Volksweisheiten

Im Tagesanzeiger von heute beschäftigt sich die Wissen-Seite mit Volksweisheiten. Und im Kasten-Beitrag werden drei bekannte Volksweisheiten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft: Der Verdauungsschnaps, die Six Degrees of Separation und der Eisengehalt von Spinat. Die verdauungsfordernde Wirkung von Schnaps und der hohe Eisengehalt im Spinat sind laut Tagesanzeiger reine Legenden. Zu den Six Degrees of Separation steht indes folgendes:

Die Volksweisheit, wonach zwei beliebig gewählte Menschen auf der Erde nur durch sechs Menschen getrennt sind, stimme zumindest theoretisch, sagt Werner Stahel, Professor für Statistik an der ETH Zürich: „Angenommen, jeder Mensch kennt hundert Menschen. Das würde reichen um die ganze Welt über sechs Parteien zu vernetzen. Der Haken daran ist nur, dass jene Leute, die man kennt, oft dieselben Leute kennen und nicht hundert neue Menschen.“

Wenn jeder 100 Leute kennen würde und keine geschlossenen Bekanntschaftsketten bestünden, so könnten ungefähr eine Billion Menschen sechs Ecken von mir entfernt sein. Jedoch sind dann zwei Leute, die sechs Ecken von mir entfernt sind, voneinander 12 Ecken entfernt. Auf drei Ecken reduziert, so dass die maximale Entfernung sechs Ecken ist, sind es nur noch etwa ein Million Menschen.
Ich fürchte, die Wahrscheinlichkeit, dass Werner Stahel hier nicht ganz so zitiert wurde, wie er es gerne gehabt hätte, sind relativ hoch. Die Quintessenz der kleinen Welt ist nämlich nicht die Frage nach der Anzahl der nicht gemeinsamen Bekannten, wie es hier nahegelegt wird, sondern die nach den wenigen zufälligen Fernverbindungen in einem ansonsten in kleinen Clustern organisierten Netzwerk. Also nach dem Effekt von ein bisschen Unordnung in einer sehr geordneten Struktur.
Wenn wir also vom Wahrheitsgehalt der Six Degrees of Separation sprechen, dann kann es nicht darum gehen, nachzuzählen, denn dazu müsste man wirklich alle Bekanntschaften kennen, sondern darum, ob so etwas in einer Gesellschaft wie der unseren überhaupt theoretisch möglich ist. Und das ist es.

Nachtrag 12.06.2013:
Mich beschleicht das Gefühl, dass die NSA diesen Artikel damals gelesen hat und darauf alles in ihrer Macht stehende getan hat, um es doch nachzuzählen.

Steckenpferdchen

Es ist schon komisch, fragt man jemanden nach seinen Hobbies, so werden vorwiegend sportliche Betätigungen genannt. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann wird auch peinlich darauf geachtet, dass diese auch angemessen hip sind. Und je nach dem auch ein klitzekleines bisschen exotisch. Begeistertes Briefmarkensammeln oder Modelleisenbähnlen sind mir jedoch noch nie untergekommen.
Interessant ist auch, dass wenn man während der Arbeit mal aufsteht und eine Viertel Stunde Gymnastik macht, dass das nicht nur goutiert wird, sondern man allgemein als Vorbild angesehen wird. Wenn man aber zur Entspannung mal für eine Viertel Stunde die Füsse aufs Pult legt und ein Buch hervor nimmt, sieht die Sache auf einmal ganz anders aus.
Irgendwie ist unsere Gesellschaft Besessen vom Sport, der als Wundermittel für und gegen alles betrachtet wird.

Freiheit

Wenn es um die zukünftige Macht der Computer geht, so hört man häufig das Argument, dass es doch ziemlich riskant sei, sich allzu fest auf diese Maschinen verlassen zu wollen. Natürlich ist es riskant, doch ist es nicht genauso riskant, sich auf die Migros zu verlassen, dass sie uns jeden Tag Essen und Trinken zur Verfügung stellt? Oder auf die Wasserwerke, dass sie es mit dem Trinkwasser tun und das in einer zufriedenstellenden Qualität? Oder auf das Chlorophyll, dass es für uns genügend Sauerstoff produziert?
Es ist doch so, dass wir neue Technologien entwickeln und sie dann mit so vielen Redundanzen versehen, dass ein Ausfall so unwahrscheinlich wird, dass wir unsere Abhängigkeit einfach ignorieren können. Das ist Fortschritt. Okay, die Computer haben dieses Level noch lange nicht erreicht, nichtsdestotrotz verliert das Argument meines Erachtens durch diese Überlegung seine Gültigkeit.
Wenn man schon gegen Computer wettert, dann doch aber mit den richtigen Geschützen: Einerseits leiten sie einen fundamentalen Diskurswandel ein und andererseits – und das ist noch viel wichtiger – verkkkkkkkk…
*** SYSTEM ERROR ***

