Pflicht und Kür

Das Ende des Buches zuerst zu lesen, ist in der Regel ein Zeichen von Charakterschwäche. Doch es gibt Ausnahmen. Eine um genau zu sein.
Resident Evil … ist zwar kein Buch, sondern ein Videospiel, doch ich meine den Film mit Milla Jovovich.
Wie dem auch sei, hier darf man sich den Schluss durchaus als erstes vornehmen, den spektakulären Cliffhanger zum nächsten Teil. Den Rest des Films kann man sich dann eigentlich sparen.
Nicht dass es nicht unterhaltsam wäre Alice dabei zuzuschauen, wie sie sich aus der gleichermassen absurden wie scheinbar hoffnungslosen Situation des Anfangs (resp. des Cliffhangers des vorigen Teils) befreit um sich dann langsam aber stetig bis unmittelbar vor dem abschliessenden Cliffhanger in ein trügerisches Happy End zu metzeln (und einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Gefolgsleute zu verlieren (nicht wenige davon gleich mehrere male)).
Doch ist das die Pflicht, während der Cliffhanger nun mal die Kür ist.

Ein offenes Buch

Wenn ich mit jemandem sehr vertraut bin, so kann ich doch auch sagen, er sei für mich ein offenes Buch. Nun sind manche Menschen etwas einfacher gestrickt und andere tragen schickere Klamotten. Müsste ich dann nicht viel eher sagen, er sei für mich ein offenes Comic-Heft? Oder eine offene Modezeitschrift?
Diskoflyer- und Autoprospektmenschen werde ich in der Regel kaum so gut kennen lernen, dass sie sich vor mir öffnen würden. Und Unterwäschekatalogfrauen wohl leider auch nicht.
Es wäre natürlich töricht anzunehmen, dass jemand, der für mich ein offenes Kunstbuch ist, demzufolge ein Künstler oder ein Kunstwerk sein müsste, oder einer, der eine offene Felsenmalerei ist, ein Neandertaler. Es geht bei dieser Metapher nicht so sehr um den Inhalt des Mediums als viel mehr um dessen innere Struktur.
Ein Freund, der für mich ein offenes Kochbuch ist, braucht, wie gesagt, weder ein Koch, ein Gourmet oder fett zu sein, sondern vielmehr lässt sich sein Leben am besten mit Metaphern aus der Welt des Kochens beschreiben: Alles, was er macht, tut er nach einem klaren Rezept. Doch er kocht auch nur mit Wasser. Er lässt nichts anbrennen und verbrennt sich doch immer wieder die Finger. Er lässt seine Feinde schmoren, haut sie in die Pfanne und versalzt ihnen die Suppe.
Wenn mir also die Metaphorik eines Malennachzahlenbüchleins, eines Münztelefons oder einer DVD kategorisch fremd ist, so werde ich wohl auch nie die Tiefen von diesen Seelen ergründen können. Und wer keine Piratenschatzkarte zu lesen weiss, wird im Gegenzug mich nie verstehen. Oder war es eine Postkarte aus Entenhausen?

Bücher schleppen…

Um wie viel einfacher wäre doch das Zügeln, wenn wir unsere Bücher nicht mit Druckerschwärze auf Papier sondern in Rauchzeichen schreiben würden? Mit einem gewöhnlichen Handventilator liesse sich im Nu eine ganze Bibliothek relocieren. Und wenn man die Geduld hat, auf die richtige Windrichtung zu warten, so könnte man selbst auf diesen verzichten.

Okay, diese Form der Literatur ist von Standpunkt der CO2-Bilanz nicht ganz unbedenklich und der Platzbedarf, den die gesammelten Werke von Karl May beanspruchen würden, macht sich sicherlich auch im Mietpreis der Wohnung bemerkbar, doch bezweifle ich nicht, dass man diese Probleme mit einer geeigneten Codierung schon irgendwie in den Griff zu kriegen sind.
Das Kriterium müsste einfach sein, dass man den gesamten Text eines Buches maximal allein mit dem Rauch, den es produziert, wenn man es verbrennt, produzieren können sollte.

Und wenn wir die Sache etwas esoterischer angehen, und uns klar machen, dass der Rauch eines verbrannten Buches ja mit dessen Inhalt in Verbindung stand, so ist die Information so oder so auch später noch vorhanden – bloss für den Laien nicht mehr so bewusst lesbar. Und wenn wir uns veranschaulichen, mit wie viel Luft der Rauch mit der Zeit verdünnt wird, so kommt es zu allem Überfluss noch zu einer gewaltigen Potenzierung.

