Geteilte Freud ist doppelte Freud

Was Welt-, Europa- und Schweizermeister betrifft, so müssen wir allmählich akzeptieren, dass es auch mehr als nur einen geben kann. Wenn die in 90 Minuten untereinander nicht ausmachen können, wer besser ist, dann sind sie eben gleich gut. Eine Entscheidung erzwingen zu wollen, vielleicht sogar mit einem Gottesurteil wie dem Penalty-Schiessen, ist mittelalterlich.

Und überhaupt ist es ganz klar ethisch falsch, zwischen Sieg und Unentschieden einen Unterschied zu machen. Die Verlierer sind Loser. Daran besteht kein Zweifel. Aber gleich gut zu sein, ist kein halber, sondern ein ganzer Sieg.

Wenn man in der Vorrunde ein Unentschieden akzeptiert, warum dann nicht auch in den Finalrunden? Zwei Mannschaften treten an, der Gewinner kommt weiter, der Verlierer reist heim. Bei Unentschieden kommen beide weiter. Und vergesst endlich dieses spiessige Punktezählen in der Vorrunde. Das ist einfach nur peinlich.
Die organisatorischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass auf diese Weise womöglich eine ungerade Zahl von Mannschaften in die nächste Runde kommt, lässt sich leicht umgehen, wenn man Wildcards einsetzt, welche es zufälligen Mannschaften erlauben einfach gewisse Runden zu überspringen.

Turniere, wie sie heute veranstaltet werden, haben ohnehin nur wenig Aussagekraft. Wenn eine Mannschaft eine ganze Saison lang hervorragend spielt, am entscheidenden Tag aber gegen einen deutlich schwächeren Gegner unterliegt, macht das dann den Sieger wirklich zum Goldstandard der Saison? Natürlich nicht!
Von einem wahren Meister darf man nämlich erwarten, dass es sich auch in einer Revanche bestätigt.

Früher, als alles noch besser war und die Kombattanten die Tourniere noch entweder mit dem Schild oder auf dem Schild verliessen, gab es diese Probleme nicht. Denn wenn die an sich deutlich stärkere Mannschaft der schwächeren unterlag, dann war da keine lebende, an sich stärkere Mannschaft mehr, die die Angelegenheit mit einer Revanche wieder in Ordnung hätte bringen können. So einfach war das.

Auf jeden Fall sollten wir aber darauf verzichten Mannschaften Welt-, Europa- oder Schweizermeister zu nennen, wenn die Möglichkeit besteht, dass ihr eine andere Mannschaft gehörig in den Hintern treten könnte. Sie kann sich aber gern Tourniersieger nennen.

Und wenn man aus solchen Veranstaltungen keine allgemeingültigen Schlüsse über die Qualität der Mannschaften ziehen kann, dann kann man die Sache auch insgesamt etwas unterhaltsamer gestalten: Man könnte mal zum Spass zwei Mannschaften gleichzeitig gegen eine dritte antreten lassen. Oder man könnte mal die Tore versetzen. Oder mit grösseren Bällen spielen…

Wo die Magie läuft

Diese liturgischen Rückbesinnungen sind für Sarah weder Selbstzweck noch Nostalgie. Er meint, dass sie den Glauben an das Mysterium des Altarsakraments wiederbeleben könnten, der bei vielen Katholiken verloren gegangen sei – eine Beobachtung, die mir nicht ganz falsch zu sein scheint. Kirchen-Experten rätseln nun, ob der Kardinal für seine Vorschläge die Rückendeckung von Papst Franziskus hat.
Ludwig Ring-Eifel in Der richtige Weg

Mich erstaunt, dass Kirchenexperten sich nicht fragen, ob die liturgische Rückbesinnung tatsächlich den Glauben an das Mysterium des Altarsakraments wiederbeleben kann (geschweige denn, ob es da überhaupt so etwas wie ein Mysterium des Altarsakraments gibt, an welches zu glauben lohnen würde), sonder nur, ob der Papst dahinter steckt. Allerdings ist das auch irgendwie symptomatisch. Die Autorität macht es aus und nicht die Qualität des Arguments.

Ich frage mich ob Sarah und Gleichgesinnte denken, dass der Verlust an Bedeutung, den die Kirchen in den letzten Jahrhunderten hinnehmen mussten, auf eine falsche Form der Liturgie zurückgeht und mit der Korrektur die Verhältnisse der guten alten Zeiten  wieder hergestellt werden könnten?

Ich frage mich, wovon die Kirchenfürsten träumen?
Was ihre verwegensten Fantasien sind?
Träumen sie davon, dass die Kirchen wieder voll sind?
Träumen sie davon, dass Weihnachten nicht mehr so kommerziell ist?
Träumen sie davon, dass man die Evolution wieder vergessen wird?
Träumen sie davon, dass man sich nicht über Religion lustig machen darf?
Träumen sie davon, dass Abtreibung verboten wird?
Träumen sie davon, dass Homosexuelle wieder mit dem Tod bestraft werden können?
Oder träumen sie einfach von Ministranten?
Unter welchen Voraussetzungen würde ihre Arbeit, den Menschen den Weg in den Himmel ebnen, die schönsten und meisten Früchte tragen?

Denken sie, dass wenn alles richtig gemacht wird, dass dann die Effekte, die man sehen würde, als Gottesbeweis durchgehen könnten?

Und was wäre sie bereit zu opfern um ihre Wünsche zu erfüllen?

Pontifex-Dialoge: Das Universum

Seit mir der Papst für ein Twitter-Follow einen Ablass vom Fegefeuer offeriert hat, führe ich von Zeit zu Zeit kleinere Dialoge mit dem Pontifex. Dies ist ein weiterer davon:

20. Juni 2017

Papst Franziskus @Pontifex_de
Das Universum ist mehr als ein wissenschaftliches Problem; es ist ein freudvolles Geheimnis, Ausdruck von Gottes Liebe zu uns.

„Das Universum ist mehr als ein wissenschaftliches Problem“. Damit ist wohl gemeint, dass das Universum mehr zu bieten hat, als die Wissenschaft zu erklären vermag1.
Das Universum ist also die grosse Bühne, auf der sich Wundersames ereignet.

Mit Hilfe der Wissenschaft durchschauen wir indessen nach und nach die Tricks, die dahinter stecken. Vieles von dem, was früher unbegreiflich war, haben wir inzwischen begriffen.
Wie viel von den, was noch immer unbegreiflich ist, auf immer unbegreiflich bleiben wird, wissen wir nicht. Und wir wissen auch nicht, ob der unbegriffene Rest am Ende unbegreiflich bleiben wird aufgrund unserer beschränkten Zeit und Fähigkeiten oder weil es da einfach nicht mit rechten Dingen zugeht, was der einzige Grund ist, warum etwas prinzipiell nicht verstanden werden kann.
Der Papst geht offensichtlich davon aus, dass ein Teil auf ewig2 ein Mysterium bleiben wird. Nicht etwa, weil er Gründe dafür hätte, dass zu glauben, denn wir haben noch nie etwas beobachtet3, was nicht mit rechten Dingen zugegangen wäre, sondern weil er es glauben will.

Hinzu kommt, dass die Religionen eine gewisse Reputation darin haben, Fragestellungen, welche vermeintlich Unbegreifliches begreiflich machen könnten, sicherheitshalber zu unterbinden. Zum Wohl des allgemeinen Seelenheils wohlgemerkt, denn aus dem Verschwinden des Unerklärlichen könnte man nur allzu leicht auf das Nichtvorhandensein des Unerklärlichen schliessen. Und das, obwohl es ja einen sehr überzeugenden Grund dafür gibt, dass es das Unerklärliche tatsächlich gibt: der Papst wünscht es sich so sehr. Und wer sind wir, ihm diesen Wunsch auszuschlagen?
Natürlich verbieten Religionen nicht die Wissenschaft. Es ist nur so, das das Seelenheil Priorität hat. Wenn die Erforschung (und Enträtselung) der Wundersamkeit des Universums den Glauben4 stärkt, sehr gut, wenn es ihn jedoch zersetzt, ist die Ignoranz ein Segen. Zu welcher Kategorie Sie gehören, erfahren Sie bei Ihrem zuständigen Priester5.

Da ist aber noch was anderes. Der Weltraum, aus dem das Universum besteht, versucht uns zu töten!

Und selbst zuhause kommen wir nur mit einer stattlichen Portion Glück über die Runden: wenn Global Killer uns verfehlen, sich keine Supernovas in unserer Nachbarschaft ereignen und wir nicht zufälligerweise einer hypergalaktischen Umgehungsstrasse im Weg stehen.
Das Universum, die freudvolle Bühne, ist ein Minenfeld.
Die hübsche Anordnung von Landminen und deren elegante Bauweise macht sie nicht wirklich zu einem Liebesbeweis.

Eda Gregr @meskinaw @Pontifex_de Es ist das gleiche Problem wie Krokodile, Vulkane und HIV. Ziemlich tödlich. Ausdruck von Gottes Liebe für uns. Amen?

Der Papst sieht das Universum als eine Herausforderung. Die Konfrontation mit ihm lässt uns gleichermassen intellektuell wie spirituell wachsen. Und eine spannende, knifflige Herausforderung ist durchaus etwas, was ein liebender Vater seinem Kind bieten würde. Bloss dass ein Scheitern lieber nicht den Tod (und ewige Höllenqualen) nach sich ziehen sollte. Und selbst nur so zu tun, als ob ein Scheitern tödlich wäre, ist nicht unproblematisch, wenn man nicht will, dass das Kind ein Trauma davon trägt.
Zur spannenden und kniffligen (und tödlichen) Herausforderung des liebenden Vaters scheinen folgende Extras zu gehören: Man muss sich beim Ergründen der Geheimnisse des Universums gegen die Angriffe der Vertreter des Vaters behaupten, von denen man weiss, dass sie in der Vergangenheit ziemlich grausam mit Leuten umgegangen sind, die sich gegen sie zu behaupten versuchten. Obwohl nur die wissenschaftliche Methode verlässliche Ergebnisse liefert, ist man verpflichtet auch andere Methoden zu benutzen und deren Ergebnisse zu akzeptieren. Man weiss nicht, ob die Vorbilder, die man hat, im Sinne des Vaters erfolgreich waren oder gescheitert sind. Und der Vater schreckt nicht vor Gewalt und Bildern auf Toastbroten zurück um einen gutgemeinte Hinweise zu geben.

