Ockhams Rasiermesser auf Weltanschauungen angesetzt

Es ist jene Weltanschauung die plausibelste, die mit den wenigsten Idioten und Lügnern und Bösewichten auskommt.

Kreationisten: Alle anderen sehen die offensichtlichen Widersprüche der Evolutionstheorie nicht, resp. sind mit dem Teufel im Bunde.
Verschwörungstheoretiker: Alle anderen durchschauen die offensichtlichen Lügen der Verschwörer nicht, resp. sind mit den Verschwörern verschworen.
Esoteriker: Alle anderen wollen nicht erkennen, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als die Schulweisheit sich träumen lässt, und dass man daher Evidenzen und Logik getrost ignorieren kann.
Wissenschaft: Die anderen Sichten machen durchaus Sinn, wenn man diese oder jene Evidenz nicht kennt. Man muss kein Idiot sein um Kreationist, Verschwörungstheoretiker und Esoteriker zu sein, doch es hilft dabei die Evidenzen weiter zu ignorieren.

Man kann zwar mit unvollständigen Daten ganz legitim zu falschen Ergebnissen kommen, doch mit vollständigen Daten sollte man eigentlich nur zum richtigen Ergebnis gelangen. Bedauerlicherweise kann man sich aber leider nie ganz sicher sein, ob die Daten bereits vollständig sind oder nicht. Doch braucht man deshalb die Flinte noch lange nicht ins Korn werfen, denn die falschen Ergebnisse aus den unvollständigen Daten machen innerhalb der Ergebnisse, die auf mehr Daten basieren, immer noch Sinn. Das heisst, diejenige Sicht ist die plausiblere, die auch die andere Sicht erklären kann, und zwar ohne dabei auf Idioten und Lügner zurückgreifen zu müssen.

Ein kreationistischer Geologe

Wenn etwas von der Fachwelt nicht in peer-reviewten Journalen oder an wissenschaftlichen Konferenzen diskutiert wird, ist es keine Wissenschaft. Bücher, Youtube-Videos und Plakate können Teil des Diskurses sein, müssen es aber nicht. Weil jeder Bücher, Videos und Plakate veröffentlichen kann – in peer-reviewten Journalen und an wissenschaftlichen Konferenzen wird dies aber deswegen noch lange nicht diskutiert.

Kann sich also jemand nicht Geologe nennen, wenn er am wissenschaftliche Betrieb nicht teilnimmt?
Doch, das kann er leider durchaus, denn der Titel ist eine Bescheinigung für eine in der Vergangenheit gemachte Ausbildung und eben nicht für eine aktuelle wissenschaftliche Tätigkeit. Daher empfielt es sich alle Aussagen von „Wissenschaftler“ mit einer entsprechenden Vorsicht zu geniessen und lieber erst mal zu überprüfen, ob ihre Thesen unter wissenschaftlicher Kontrolle stehen – sprich, ob sie in peer-reviewten Journalen und an wissenschaftlichen Konferenzen diskutiert werden.

Wenn ein Geologe irgendeinen Blödsinn über hüpfende Steine in einem peerreviewten Journal veröffentlicht und das auch an Konferenzen diskutiert wird, dann kann man durchaus sagen, dass es sich dabei um eine anerkannte (wenn auch umstrittene) These der Geologie handle.
Wenn ein Arzt seinen Doktor in Medizin abgelegt etwas über hüpfende Steine erzählt, dann kann man aber nicht wirklich behaupten, es sei eine anerkannte (wenn auch umstrittene) These der Medizin, resp. Geologie. Zumindest so lange nicht, wie er seine Gedanken nicht in einem peerreviewten Journal der Medizin, resp. der Geologie veröffentlich hat. Denn dann wäre es durchaus eine anerkannte (wenn auch umstrittene) These jenes Fachgebiets, in dessen Paper sie veröffentlicht wurde. Nicht jedoch notwenigerweise auch im anderen.