 

Fazit:

Liebe Diktatoren, überlegt euch das mit der Bücherverbrennung lieber noch einmal, denn die Ideen, die ihr damit auszumerzen versucht, verstauben dann nicht mehr einfach in irgend einer stickigen Bibliothek, sondern entfalten nur umso stärker ihre hömoöpatische Wirkung und befreien euer geliebtes unterdrücktes Volk von Blähungen, Nierensteinen und Warzen wie euch.

Bucheinband

Es gibt Bücher, die man nur in einer gebundenen Ausgabe lesen sollte, und andere, die nur als Taschenbuch in Frage kommen. Poesie beispielsweise braucht die Stütze des Einbands. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit ihres Wesens verlangt nach der Beständigkeit eines stabilen Rahmens. Science Fiction hingegen wird durch einen harten undurchdringlichen Einband in ihrem Drang danach gehindert, bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter vorzudringen.

Minnesang

ich bin ein recke, der zieht durch die welt.
und die jungfer sucht, die ihm gefällt.
erklärt ihr was von ner depesche
und will ihr doch nur an die wäsche.

(entdeckt in einem uralten manuskript)

Magisches Feuer

Der Zauber der Zaubererwelt von Harry Potter lebt mitunter auch von diesem rustikal romantischen Flair, in dem mit Holzöfen und offenen Kaminen geheizt und im Schein von Kerzen und Gaslaternen gelesen wird. Wir amüsieren uns köstlich darüber, wenn Arthur Weasly fasziniert die Wunder der modernen Technik studiert und die kausale Verknüpfung von Schalter und Licht entdeckt.
Meines Wissens sind in der Zaubererwelt elektrische Geräte genauso wenig verbreitet wie Streichhölzer. Da frage ich mich natürlich, wie es dann um die CO2-Bilanz der Zauberer steht? Und ob das Kyoto-Protokoll vom Zaubereiministerium ratifiziert wurde?
Ich weiss nicht, ob auch magisches Feuer CO2 produziert – ich vermute mal schon -, doch kann man zumindest Wendeline der Ulkigen zum Vorwurf machen, etwas gar verschwenderisch mit dem Treibgas umgegangen ist, als sie sich seinerzeit im Mittelalter einen Spass draus gemacht hat in verschiedenen Verkleidungen 47-mal auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.

Streetportrait

Als ich im Flughafen auf meinen Zug wartete – schon diese Konstellation hätte mir zu denken geben sollen -, stand auf dem gleichen Perron ein Mädchen, dem sich ein gewisses Sexappeal sicherlich nicht absprechen liess. Eben jene Art von Tussi, dem man ab und zu mal amüsiert durch ein Schaufenster beim apathischen Verkaufen von schrillem Fummel oder rosa Duftwässerchen zusieht.
Das Interessanteste an ihr aber waren die zwei Kerle, die sie begleiteten. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes schmierig. Anders lässt es sich effektiv nicht ausdrücken. Sie waren alt und – ja – schmierig und zweifellos etliche Generationen länger Eidgenossen als sie. Der eine hatte speckige Lederhosen, der andere einen tätowierten Schädel mit Kotletten und sie führten sich auf, als seinen sie die schmierigen (!) Manager eines aufstrebenden einfältigen Starlets in einem schrecklich billigen Fernsehkrimi.

Es macht Spass Leute zu beobachten. Man entdeckt bisweilen eine tiefgründige Schönheit in der Hässlichkeit eines menschlichen Antlitzes. Manchmal gleicht aber auch das Arrangement der einzelnen Figuren einer hintergründigen Sonate. Und man fragt sich, was sie zusammen führte, wohin es sie führt und was sie dort dann tun. Die Geschichten ziehen einen in ihren Bann und man zermartert sich den Kopf, ob nun das Leben die billigen Drehbücher schreibt oder die lausigen Drehbücher das Leben.