Eda Gregr @meskinaw @Pontifex_de Zeitbomben als Ausdruck von Gottes Liebe, auf dass es vielleicht einem von uns gelingt, sie zu entschärfen.

So ein Szenario ist nur dann ein Beweis für die Liebe Gottes, wenn ich allein das Versuchsobjekt bin und alle anderen Statisten. Dann haben die anderen vor mir, die die Zeitbombe zu entschärfen versuchten, nämlich nicht einfach Pech gehabt, sondern sie waren Teil einer Inszenierung, die mich in die richtige „Stimmung“ versetzte innerhalb der Herausforderung, an der ich wachsen soll.

Dies zeigt übrigens wieder einmal, dass Computerspiele in der Theologie noch immer nicht die Beachtung finden, die sie eigentlich verdienen. Computerspiele als ein Abbild dessen, was uns die Religionen als göttlichen Plan verkaufen wollen: Wir werden in eine Welt geschleudert, in der wir uns behaupten und aus der wir erfolgreich entkommen müssen. Und Freud und Leid und Tod im Spiel sind nur zu unserer Unterhaltung ausserhalb des Spiels da. Gruselige Zombies sind ein Liebesbeweis der Entwickler an den Käufer.
Und im Multiplayer-Modus: Indem der Erfolg des einen Spielers den des anderen einschränken kann, entsteht eine Selektion, wo es Gewinner und Verlierer gibt. Und ob es diese Linie gibt und wo sie liegt gänzlich in der Macht des Spiel-Designers. Dieser kann dann gern noch ein Feature einbauen, welches den Spieler, wenn er nicht erfolgreich ist, auch ausserhalb des Spiels tötet. Doch dann sollte er die Entscheidung, ob man das Spiel spielen will, dem Spieler überlassen. Andernfalls kommt er wohl nicht damit durch, dass er das Spiel aus Liebe für die Spieler entwickelt hat:
Wenn du dir wünschst Russisch Roulett zu spielen, dann kann es ein Akt der Liebe sein, dir den Revolver zu geben.
Wenn du es aber nicht spielen willst, dann ist es kein Akt der Liebe, dir den Revolver zu geben und dich zu zwingen abzudrücken.

Mit dem Wechseln von Diesseits- und Jenseitsperspektive machen uns die Apologeten nur kirre. Doch unter dem Strich bleibt, dass entweder die Regeln gelten, die in den heiligen Büchern stehen, dann ist Gott ein alles andere als liebenswürdiger Kerl. Oder es gelten eigentlich andere Regeln, doch dann ist Gott nicht das, was über ihn in den heiligen Büchern steht.

Überlegt euch mal, was Lara Croft über den Designer ihrer liebevoll kreierten Weltdenkt. Ist es das gleiche wie der Tomb Raider Spieler?


Disclaimer: Diesen Artikel habe schneller geschrieben als sonst üblich, deshalb hat’s vielleicht ein paar mehr nicht ganz nachvollziehbare Gedankensprünge. Sollte Klärungsbedarf bestehen, werde ich mich gern nochmal dahinter klemmen.


Kurzer Nachtrag. Als Antwort auf den Tweet den Papst postete Mathilde Hei das Bild einer Galaxie mit dem Kommentar: „Es ist prachtvoll. Gott ist das Zentrum!“

https://twitter.com/HopelandAT/status/744436070876581888

Das Universum hat kein Zentrum.
Das auf dem Bild ist eine Galaxie, von denen es Abermillionen gibt.
Und das in der Mitte der Galaxie ist ein schwarzes Loch.
Soviel zur Freude die Geheimnisse des Universums zu enthüllen.

Wenn das Blatt sich wendet…

Purgatorius
Purgatorius

Hühner sind ja mehr oder weniger direkte Nachfahren vom Tyrannosaurus, der seinerzeit über Äonen hinweg unseren niedlichen Vorfahren Purgatorius terrorisierte. Und das schlechte Gewissen ob all dem Leid, das der Tyrannosaurus seinem Futter zugefügt hat, liegt den Hühnern sicherlich noch schwer auf der Seele1.
Ist es da nicht unsere heilige Pflicht als moralische Wesen ihnen den karmischen Ausgleich zu ermöglichen? Wie lange also dürfen wir Nachfahren des Purgatorius die Nachfahren des Tyrannosaurus fressen, bis wir quitt sind?

Fleischfressen ist eine Eigenschaft, welche, weil ethisch problematisch, lieber beseitigt werden sollte. Wenn ich in der Biologie eine bestimmte genetisch bedingte Eigenschaft loswerden will, lasse ich die Träger dieser Eigenschaft keinen Nachwuchs bekommen. Das kann ich tun, indem ich den Träger vor der Fortpflanzung esse, ihn von der Fortpflanzung abhalte oder seine Nachkommen fresse. Alles worauf es ankommt, ist, dass die entsprechenden Gene aus dem Pool verschwinden.
Daher ist es doch nur logisch, dass, wenn wir die genetisch bedingten, ethisch fragwürdigen Tyrannosaurus-Eigenschaften loswerden wollen, wir die Träger der entsprechenden Gene, also die Nachkommen des Tyrannosaurus, durch Verzehr aus dem Verkehr ziehen2.

Märtyrer oder die Kunst zu Leiden

„Wahre Christen“ erkennt man angeblich daran, dass sie versuchen, das gleiche wie Jesus zu tun. Damit ist selbstverständlich nicht das übers Wasser laufen gemeint, was ich jeden Sommer immer mal wieder versuche, ohne damit gleich zu einem Christen zu werden. Auch nicht die wundersame Brot- und Fischvermehrung1, was den überfischten Gewässern zwar eine bitter nötige Verschnaufpause gewähren, andererseits aber wohl die Back- und Fischereiindustrie ruinieren würde. Und auch nicht die ganzen anderen Wunder2. Sondern das Nett- und Hilfsbereitsein zueinander und das Keine Angst vor dem Tod haben müssen.
Dass er nicht immer nett war zu den Leuten, im besonderen zu den Kanaanitern (vgl. Matthäus 15,21ff), und dass er den Leuten mit der Hölle eine Heiden Angst vor dem Tod eingejagt hat, ignorieren wir mal. Wir ignorieren auch, dass er keine Ehe führte und auch nicht Geld verdienen musste. Zwei Aspekte, in denen wir dringend ein taugliches Rollenmodell bräuchten: Wie bewältigt man wie Jesus die täglichen ehelichen Probleme? Wie fest beteiligt mann sich wie Jesus am Haushalt? Wie erzieht man wie Jesus seine Kinder? Wie borgt man sich wie Jesus etwas Mehl vom schwulen Nachbarn? Wie arbeitet man wie Jesus in einer Firma, wo der Chef ein Arsch ist3? Wie führt man wie Jesus eine Firma mit begriffsstutzigen Mitarbeitern/Sklaven? Wie soll man sie entlöhnen? Und wie soll man sich zu überrissenen Lohnvorstellungen und sechs Wochen Urlaub stellen? Wie viel Wert soll man auf Nachhaltigkeit legen? Und wenn das Land von den Kanaanitern angegriffen wird, wie soll man sich wie Jesus verhalten? Wie als Soldat, wenn man eingezogen wird? Wie als Offizier? Und wie soll man wie Jesus abstimmen, wenn die Initiative von der SVP kommt? Und was soll man mit Leuten, die das Gesetz übertreten haben, machen, nachdem man ihnen verziehen hat?…
Wenn Jesus und seine Jünger einen Kibbuz oder sowas gegründet und dort Familien und bescheuerte Nachbaren gehabt hätten, dann könnte man sich sein Leben als Vorbild nehmen. Aber so? Jetzt haben wir nur einen umherziehenden „Philosophen“, bei dessen Ideen sich die Leute nicht einig werden, wie sie konkret im täglichen Leben umgesetzt werden sollen.
Und überhaupt, das Problem ist ja nicht, was man tun soll, wenn man arm ist, denn dann ist der Handlungsspielraum eh sehr begrenzt, sondern was man machen soll, wenn man fähig ist, tatsächlich was zu bewegen. Oder im Sinne von Laotse: Jesus verschenkte Fische, aber er lehrte nicht, wie man sie vermehrt.

Aber egal, ein Christ hofft, dass die Welt eine bessere4 wird, wenn jeder ein Leben führt, wie es Jesus in seiner Situation (ohne die wundersamen Fähigkeiten) gelebt hätte.
Persönlich halte ich das für naiv, denn wenn man sich schon an einem hausierenden Philosophen ein Vorbild nehmen will, dann bitte an Sokrates. Aber sei’s drum.

Doch was zum Teufel soll dann dieses ganze Tamtam rund um seinen Tod?
Inwiefern wird die diesseitige Welt besser, wenn mein Vorbild ans Kreuz genagelt wird?
Auch Sokrates liess man über die Klinge springen, weil er allmählich nervig wurde, doch hatte das keinen Einfluss welcher Art auch immer auf die Gültigkeit seiner Argumente. Der Tod des Sokrates zeigt uns lediglich, dass er seine Contenance auch im Angesicht der Todes nicht verlor. Mehr aber auch nicht. Behaupten zu wollen, dass es der Schierlingsbecher gewesen sei, der die Menschen auch noch nach Jahrtausenden sich mit seinen Ideen beschäftigen lässt, ist absurd. Genauso die Vorstellung, wir täten es aus schlechtem Gewissen, resp. um zu verhindern, dass er nicht umsonst gestorben ist. Es war allein die Qualität der Ideen. Genauso wie bei Aristoteles, Platon und Pythagoras, welche auch ohne spektakulären Tod „unsterblich“ wurden.

Jesus ohne Kreuzigung scheint aber nicht ganz zu funktionieren. Die Qualität seiner Ideen war offenbar nicht überzeugend genug5 um allein durch diese in Erinnerung zu bleiben. Irgendwie sieht das ganze so aus, als ob Jesus ein Strassenkünstler gewesen ist, der sein Publikum mit immer unglaublicheren Tricks und verrückteren Ideen unterhalten hat. Und als ihm dann allmählich das Material ausging, holte er zum spektakulären Finale aus, bei welchem er sich kreuzigen liess und dann drei Tage später wieder auferstand um dann wenig später die Bühne (ziemlich unspektakulär) (mit dem Versprechen eines baldigen Comebacks) für immer zu verlassen.