Demzufolge ist ein kreationistischer Geologe, der seine Arbeiten nicht in den einschlägigen Publikationen unterbringt kein Geologe im wissenschaftlichen Sinn, wo die Wissenschaft auch dahinter steht, sondern er geht einfach mit seinem Titel hausieren, den er sich irgendwann mal erworben hat.
In der Regel wird dann gern eingewendet, dass der besagte Geologe durchaus seine Arbeiten bei den einschlägigen Publikationen eingereicht hat, doch dass diese nicht etwa aus qualitativen, sondern aus rein ideologischen Gründen abgelehnt wurde. Doch da die einzigen, die die Qualität beurteilen können, eben jene Fachleute sind, die die Arbeit abgelehnt haben (und unter denen es auch welche gibt, die die Ideologie des besagten Geologen durchaus teilen), dürfte es aus der Position eines Laien ziemlich schwierig sein, diesen Vorwurf guten Gewissens aufrecht zu erhalten.

Grosse Ideen und der Weg zur Akzeptanz

Jede grosse Idee war mal ein absurdes Hirngespinst, das von der Fachwelt nur belächelt wurde. Und in manchen Fällen brauchte es leider eine zähe und langwierige Überzeugungsarbeit, bis sie sich durchgesetzte. Doch verlief der Weg zur Akzeptanz in der Fachwelt nie über den Kindergarten, wo sich die Knirpse selbst ein Bild machen sollten!
Wenn man Kinder etwas lehrt, auf dass sie es dann später mal in den Hochschulen durchsetzen, dann ist das meines Erachtens ethisch höchst bedenklich, denn auf diese Weise werden die Kinder von den Ideen instrumentalisiert. Instrumentalisiert, weil sie die Gültigkeit der Argumente, welche sie zu überbringen bestimmt wurden, noch gar nicht beurteilen können.

Die auf den ersten Blick sehr tolerant wirkende Position, dass sich jeder seine eigene Meinung bilden soll, verlangen die Fundamentalisten wenig überraschend allerdings nur dort, wo ihre Ansichten lediglich eine verschwindende Minderheit zu überzeugen vermögen. Bei anderen Themen setzen sie dagegen eher auf ein Verbot überhaupt Fragen zu stellen, was ja nichts anderes ist, als wenn man etwas als heilig erklärt. Ich denke da beispielsweise an die Abtreibung, wo das Leben heilig ist, an die Homosexualität, wo die Ehe heilig ist, oder Blasphemie, wo die persönliche Beziehung zu Gott heilig ist.

Thermodynamik der Fundamentaltoleranz

Bis wohin die eigene Meinung gebildet werden soll und ab wann es heilig ist, lässt sich witzigerweise ziemlich exakt bestimmen:

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein allgemein als gültig anerkanntes Argument für eine bestimmte Ansicht aus ideologischen Gründen nicht akzeptiert, sei pi.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein allgemein als gültig anerkanntes Argument für eine bestimmte Ansicht zufällig nicht akzeptiert, sei pz.
  • Dann wird so lange auf die eigene Meinungsbildung gesetzt wie pz > pi ist. Sobald sich das Grössenverhältnis umdreht, wird auf die Heiligkeit gepocht, weil die Zufälligen auch in den eigenen Reihen gefunden werden können und entsprechend wieder die Seite wechseln können.
  • Die Kindergartenkinder gehören übrigens zu den Zufälligen, weil es weder die Qualität des Arguments noch die Treue zur Ideologie ist, was sie überzeugt, sondern weil sie einfach alles nachplappern und glauben, was ihnen gesagt wird – und ob der Lehrer nun ein Theist oder Atheist ist, ist nicht nur in Istrien gewissermassen Zufall.

 

Noch eine relative Relativierung

Okay, wenn die absurden Hirngespinste Toleranz und Gleichberechtigung sind, dann sollte man es trotzdem machen. Nicht weil es dann ethisch wäre, denn das ist es strenggenommen noch immer nicht, weil die Kinder es noch immer nicht wirklich beurteilen können, sondern weil die positiven Konsequenzen am Ende überwiegen.
Okay, genau das sagen natürlich auch die Fundamentalisten über ihre Inhalte, doch ihr Kassensturz wird erst im Jenseits gemacht und entzieht sich damit leider jeglicher institutioneller Kontrolle.

Okay, die Thermodynamik der Fundamentaltoleranz ist schon ein klitzekleines Bisschen überzogen. Doch der Punkt bleibt: Wenn man Laien zwei Seiten präsentiert, wird die Verteilung der Anhänger nicht mit der Qualität der Argumente der beiden Seiten korrelieren, sondern wesentlich ausgeglichener sein, was natürlich den verrückten Theorien zugute kommt. Ein schönes Beispiel hierfür demonstriert der folgende Artikel über den Konsens bezüglich der Akzeptanz des Klimawandels.

