Sam Harris : Why Don’t I Criticize Israel?

Sam Harris präsentiert hier ein paar Gedanken, welche für viele ein etwas anderes Bild auf den aktuellen Konflikt zwischen Israel und Gaza werfen dürfte:

 

Die Schlüsselfrage bei der Beurteilung der Situation ist laut Harris: Was würden die beiden Parteien tun, wenn ihnen jedes gewünschte Mittel zur Verfügung stehen würde?
Für Israel ist die Antwort leicht, denn im Grunde steht ihnen bereits jedes gewünschte Mittel zur Verfügung. Ergo ist das, was sie tun, mehr oder weniger das, was sie wollen. Gaza ist eins der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt und die Hamas macht keinen Hehl draus, sich hinter Frauen und Kindern zu verstecken, was zur Folge hat, dass es verdammt schwer ist, bei militärischen Schlägen die zivilen Opfer möglichst klein zu halten. Das heisst, dass Israel wohl mehr Schaden anrichtet, als sie gern würden.
Bei der Hamas sieht es hingegen etwas anders aus. Aufgrund des Iron Dome und anderer israelischer Schutzmassnahmen werden die meisten ihrer Bemühungen Schaden in Israel anzurichten vereitelt. Sie zielen dabei aber keineswegs nur auf militärische Einrichtungen, sondern arbeiten laut ihrer eigenen Charta ausdrücklich auf einen Genozid der Juden hin. Sie richten also offensichtlich weniger Schaden an, als sie gern würden.

Die Hamas versteckt sich hinter menschlichen Schutzschilden, weil es funktioniert. Weil sie wissen, dass Israel alles daran legt, möglichst wenige Zivilisten zu verletzen.
Wie würde wohl die Hamas reagieren, wenn sich israelische Soldaten hinter jüdischen Kindern verstecken würde? Würden sie wirklich innehalten?

Wenn man sich ein Bild über einen Konflikt machen will, darf man sich meines Erachtens tatsächlich nicht nur anschauen, was passiert, sondern sollte auch einen Blick drauf werfen, was die beiden Parteien wünschen, dass passiert.

Das alles ändert natürlich nichts daran, dass die Palästinenser ein bedauernswertes, geschundenes Volk sind. Und daran ist sicherlich nicht wenig auch der Staat Israel Schuld, nicht zuletzt auch aufgrund seiner Form als jüdischer Staat.

Big Data

Wie mies dürfen die Vorschläge von Amazon höchstens sein, damit das in Big Data gesetzte Misstrauen weiter aufrecht gehalten werden kann?

Verstehen, was es ist, ein Christ zu sein

Es gibt heute irgendwo um die 40’ooo christliche Glaubensgemeinschaften (1)(2)(3)(Tendenz steigend), die sich alle unterscheiden durch ihre Glaubensinhalte und Praktiken. Mal mehr und mal weniger, doch stets genug um sich von allen anderen klar abgrenzen zu können.

Kein Wunder also, wird den Atheisten gerne vorgeworfen, sie hätten eine verzerrte Vorstellung vom Christentum, denn es ist in der Tat nicht leicht von der Bekenntnis seines Gegenübers ein Christ zu sein auf dessen exakte Denomination mit all ihren kurligen Macken zu schliessen.
Da aber Atheisten nicht vor einzelnen Denominationen warnen, sonder vor den Gefahren der Religion per se, sollte man da vielleicht schon mal ein Auge zudrücken – insbesondere wenn man bedenkt, dass sie laut einer Umfrage des Pew Forums im Durchschnitt mehr über Religion wissen als Gläubige.

Wenn Atheisten vor der Religion warnen, dann tun sie das natürlich stets im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass die Religion viele Menschen nicht davon abgehalten hat, wirklich Gutes zu tun. (Ob das Gute auch das Beste war und ob es wirklich die Religion war, die diese Menschen dazu motivierte, steht indessen auf einem anderen Blatt.)
Atheisten warnen vor der Religion, weil sie wissen, dass sich Religion allzu leicht dazu missbrauchen lässt, wirklich Übles anzurichten – und das mit einem erschreckenden Minimum an schlechtem Gewissen. Dass dies tatsächlich der Fall ist, wird auch jeder Gläubige mit Blick auf eine andere Religionen bereitwillig zugeben.
Atheisten warnen davor, dass sich jede Religion missbrauchen lässt.