Es entbehrt übrigens nicht einer gewissen Ironie, dass eine der zentralen Ideen von Jesus jene des ewigen Lebens ist und er diese zu verkaufen versucht, indem er sich umbringen lässt. Wäre einfach ewig weiter zu leben nicht irgendwie naheliegender? Und überzeugender? „Nein Jesus ist nicht gestorben, er lebt noch, einfach in einem anderen Leben.“, finde ich jetzt nicht wirklich überzeugend6.

Tatsächlich geht es bei Jesus nicht primär darum, die Welt besser zu machen. Das ist – wenn überhaupt (!) – nur ein netter Nebeneffekt. Es geht vor allem anderen um das ewige Leben. Und dieses hat er angeblich mit seinem Leiden am Kreuz überhaupt erst möglich gemacht. Das Leiden war also der Schlüssel. Und Leiden ist auch weiterhin der Schlüssel:

Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen läßt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis…
Textabschnitt 194 aus Der Weg vom Heiligen Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás, dem Gründer von Opus Dei

Das Problem ist, ich hatte „sie versuchen, das gleiche wie Jesus zu tun“ irrtümlich auf die Taten von Jesus bezogen statt auf sein Leiden!
Wie konnte ich das übersehen? Das Leiden zieht sich schliesslich wie ein roter Faden durch das ganze christliche Denken: von Adam und Eva, die irgendeinen Blödsinn anstellten, für den sie und alle ihre Nachkommen dann zur Strafe Leiden müssen, über Jesus, der die Menschen lehrte auch die andere Wange hin zu halten, wodurch er uns darauf hinwies, dass sich jede Meinungsverschiedenheit auch ohne weitere Gewalt beenden lässt, der dann aber nichtsdestotrotz ans Brett genagelt werden musste um irgendein Karma auszugleichen, bis hin zu den armen Christen, die seelische Höllenqualen durchleiden, wenn sie wissen, dass ihre schwulen Nachbaren nebenan trotz Gottes Abscheu legal Sex miteinander haben.

Das Leiden ist nicht nur eine bedauerliche Konsequenz einer unperfekten Welt, es ist die Bestimmung des Christentums:

Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden.
2. Timotheus 3:12

Werden sie verfolgt, weil Satan in seiner Verschlagenheit alle anderen gegen sie aufstachelt hat?
Oder werden sie verfolgt, weil Jesus aus versehen das Schwert statt des von Jesaja versprochenen Friedens mit zur Party brachte?

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
Matthäus 10:34

Nicht so schnell! Die beiden letzten Zitate zusammengenommen, sind doch ganz eindeutig Slapstick! Das ist doch die klassische Szene, wo jemand auf der eigenen Bananenschale ausrutscht und damit allgemeine Heiterkeit provoziert7.

Jesus versuchte den von Jesaja versprochenen Frieden durch Humor herzustellen! Das Schwert ist ein Gag-Schwert, das den Schwertträger schneidet, während er den Gegner umzubringen versucht! Das ist doch zum Schiessen komisch! Und wie wir alle wissen, eint Menschen nichts so sehr wie gemeinsam zu lachen! Das ist doch einfach genial!
Wir werden es gleich sehen, wenn die Spannung sich im nächsten Vers in einer grandiosen Pointe auflöst:

Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater, und die Tochter mit ihrer Mutter, und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert.
Matthäus 10:35-388

Ups… Okay, es war vielleicht doch nicht ironisch gemeint…
Escrivás Lob des Leidens entspringt also weniger seinem Masochismus als viel mehr der göttlichen Kartografie, in welcher der richtige Weg stets gepflastert ist mit Leiden.

Wenn wir leiden, ist das also schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass wir sicher nicht auf dem Holzweg sind. Damit kann man arbeiten.

Allerdings… Wie wahrscheinlich ist es, dass der Teufel nicht bemerkt, dass ihm viele Seelen allein deshalb durch die Lappen gehen, weil sie stur immer den steinigsten Weg nehmen? Wie lange würde es da wohl dauern, bis er einen noch viel verlockenderen steinigen Weg errichtet, der an Steinigkeit alles bisher gesteinigte weit hinter sich lässt?
Wie wir in „Die Grosse Verführung“ gesehen haben, brauchen wir uns wegen der guten Gründe, die dafür sprechen, dass auch das Leiden eine Form der Verführung sein könnte, keine Sorgen zu machen, weil Gründe ein Teufelswerk sind und ein wahrer Christ sich von solchen niemals überzeugen lassen sollte. Also pfeif aufs „Allerdings…“

Und selbst wenn Leiden doch noch kein Garant für den Himmel sollte, ist das Wohlbefinden schlussfolgernd aus 2. Timotheus 3:12 auf jeden Fall einer für die Hölle.
Deshalb wird der wahre Christ immer aufs Leiden setzen9. Das macht im Angesicht der Erbsünde durchaus auch Sinn, denn Leiden ist eine Form von Sühne ist und und von dieser kann man entsprechend gar nicht genug haben.
Deshalb interpretiert der wahre Christ zur Sicherheit alles, was sich als Angriff interpretieren lässt, grundsätzlich als Angriff.
Deshalb fühlt sich der wahre Christ als Märtyrer, wenn nebenan seine schwulen Nachbarn poppen.
Deshalb fühlt sich der wahre Christ verfolgt, wenn man ob dieser Bigotterie den Kopf schüttelt.
Und deshalb hat die Bibel auch kein Problem mit Vergewaltigung, Sklaverei und Genozid, dafür aber mit dem Verzehr von Hummer. Weil nur beim Hummer kein Mensch leidet. Denn wo niemand leidet, kommt auch niemand in den Himmel.

Deshalb macht es für einen wahren Christen auch keinen Unterschied, ob sein Mitbruder gefoltern oder nur diskriminiert wird. Klar für den Mitbruder fühlt es sich sehr verschieden an, doch da beides Formen von Verfolgung sind, sind beides klare Hinweise darauf, dass er auf dem richtigen Weg ist10. Und wenn der Mitchrist auf dem gleichen Weg, den ich beschreite, gefoltert wird, dann bin auch ich auf dem richtigen Weg und mein Leid müssen die leidigen schwulen Nachbaren sein.

Randnotiz : Open Doors, die alljährlich den Weltverfolgungsindex herausgeben, welcher dokumentiert, dass das Christentum die am meisten verfolgte Religion ist, unterscheidet in der Beurteilung der Situation tatsächlich nicht zwischen Folter und Diskriminierung, wie Markus Rode, der Vorsitzende von Open Doors Deutschland auf Anfrage von kath.net bestätigt: „Die Grenzen zwischen Verfolgung und Diskriminierung sind fließend. Deshalb haben wir den Begriff «Verfolgung» als Oberbegriff gewählt. Es steht uns nicht zu, Christen per Definition vorzuschreiben, ob sie erst dann als verfolgt gelten, wenn sie gefoltert oder ins Gefängnis geworfen werden, oder bereits wenn ihre Kinder von Ausbildungs- und Berufschancen bewusst ausgeschlossen werden. Verfolgung hat viele Facetten, die auch von den Christen vor Ort subjektiv, und somit unterschiedlich stark erlebt werden.
Der Open Doors Logik folgend, die vor allem auf der schiere Zahl beruht und überhaupt nicht auf Verhältnissen, müsste das Christentum mit 1.9 Milliarden nicht verfolgten Anhängern auch die am wenigsten verfolgte Religion der Welt sein und mit den Einschränkungen, welche das Christentum Frauen angedeihen lässt, die am meisten verfolgende Religion. Für einen Vergleich, der überhaupt erst bestimmen könnte, welche Religion am meisten verfolgt wird, müsste man auch die anderen Religionen auswerten, was Open Doors, wie sie selbst einräumen, kaum tut.
Man muss hier allerdings schon auch erwähnen, dass Open Doors den grossen Kirchen etwas zu weit gehen.
Eine morbide Faszination für Märtyrer teilen sie aber alle.

Wieso diese Besessenheit für Märtyrer?
Dass man für seine Überzeugungen bereit ist ein gewisses Mass an Leid zu ertragen, kann ich nachvollziehen. Dass man womöglich auch das Risiko eingeht zu sterben beim Versuch seine Überzeugungen zu verteidigen oder durchzusetzen, kann ich auch noch verstehen. Doch dass man im Tod für die „richtige“ Sache die bewundernswerte Erfüllung der eigenen Bestimmung sieht, übersteigt meine Vorstellungskraft.
Damit will ich nicht abstreiten, dass der Tod des Märtyrers ein mächtiges Symbol darstellen kann, welches seiner11 Überzeugung zum Durchbruch verhilft12. Ich sage nur, dass jeder Tod eine Tragödie ist und es für alle (und insbesondere für den Märtyrer) besser gewesen wäre, wenn er die Sache auf wundersame Weise (ohne damit die Symbolwirkung zu schmälern) heil überstanden hätte.

Für Christen sieht das allerdings anders aus. Wenn nämlich das Martyrium „das erhabenste Zeugnis [ist], das man für die Wahrheit des Glaubens ablegen kann; es ist ein Zeugnis bis zum Tod“13, dann wäre ein wundersames Weiterleben eine Katastrophe, weil der Märtyrer das ewige Leben später wieder verspielen könnte. Und das würde die Frage aufwerfen, ob die Bewohner des Himmels ihren Einzug nicht bloss dem Umstand verdanken, dass sie zufälligerweise im richtigen Moment mit der richten Einstellung abgetreten sind14. Wie nachhaltig wäre dann das, was man für die richtige Einstellung hält?15

Das Leben für seine Überzeugung zu opfern braucht sicherlich Mut, es mag also durchaus ein erhabenes Vertrauenszeugnis sein, das schwierigste und grösste ist es aber nicht.
Wer beweist mehr Vertrauen in eine Brücke? Der, der sie zuerst selbst ausprobiert, oder der, der einen anderen über sie schickt? Jede halbwegs integre Person wird, bevor sie andere Menschen wissentlich in Gefahr bringt, erst mal selbst herauszufinden versuchen, ob die Brücke sicher ist. Es ist schwieriger die Gesundheit jemandes aufs Spiel zu setzen, für den man die Verantwortung trägt, als seine eigene. Denn was riskiere ich, wenn ich mich zum Schutz anderer in Gefahr bringe? Mein Leben. Was riskiere ich, wenn ich das Leben anderer in Gefahr bringe? Deren Leben und meine Seele. Was ist aus Sicht eines Christen das grössere Risiko? (Was nicht heisst, dass sich in einer solchen Dilemma der Atheist anders entscheiden würde als der Christ!)
Wenn man der Sache aber wirklich vertraut, wird man nicht zögern seinen Schützling über die Brücke zu schicken. Das ist der grösste Vertrauensbeweis: wenn einem nicht mal einfällt, dass man den anderen einer Gefahr aussetzt. Auf Gott umgemünzt heisst das: Das grössere Vertrauen in Gott beweisst der, der die diesseitigen Qualen seines Schützlings im Angesicht des jenseitigen Lohnes genau wie der Doktor, der dem Kind eine schmerzhafte Impfung gibt, guten Gewissens ignoriert.

