Pontifex-Dialoge: Von der Nächstenliebe

Seit mir der Papst für ein Twitter-Follow einen Ablass vom Fegefeuer offeriert hat, führe ich von Zeit zu Zeit kleinere Dialoge mit dem Pontifex. Dies ist ein weiterer davon:

25. November

Papst Franziskus @Pontifex_de
Den Nächsten lieben heißt, nicht die eigenen Interessen suchen, sondern die Lasten der Schwächeren und Ärmeren tragen.

Da geht einem doch glatt das Herz auf, wenn man solche Worte von einem Pontifex liest. Wer stört sich dann da noch an logischen, ethischen und historischen Mängeln?

Eda Gregr @meskinaw
@Pontifex_de Niemand würde je sagen, dass Nächstenliebe heisst, die eigenen Intressen zu suchen. Dafür gibt es andere Worte. #Tautologie

1. WOW, was für eine Einsicht in die Natur der Dinge…
Mal sehen, ob ich das auch hinkriege…
Velo fahren heisst, nicht in einem Flugzeug sitzen, sondern die Pedalen eines Drahtesels treten.
Fussball spielen heisst, nicht einen Baum fällen, sondern in deinen Ball treten.“
Kochen heisst, nicht das Essen essen, sondern das Essen machen.“
WOW…

2. Okay, vielleicht meinte er, dass den Nächsten zu lieben heisst, NIE die eigenen Interessen zu suchen, sondern IMMER die Lasten der Schwächeren und Ärmeren zu tragen. Also sein gesamtes Leben auf das Helfen auszurichten. Doch das steht nicht da – obschon noch Zeichen genug zur Verfügung gestanden hätten.
Hinzu kommt, dass sich die Hilfe und die Interessen gar nicht notwenigerweise auszuschliessen brauchen. Eigene Interessen brauchen keineswegs egoistisch oder gar zerstörisch zu sein. Allein schon beim Papst scheint die Nächstenliebe einem sehr grossen eigenen Interesse zu entsprechen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass Nächstenliebe sich genau durch das eigene Interesse definiert, nämlich jenes anderen zu helfen.

3. Eine weitere Interpretationsmöglichkeit könnte sein, dass man bei der Nächstenliebe die Hilfe nicht daran ausrichten sollte, was einem am besten passt, sondern was dem anderen am meisten nützt. Das wäre ein sehr schöner Gedanke, doch für einen so weisen Mann mit einem solchen Heer an weisen Beratern, hat er das ziemlich lausig formuliert.

Andererseits leben die Kirchen ja gerade davon, dass sie etwas immer anders sagen, so dass man es auch verschieden verstehen kann. Gemeint ist also nicht, was da steht, sondern was gerade gebraucht wird – wodurch es perfekt zur dritten Interpretationsmöglichkeit passt.

Eda Gregr @meskinaw
@Pontifex_de Wie nah ist der Nächste? Ist ja nicht so, dass Gott im alten Testament die Nächstenliebe an Andersgläubigen praktizieren liess.

1. Jesus wurde mal gefragt, wer denn genau der Nächste sei und er antwortete mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,29-37). Die Quintessenz ist, dass jener dem Hilfsbedürftigen am nächsten war, der diesem geholfen hat.
Das ist allerdings eine etwas schräge Antwort auf die Frage, woran man den Nächsten erkennt, den man gemäss „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ lieben soll, denn obgleich der Samariter sich hier sehr zuvorkommend gegenüber dem Hilfsbedürftigen verhalten hat, muss er keineswegs eine allzu grosse Zuneigung gegenüber diesem empfunden haben. Chirurgen helfen schliesslich auch Tausenden von Leuten ohne sie deswegen Lieben zu müssen. Und der Hilfsbedürftige empfindet sicherlich eine überschwängliche Dankbarkeit gegenüber seinem Wohltäter, was hier und da gern mit Liebe verwechselt wird, dann jedoch in der Regel nur Transferenz ist.
Wir kennen die tatsächlichen Motive des Samariters nicht. Es wird Altruismus gewesen sein, wie wir ihm immer wieder mal begegnen. Diesen mit Liebe gleichsetzen zu wollen, wäre allerdings eine bedenklich inflationäre Verwendung des Begriffs Liebe – und ich glaube kaum, dass sich Gott mit dieser Art von Liebe zufrieden gibt, die einen dazu veranlasst einer alten Dame über die Strasse zu helfen.