Wenn man genau hinhört, wird man daher den Atheisten auch nie sagen hören „Das und das meint die Bibel“, sondern nur „Das und das könnte man denken, dass die Bibel meint“. Und wenn man sich die Zahl christlicher Denominationen anschaut, so stehen die Chancen nicht schlecht, dass es irgendwo eine Glaubensgemeinschaft gibt, die tatsächlich genau diese Position vertritt.

So funktioniert ein Marathon!

Als Mitte September 490 vor unserer Zeitrechnung der Bote, der später Pheidippides genannt werden sollte, von Marathon nach Athen rannte, wird er wohl schon vor allem den Strassen gefolgt sein, doch wo er eine Abkürzung kannte, wird er sicher die genommen haben. Und er wird sicherlich auch Bogen um Menschenaufläufe und über Hühner gemacht haben.
Hält man dann das Andenken dieses Läufers wirklich hoch, wenn man Massen von Menschen eine abgemessene  und abgesteckte Strecke laufen lässt?

Die offizielle Marathon-Distanz ist 42.195 km. Vom Camping in Marathon bis zum Areopag sind es – wenn man die Schleichwege kennt – etwa 36.3 km. Wie oft, glaubt das olympische Komitee, hat sich Pheidippides unterwegs wohl verlaufen?

Nein, so geht das nicht!
Ich fordere neue Regeln, welche Pheidippides Leistung wirklich in Ehren halten.

Ich fordere, dass der Streckenverlauf frei wählbar ist. Ich fordere, dass keine Massnahmen ergriffen werden, die unbeteiligte Menschenaufläufe und Hühner in ihrer Bewegungsfreiheit behindern. Und ich fordere, dass die Läufer nackt sind.
Die einzige wirkliche Einschränkung soll sein, dass die ganze Strecke zu Fuss zurückgelegt werden muss – auch wenn Pheidippides sicherlich den Bus genommen hätte, wenn gerade einer gefahren wäre – andernfalls hätte er sich damit wohl ein Menge Ärger mit seinen Vorgesetzten eingehandelt1.

Und ich schlage vor, dass man den Marathon in Pflicht und Kür ablegen kann.
Bei der Pflicht stehen Start, Ziel und Startzeit fest und die Läufer müssen in kürzester Zeit vom einen Punkt zum anderen hetzen.
Bei der Kür stehen dagegen nur Streckenlänge und Startzeit fest. Alles andere ist dem Läufer überlassen. Der Lauf wird jedoch mittels GPS überwacht, wobei es dem Veranstalter freigestellt ist, gewisse Bedingungen an das Gefälle der Strecke festzulegen.

Das ist ein echter Marathon!
Alles andere ist eine lausige Travestie!


  1. Die Legende sagt, er sei am Ziel tot zusammengebrochen2. Vielleicht war es nicht vor Erschöpfung sondern zur Strafe, weil er den Bus nicht genommen hat und so wertvolle Zeit vertrödelt hat.
  2. Das tat Pheidippides womöglich wirklich, doch nicht im Areopag, sondern in Sparta (ca. 246 km weiter), wohin er tatsächlich gelaufen ist. Und zwar nicht nach der Schlacht um den Sieg zu verkünden, sondern vor der Schlacht um militärische Hilfe zu erbitten.

Wie man Schwarzfahrer los wird

Ich bin heute versehentlich schwarz zur Arbeit gefahren1. Und hatte statt der üblichen 45 Minuten nur 30.