Wohlgemerkt, von aussen ist ein solcher völlig überzeugter Gläubige, der andere lächelnd16 in den Tod schickt, von einem verschlagenen, machthungrigen Psychopathen kaum zu unterscheiden. An den berühmten Früchten lässt es sich nämlich nicht erkennen, wenn diese nicht die Anzahl älterer Damen sind, welchen man über die Strasse geholfen hat, sondern die Anzahl der Menschen, welchen man zielbewusst zum Eintritt in den Himmel verhalf.17 Man darf mich gern einen Zyniker nennen, denn ein herzensguter, gottesfürchtiger Mensch würde sowas angeblich nie tun. Ausser natürlich Abraham. Er war ein herzensguter, gottesfürchtiger Mensch und er zögerte nicht das Messer zu zücken…
Im Angesicht dieses Dilemmas, welches entsteht, weil wir nicht in die Herzen der Menschen sehen, könnte man vielleicht auf die Idee kommen, dass wir zumindest bei den Märtyrer sicher sein können, dass sie mit ihrer Tat ein unerschütterliches Zeugnis für ihren Glauben ablegen. Doch können wir auch hier von aussen nicht unterscheiden, ob den Märtyrer – ich nenne es mal – „die politische Notwenigkeit“ dazu trieb oder ein Verdruss am Leben, den er mit einer edelmütigen Tat zu kaschieren versuchte, um damit seiner Familie die Schmach zu ersparen.

Fakt ist, wenn man das Martyrium als das erhabendste Zeugnis für die Wahrheit des Glaubens zu Ende denkt, dann ist man, wo man bereit ist für etwas zu sterben, auch schnell mal bereit jemand anders dafür sterben zu lassen. Christen widersprechen dem zwar vehement, doch wo auch immer die Kirchen politisch stark genug waren um damit durchzukommen, da geschah genau das.


Meine Einstellung zum Märtyrerkult:
Schokoladeneis mag so köstlich sein, dass man an einem heissen Tag beim Versuch an eins ran zu kommen ein zu grosses Risiko eingeht und stirbt. Wenn aber jemand mich dadurch zu überzeugen versucht, dass Schokoladeneis das einzig wahre ist, indem er sich anzündet, dann hat er einen an der Waffel!

mmm flambiertes schoko-cornet

Kokos-Schokolade-Würfel oder die Moral für Mehr- und Wenigerheiten

Hier eine Idee: Je nach dem, ob sie eine Minderheit oder eine Mehrheit anspricht, gibt die Moral den Leuten andere Tipps.

Ein harmonisches Zusammenleben ist zwar nett, oberste Priorität hat für die Moral1 aber ihr eigenes Fortbestehen. Warum sonst wären unter den Anleitungen der verschiedenen Religionen, die sich ja als Hüter der Moral2 verstehen, immer auch solche, die mit einem harmonischen Zusammenleben überhaupt nichts zu tun haben? Und dann auch noch an so prominenter Stelle. Das erste Gebot der Bibel zum Beispiel ist keine Anweisung, wie man sich verhalten soll, sondern bloss eine Feststellung3, die keinem anderen Zweck dient, als dass der angeblichen Urheber der Regeln im Gespräch bleibt.

Vielleicht wird es deutlicher anhand eines Beispiel aus einer anderen Domäne, wo man Regeln befolgen sollte:

  1. Es gibt nur Betty Bossi.
  2. 300g Mehl, 250g Zucker, 1 Päckli Vanillezucker, 2EL Kakaopulver, 2TL Backpulver und 1 Prise Satz in einer Schüssel mischen.
  3. 3 Eier, 3dl Milch und 200g flüssige, abgekühlte Butter gut darunterrühren. Teig in die vorbereitete Form füllen.
  4. Backen: ca. 30 Min. in der Mitte des auf 180 Grad vorgeheizten Ofens. Kuchen herausnehmen, etwas abkühlen, mit einem Holzspiesschen mehrmals einstechen.
  5. 200g Puderzucker, 1 Päckli Vanillezucker, 2EL Kakaopulver, 50g flüssige Butter und 4EL Espresso gut verrühren, auf dem warmen Kuchen verteilen. Kokosraspel darüberstreuen, Kuchen in der Form auskühlen, in Würfel schneiden.

 

Wenn man gegen eins der Gebote verstösst, mit welcher Konsequenz muss man dann rechnen? Das Ergebnis wird anders schmecken und/oder aussehen – im Idealfall schlechter/hässlicher, weil andernfalls das Rezept noch verbesserungsfähig gewesen wäre. Das gilt aber nicht für das erste Gebot. Wenn man dieses ignoriert, wird das Ergebnis genau das gleiche bleiben. Was zum Teufel sucht es dann im Pentalog?

Gar nichts! Ausser natürlich wenn die Kokos-Schoko-Würfel gar nicht das eigentliche Ziel ist: Vielleicht sollen diese den Konsumenten nur schmecken (oder sie dick machen), um sie davon abzulenken, dass es einzig und allein darum geht, dass die Betty Bossi AG auch weiterhin prosperiert! Die Kokos-Schoko-Würfel sind ein Trojanisches Pferd!
Ausser natürlich die Betty Bossi AG versucht dem Klientel weiss zu machen, dass mit dem Glauben an die Gültigkeit des ersten Gebots während der Zubereitung irgendeine besondere Qualität hinzukomme. Doch welche könnte das sein? Besserer Geschmack? Denkbar, doch dieser Effekt wird in einer Doppelblind-Verkostung nicht mehr auftreten. Hübscher? Auch denkbar, aber ebenfalls bloss ein Placeboeffekt. Dann halt etwas im Jenseits!
Wenn der Betty Bossi AG also weniger ihr Gewinn am Herzen liegt als viel mehr unser seits-übergreifendes Wohlergehen, dann stellt sich die Frage, ob der Glaube an den Monobettybossismus wirklich das einzige ist, was einen Einfluss aus die besondere Qualität im Jenseits hat. Sollte nämlich beispielsweise eine Prise weniger Kakaopulver ebenfalls jener besonderen Qualität förderlich sein, dann frage ich mich, auf welches Seits sie das Rezept optimieren?

Analog werden dann wohl auch gewisse Regeln, die man befolgen muss um in den Genuss der von den Göttern in Aussicht gestellten jenseitigen Privilegien zu kommen, im Bezug auf ein harmonisches Zusammenleben im Diesseits noch optimierbar sein. Wenn beispielsweise Jesus uns aufträgt, in die Welt hinaus zu gehen und alle Menschen zu taufen4, so ist das von den Gläubigen, die in die Welt hinaus gehen um alle Menschen zu taufen, sicherlich gut gemeint5, doch da manche Leute nicht getauft werden wollen, hat die Regel, die mehr Seelen in den Himmel führt, ein grosses Potential zumindest kurzfristig Zwietracht unter den Menschen zu sähen.
Die Verteidiger der Missionsbefehls werden zweifellos zu argumentieren versuchen, dass abgesehen von der himmlischen Belohnung nach dem Tod, auch im Diesseits längerfristig Vorteile zu erwarten sind, weil in einer homogenen Gruppe weniger Reibereien entstehen, und dass das daraus resultierende harmonische Zusammenleben das bisschen genervt sein mehr als wett macht. Das klingt zwar plausibel, wird durch die Geschichte Europas aber nicht wirklich bestätigt. Denn irgendwie scheinen Religionen die Tendenz zu haben, grossflächig nicht homogen zu bleiben. Es scheint im Gegenteil viel mehr so, als ob eine bunte Durchmischung von sehr verschiedenen Moralvorstellungen auf engem Raum die Leute motiviert tolerant zu sein. Und das kommt einem harmonischen Zusammenleben weit mehr zugute. Wo es dagegen nur eine einzige gesicherte Wahrheit gibt, braucht es keine Toleranz. Da ist Toleranz sogar eine Gefahr für die gesicherte Wahrheit.

Interessanterweise verstärken gesellschaftliche Konflikte den Ruf nach Moral, statt dass sie diese in Frage stellen. Konflikte wie solche, die entstehen, wenn einer einer Minderheit aufgrund der Moralvorstellung der Mehrheit gewisse Rechte vorenthalten werden. Das ist ein klares Versäumnis der Moral, auf die Wünsche von Andersdenkenden einzugehen, selbst wenn diese keine Abstriche am eigenen Lebensstandard zur Folge hätten.
Ich kann ja verstehen, dass man seine eigenen Frauen und Homosexuellem diskriminiert, wenn man zufälligerweise an einen sexistischen und homophoben Gott glaubt. Aber dass man die gleichen Regeln auch für Frauen und Homosexuellen anderer Glaubensrichtungen durchzusetzen versucht, nur weil man mächtig genug dafür ist, halte ich für gefährlich. Wenn schon, dann muss man sie erst (behutsam6) bekehren. Ihnen die eigene Religion zuzugestehen, nicht aber die von dieser gewährten Rechte, halte ich für einen Zug, der aktiv am Stuhlbein des harmonischen Zusammenlebens sägt.