Kreationismus in der Beweispflicht

Laut Reinhard Junkers Anmerkungen waren auf Noahs Arche ca. 600 Säugetiergrundtypen als Paare anwesend. 400 davon sollen später ausgestorben sein, was nur 200 für uns interessante übrig lässt. (Wieviele der von Gott ursprünglich erschaffenen Grundtypen einem jähen Ende nicht ausweichen konnten und es nicht auf die Arche geschafft haben, soll uns hier nicht weiter interessieren.)
Fest steht, dass aus den 200 interessanten Grundtypen auf der Arche innerhalb von 4500 Jahren sich mittels „Mikroevolution“ 5400 Arten entwickelt haben, die sich untereinander nicht mehr kreuzen lassen. Das ist etwa 1 neue Art pro Jahr. Sowas müsste doch auffallen! Insbesondere da es die dokumentierte Tierbeobachtung seit mehreren Jahrhunderten gibt und sie Säugetiere – obgleich oft scheu – nicht unbedingt zu jenen Arten gehören, für die sich niemand interessiert.
Man könnte einwenden, dass die Artentstehung vor allem am Anfang, also kurz nach der Sintflut, stattgefunden hat. Das ist plausibel, denn da mussten all die Nischen neu besetzt werden. Doch den Arten eine Degeneration zu unterstellen, die sie der Potenz zur Artbildung (völlig oder auch nur teilweise) beraubte, ist indessen nicht plausibel, weil in den 1500 Jahren zwischen der Genesis und der Sintflut ja ebenfalls eine Artbildung stattgefunden hat und deren Exemplaren dann nach der Sintflut das volle Potential des Grundtyps zur Verfügung stand.

Bei dieser enormen Potenz zur Mikrovariation dürfte es nicht weiter schwierig sein durch ein geeignetes Nischendesign eine neue Art hervorzubringen. Und zwar eine im biologischen Sinn, die sich mit ihrer Schwesterart nicht mehr kreuzen lässt. Oder man müsste nachweisen können, dass zwei Arten, die zur Zeit von Aristoteles noch kreuzbar waren, es heute aber nicht mehr sind. Und wir sprechen hier nicht mehr nur von den Säugetieren.

Wie sich mir die Sache offenbart, ist die Behauptung der Kreationisten, dass die vielen heute lebenden Tierarten sich aus wenigen Grundtypen entwickelt haben, durchaus überprüfbar, da sie eine Potenz zur Artentstehung postuliert, die weit mächtiger ist als die der Evolution.

Blasphemie

§261 des Strafgesetzbuchs:
„Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit
Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, wer eine verfassungsmässig gewährleistete Kultushandlung böswillig verhindert, stört oder öffentlich verspottet, wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig verunehrt, wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.“

Wenn die Evolution wirklich, wie die Kreationisten immer beteuern, auch nur ein Glaube ist, dann machen sich diese bei ihrem Versuch, diese aus der Welt zu tilgen, strafbar nach Art 261 StGB. Allein schon ihre Lügen und Falschaussagen erfüllen völlig den Tatbestand. Was sich die Kreationisten unter der Evolution vorstellen und zu widerlegen versuchen, ist nämlich lediglich eine naive und erbärmliche Karikatur derselben.
Sie haben eine völlig falsche Vorstellung von der Evolution und glauben dennoch beurteilen zu können, dass sie einerseits falsch ist und andererseits in der Schule relativiert werden sollte. Andererseits haben sie eigentlich schon recht, dass ihre Evolutionstheorie falsch ist. Bloss, dass man leider draus nicht auf den Status der echten schliessen kann.

Und sie ist doch flach!

Wäre es ein Aprilscherz, wäre es nicht so traurig…

Zu Denken, dass ein solcher Disput, wie in diesem Video, wo drei irakische Gelehrte über die Form der Erde diskutieren, nur ganz weit weg geführt werden kann, täuscht sich leider gewaltig. Vielleicht traut sich hier inzwischen keiner mehr zu behaupten, dass die Erde wirklich flach ist, doch der unbedingte Glaube an die heilige Schrift und die kategorische Ablehnung der Erkenntnisse der Wissenschaften, wenn sie nicht zur heiligen Schrift passen, ist auch hierzulande weit verbreitet.
Ich diskutierte erst vor zwei Wochen mit einer Frau im Zug darüber, ob die Welt nun 6000 Jahre alt ist oder vielleicht doch etwas mehr.

