zu ähnlichen Szenen, wie man sie aus dem Kino kennt, die in der Regel jedoch weit weniger Gespür für die Feinheiten der beleidigten Person beweisen, wurden hier keinerlei Waffen gezückt.
Da ist mir aufgefallen, dass ich es natürlich nicht schätze, wenn man meine Mutter oder meinen Dackel beleidigt. Aber der Gedanke, dass ich das schlimmer aufnehmen könnte, als wenn man mich persönlich beleidigt, liegt mir doch fern. Warum soll es schlimmer sein, wenn meine Mutter mit einem Hund schlief, als wenn ich mit einem Schaf kopulierte?
Ich glaube, wir haben es hier mit einem Akt der Entweihung zu tun und daher würde ich annehmen, dass zur Ehrverletzung noch so etwas wie eine implizite Misshandlung religiöser Gefühle hinzu kommt. Wieso aber befinden sich Mütter auf einer göttlichen, fast unberührbaren Ebene, nicht aber alle Frauen? Ist es vielleicht das Wunder meiner Geburt, das mit der Beleidigung befleckt wird? Wird damit zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur ich nichts wert bin, sondern, dass ich prinzipiell nie etwas wert sein konnte, weil schon die Schöpferin und der Akt ein Fehler war? Ist das Beleidigen der Mutter also so etwas wie die Negation der grundsätzlichen philosophischen Fragen im Bezug auf meine Person?

Typische Fragen in der S12 westlich des HBs.

Das Sonderbare Liebesleben der Erdlinge

Es heisst zwar, dass jeder Mensch anders ist, ist er aber auch anders als alle anderen? Mir ist nämlich aufgefallen, dass sich Punks mit Punks zusammenraufen, Skinheads mit Skinheads, Tussies mit Tussies und Nerds mit Nerds. Wenn nun aber alle verschiedene Geschmäcker haben, warum schwärmt dann kein Punk für einen Skinhead und keine Tussie für einen Nerd?

Chillout

Und wieder einmal ist 20min der Stein des Gedankenanstosses: Jeden Montag erscheint da prominent auf der ersten Seite ein Foto unter der Rubrik „CHILLOUT – Wo am Weekend die heisseste Party stieg“, auf dem mindestens eine Chica llamativa abgelichetet ist. Meist sind es allerdings zwei Frauen, die eng umschlungen petulant in die Kamera schauen.
Was mich ein bisschen stutzig macht, ist, dass es sich so gut wie immer um die gleiche Pose handelt: Schulterschluss mit aneinander gelehnten Köpfen.
Ich frage mich, ob dies die natürliche Körperhaltung an heissen Parties ist, oder ob dies durch den verwendeten Fotoapparat bedingt ist, vielleicht aufgrund einer optischen Verzerrung? Oder ob es sich da einfach um ein Mödchen handelt, das sich über die ganze Partylandschaft ausgebreitet hat?
Ich will hier nicht bieder erscheinen, aber ich hege den leisen Verdacht, dass dahinter weder technische, noch anatomische oder kulturelle Gründe stecken, sondern allein die Absicht den Betrachter durch nicht jugendfreie Assoziationen scharf zu machen.

ps: Kennt nicht zufällig einer von Euch eine von denen?

Knutschkrebs

Folgendes spielte sich im Zug unmittelbar mir gegenüber ab.

Sie versucht ihm einen Knutschfleck auf den Hals zu machen.
Er wehrt sich: „Nein, nicht.“
„Dooooch.“
„Nein, bitte nicht.“
„Wiesooo nicht? Schämst du dich etwa für mich?“
„Nein, es ist ungesund.“
„Was ungesund?“
„Es verursacht Krebs.“
„Du rauchst. Davon kriegt man Krebs. Warum machst du dir jetzt sorgen wegen diesem Krebs?“
„Ej, ich bin 20, nicht 15.“
„Und?“
„Du bist 16.“
Das scheint sie zu überzeugen und so wirfst sie sich ihm an den Hals.
„Nicht beissen, bitte.“

Er hat schon recht mit dem Knutschkrebs, bloss ist das eher eine Gefahr für Mädchen.

Habe die Ehre!
gezeichnet, der Knutschkrebs