googeln verboten

Google befürchtet angeblich, dass sein Markenname durch die saloppe Verwendung des Verbs „googeln“ für jedwelches Suchen im Internet, mag es zu Beginn auch noch so schmeichelhaft erscheinen und die Konkurrenz vor Neid erblassen lassen, die Exklusivität und Markenidentität ins Wanken bringen könnte. Es könnte dann nämlich durchaus auch passieren, dass Altavista mit dem Slogan „Googeln Sie doch mit Altavista“ wirbt.
Ich persönlich bezweifle, dass dies die wahren Beweggründe der allseits beliebten „Don’t be evil“-Suchmaschine für die eingeleiteten rechtlichen Schritte sind. Ich bin überzeugt, dass sie es nur tun, um Wortkreationen wie „altavistagoogeln“, welche dann zwangsläufig auch entstehen würden, daran zu hindern sich in unseren Nachschlagewerken breit zu machen. Und mit der Zeit vielleicht „yahooaltavistagoogeln“ und dann „mcdonaldsyahooaltavistagoogeln“, was selbstredend etwas  ganz anderes ist als „mcdonaldsaltavistayahoogoogeln“.
Die „Don’t be evil“ Suchmaschine versucht also sicherlich nur unseren Wortschatz vor bedrohlichen Teleskopwörtern zu schützen.
Zur Schlichtung biete ich daher allen Seiten einen – wie mir scheint – ziemlich vernünftigen Kompromiss an: Verwendet doch einfach statt „googeln“ „SmUPpen“.
Ich hätte auch überhaupt nichts dagegen, wenn jemand irgendwo schreiben würde: „Ich habe Uma Thurman geSmUPpt.“
Oder: „Allem kann ich widerstehen, nur der VerSmUPpung nicht. (Oskar Wild)“
Oder: „Wer den Himmel auf Erden SmUPpt, hat im Erdkundeunterricht geschlafen. (Stanislaw Lerzy Lec)“
Oder: „Wer einen Engel SmUPpt und nur auf die Flügel schaut, könnte eine Gans nach Hause bringen. (Georg Christoph Lichtenberg)“
Oder zu guter letzt: „SmUPpet so werdet ihr finden.“

Und dass irgendeine Firma daran Interesse haben könnte, mit dem SmUP ein Kompositum einzugehen, bezweifle ich doch sehr stark. Also keine Bedrohung für unsere Lexika.

in memoriam

U1_lemAm Montag, 27. März 2006, hat Stanislaw Lem im Alter vom 84 Jahren seine letzte Reise angetreten. Möge diese so spannend und unterhaltsam sein wie jene Expeditionen, auf die er seinerzeit Ijon Tichy in den Sterntagebüchern geschickt hat.

Obwohl seine Science Fiction radikal anders war, als alles was man für gewöhnlich aus dem angelsächsichen Raum kennt, so muss man doch ehrlich zugeben, dass er auf seinen Lebensabend hin eine gewisse Ähnlichkeit mit Meister Joda entwickelt hat.

Eine Frage der Würde

Sehr geehrte Schauspielerinnen und Schauspieler

Macht es euch eigentlich nichts aus, was ihr mit Literaturverfilmungen gelegentlich den Originalen antut? Ihr versichert uns doch jedes Mal, dass ihr dieses spezielle Werk schon seit der frühesten Kindheit abgöttisch liebt. Wie könnt ihr es dann zulassen, dass Passagen geändert oder gestrichen werden? Ich für meinen Teil glaube nicht, dass meine Lieblingsbücher einer Korrektur bedürfen. Ich liebe sie, so wie sie sind, eben gerade weil sie so sind, wie sie sind. Und ihnen – metaphorisch gesprochen – die Möpse zu vergrössern um sie einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen, betrachte ich nicht gerade als ein Zeichen des Respekts.
Natürlich ist ein Tiger, dem man das Fell mit Wasserstoff-Peroxid blondiert, die Krallen geschnitten und über die Schnauze einen Maulkorb gestülpt hat, noch immer derselbe Tiger, doch ist er auch noch immer interessant und aus den gleichen Gründen liebenswert?
So leid es mir tut, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als euch der wiederholten Mittäterschaft bei plastisch-chirurgischen Eingriffen an literarischen Werken zu bezichtigen. Ja, ihr habt euch einer fahrlässigen Verletzung der Bücherwürde schuldig gemacht! Was habt ihr zu eurer Verteidigung vorzubringen?