Wenn man den Nächsten also tatsächlich analog zu diesem Gleichnis zu definieren versucht, dann ist mir jener der nächste, der sich – aus welchem Grund auch immer – dazu entschlossen hat, mir zu helfen? Und den soll ich lieben wie mich selbst?
Und wenn der Nächste nur anhand der an mir geleisteten Hilfe offenbar wird, dann kann der Auftrag: „So gehe hin und tue desgleichen!“ als Antwort auf meine Frage, woran ich meinen Nächsten erkennen kann, nur bedeuten, ich soll mich von Räubern überfallen lassen.

1.5 Dass der Samariter für das Raubopfer während der Reanimation der nächste ist okay, doch wäre dieser Logik folgend dem Opfer während des Raubes nicht sein Peiniger der Nächste? Auch hier geschieht es bisweilen, dass das Opfer seinem Peiniger gegenüber ein positives emotionales Verhältnis aufbaut (vgl. Stockholm Syndrom).

2. Wenn man aber einen Christen fragt, wer denn genau mein Nächster ist, dann sind das für diesen ganz klar alle Menschen der Welt. Da fragt man sich aber, wieso heisst es: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (Lev, 19:18)“ und nicht „Du sollst alle lieben wie dich selbst„?

Wohl weil der erste Teil des besagten Verses „An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen“ lautet und damit sehr deutlich klar gestellt wird, dass die Nächstenliebe sich nur auf eine sehr beschränkte Gruppe von Menschen bezieht.
Das unterstreichen auch die im alten Testament von Gott höchstselbst ausgesprochenen Kriegserklärungen gegen alle Andersgläubigen und der Missionsbefehl im neuen Testament sowie die Tweets vom Papstes (hier, hier und hier).

Was aber eigentlich alles auf das gleiche hinausläuft: Am Ende gibt es nur noch das eigene Volk. Früher indem man alle anderen umbrachte, heute indem man sie zum eigenen Volk konvertieren lässt. Wodurch dann tatsächlich alle zu den Nächsten gehören, sei es weil sie bereits zum eigenen Volk gehören oder es bald tun werden.

Andere Völker auszumerzen kann dann auch leicht als ein Akt der Nächstenliebe verstanden werden: Der Nächstenliebe den Kindern und Kindeskindern jener Völker gegenüber, denen dadurch eine Geburt und die ewige Verdammnis aufgrund eines falschen Glaubens erspart bleibt. Ein bedauerliches Opfer, aber was ist schon eine Generation Mord und Totschlag im Vergleich zu den vielen, vielen, vielen Generationen in glückseeliger Ewigkeit?

Ganz zu schweigen von der leicht utopischen Überzeugung, dass wenn erst mal alle Schäfchen in der Herde sind, dass dann Milch und Honig fliesst. Oder geht es beim Missionieren gar nicht um den Weltfrieden?

Eda Gregr @meskinaw
@Pontifex_de Sollte Nächstenliebe nicht unabhängig von Religion, Rasse, Geschlecht, sozialem Status, sexueller Vorliebe und Vermögen sein?

Die Schwachen und Armen bedürfen selbstverständlich unserer Hilfe. Doch nicht aus Liebe, sondern weil es unsere ethische Pflicht ist. Wenn ich aus Liebe helfe, werde ich denen, die ich mehr liebe, mehr helfen. Und den Arschlöchern entsprechend etwas weniger. Den Leuten einreden zu wollen, dass sie allen Leuten die gleichen Emotionen entgegen bringen sollen, ist absurd. Genau deshalb überlässt man die soziale Sicherheit lieber nicht der Nächstenliebe, sondern der Bürokratie, die zwar bisweisweilen ziemlich bescheuert sein kann, doch es immerhin allen gegenüber im gleichen Masse ist.
Des weiteren lässt die Liebe uns nicht helfen, weil es unserer Hilfe bedarf, sondern weil wir helfen wollen. Und deshalb ist es eigentlich völlig egal, ob die betreffende Person unsere Hilfe überhaupt braucht. Insofern müsste uns die Nächstenliebe auch gebieten den Starken und Reichen zu helfen.