(Das war jetzt komplett aus der Perspektive der Religion argumentiert. Und ich wollte damit zeigen, dass wenn die Moral ein anderes Hauptziel als das harmonische Zusammenleben hat, dass sie das harmonische Zusammenleben gefährdet. Und jede religiöse Moral hat ein anderes Hauptziel!
Demgegenüber konzentrieren sich säkulare Moralvorstellungen allein auf das harmonische Zusammenleben im hier und jetzt. Das ist natürlich kein Garant für Erfolg. Und man kann natürlich nicht ausschliessen, dass sie noch schlimmere Ergebnisse liefern als religiöse. Aber wenigstens können sich deren Vertreter im Angesicht der von ihnen angestellten Katastrophen nicht damit herausreden, dass es den Leuten dafür im Jenseits umso besser gehe und man ihnen eigentlich dafür danken sollte.)

Das Hauptziel der religiösen Moral ist aber auch nicht, möglichst viele Seelen auf die hübsche Seite des Jenseits zu befördern, wie uns das die Betty Bossi AG weiss zu machen versucht. Himmel und Hölle sind genauso wie der Zucker und der Kakao nur ein Lockmittel – wenn auch eins dessen Schädlichkeit sich nicht nachweisen lässt. Worum es geht, ist der Fortbestand. Moral ist die Überlebensstrategie einer Kultur. Sie tut alles dafür, dass sie in genau der gleichen Form fortbesteht. So stur wie möglich, so flexibel wie nötig.

Allerdings braucht es je nach dem, „wo“ sich die Kultur, welche sich  durch die Moral definiert, gerade befindet, andere moralische Regeln. Unter „wo“ verstehe ich hier weniger den den geografischen Standort, obwohl der hier sicherlich auch eine Rolle spielt, sondern den Standort im – ich nenn es mal – globalen sozialen Fluss. Also ob die Kultur eine dominierende ist wie beispielsweise jene der Römer, oder ob es sich um eine unterdrückte Minderheit irgendwo weit Abseits vom Schuss handelt wie jene der Juden.

Das Überleben der Minderheit liegt nicht wirklich in ihrer Hand. Sie ist auf den Goodwill der dominierenden Kultur angewiesen. Da man sich nicht auf das ewige Fortbestehen des Goodwills verlassen kann, liegt es im Interesse der Minderheit zu einer dominierenden Mehrheit zu werden. Das jedoch möglichst auf eine Weise, mit der man sich den Goodwill der Mehrheit nicht verspielt.
Die Mehrheit dagegen muss zu ihrem eigenen Schutz versuchen eine Mehrheit zu bleiben, was bedeutet, dass sie verhindern muss, dass eine Minderheit zu einer Mehrheit wird. Und das möglichst auf eine Weise, die die Motivation der Minderheit möglichst schnell eine Mehrheit zu werden nicht beflügelt.
Oberflächlich betrachtet, sind beide Gruppen also darauf bedacht eine friedliche Koexistenz zu wahren. Eine offene Auseinandersetzung ist nämlich für beide mit unberechenbaren Risiken verbunden. Für die Minderheit, weil sie damit ihre Existenz aufs Spiel setzt und für die Mehrheit, weil sie vielleicht doch nicht so stark ist, wie sie denkt. Oft zeigt sich nämlich erst im Konflikt, ob wirklich alle die, die man auf seiner Seite wähnt, auch wirklich auf der gleichen Seite stehen. Die Mehrheit definiert sich nämlich weniger durch die absolute Zahl, sondern viel mehr durch das, wie sich die Leute zu verhalten scheinen. Was durchaus trügerisch sein kann. So mögen die meisten Menschen in Europa Katholiken sein, doch wenn die katholische Kirche zur Tötung aller Schwulen aufruft, wird sich ihr niemand mehr anschliessen. Insofern ist es besser für sie, den Status quo zu akzeptieren und die Welt glauben zu lassen, man vertrete die Mehrheit.

Die friedliche Koexistenz wird jedoch bei Mehrheit und Minderheit auf sehr unterschiedliche Weise gewahrt. So ist Toleranz den eigenen Leuten gegenüber bei der Mehrheit ein Vorteil, weil Andersdenkende damit nicht ausgeschlossen und in die Arme des Gegners gedrängt werden, während in einer Minderheit abweichende Meinungen nicht toleriert werden können, weil es die eh schon schwache Position noch mehr schwächt.
Bei der Mehrheit ist die Toleranz anderen gegenüber jedoch auch nur insofern okay, wie die Intoleranz die Gegenseite nicht zu einem ernstzunehmenden Gegner macht. Wenn die Mehrheit dermassen überwältigend ist, können auch leichte Abweichler als externe Minderheit betrachtet werden. Eigene Leute aus der Gruppe raus zu werfen ist riskant, kann sie insgesamt aber durchaus stärken.

Deshalb stand die Moral dem Fortbestand ihrer Gruppe auch noch nie im Weg. Dem Fortbestand der Individuen und dem anderer Gruppen durchaus, nicht jedoch der Idee, die die Gruppe zusammen hält. Moral ist der Überlebensinstinkt der Gruppe, wie der Egoismus der Überlebensinstinkt des Individuums ist.

Exknackies als Nachbarn

„Auge für Auge, Zahn für Zahn“ ist zwar barbarisch und nachweislich nicht besonders effizient in Sachen Verbrechensprävention, eine gewisse naive Eleganz aufgrund der Klarheit im Strafmass kann man einem solchen Rechtssystem aber nicht absprechen. Wenn einem Bürger der Zahn ausgeschlagen wird, sorgt die Gesellschaft dafür, dass dem Übeltäter ebenfalls ein Zahn ausgeschlagen wird. Und die Sache ist geregelt1. Der Trick ist, dass man die Strafe von einer unbeteiligten Drittperson ausführen lässt, wodurch beide Parteien halbwegs überzeugt sein können, dass die Strafe weder zu hart noch zu mild vollstreckt wurde.

Klar, noch besser wäre, wenn das Opfer dem Täter einfach so verzeihen würde. Damit wäre der Welt der Verlust eines weiteren Zahnes erspart geblieben. Das Problem ist aber, dass dies den Täter nicht davon abhalten wird im Bedarfsfall nochmals wem einen Zahn auszuschlagen.
Die Sache sieht jedoch auf einmal anders aus, wenn das Opfer dem Täter auch noch den anderen Zahn zum Ausschlagen anbietet2 3. Wegen dem einen Zahn hat der Täter nämlich noch kein schlechtes Gewissen, schliesslich hat es das Opfer nach seiner Ansicht ja verdient4, doch spätestens nach dem zweiten, dritten Zahn ist die Schuld beglichen und ein ungutes Gefühl macht sich bemerkbar. Von diesem Moment an geht der Täter mit Schuldgefühlen durch die Welt und trachtet danach diese wieder gut zu machen. Beispielsweise indem er dem nächsten, der es verdient einen Zahn ausgeschlagen zu bekommen, keinen Zahn ausschlägt5, was idealerweise ein Glücksgefühl hervorruft, welches ihn veranlasst niemals mehr irgendwem einen Zahn ausschlagen zu wollen.6
Doch selbst wenn die Andere-Zahn-Hinhalten-Strategie tatsächlich den Täter langfristig davon abhält, nochmals gewalttätig zu werden, so bezweifle ich, dass sie das auch bei anderen potentiellen Zahn-Ausschlägern schafft. Die Aussicht7, jemandem auch einen zweiten Zahn ausschlagen zu müssen, wird wohl kaum jemanden davon abhalten den ersten – wohlverdienten – auszuschlagen. Klar, der zweite Zahn wird, wie oben erwähnt, schlussendlich dazu führen, dass dem Täter die Lust vergeht, je wieder einen Zahn ausschlagen zu wollen, doch dieser Effekt ist meines Erachtens nur erfahrbar, nicht aber vermittelbar, weil nicht wirklich abschreckend.
Und auch wenn es die zukünftigen Täter entgegen allen Erwartungen doch überzeugen sollte, dass das schlechte Gewissen hinterher ziemlich übel sein wird, dann werden diese dem einfach dadurch vorbeugen, dass sie erstmal nur einen halben Zahn ausschlagen um sich – als treue Gesetzesbürger – einfach etwas später8 auch noch der zweiten Hälfte des nach ihrer Ansicht völlig begründeten Gewaltausbruchs zu widmen.

Randnotiz: Ist es nicht irgendwie komisch, dass in der Erziehung9 von Fremden auf die Strategie des Verzichts auf Gewalt gesetzt wird („Ich aber sage euch: Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses antut! Mehr noch: Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.“ Matthäus 5:39), während man dies bei der der eigenen Kinder offenbar tunlichst zu unterlassen hat(„Wer seine Rute schont, der haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald.“ Sprüche 13:24)?
Der Schluss liegt daher nahe, dass es bei der anderen Backe gar nicht um die Erziehung des Täters geht, sondern allein um die persönliche Verarbeitung des an einem verübten Unrechts – wobei die Frage, ob es nicht vielleicht ein bisschen „verdient“ war, gänzlich ausgeklammert wird.
Das Argument, dass es bei Kindern einfach einer anderen Art von Erziehung bedürfe als bei Erwachsenen, halte ich für wenig überzeugend, denn die Trennung zwischen Kindheit und Erwachsensein wurde zu jener Zeit noch nicht so gelebt, wie man es heute tut10. Und hinzu kommt noch, dass es Christen gibt, welche die körperliche Züchtigung der Ehefrau für ein von der Bibel gestütztes Erfolgsrezept halten11, was meinen Schluss über den Zweck der anderen Backe klar unterstützt.

Beide Methoden konzentrieren sich auf das Opfer: Im Zahn-für-Zahn Fall wird dessen Rachelust gestillt und im Andere-Backe Fall wird das Leid als willkommene Etappe auf dem Heilsweg verkauft. Beides ziemlich egoistisch, finde ich. Es wird nämlich nirgends das nächste Opfer berücksichtigt. Dabei ist doch eigentlich das das wichtigste. Denn im Gegensatz zu nächsten Opfer ist beim aktuellen der Schaden bereits angerichtet und lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen. Damit will ich das Opfer nicht alleine lassen, ganz im Gegenteil, ihm soll jede nur erdenkliche Hilfe zuteil kommen – sofern diese Hilfe das nächste Opfer nicht in Gefahr bringt.
Wenn es das nächste Opfer nicht gäbe (was es nach Ansicht des Endzeitpropheten Jesus wohl nicht mehr tun sollte), wäre es Johannes wie Thaddäus wie man mit den Täter umspringt. Daher ist ein versöhnlicher Ansatz gar keine schlechte Idee. Wenn es aber mehr oder weniger nächste Opfer geben kann, sollte man sich – so finde ich zumindest12 – tunlichst bemühen, es weniger sein zu lassen – selbst wenn das bedeutet, dass der „Gerechtigkeit“ nicht ganz genüge getan wird13.
Und wenn die Zahl der der nächsten Opfer mit der Behandlung der Täter korreliert, so ist das ein vielversprechender Hebel um anzusetzen.