Ich finde es völlig in Ordnung, dass der Verkehrsbund im Interesse der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs das bezahlte Fahren gegenüber dem unbezahlten attraktiv zu gestalten versucht, doch ich hege gewisse Zweifel, ob dies im Transportwesens tatsächlich mit längeren Fahrzeiten erreicht werden kann.
Klar, die Menschen bezahlen für Dienstleistungen, die nur 15 Minuten in Anspruch nehmen, nicht gern einen Betrag, den sie liebend gern hingeblättert hätten, wenn er für 15 Stunden gewesen wäre. Und ja, indem man die Fahrzeiten der Schwarzfahrer verkürzt, ist man sie schneller wieder los, was den durch diese verursachten (und nicht finanzierten) Aufwand und Verschleiss sicherlich markant reduziert. Nichtsdestotrotz bezweifle ich, dass das, was auf den ersten Blick nach einer klaren Win-Win-Situation aussieht, wirklich eine ist.


  1. um einer allfälligen nachträglichen Strafverfolgung2 vorzubeugen verschweige ich hier lieber in welcher Stadt das war.
  2. ich bitte noch zu berücksichtigen, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch ein gültiges 24-Stunden-Ticket besass, wenn auch für eine andere Zone3.
  3. was, wie ich annehme, keinen signifikaten Einfluss haben sollte, weder auf allfällige Kontrolleure, noch auf meine hier formulierte Vermutung.

Gott auf der Anklagebank

Klemistenes (deutet auf Gott) : „Er war es!“
Sokrates: „Einspruch! Beeinflussung des Gerichts.“
Richter: „Stattgegeben. Herr Staatsanwalt, konzentrieren sie sich auf die Beweisaufnahme und überlassen sie das Urteilen den Geschworenen.“
Klemistenes: „Gott hat für die Tatzeit kein Alibi!“
Richter: „Herr Verteidiger?“
Sokrates: „Darf ich das Gericht darauf aufmerksam machen, dass Gott gar nicht unter Verdacht steht. Er mag die Mittel haben und auch ein Motiv, doch nichts deutet darauf hin, dass die Welt auf unnatürliche Weise ins Leben kam. Keine unerklärlichen Spuren am Tatort, keine mysteriösen Umstände, keine skrupellosen Profiteure. Dass Gott kein Alibi hat, ändert nichts daran, dass er nicht unter Anklage steht. Auch ich habe für die Tatzeit kein Alibi. Macht mich das zum Täter?“
aus dem verschollenen Dialog „Klemistenes, die grosse Enttäuschung“

Es heisst, Klemistenes habe später noch auf Dinge hingewiesen, die ihm am Tatort unerklärlich und mysteriös vorkämen, worauf das Gericht Fachverständige einlud und sie um ihre Expertise bat. Die fanden an den Dingen nichts unerklärliches und mysteriöses.

Chemtrails

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Das Konzept von Chemtrails ist mir schon klar, irgendwelche Organisationen verteilen über die angeblich harmlosen Kondensstreifen von Flugzeugen irgendwelches Zeug in der Atmosphäre, das irgendwie wirkt. So weit, so einleuchtend.
Doch schaut euch mal das Bild oben an. Der Chemtrail führt von der oberen rechten Ecke in Richtung links unten. Das Flugzeug befand sich zum Zeitpunkt der Aufnahme dort, wo der Kondensstreifen aufhört, ungefähr im oberen rechten Drittel. Was ist aber die Linie, der das Flugzeug folgt?
Was es auch sein mag, ich wette, es ist die nächste Stufe eines teuflischen Plans…

Gottesbeweise

Owners of dogs will have noticed that, if you provide them with food and water and shelter and affection, they will think you are god. Whereas owners of cats are compelled to realize that, if you provide them with food and water and shelter and affection, they draw the conclusion that they are gods.
Christopher Hitchens

Das 1. Gebot

god„Du sollst keine anderen Gott neben mir haben“ heisst eigentlich genauso wenig, dass es keine anderen Götter gibt, wie „Du sollst kein Schweinefleisch essen“ heisst, dass es keine Schweine gibt.
Das heisst nur, dass es kein Schweinefleisch auf deinem Teller, resp. in deinem Sandwich geben sollte. Mehr aber auch nicht.