Diese hier vorgebrachten Vorwürfe mögen lächerlich erscheinen, in Anbetracht der grausigen Zustände die andernorts herrschen, doch bin ich davon überzeugt, dass die Anerkennung der Integrität eines Anderen, sei es nun ein Mensch, ein Tier oder ein Buch, die Grundlage einer jeden friedlichen Koexistenz darstellt.
Natürlich heisst das nicht, dass wir von nun an kein Fleisch mehr essen und keine Bücher mehr verfilmen dürfen. Alles, wofür ich plädiere, ist, dass man es mit Respekt und artgerecht tut.

Hochachtungsvoll & Rumpeldipumpel
Eda

Literarische Schützenhilfe

Egal worüber man auch brüten mag, ein Griff ins Bücherregal und man hat was, das wie auf einen zugeschnitten scheint. Sei es nun ein Liebesroman, ein Kochbuch oder Platons Phaidon, man findet tatsächlich in jedem einzelnen Buch Rat und Inspiration.
Drei Erklärungen sind denkbar für dieses Phänomen: Erstens, die Welt hat sich gegen dich verschworen und schiebt dir jeweils das richtige unter. Zweitens, du änderst unbewusst deine Grübelthemen so, dass das gelesene auf sie passt – hier hat sich offenbar dein Unbewusstes gegen dich verschworen. Oder drittens, du interprtierst alles metaphorisch und wendest die gewonnen Metaphern automatisch auf dein Problem an und entdeckst dass es doch irgendwie funktioniert – man könnte auch von selektiver Wahrnehmung sprechen.
Es wird wohl niemanden überraschen, wenn ich mich hier vehement für die dritte Variante stark mache. Ich glaube nämlich, dass unser gesamtes Denken metaphorisch strukturiert ist und wir daher gar nicht fähig sind „Etwas“ nicht „als Etwas“ wahrzunehmen. Das heisst, dass wovon wir auch sprechen, wir tun es immer in einer „als ob“-Form…
Das klingt jetzt ein bisschen wirr, das muss selbst ich zugeben. Schauen wir mal, ob ein Griff ins Bücherregal uns nicht Erleichterung verschaffen kann? Ich nehme das Buch „Excel 5.0 – Das Kompedium“ und schlage es auf einer zufälligen Seite auf. Seite 549, da steht: Das gleiche gilt für „Zeilen als Legendentext“. Das passt perfekt! Ich bin jedoch nicht sicher, ob auch für Euch…

Tschechische Literatur

Jeder der sich schon mal mit der tschechischen Literatur auseinander setzen musste, weiss ein Lied von Božena Němcová zu singen. Was indessen nur wenige wissen, ist, dass allein eine Analyse ihres Namens bereits sehr tiefe Einblicke in ihr Schaffen gewährt und dass man sich auf diese Weise eine Lektüre ihrer Werke (hier sei besonders „Das Grossmütterchen“ hervorgehoben) getrost sparen kann.
Der Nachname Němcová kommt vom tschechischen Wort für nemec, Deutscher und leitet sich ursprünglich vom Wort němý ab, was soviel wie stumm heisst.
Den Vornahmen zu dechiffrieren braucht etwas mehr Fingerspitzengefühl: Ballena heisst auf Spanisch Wal und wird in Argentinien Bažena ausgesprochen, also bis auf das a identisch.
Das heisst nun also, dass Babička von einem stillen oder deutschen Wal geschrieben wurde. Nichts also, was man sich nicht entgehen lassen sollte. Insbesondere, da Melville vier Jahre zuvor schon einen solchen erlegen liess.

Schrödingers Fürzchen

Ein Fürzchen, bevor es das Licht der Welt erblickt, weiss es, was es ihr antun wird?
Ein Fürzchen im Wald, das keiner sieht, stinkt es?
Ein Fürzchen, was sieht es im Spiegel? – Wo es herkam!

You Can’t Judge A Book By It’s Cover

U1_netzwerkDie Realtät hat die Form einer Hose: Wenn du an einem Punkt eine Entscheidung triffst, dann rutschst du ins eine Hosenbein oder ins andere. Die Entscheidung selbst, genau wie die Folgen, sind indessen Teil eines ganzen Netzes, in dem im Grunde alles mit allem verbunden ist. Also ist die Hose eine Strumpfhose mit vielen grossen Löchern. Warum ausgerechnet mit grossen Löchern? Na damit man die Beine sieht…

Habe mir das Buch vorsorglich nicht gekauft, denn soviel wie das Cover verspricht, kann das Buch gar nicht halten.