Die Liebe ist bei der Hilfeleistung noch in einem anderen Punkt eher hinderlich. Wenn ich eine Person liebe, dann liebe ich sie, wie sie ist. Und da werde ich ihr kaum zu einer Nasenkorrektur raten. Dies kann ich nur tun, wenn ich eine gewisse emotionale Distanz aufzubauen fähig bin und die Zusammenhänge etwas grossräumiger zu überblicken vermag. Die Liebe dagegen macht blind.

Eda Gregr @meskinaw
@Pontifex_de Ist es wirklich Liebe, wenn man die Lasten der Schwächeren nur trägt, wenn sie dafür Jesus annehmen? Ist das nicht Geschäft?

Wenn man die Hilfe an Bedingungen knüpf – und seien diese noch so subtil formuliert – dann ist es keine Liebe, sondern ein Geschäft.
Jemandem nur Essen zu geben, wenn er sich vorher eine Predigt angehört hat, ist genauso ein Akt der Liebe, wie es die Ausstrahung eines mit Werbung gespickten Films im Fernsehn ist.
Wenn das Ziel ist am Ende mehr Geld in der Kasse, mehr Schäfchen in der Herde oder weniger weniger Schäfchen in der Herde zu haben, dann war Eigennutz im Spiel. Selbst dann, wenn es nachgewiesenermassen zum Wohle aller ist.

Wie glaubwürdig ist es eigentlich zu sagen, dass ich einen Befehl aus Liebe befolge, wenn mir andernfalls eine schreckliche Strafe droht? Was ist das für eine Liebe? Vor allem wenn man annimmt, dass der Befehl auch aus Liebe formuliert wurde…

Es braucht noch nicht mal die Bedingung, allein schon das durch die Hilfsbedürftigkeit bedingte Machtgefälle lässt Werte übernehmen und die Herde anwachsen. Man nutzt die Situation aus und das ist ethisch verwerflich. Deshalb sollten Helfer jeglicher Art sich genauso weltanschaulich neutral Verhalten wie wir es von Lehrern und Beamten verlangen.

Missionieren für den Weltfrieden?

Wenn die Religionen mit ihren Evangelien hausieren gehen, dann machen sie das doch aus der Überzeugung, dass sie damit den Menschen helfen. Vor allem natürlich in Sachen Seelenheil und Jenseits, doch sicher schwingt da auch noch die Überzeugung mit, dass wenn erst mal alle Schäfchen in der Herde vereint sind, dass dann die gemeinsamen Werte eine vielversprechende Grundlage für eine funktionierende, friedliche und fröhliche Gesellschaft darstellen.

Auf jeden Fall sehen sie keinen Widerspruch zwischen Weltfrieden und „alle unter der einen richtigen Religion“.

Doch stimmt das aus wirklich?
Jemanden zu missionieren zeugt doch von einer gewissen Verachtung gegenüber seiner ursprünglichen Weltanschauung und der Bereitschaft entsprechende korrigierende Massnahmen einzuleiten. Klingt nicht gerade nach Einstellungen, die einem friedlichen Zusammenleben besonders förderlich wären.

Das humanistische Ideal, jedem seine Freiheit zu lassen und sich so wenig wie möglich in seine Angelegenheiten einzumischen, erscheint mir etwas erfolgsversprechender zu sein. Wenn ich mich nicht dran störe, was der andere tut, sagt und denkt, dann habe ich auch nicht das Bedürfnis ihm den Kopf einzuschlagen in der Bemühung das zu korrigieren.

Scharlatane unter der Lupe

Das Problem mit den esoterischen Fähigkeiten ist ja, dass sie sehr störungsanfällig zu sein scheinen gegenüber „skeptischen Schwingungen“.
Ob es „skeptische Schwingungen“ tatsächlich gibt, müsste natürlich erst mal nachgewiesen werden, doch sei das vorerst mal dahingestellt. Nehmen wir einfach mal an, dass es sie gibt und dass sie bisher alle ernsthaften Versuche esoterische Fähigkeiten nachzuweisen vereitelt haben. Wir müssen also unsere Nachweisexperimente so gestalten, dass diese nicht reinfunken können.
Das heisst dann wohl, dass beim Versuch niemand zugegen sein darf, der nicht voll und ganz an den Erfolg glaubt. Nicht einmal per Video oder durch einen anderen Trick.