Im Grunde macht ein solches Gebot überhaupt erst Sinn, wenn es mehr als nur einen Gott gibt. Dann ist es das Gebot, sich auf nur einen Boss zu konzentrieren, weil das ansonsten früher oder später zu einen Interessenkonflikt führen würde. Was im Grunde durchaus vernünftig ist, genau wie der Vorschlag das Morden lieber sein zu lassen oder möglichst nicht zu lügen oder dem Nachbarn seinen Erfolg zu gönnen. Allesamt ethische Richtlinien, auf die man auch von ganz allein kommt.
Ich meine, wenn es nur einen Gott gibt, dann wäre ein Statement doch wesentlich geeigneter als ein Gebot: „Ach ja, übrigens, es gibt nur einen Gott, und zwar mich. Die Vorstellung, dass ich jemand anders oder einer neben anderen bin, ist zwar nachvollziehbar, aber leider falsch. Ich bitte dies in Zukunft zu berücksichtigen, denn aus Gründen, die eure geistige Kapazität leider etwas übersteigen, lege ich sehr grossen Wert darauf, dass in diesem Punkt absolute Klarheit herrscht – sonst reagiere ich unbeherrscht.“
In diesem Fall ein Gebot draus machen zu wollen, ist etwa so sinnvoll wie: „Du sollst keinen anderen Mond haben neben dem einen am Himmel“. Wozu, um alles in der Welt sollte, man das überhaupt wollen?

Nein, das erste Gebot deutet, wenn überhaupt auf etwas, dann auf eine interessante Palette von Göttern mit vielfältigen Vorzügen. Und was es bezweckt, ist, seinen Schäfchen Scheueklappen anzulegen.

Wie wird der Gott der 10 Gebote da über jemanden richten, der sagt: „ich anerkenne zwar die Existenz vieler Götter, aber folgen werde ich allein dem biblischen“? Gott müsste ihn für das Missachten des 1. Gebots verurteilen. Ist das nicht absurd? Statt die zu belohnen, die sich für ihn entschieden haben, bestraft (oder zumindest bedroht) er die, die sich ein besseres Bild vom Pantheon zu machen versuchten – und das selbst dann, wenn sie sich am Ende doch entschieden haben. Offenbar traut er seiner PR selbst nicht so ganz.

Fact Checker

Als Skeptiker wird man oft mit Behauptungen konfrontiert, die es erst mal zu widerlegen gilt. Das ist aber leichter gesagt als getan, denn meist hat sich der Fragestellungen so noch niemand direkt angenommen – nicht zuletzt auch deshalb, weil sie mitunter ziemlich absurd sind. Da gilt es dann sorgfältig die Evidenzen zusammenzutragen und aus ihnen geschickt ein solides Argument zu konstruieren.

Zum Glück gibt es jetzt die Webseite fact checker, welche diese Aufgabe für einen übernimmt. Sie durchsucht das Web nach allen relevanten Daten und analysiert diese und sagt einem, was von einer These zu halten ist.

Bis jetzt ist die Webseite erst in deutsch verfügbar. Ob sie in Zukunft auch in anderen Sprachen laufen wird, konnte bis jetzt noch nicht in Erfahrung gebracht werden.

Pontifex-Dialoge: Gottes Führung

Seit mir der Papst für ein Twitter-Follow einen Ablass vom Fegefeuer offeriert hat, führe ich von Zeit zu Zeit kleinere Dialoge mit dem Pontifex. Dies ist ein weiterer davon:

22. Mai 2014

PontifexPapst Franziskus @Pontifex_de
Eine Seele, die sich von Gott führen lässt, wird nicht enttäuscht und verirrt sich nicht.

Eda Gregr @meskinaw
@Pontifex_de Wenn Gott uns führen will, warum hat er uns den freien Willen gegeben? Macht das Führen willenloser Schafe nicht genug Spass?