Wieso also den Täter nicht mit den folgenden Worten im Strafvollzug willkommen heissen: „Eines Tages wirst du hier wieder raus kommen und es besteht die Möglichkeit, dass du in meine Nachbarschaft leben wirst. Deshalb tue ich mein Bestes dich zu einem guten Nachbaren zu machen.“14

Ob es Kuscheljustiz ist oder nicht, sollte nicht die Frage sein. Einzig und allein sollte der Erfolg zählen. Und der Erfolg ist weniger nächste Opfer. Und die nächsten Opfer kann man zählen.
Weniger Opfer ist aber nicht gar keine. Deshalb wird man sich bei jedem nächste Opfer fragen, ob es mit einem härteren Strafsystem nicht hätte verhindert werden können? Man hätte natürlich genauso gut auch fragen können, ob es mit einem kuscheligeren Strafsystem nicht hätte verhindert werden können – was sogar naheliegender wäre, wenn man sich die Korrelation zwischen Kuscheljustiz und Kriminalitätsrate anschaut, aber in solchen Situationen fällt einem diese in der Regel nicht auf. Die Antwort auf die Frage könnte dann unter Umständen so lauten: „Ja, mit einem härteren Strafsystem hätte womöglich genau diese eine Tat verhindert werden können, doch wären stattdessen X andere, vielleicht sogar viel schlimmere Verbrechen begangen worden, die uns jetzt aber zum Glück erspart geblieben sind.“
Einem Opfer und dessen Angehörigen spendet das natürlich wenig Trost. Doch darauf dürfen wir als Gesellschaft keine Rücksicht nehmen. Wir müssen so vielen wie möglich ein so sicheres Leben wie möglich garantieren.

Uns stehen verschiedene Strategien zur Verfügung, deren Erfolg wir durch entsprechende Untersuchungen in Pilotprojekten und aus Erfahrungen in anderen Ländern durchaus grob abschätzen können. Manche der Strategien verhindern eine Art von Verbrechen, während sie auf andere Arten kaum einen Einfluss haben. Manche Strategien lassen sich mit anderen kombinieren, mit anderen hingegen nicht. Manche sind intuitiv, andere weniger…
Sich für eine Strategie oder eine Kombination von Strategien zu entscheiden, bedeutet aber immer auch die Opfer, welche eine andere Strategie oder Kombination von Strategien verhindert hätte, in Kauf zu nehmen. Deshalb muss man wirklich sehr gute Gründe haben, warum man sich so und nicht anders entschieden hat. Und „Gott will es so!!!“ ist (trotz der ansonsten durchaus überzeugenden drei Ausrufezeichen) kein wirklich sehr guter Grund. Ein wirklich sehr guter Grund ist einer, den alle (zähneknirschend15) zu akzeptieren bereit sind. Und die Wünsche einer imaginären Gestallt kann ich – wenn ich die Wünsche für verhängnisvoll erachte – nicht mal zähneknirschend akzeptieren.

Das heisst aber, dass selbst wenn luxuriöse Haftbedingungen die Kriminalitätsrate proportional um Luxus senken, so können wir diese Option durchaus über Bord werfen – sofern wir eine andere Strategie zur Verfügung haben, die mindesten die gleiche Erfolgsquote hat. Bloss um unsere Rachelust zu befriedigen – so natürlich diese auch sein mag – dürfen wir aber nicht einfach ein paar Opfer mehr hinnehmen.
Insbesondere da es ja eigentlich nicht mal wirklich unsere Rache ist. Das Opfer ist ein anderer, wir wollen bloss den Täter bestrafen. Klar, so funktioniert soziale Kontrolle: Indem man jemanden der sich gegen die Regeln verhalten hat, kollektiv bestraft: Was du deinem Peiniger antun willst, das füg auch den Peinigern von anderen zu16. Allerdings gibt es, wie wir inzwischen wissen, wesentlich effektivere Methoden jemanden daran zu erinnern sich lieber an die Regeln zu halten und unsere Neigung die Täter zu stigmatisieren – schliesslich wollen wir wissen, ob ein Zahnausschläger in unserer Nachbarschaft wohnt – ist da möglicherweise eher hinderlich dabei ihn zu einem guten Nachbaren zu machen.

Die grosse Verführung

BoobsIst eigentlich ziemlich nett raffiniert vom Teufel, dass er vor allem auf die Verführung setzt, denn im Gegensatz zu anderen Strategien der Herbeiführung von Sinneswandel, wie zum Beispiel Gewaltandrohung oder Gehirnwäsche, ist das „Opfer“ hier wenigstens begeistert/überzeugt/angetan von der Sache. Und sollte es dann zufälligerweise doch gut raus kommen, ist man überzeugt davon, dass man eine gute Intuition hatte, während bei den anderen Methoden – sofern man noch fähig ist, sich daran zu erinnern – das ernüchternde Gefühl zurück bleibt, dass man zu seinem Glück gezwungen wurde.

Es gibt grundsätzlich zwei Formen der Verführung: Argumente (möglicherweise nicht gültige) und Brüste (möglicherweise nicht echte). Da aber weder die Anwesenheit von Argumenten noch die von Brüsten die Korrektheit der Hypothese garantiert, die man ihretwegen akzeptiert hat, kann man die Unterscheidung auch ignorieren.

Wenn ich verführt werde, halte ich das, wozu ich gerade verführt werde, für richtig. Es wird sich erst später herausstellen, dass es doch nicht richtig war und das ich bei sorgfältigerer Überprüfung der „Argumente“ es eigentlich hätte ahnen müssen. Und dass der, der mich verführte, es von vornherein wusste und mich absichtlich von den Unstimmigkeiten in der Argumentationskette abgelenkt hat. (Ein Verführer, der überzeugt ist von der Richtigkeit seines Schlusses und der Gültigkeit der Argumente, die diesen nahe legen, ist kein Verführer.)

Wir gehen hier übrigens mal stillschweigend davon aus, dass das Richtige sich mit der Zeit tatsächlich als richtig herausstellen wird und dass das Falsche als falsch. Und dass es weder falsch positive, noch falsch negativ gibt. Und dass es eine Folge von logischen Schritten gibt, die das erklären kann. Voraussetzung, die im Kontext von religiösen Überzeugungen oft nicht – zumindest nicht im Diesseits – gegeben sind. So wird sich beispielsweise ein homosexueller Lebenswandel im Diesseits nicht als nachteilig erweisen – zumindest nicht, wenn irgendwelche religiösen Fanatiker nicht nachhelfen.

Sagen wir also, dass wir im Nachhinein immer wissen, dass und wie wir verführt wurden.
Wie aber stelle ich als bibelkonformer Christ fest, ob das, was ich gerade prüfe, wirklich gut und behaltenswert ist (vgl. prüft aber alles und behaltet das Gute, 1. Thessalonicher 5:21 ) und das Gefühl, dass es gut und behaltenswert ist, nicht nur ein durch Verführung herbeigeführte Illusion ist, die sich nach einiger Zeit verpuffen wird?

Die Fortsetzung des von der Verfolgungs-Prophezeihung (Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden. 2. Timotheus 3:12) hilft uns weiter:

Böse Menschen aber und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden. Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt.
2. Timotheus 3:13-17

Die Prüfung besteht also einzig uns allein im Abgleich mit der Bibel. Selbstständiges Denken ist keine Option – ganz im Gegenteil. Dass die richtige Position auch durch sich selbst überzeugend sein könnte, wird gar nicht erst in Betracht gezogen. Der richtige Weg wird gelernt und befolgt und basta.
Dass es auch gute Gründe für den Weg geben kann, beispielsweise indem Evidenzen für diesen sprechen, ist irrelevant und daher zu ignorieren. Weil Gründe ein Teufelswerk sind.

seinetwillen meinetwegen

[…] und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden.
Matthäus 10:39

Auf einen Märtyrer trifft das zu.
Auf einen Kreuzritter, der in der Schlacht stirbt, aber auch.
Und eigentlich auch auf den vom Kreuzritter Erschlagenen, weil er durch ein um Jesus willen geschwungenes Schwert starben.

Ob das, was ich einer Sache willen tue, wirklich der Sache förderlich ist, spielt keine Rolle, solange ich überzeugt davon bin, dass sie es doch ist. Es geht allein um die Motivation und die kann durchaus auch auf einem Irrtum beruhen.
Ich kann Schokolade essen um anzunehmen. Ergo kann ich der Schlankheit willen Schokolade essen – zumindest so lange ich keine Zweifel an der Seriosität der zugrunde liegenden Studie hege. Sobald ich Grund habe an ihr zu zweifeln, beispielsweise weil ich einen Artikel lese, der auf die Mängel der Studie hinweist, esse ich die Schokolade nicht mehr Wirklich der Schlankheit willen, sondern eher meiner Lust willen.

Die Frage ist also jeweils, wie nahe es liegt, dass eine bestimmte Handlung im Sinne von Jesus stattfindet.
Ich kann seinetwillen einem Verletzten helfen, weil ich denke, dass er mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter genau da von uns erwartet.
Ich kann seinetwillen eine Kirche bauen, weil ich glaube, dass Jesus das freuen wird. Dass es Stellen in der Bibel gibt, die etwas anderes nahelegen könnten, kann man im Angesicht der vielen Kirchen, die überall rumstehen, glatt übersehen.
Ich kann seinetwillen einen Schwuler töten, weil ich weiss, was er von Homosexualität hält und dass er an den alttestamentarischen Gesetzen erst mal nichts zu ändern beabsichtigte.

Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob ich seinetwillen in die Welt ziehen kann um die Heiden zu bekehren.
Da gibts natürlich den Missionsbefehl in Mt 28:16-20 und von daher wird er sich sicher über meinen Versuch freuen. Selbst dann, wenn ich keinen Erfolg haben sollte.
Im Endeffekt geht es dabei aber um die Rettung der verlorenen Seelen. Natürlich freut sich Jesus über jede gerettete Seele. Jedoch nicht um seiner selbst willen, beispielsweise weil er damit ein populärer Gott geworden ist, sondern vor allem um der geretteten Seele willen.
Und etwas um etwas anderes Willen zu tun, ist doch eigentlich es gleich um des anderes Willen zu tun1.

Wie dem auch sei, etwas seinetwegen zu tun ist toll. Das ewige Leben bringt es aber nur dem, der dabei drauf geht.
Und wie es klingt, tut es das garantiert.
(Könnte man auch sagen, die Motivation heiligt die Mittel und rettet die Opfer?)

Man muss bloss wirklich felsenfest überzeugt davon sein.
Und in den Zustand der absoluten Gewissheit verfällt man bekanntlich viel zu leicht2.
Doch Vorsicht! Egoistische Motive haben hier absolut keinen Platz, denn die machen aus einem seinetwillen sofort ein meinetwillen!

Und das wirft eine heikle Frage auf: Wenn der Märtyrer aufgrund des oben Zitates darum weiss, dass ihm ein Märtyrertod die himmlischen Pforten öffnen wird, und ihm das Trost und Linderung in seinen Qualen schenkt, tut er es dann wirklich noch um Jesus willen oder doch vielleicht bloss um seiner selbst willen?
Auch beim in der Schlacht gefallenen Kreuzritter kommt dieser Verdacht auf, schliesslich nahm ihm dieses Wissen die Angst vor dem Tod, was in einer Schlacht durchaus ein Vorteil sein kann, aber wenigstens plante er nicht zu sterben, respektive schlug nicht die Möglichkeit aus nicht zu sterben, wie es Märtyrer in der Regel tun.
Die besten Karten haben hier aber zweifellos die von den Kreuzrittern Erschlagenen. Die starben um Jesus willen, wussten aber nichts von ihrem Glück, insofern sind egoistische Motive ausgeschlossen.
Die von den Kreuzrittern Erschlagenen haben aber noch ein weiteres Ass im Ärmel: Sie starben auch um Allahs willen! Sie zogen schliesslich in die Schlacht, weil sie dachten, Allah wolle es so. Und auch Allah belohnt seine Streiter, die auf dem Schlachtfeld fallen. Also kriegen die von den Kreuzrittern Erschlagenen zusätzlich zum christlichen Paradies auch noch ihre 72 Jungfrauen!

 

 

Catch 44: Wenn jemand einen anderen Menschen tötet und behauptet es im Auftrag Gottes getan zu haben, dann verschafft er dem Getöteten den Freipass in den Himmel. Was aber, wenn das gelogen war? Macht das einen Unterschied für den Getöteten? Und wer erklärt es ihm dann vor dem jüngsten Gericht?

Das Wunder der Befreiung von einer Sucht

Wenn man religiöse Leute fragt, woher sie ihre Gewissheit haben, erwidern sie ziemlich oft, dass sie ein Wunder erlebt haben. Meist in der Form von einer Sucht, von der sie befreit worden seien.
Ich bezweifle nicht, dass es ein wunderbares Gefühl sein muss, endlich frei zu sein. Und im Angesicht all der früheren Anstrengungen, die sie bis dahin erfolglos auf sich genommen haben, überrascht mich auch nicht, dass sie es sich nur noch durch die Intervention eines übernatürlichen Wesens erklären können. Nichtsdestotrotz braucht das nicht wirklich die einzig mögliche Erklärung gewesen zu sein.
Es stimmt schon, die Befreiung von der Sucht fand zeitgleich mit dem Finden von Gott statt. In solchen Fällen stellt man gern eine Kausalität her. Doch objektiv betrachtet, fanden zu dem Zeitpunkt auch noch ganz andere Dinge statt, so dass die Kausalität auch ganz woanders liegen könnte.

Schauen wir uns an, was Johann Hari zum Thema Sucht zu sagen hat:

[…] maybe we shouldn’t even call it addiction. Maybe we should call it bonding. Human beings have a natural and innate need to bond, and when we’re happy and healthy, we’ll bond and connect with each other, but if you can’t do that, because you’re traumatized or isolated or beaten down by life, you will bond with something that will give you some sense of relief. Now, that might be gambling, that might be pornography, that might be cocaine, that might be cannabis, but you will bond and connect with something because that’s our nature. That’s what we want as human beings.
Johann Hari, 6:03

Als Gott in sein Leben getreten ist, tat er es nicht alleine. Es war eine Gemeinschaft, die an den Süchtigen herangetreten ist. Sie nahm ihn auf und kümmerte sich um ihn. Sie gab ihm die Bindung, die ihm Erleichterung verschaffte. Und wenn man Hari glauben darf, dann reicht das allein schon um das „Wunder“ zu vollbringen. Gott braucht dafür nicht real zu sein.
Okay, manchmal findet ein Süchtiger auch ohne Anreiz von aussen zu Gott, schliesslich gilt Gott (ob zu recht oder unrecht, sei mal dahin gestellt) als ein patentes Heilmittel gegen alle Art von Beschwerden. Ein verzweifelter Suchender wird daher früher oder später auch mal diese Option probieren. In diesem Fall tauscht er eben etwas, das ihm Erleichterung verschafft gegen etwas anderes das ihm Erleichterung verschafft. Ob es Glücksspiel ist oder Pornographie, Esoterik oder ein imaginärer Freund, macht da keinen allzu grossen Unterschied. Auch hier braucht Gott dafür nicht real zu sein.

Dem Menschen ist das Bindungsbedürfnis angeboren. Wie er es befriedigt ist eigentlich egal, so lange es nur befriedigt wird. Bloss dass gewisse Formen gesünder sind und andere ausgesprochen schädlich. Die Bindung zu Menschen ist sicherlich die beste, allein schon auch deshalb, weil sie einen immer wieder auf den Boden zurück bringen, während Ideen und imaginäre Freunde einem auch beim absurdesten Vorhaben nicht Einhalt gebietet.

Und wenn es doch Gott war, der einen von der Sucht befreit hat, dann scheint er mehr Wert darauf zu legen, dass man in einer spannenden Umgebung lebt, welche einem viele Möglichkeiten bietet mit Artgenossen eine Bindung eingeht, als dass man ihn akzeptiert oder auch nur an seine Existenz glaubt (was eine Ratte wohl nicht tut). Sprich, er stört sich nicht am Atheismus, dafür aber unterstützt er vehement die Entkriminalisierung von Drogen – was er durch die Platzierung von Wundern unmissverständlich zum Ausdruck bringt1.

Im Knast aufgrund seiner Inkompetenz

Hans ist ein netter Kerl. Er hilft gern anderen Menschen. Deshalb lernte er, wie man Menschen repariert. Insbesondere Beinbrüche. Weil er viel von der Sache versteht und sich mit seinen Kollegen austauscht, weiss er, dass nicht alle Beinbrüche gleich sind. Die meisten sind problemlos und gut behandelbar, bei manchen ist es aber schwieriger. Und hie und da, das lässt sich leider kaum vermeiden, kommt es zu bedauerlichen Komplikationen. Und weil er – wie gesagt – viel von der Sache versteht, kennt er sogar die Wahrscheinlichkeiten der Problemlosen, der Schwierigeren und der Komplikationen. Und diese Wahrscheinlichkeiten werden sich in seinen Akten, die er gewissenhaft führt, wiederspiegeln.
Wenn sich die Erfolgsrate in seinen Akten nicht mit jenen der von ihm angegebenen (und von seinen Kollegen bestätigten) Wahrscheinlichkeiten deckt, dann kriegt er Ärger. Wenn seine Erfolgsrate markant tiefer liegt, mit dem Gesetz, weil er offensichtlich ein Scharlatan ist, wenn markant höher, mit Big Pharma (just kidding).

Auch Fritz, der Autos liebt und repariert, kriegt Ärger mit dem Gesetz, wenn die Rate der nicht korrekt geflickten Autos das von ihm geschätzte Mass nicht erreicht.

Und Sepp ebenfalls, der Menschen bei ihren psychologischen Problemen hilft, wenn seine Patienten nicht die Fortschritte machen, die eigentlich hätten erwartet werden müssen.

Selbst der Schäfer Heini kann Ärger mit dem Gesetz kriegen, wenn seine Schafe sich am Salat des Nachbarn gütlich tun.

Wenn ich nun aber Heini bitte mein Auto zu reparieren, Sepp mir mein Bein zu schienen, Fritz mir bei meinen psychischen Problem zu helfen und Hans sich um die Schafe zu kümmern, dann sind meine rechtlichen Möglichkeiten im Fall von einem katastrophalen Ergebnis eher beschränkt, denn keiner von ihnen bezeichnete sich als Experte in dem Feld, in dem ich mir von ihnen Hilfe erbat.

Man ahnt wohl schon, in welche Richtung es jetzt gehen wird: Auf welchem Feld sind wohl Priester Experten? Zumindest nach ihrer Selbstdeklaration in Sachen Seelsorge und angewandte Moral – deshalb werden sie im Fernsehen auch immer dann zu Rate gezogen, wenn es um moralische Fragestellung geht. Ergo müssten sie dann doch eigentlich auch haftbar sein für die Fehltritte ihrer Schäfchen.
Nach Auffassung so gut wie aller Religionen, ist es Gott, welcher das Fundament der Moral darstellt und die heiligen Bücher unter Anleitung der Priester vermitteln diese den Menschen. Das heisst, nur aufgrund der heiligen Schriften und der helfenden Hand der Schriftgelehrten lernen die Menschen was gut und was böse ist1. Die Hilfe der Experten ist dabei unumgänglich, weil in den heiligen Schriften auch moralische Urteile und Anweisungen zu finden sind, welche inzwischen als obsolet betrachtet werden2 3 4 5 6 7 8 . . . . . . . . . . . . . .. Und deshalb könnte der eifrige Schüler ohne die Hilfe der Experten auf die Idee kommen, diese auch heute noch wortwörtlich umzusetzen.

Was aber, wenn einer der Schüler eines Priester tatsächlich anfängt Schwule, Gotteslästerer und Andersgläubige zu töten? Sollte der Priester dann nicht vor Gericht gestellt werden?