Der Versuchsaufbau beispielsweise für einen Pendler, der ein Wasserglas unter einem Papierhut mittels eines Pendels finden zu können behauptet, besteht darin, dass er an einem Ort seiner Wahl zehnmal je 10 Papierhüte in einer Reihe aufgestellt hat, wobei jeweils unter einem eine Wasserglas steht. Beobachtet wird der Versuch von 10 von ihm selbst verlesenen treuesten Fans. Wenn er vier Mal richtig liegt, hat er seine Fähigkeit nachgewiesen.
Nennt mich blauäugig, aber ich denke nicht, dass diese Leute über das Ergebnis offen lügen werden, denn damit würden sie sich und ihrer Überzeugung wohl mehr schaden als es ein Misserfolg tun könnte. (Aber Randis Million Dollar würde ich dann doch noch nicht gleich auszahlen.)

Das Problem ist, dass man sich wohl auch hier herausreden wird können, dass die Befragung danach ein Akt der skeptischen Beobachtung ist, der auf den Versuch in die Vergangenheit ausstrahlt und irgendetwas Schrödinger Katze.


 

Anschlussfrage: Gibt es Esoteriker, die „skeptische Schwingungen“ aufspüren können? Ein solcher könnte den Versuchsaufbau und den Ablauf während der ganzen Zeit beobachten. Und vielleicht könnte man ihm noch einen zweiten solchen hinzugesellen, der kontrolliert, ob der erste selbst nicht die „skeptischen Schwingungen“ ausstrahlt.
Damit er die „skeptischen Schwingungen“ nicht aufgrund des Misserfolgs detektiert, müssten die Enthüllung des Ergebnisses natürlich erst ganz am Schluss erfolgen, statt nach jeder Runde.

Missionieren ist Völkermord an den Toten

Die Wikipedia sagt uns über den Völkermord: Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, auf direkte oder indirekte Weise „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

In der Regel erreicht man das, indem man die Mitglieder der Gruppe tötet, doch es geht auch anders – zumindest was die nationalen und religiösen Komponenten betrifft.

Man erkennt den Genozid an einer Menge Massengräber und einem deutlichen Bruch in der Kulturgeschichte. Wenn man die Massengräber aber mal ausser Acht lässt, dann wird es schwierig zu unterscheiden, ob in einem bestimmten Gebiet ein Völkermord oder eine Missionierung gewütet hat. Die Kultur ist danach nicht mehr die gleiche wie davor.

(Eine ganze Gruppe zu sterilisieren, sie aber noch bis ans Ende ihrer Tage ihre Kultur weiter leben zu lassen, wäre ebenfalls ein Genozid – jedoch einer ohne Massengräber.)

Das heisst, je nach dem, ob ich den Bruch vor oder nach der letzten Generation der alten Kultur lege, ist es ein Völkermord oder eine Missionierung. Im einen Fall hat man die Lebenden getötet und im anderen Fall gewissermassen die Toten.

Wenn man nämlich davon ausgeht, dass ein Volk eine Gemeinschaft von Menschen ist, die sich darüber einig sind aufgrund ihrer Kultur ein Volk zu sein, dann würden die Leute der vergangenen Kultur sich trotz gemeinsamer Ethnie und Sprache nicht mehr dem gleichen Volk zugehörig fühlen wie die Leute der neuen Kultur, denn alles, an was sie glaubten, hat dort keine Gültigkeit mehr.

Jede Veränderung der Kultur ist der Tod eines Volkes und die Geburt eines neuen. Das klingt natürlich wesentlich drastischer als es wirklich ist, denn das braucht keine Leben zu kosten. Vielmehr ist es einfach der natürliche Lauf der Dinge.
Doch wenn man hingeht und die Kultur vorsätzlich verändert, dann ist es Mord.