Dass es „geiler“ ist Menschenmassen statt eine Herde willenloser Schafe zu führen, will ich ja gar nicht bestreiten, doch halte ich diese Präferenz für allzu menschlich. Eines Gottes nicht würdig.
Insbesondere dann nicht, wenn ein Teil der Menschen darunter leiden wird.
Höchstwahrscheinlich wird es für einen Menschen aufgrund seiner mentalen Fähigkeiten  ein grösseres Vergnügen sein sich im Antlitz Gottes zu sonnen als für ein Schaf, doch wirklich sicher können wir uns da nicht sein. Insbesondere da sich Glück nicht wirklich steigern lässt, respektive man im Glückszustand nicht das Gefühl hat, das Glück noch steigern zu müssen.
Wenn man naiv ist wie ein Schaf und zufrieden ist mit einem Mund voll Gras und der Wärme Gottes im Fell, dann wird man sich allein aufgrund der intelektuellen Kapazität nicht die Laune verderben lassen vom Umstand, dass einige Brüder und Schwestern gerade am Spiess gebraten werden. Unsere Empathie sollte eine solche Gleichgültigkeit jedoch nicht zulassen. Wir können nicht glücklich sein, wenn andere gleichzeitig leiden. Und wenn wir es doch sind, dann wurde uns etwas zentrales, was uns überhaupt erst menschlich macht, genommen.

Eine andere Sache ist, dass wir nur unsere Welt kennen und den freien Willen wie wir ihn schon und die Schafe ihn nicht haben. Wie sich ein freier Wille in einer anderen Welt entfalten würde, wissen wir nicht.
Die begrenzten Ressourcen machen vielen schönen Ideen einen Strich durch die Rechnung und lassen uns bisweilen die falsche Entscheidung treffen. Wie würde die Sache aussehen, wenn es unbegrenzte Ressourcen gäbe? Gemessen an den bescheidenen Bedürfnissen von Schafen, was die Ressourcen beinahe unbegrenzt erscheinen lässt, könnte man annehmen, dass ein freier Wille sich nicht gross auf deren Verhalten auswirken würde.
Wir wissen nicht, was sonst noch möglich gewesen wäre, insofern können wir auch nicht wissen, dass die Variante, für die sich Gott entschieden hat, die liebenswürdigste ist.

Er gibt uns einen freien Willen, doch er will uns führen.
Er will, dass wir an ihn glauben, doch um das zu tun, müssen wir einige der ureigensten menschlichen Fähigkeiten überwinden.

Also mir scheint es so, dass Gott sich höllisch Mühe gegeben hat, die Sache so einzurichten, dass möglichst viele sich verirren – ohne dass man ihm die Schuld dafür geben kann.


Mal abgesehen davon, ist es wirklich „geiler“ wenn 1000 Menschen nach meiner Pfeife tanzen als wenn es 1000 Schafe oder Roboter tun? Ich meine, mit welcher Variante kriegt man wohl mehr Youtube-Clicks?

Was der Wirtschaft hilft, ist gut für alle

20min fragt, warum die Schweizer auf Mindestlohn und mehr Ferien verzichten?
Und Experten antworten, dass diese offenbar eine gewisse ökonomische Vernunft walten liessen.
Es wird das Bild des arbeitsamen Schweizers heraufbeschworen, der im Interesse der Wirtschaft auch bereit ist auf gewisse Dinge zu verzichten, weil er ja wisse, dass was der Wirtschaft hilft, auch gut für alle sei.