Synchron

Wären die Mädchen nicht so hübsch gewesen, wäre es mir wahrscheinlich gar nicht aufgefallen und wahrscheinlich hätte mich die Entdeckung dann auch längst nicht so irritiert. Also da sassen sie, sechs bildhübsche Frauen, je zu zweit in drei Sitzreihen hintereinander in einem VBZ-Tram und kauen Kaugummi. Sie sahen zum Fenster raus, hantierten an ihrem Natel rum oder waren einfach in ihre Gedanken versunken. Jede kaute ihren Kaugummi in ihrem eigenen Tempo, die eine schneller, die andere langsamer. Es war ein kleines Chaos aus sechs verschiedenen Kaurythmen mit vereinzelten Momenten der Ordnung. Nach und nach fingen die Tempi aber an sich einander anzugleichen, bis die sechs Frauen schliesslich völlig synchron ihre Kaugummis kauten.

Und irgendwie erinnerte mich dieses Bild an wiederkäuende Kühe.
Und da fragt man sich, wie weit liegt es in der eigenen Verantwortung alle möglichen Assoziationen, die man wecken kann, zu bedenken und diesen nötigenfalls entgegen zu wirken.

In der Küche beim Tee

Als ich heute mit dem 11er Tram vom Bahnhof Oerlikon Richtung Bucheggplatz fuhr, sass auf der Bank hinter mir  eine buddhistische Nonne, die einer Frau, die sie eben erst an einem Seminar kennen gelernt hatte, erzählte, dass sie mal mit dem Dalai Lama bei ihrer Mutter in der Küche Tee getrunken habe und dass das so gemütlich war, dass sie sich die Schuhe aufgezogen haben.
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, habe ich auch meine Schuhe ausgezogen und schlürfe Tee.

Über wieviele Ecken bin ich nun mit His Holiness bekannt?
Über eine Eckbank vielleicht?

TV-Rätsel zu später Stunde

Soweit ich es ausmachen kann, existieren zurzeit drei TV-Konzepte, die billiger sind als das Testbild nach der Nationalhymne: Dauerwerbesendungen, Darstellungen äusserst spärlich bekleideter Damen und Knobelspiele.
Eine eindeutige Zuordnung einer bestimmten Sendung ist indessen nicht immer realisierbar, geschweige denn trivial, weil die Grenzen zwischen diesen Konzepten geradezu supraflüssig sind. Entgegen der Intuition sind nämlich sämtliche Mischungsverhältnisse nicht nur produzierbar, sondern längerfristig auch genau gleich erfolgversprechend.
Sowohl die Dauerwerbesendungen als auch die Damen haben tiefschürfenden Studien zufolge noch Restspuren von Erkenntnis- und/oder Unterhaltungswert, aber die Rätselshows, mein lieber Schwan, die grenzen definitiv an Körperverletzung.
Was uns hier nämlich geboten wird, ist der Spagat zwischen dem fragwürdigen Versuch so viele Zuschauer wie möglich über einen so grossen Zeitraum wie gerade noch erträglich mit so bescheuerten Rätseln wie noch zumutbar  so wenig Geld wie noch glaubwürdig gewinnen zu lassen und dem vermeintlich noblen Versuch den Zuschauern dabei noch das Gefühl zu vermitteln, sie seien verdammt clever.
Beides erreichen die Moderatoren einerseits indem sie die Zeit mit ihrem langweiligen und völlig belanglosen Geschwafel gnadenlos tot schlagen und andererseits indem sie in völligem Widerspruch dazu sukzessive eine hektische und beim Zuschauer eklige Zappeligkeit auslösende Atmosphäre aufbauen. Und den Rest geben einem die absurd absurden Lösungshilfen der Moderatoren.
Und wenn ein Zuschauer durchgeschaltet wird, gibt er eine völlig abwegige Antwort. Man könnte fast meinen, die Telefonzentrale hätte „versehentlich“ die Anrufer in die falsche Rätselshow umgeleitet.

Und wenn es doch mal einer schafft alle psychischen und technischen Hürden zu umschiffen und sogar die richtige Antwort zu geben…

dann ist sie falsch

und ab zur nächsten Frage

ohne dass die vorherige je aufgelöst werden würde.