Das Gebot, das zwischen dem ersten und zweiten hätte versteckt werden können

godDie 10 Gebote sind eigentlich eine ganz gute Sache. Nicht weil sie ethisch besonders raffiniert wären, denn das sind sie ganz und gar nicht, sondern weil sie die Person, die an sie denkt, moralisch „erden“. Das heisst, dass man sich wie durch Zauberhand ehrlicher verhält. Darauf brauchen sich die Christen aber nichts einzubilden, denn genau das gleiche schafft auch die Direktive der Sternenflotte oder der Verhaltencodex der Kanti Beromünster, den es gar nicht gibt. Was hier „wirkt“, sind nicht die Gebote selbst, sondern gewissermassen unsere Erwartung in sie. Sprich der Placebo-Effekt1.

Interessant ist, dass sich die Christen zwar einig darin sind, dass der Dekalog aus exakt 10 Geboten besteht und dass er die Basis unseres Rechtssystems darstellen soll, weniger einig sind sie sich jedoch darin, um welche Gebote es sich konkret handelt und wie man sie zählen soll2.
Es hätte also durchaus noch ein gewisser Handlungsspielraum bestanden, noch ein weiteres Gebot unter zu bringen.

Gott mag Hexen nicht (Exodus 22:17) und Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste, Zauberei, Bannungen, Geisterbeschwörungen und Zeichendeuterei sind ihm ein Gräuel (Deuteronomium 18:9-13). Es würde daher eigentlich nichts dagegen sprechen auch noch folgendes zu erwähnen:

ES GIBT KEINE MAGIE!

Analog zu „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“ müsste es wohl heissen „Du sollst keine Magie welcher Art auch immer betreiben.„, doch da man im ersten Fall aus dem keine-anderen-Götter-haben-sollen zu schliessen scheint, dass es demzufolge auch keine anderen Götter geben kann, halte ich es nur für recht und billig den gleichen Schluss auch bei der Magie anzuwenden und dem mit Grossbuchstaben und einem Ausrufezeichen Ausdruck zu verleihen3.

Wie sähe wohl die Geschichte aus, wenn dieses Gebot es in den Dekalog geschafft hätte?

Es hätte den Naturalismus begünstigt, sprich die Vorstellung, dass alles mit rechten Dingen zu geht. Gleichzeitig hätte es aber auch den Fortschritt insofern gefährdet, als dass jeder nächste Schritt in der Technik für jene, die ihn intellektuell noch nicht vollzogen haben, aussieht wie Magie.
Doch selbst wenn die Menschen die Finger von der Magie gelassen hätten, Scheiterhaufen hätte es wohl nicht weniger gegeben, denn dafür gab es genug Menschen, die einen nervten, und genug andere Stellen in der Bibel, die einem eine Rechtfertigung boten, sie los zu werden.
Was es jedoch wohl eher nicht gegeben hätte, sind spiritistische Kaffeekränzchen, wo gutbürgerliche Hausfrauen Seancen abhalten und andächtig das Mantra herunterbeten, dass es mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden gibt, als unsere Schulweisheit sich träumt… Was für die Homöopathie wohl ein herber Schlag gewesen wäre.

  1. Deshalb ist es auch wenig überraschend, dass man auf seine eigene Moral geerdet wird – welche man natürlich für die einzig richtige und jene des Herren hält.
  2. vgl. Wikipedia: 10 Gebote
  3. Magie ist, durch einen Zauberspruch die Welt nach meinem Gusto auszurichten. Und das ist verdammenswert.
    Wenn ich das gleiche mit einem Gebet zu erreichen versuche, ist es Frömmigkeit und völlig okay – weil man so bescheiden ist, jenem, der es richtet, das Vetorecht zuzugestehen.
    Ist also nicht so, dass man sich mit diesem Gebot irgendwelche Widersprüche einhandeln würde, die es nicht bereits gäbe.

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