Die Sache ist aber die, dass jeder Mensch seine eigene Position für die vernünftige hält. Und selbst wenn er die Entscheidung per Münzwurf gefällt hat, so ist er immerhin davon überzeugt, dass es sich dabei um eine vernünftige Strategie handelt.
Wenn die Experten also zum Schluss kommen, dass die Schweizer Vernunft walten liessen, dann nicht, weil sie die kognitiven Prozesse der Stimmenden analysiert hätten, sondern allein weil sie das Ergebnis für die vernünftigere Variante halten.
Damit suggerieren sie aber auch, dass das andere Ergebnis der Wirtschaft geschadet hätte. Darin, ob dem wirklich so ist, gehen aber die Meinungen auseinander.
Niemand will der Wirtschaft schaden. Auch die Befürworter von Mindestlohn und mehr Ferien sind überzeugt davon, dass diese Massnahmen der Wirtschaft und damit allen geholfen hätten. Und entsprechend werden diese bei der Einschätzung, wie viel ökonomische Vernunft die Schweizer haben walten lassen, zu einem etwas anderen Ergebnis gelangen.

Aber es stimmt schon, die Schweizer sind ihrer Linie schon treu, doch ich fürchte, die treibende Kraft dahinter ist nicht die Verinnerlichung von vernünftigem, unternehmerischem Handeln.

Die erste Reaktion auf all diese utopisch anmutenden Gedanken ist immer: Wer soll es bezahlen?
Unsere Experten werden darin zweifellos die wirtschaftliche Besorgnis erkennen, doch genauso gut  könnte es die Furcht davor sein, dass sie selbst es tun werden müssen.
Ökonomisch wäre diese Frage allerdings nur, wenn der Fragende es sich nicht leisten könnte.
Wenn aber nur ein moderates Stutzen des eigenen Wohlstandes droht, ist die Frage egoistisch.
Die Schweizer wollen nicht, dass auf ihre Kosten anderen geholfen wird. Diese Einstellung wird auch durch die stets präsente Furcht vor Schmarotzern bestätigt.

Man könnte jetzt daraus schliessen, dass es den Schweizern wichtiger ist, anderen nicht zu helfen, als selbst auch davon zu profitierten. Das würde das Abstimmungsverhalten zwar noch etwas besser beschreiben als der Homo oeconomicus, doch so weit möchte ich nicht gehen. Ich denke, es ist ein Mittelweg. Man weiss, dass man bisweilen dem Erfolg der Wirtschaft etwas opfern muss. Und was liegt da näher als auf Dinge zu verzichten, die man gar nicht hat? Wie beispielsweise die eine zusätzliche Woche Ferien.

Warum die Schweizer auf Mindestlohn und mehr Ferien verzichten?
Weil es mehr schmerzt einen Tag Ferien abzugeben als es freut eine Woche zusätzlich zu bekommen. Dieses emotionale Missverhältnis ist die treibende Kraft und nicht die Vernunft.

Im Interesse eine utopischen Politik sollten wir daher nicht darüber abstimmen, ob wir etwas haben wollen (von dem wir übrigens noch gar nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich bewähren würde), sondern man sollte es einführen und nach einer gewissen Zeit fragen, ob man es lieber wieder abschaffen will, weil es sich nicht bewährt hat.

Satire und Religionen

Giacobbo / MüllerIn der Facebookgruppe des Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS) geht es aufgrund eines Beitrags von Giacobbo / Müller zur Zeit gerade ziemlich stürmisch zu und her.
Die beiden Satiriker Viktor Giacobbo und Mike Müller machten sich in ihrer Sendung vom 4.5.2014 lustig über die religiösen Bedenken der Staatsbehörde für Islamische Angelegenheiten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, welche eine Fatwa gegen eine mögliche One-Way-Marsmission ausgesprochen hat.
Der IZRS glaubt in den satirischen Kommentaren des Duos einen Akt des #Rassismus0 zu erkennen: „Muslime werden in nie dagewesener Klarheit kollektiv als dumm, rückständig und gefährlich karikiert.“ Und ein paar unserer muslimischen Mitbürger unterstreichen dessen Empörung mit markigen Kraftausdrücken, während andere muslimische Mitbürger die tobenden muslimischen Mitbürger ermahnen keine Fluchwörter zu benutzen, was aber wiederum andere muslimische Mitbürger nicht davon abhält die Witze eigentlich ganz witzig finden.