Hat der Priester ihn dazu gebracht?
Wenn ja: ab ins Gefängnis wegen Anstiftung zum Mord (Art. 24 StGB)
Wenn nein: ab ins Gefängnis wegen Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB)

Aber man kann doch einen Priester nicht dafür verantwortlich machen wollen, wenn jemand, den er womöglich noch gar nie gesehen hat, der aber zufällig in seiner Gemeinde lebt, ein Verbrechen im Namen seines Gottes verübt. Oder vielleicht doch? Die Kirche kriegt Geld vom Mörder, der Mörder wird in den Akten der Kirche geführt und die Zahl der Akten legitimiert ein besonderes Mitspracherecht bei moralischen Fragestellungen.
Durch das Akzeptieren seines Geldes geht die Kirche einen Vertrag mit dem Mörder ein und übernimmt dadurch Verantwortung für dessen moralische Entwicklung.
Die Kirche kann sich nicht damit brüsten das beste Heilmittel zu besitzen, während sie alle, bei denen es nicht anschlägt, einfach aus der Kartei wirft.
Man hat seine Akten gewissenhaft zu führen und nur das Geld von denen zu akzeptieren, deren Werdegang man auch gewissenhaft betreuen kann!

Ausser natürlich die Kirchen verstehen sich als sowas wie der Touring Club. Man bezahlt ihnen Beträge und wenn man mal vom Weg abkommt, ziehen sie einen wieder aus dem Schlammassel. Und – tadaaa – man ist sie los, die Verantwortung über den Fahrstil seiner Mitglieder. Selbst dann, wenn sich der Täter ganz genau an die Anweisungen im Betriebshandbuches hält und von offizieller Seite her eingeräumt wird, dass die Lektüre alleine zum wahren, friedliebenden Verständnis wohl nicht reicht.

Ja, das juristische Selbstverständnis der Religionen ist inzwischen9 eher jenes von Versicherungen oder Waffenhändlern als das von Ärzten oder Schäfern.

Granter-Öl

granter_oel_veloWenn Veloketten quietschen, gehören sie geölt.
Doch das ist nicht wirklich nachhaltig.
Deshalb Granter-Öl!
Ein Kästchen mit Granter-Öl neben der Kette montiert
und sie läuft auf immer und ewig geschmeidig und energetisiert.
Darauf geben wir Ihnen unser Wort.

Wir führen auch Motoren-Granter-Öl, Sonnen-Granter-Öl
und Oliven- und Raps-Granter-Öl für eine gesunde und fettfreie Ernährung.

 

Zu Gast in unserem Land

Es gibt zwei Arten von Gästen: die, dich ich auch mal besuchen kann, und die, die mich dafür bezahlen, dass ich es nicht tue. Abgesehen davon, gibt es keine Unterschiede. Sie brauchen weder im Haushalt zu helfen, noch sich Sorgen zu machen, dass ich über ihre Witze nicht lache.
Ian Hazelwood

In den Kommentarspalten zu Artikeln über die Durchsetzungsinitiative liest man oft, dass wenn sich ein Gast nicht benimmt, es nur recht und billig sei, ihn vor die Tür zu setzen.

Hm… Ist es nicht in gewissem Sinne die Pflicht der Gäste sich ein bisschen neben der Spur zu bewegen? Schliesslich sind sie ja „Fremde“, was sich eben genau durch ihr anderes Verhalten äussert. Und genau deshalb beherbergen wir sie ja, um ein bisschen mit dem Exotischen konfrontiert zu werden und idealerweise unsere etwas eingefahrene Vorstellungen zu hinterfragen. (Oder einfach um bessere Geschäftsbedingungen zu schaffen…)
Und mal abgesehen davon ermöglicht es uns, wenn wir selbst mal irgendwo Gäste sind, auch etwas neben der Spur zu sein…

Nicht umsonst ist das Gastrecht eines der ältesten Gesetze überhaupt. Und ich würde sogar kühn behaupten, auch eins der effektivsten. Dass man nicht töten oder stehlen soll, braucht man einem nicht erst zu erklären. Das ist selbstredend. Dass es von Vorteil sein kann, einem Fremden sicheres Geleit zu gewähren und ihm gegenüber tolerant zu sein, ist dagegen nicht mehr so intuitiv. Und doch ist genau dies stets der erste Schritt, wenn man sich zusammen setzt und miteinander zu reden beginnt.

Wieviel neben der Spur man sich zu bewegen erlauben darf, ist natürlich eine andere Frage, doch meines Erachtens stellt sich die im Kontext der Durchsetzungsinitiative gar nicht, denn Ausländer, die hier den grössten Teil ihres Lebens verbracht haben, sind nicht mehr wirklich Gäste.

Gehört man nicht irgendwann einmal zum Inventar?

Ich denke, der exakte Zeitpunkt, ab welchem man nicht mehr bloss Gast in einem Land ist, ist, wenn man seinen Wohnsitz nach Art. 23 ZGB in diesem Land bezieht. Je nach Aufenthaltsbewilligung darf man mehr oder weniger arbeiten, Militärdienst leisten und abstimmen, ansonsten aber geniesst man die exakt gleichen Pflichten und Rechte wie jeder andere Schweizer auch.

Man könnte einwenden, dass die Schweiz (wie wohl auch so gut wie jedes andere Land) mit diesen Einschränkungen gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verstosse. Laut Artikel 23 hat nämlich jeder das Recht auf Arbeit, dies beinhaltet keinen individuellen Anspruch auf einen Arbeitsplatz, sondern das Recht auf einen Schutz vor unverschuldeter Arbeitslosigkeit – wie hier aufgrund des fehlenden Schweizer Passes, da man zufälligerweise irgendwo anders zur Welt kam oder Eltern hat, die zufälligerweise irgendwo anders zur Welt kamen. Laut Artikel 21 hat jeder das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken, sprich zu wählen – was Ausländer aber nicht dürfen. Und laut Artikel 20 darf niemand gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören – in diesem Fall wird dies gegenüber den Schweizer Männern verletzt, da diese unter Androhung von Konsequenzen gezwungen werden der Vereinigung Armee anzugehören.
Doch da die Verweigerung der in den Artikeln 23 und 21 erwähnten Rechte offensichtlich durch das exklusive Recht, nicht dem Militärverein angehören zu müssen, kompensiert wird, hat wohl alles schon seine Richtigkeit. Und überhaupt geht es, wie sich kürzlich mal jemand im Zusammenhang mit der Durchsetzungsinitiative geäussert hat, nun langsam wirklich zu weit mit den sich ständig ausweitenden Menschenrechten!

Hört man sich bei den Befürwortern der Durchsetzungsinitative ein bisschen um, so erfährt man, dass abgesehen davon, dass Unschuldigen eh keine Ungemach droht, Ausländer sich auch längst hätten einbürgern lassen können. Und dass sie das nur deshalb nicht tun, weil sie sich vor dem Militärdienst drücken wollen. Und dass wer nicht bereit sei im Notfall Blut für die Schweiz zu vergiessen, nun mal nicht wie ein Schweizer behandelt werden könne.

Das stimmt schon, wenn die Ausländer den Schweizer Pflichten nicht nachkommen, dann müssen sie mit Konsequenzen rechnen genau wie auch jeder Schweizer bei Pflichtverletzung mit Konsequenzen zu rechnen hat. Dass die Ausländer nicht Militärdienst leisten dürfen, spielt hier keine Rolle, denn sie könnten, weil sie müssten, wenn sie Schweizer werden würden, wenn sie wollten.
Und im Moment bestehen diese Konsequenzen eben aus dem Verbot zu wählen und in Zukunft im Falle einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in besonderem Masse aus einer kompromisslosen Abschiebung1.

Bloss, dass Schweizer Männer, die sich vor derselben Pflicht drücken (die Unfähigen und die Memmen also), weder Stimmverlust noch Landesverweis fürchten müssen. Bei ihnen ist es mit einem Wehrpflichtersatz getan.
Und Frauen müssen gar nicht erst ins Militär2 und brauchen wie die Ausländer auch keinen Wehrpflichtersatz zu zahlen. Ergo haben Ausländerinnen exakt die gleichen Pflichten wie die Schweizerinnen, aber nicht die gleichen Rechte – was, wie mir scheint, irgendwie nicht ganz koscher ist3.
Witziges Detail nebenbei: Während Frauen und Männer in der Schweiz vor dem Gesetz nicht wirklich gleich sind, es sei hier als Beispiel nur die Wehrpflicht angeführt, sind männliche und weibliche Ausländer in der Schweiz vor dem Gesetz zumindest im diesen einen Punkt gleicher, ergo einen Schritt voraus.

Wieso verlangen wir eigentlich nicht von jedem, der nicht Militärdienst leistet, den Wehrpflichtersatz? Egal ob Mann oder Frau oder Schweizer oder Ausländer. Zu diesem Wehrpflichtersatz müsste – schliesslich geht es beim Militär um die Bereitschaft Blut zu vergiessen – natürlich auch noch eine Blutspende-Pflicht hinzu kommen!4

Okay, das nahm jetzt eine selbst für mich überraschende Wendung.

Karma und das liebe Fleisch

Für viele Vegetarier hat der Entscheid zum Verzicht auf tierische Produkte auch mit dem Karma zu tun1. Und wo Karma drauf steht, ist die Reinkarnation in der Regel nicht weit. Hier also meine Frage an die Wiedergeburtsgläubigen, die zugunsten ihres Karmas auf Fleisch verzichten:

Pfuscht ihr damit nicht im Heilsplan rum? Keinem Tier etwas zuleide tun, ist natürlich nett und kommt sicherlich auch dem Karma zugute, doch als Tier zu leben hat doch eine bestimmte kathartische Funktion. Man soll während dieser Zeit etwas lernen, was einem aber, wenn die Tierhaltung paradiesische Züge annimmt, wohl oder übel verwehrt bleibt. Traditionell unmenschlich gehalten und gegessen zu werden, ist womöglich eine Pflichtlektion fürs Nirwana, die mit zunehmendem Vegetarismus weniger und weniger angeboten wird.
Tiere gut zu behandeln hilft den eigenen Karma, verhindert aber das das karmische Weiterkommen der im Tier reinkarnierten Seele. Ist das nicht ein bisschen egoistisch? Und schadet skrupelloser Egoismus nicht dem Karma?