Wie alt ist die Welt nochmal?

Wenn man eine Geschichte der Welt schreiben und für jedes Jahrhundert nur eine Seite brauchen würde, so wäre die Weltgeschichte der Kreationisten ein relativ schmales Büchlein. Die Anhänger der wissenschaftlichen Erkenntnisse hätten es dagegen mit einer Bibliothek mit mehr als einer Million fetter Schinken zu tun.

Es mag schon sein, dass Gott die Welt vor 6000 Jahren erschaffen hat, doch er hat sich sehr, sehr, sehr viel Mühe gemacht ihr einen Lebenslauf zusammenzustellen, der nach wesentlich mehr aussieht.

Ist es nicht Gotteslästerung, wenn man Fossilien, die er alt aussehen liess, jung nennt? Er hatte ja sicher einen guten Grund dafür und wer sind wir, dass wir uns ein Urteil darüber bilden dürften?

Demokratie und freie Meinungsäusserung

  • Wir lachen gern die Amis aus, weil von ihnen mehr als die Hälfte offenbar die biblische Schöpfungsgeschichte für plausibler hält als die Evolutionstheorie. Doch wenn man die Leute hier fragt, ob man im Lichte der Toleranz den verschiedenen Schöpfungstheorien in den Schulen nicht den gleichen Platz einräumen müsste, so stimmen dem auch hier die meisten zu.
    Die Freiheit sich eine Meinung bilden zu können, wird nämlich grösser geschrieben als die Frage, ob man dazu innert nützlicher Frist überhaupt in der Lage ist.
  • Jack Cohen fragte am Cheltenham Festival of Science während der Veranstaltung „Is There Life Out There?“ die drei referierenden Astronomen, was sie wohl davon halten würden, wenn drei Biologen die Eigenschaften des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie diskutieren würden. Es dauerte einige Zeit, bis sie den Wink kappierten.

Diese beiden Gedanken hatte ich zu einem verblüffend elegenten Argument verknüpft, doch ich kann es beim besten Willen nicht mehr rekonstruieren. Mist!

Erwachet !!

Und wieder mal wurde mir an einem grauen Tag die Maiausgabe vom „Erwachet“ abgeboten. Doch diesmal war die Zeugin weder jung noch der deutschen Sprache mächtig – es klang irgendwie nach Salvatore im „Der Name der Rose“. Aber wozu lernt man Fremdsprachen, wenn nicht um auch mit welschen Missionaren über Gott und den Teufel plaudern zu können? Also erklärte ich ihr in meinem eben in Südamerika erworbenen Pidgin, dass die Welt zweifellos bellissimo sei, es aber meiner Meinung keinen dios brauche um sie zu construiere. Fisika y evolution seien im Grunde suffisante forte dafür. Sie aber erwiderte, dass es offensichtlich no evolution gäbe, habe sich doch der Homo seit seiner creation im paradiso nicht mutare. Und überhaupt, sonst würde es ja in der Biblo stehen. Creo ergo logico.

Intelligent Design (by Flying Spaghetti Monsterism)

U1_noodledoodleDie Diskussion über die Wissenschaftlichkeit des Kreationismus geht in eine neue Runde. Bobby Henderson schrieb dem Kansas School Board, welches kürzlich die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan verbannt hat, einen offenen Brief, in dem er seiner wissenschaftlichen Überzeugung Ausdruck verlieh, dass die Welt von einem „Flying Spaghetti Monster“ erschaffen wurde, und forderte, dass diese Theorie als mögliche Alternative unterrichtet werden solle.
Er droht gar rechtliche Schritte an, sollte seiner Forderung nicht Folge geleistet werden. Und so cool wie das Rechtssystem in den Vereinigten Staaten funktioniert, könnte er damit sogar durchkommen.
Was einen den Kopf schütteln lässt über das Land der unbegrenzten Möglichkeit, ist nicht, dass es dort scheinbar kein Pfitzelchen gesunden Menschenverstand mehr gibt, sondern, dass sie die Mittel, die ihnen all dies ermöglichen, nicht gegen sich selbst einsetzen. Man stelle sich nur vor, es würden sich ein paar Leute zusammentun und den Staat auf 37 Zillionen Dollar Schadenersatz verklagen, weil sie eine Scheissbildung an den öffentlichen Schulen erhalten haben.