Wer sich den Beitrag ansehen will, er fängt ab Minute 27:40 an:

Ich frage mich, was die tobenden muslimischen Mitbürger wohl gesagt hätten, wenn die Satire von einem muslimischen Mitbürger stammen würde?
Vielleicht hätten es einige als blasphemisch bezeichnet1, doch in der Regel würde man eher erwarten, dass man mehrheitlich drüber gelacht hätte, denn über die eigene Kultur darf man sich bekanntlich lustig machen.
(Es gibt doch islami(sti)sche Satire, oder?)
Problematisch ist es einzig, wenn man sich über andere Kulturen lustig macht.

Man sagt, die Satire halte der Gesellschaft einen Spiegel vor – auf dass sie über sich selbst erschrickt und sich idealerweise zum besseren wandelt. Er zeigt nämlich Dinge, die eigentlich falsch sein sollten, es aber leider nicht wirklich sind. Und indem man darüber lacht verschwindet die Aura der Unantastbarkeit und man kann sich daran machen die Sache in Ordnung zu bringen.
Da ist schon was dran, nicht umsonst fürchten Diktaturen die Satire wie der Teufel das Weihwasser, schliesslich sind sie mit dem gegenwärtigen Zustand ganz zufrieden und sehen keinen Bedarf an irgendwelchen Reformen. Zumindest nicht jenen, die die Satire nahelegen würde.
(Oder gibt es Satire, die sich über zu viel Menschenwürde lustig macht?)

Wieso ist es aber so wichtig wichtig, wer den Spiegel hochhält?

Man lässt sich von anderen naturgemäss nicht gern belehren, sondern neigt dann instinktiv zu einer Abwehrhaltung, welche einen daran hindert überhaupt in den Spiegel zu schauen. Abgesehen davon, ist es aber eigentlich völlig egal, wer den Spiegel hochhält. Die Frage ist einzig, ob man sich selbst drin wiedererkennt.
In einem Spiegel sollte man das eigentlich immer, doch in Tat und Wahrheit ist die Satire gar kein Spiegel, sondern ein aus Klischee gezeichnetes Bild. Ein Spiegel ist es gewissermassen nur dann, wenn man es dem Porträtierten vorhält.
Wenn man es jemand anderem zeigt, dann macht es sich nur über den Abgebildeten lustig, was – nun ja – nicht unbedingt nett ist. Denn im schlimmsten Fall zementiert es die Klischees statt sie aufzuweichen.

Fazit:
Das heisst, ich darf zwar Witze über Juden machen, aber ich sollte nicht über diese lachen, wenn ich nicht selbst ein Jude bin.

Das klingt jetzt zugegeben etwas seltsam, doch so schlimm, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, ist es gar nicht, denn wir sind alle selbst „Juden“ genug um auch uns darin erkennen zu können. Sei es, dass wir ähnliche Eigenheiten haben, oder dass wir erkennen, dass wir uns von den unterstellten Eigenheiten die Sicht vernebeln lassen.

Hinzu kommt noch ein weiterer Punkt – meines Erachtens der wichtigste. Wenn das Publikum durchmischt ist und alle herzhaft lachen2 , dann verbindet das gemeinsame Lachen mehr als der Spott trennt.
Und genau diesen Punkt haben unsere muslimischen Mitbürger vom IZRS irgendwie übersehen.
Wir lachen bei Giacobbo / Müller, weil wir insgeheim wissen, dass wir selbst auch solche Baustellen haben. Kann es sein, dass der IZRS von irgendwelchen Baustellen einfach nichts wissen will.


0 Der Islam ist keine Rasse. Insofern kann sich über ihn lustig zu machen zwar unhöflich sein, jedoch nie uns nimmer Rassismus.

1 und den Häretiker gesteinigt.

2 Witzigerweise ist das selbst dann gegeben, wenn ein Jude sich in einem Stadion voller Antisemiten befindet – zumindest, wenn dieser es ist, der auf der Bühne die Witze erzählt.

3 Worüber man sich nicht alles lustig machen kann: George Carlin About Rape