Fazit vom Weekend of the Doctor

1:12

Schade, das hätte lustig werden können.
Die Vorlage wurde zwar klar abgelehnt, doch es hat immerhin jeder dritte dafür gestimmt. Die Bedürfnis nach einer faireren Lohnverteilung kann man daher nicht als eine Phantasmagorie von ein paar Spinnern abtun. Das Vertrauen, dass die Wirtschaft das selbst wieder in vernünftige Bahnen zu lenken schafft, ist verschwindend klein und der Handlungsbedarf ist eindeutig.
Von daher ist es ziemlich fragwürdig, wenn die Menschen, die der Initiative ihre Stimme gaben, als neidgetriebene Kommunisten gebrandmarkt wurden.

Die Befürworter haben eine Vorstellung darüber, wie sich der Lohndeckel auf die Wirtschaft auswirken würde. Die Gegner haben eine andere Vorstellung darüber. Doch wie es konkret rauskommen würde, steht – solange man es nicht einfach mal ausprobiert – in den Sternen.

Doctor Who

Downloadverbot

Eigentlich wenig überraschend, dass so etwas früher oder später kommen wird. Nicht, weil die böse Musik- und Filmindustrie dahinter steckt, sondern weil sich damit Geld machen lässt. Und daran ist eigentlich noch nichts schlechtes. Wofür wir nichts bezahlen, bezahlen wir indem wir Werbung über uns ergehen lassen. Die lassen wir uns zwar auch auf Download- und Streaming-Seiten über uns ergehen, doch geht das Geld dort nicht dorthin, wo es hingehört.
(Hierzu schreibe ich gerade an einem Artikel, der bald mal online gehen sollte.)

 

Ironischerweise wäre der Day of the Doctor für viele mit einem solchen Verbot nicht nur zeitverzögert, sondern gar nicht möglich gewesen.
Und bezeichnend ist auch, dass nun raus gekommen ist, dass der neunte Doktor eigentlich der zehnte ist und der Kriegsdoktor der neunte. Was dann aus dem zehnten Doktor den elften macht und den elften zum 12.
Die grundlegende Verbundenheit aller Dinge zueinander ist mal wieder offensichtlich.

Vollständige Packungsbeilage

In der heutigen verdatenbankten Welt sollte es doch eigentlich möglich sein, die ganze Herstellungsgeschichte eines Produkts auszugeben. Nicht nur die Inhaltsstoffe und deren Herkunft, sondern auch die Preise, die jeder einzelne im ganzen Produktionssystem draufgeschlagen hat.

Das bräuchte natürlich nicht alles auf der Verpackung zu stehen. Ein QR-Code würde reichen und jeder könnte alle Daten, die ihn interessieren, problemlos auf seinem Smart-Phone abrufen.

qr-packungsbeilage

Die Vorteile liegen dann auf der Hand: Ökologisch und ethisch nicht zulässige Praktiken wären dann sichtbar.

Was spricht dagegen? Inwiefern wäre es nicht eine bessere Welt, wenn diese totale Transparenz gegeben wäre?
Oder gibt es Gründe, weshalb über gewissen Produktionsschritte der Mantel des Schweigen gelegt werden sollte?

Das hängt wohl davon ab, wie fest der wirtschaftliche Erfolg von der Unwissenheit der Konkurrenz abhängt. Nicht vom Rezept, wohlgemerkt, das kann vorläufig gern weiter geheim gehalten werden, sondern von den Preisen der Rohstoffe und Dienstleistungen.
Mit der heutigen Technologie schwindet dieser Informationsvorsprung aber ohnehin, da könnte man ihn auch gleich völlig beseitigen.

(Kommt nicht mit dem administrativen Aufwand! Mir ist schon klar, dass sich das nicht so ohne weiteres umsetzen lässt, hier geht es lediglich um die Frage: Was spricht dagegen?)

 

ps: Die NSA kann sich diese Packungsbeilagen ohnehin schon längst abrufen.

Evolution als Plot

Vampire sind cool. Sie sind zwar nicht real, aber es lassen sich spannende Geschichten mit ihnen erzählen. Das gleiche gilt für Werwölfe, Zombies, Gott oder auch Elfen, Einhörner und Conan den Barbaren.

Dann gibt’s natürlich auch reale Persönlichkeiten, die sich in die unterschiedlichsten Geschichten verirren. Keine SciFi-Serie, die sich nicht mal an einem Mord an Hitler versucht hätte. Und auch Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub ad-Dawīnī – hierzulande besser bekannt als Saladin, Albert Einstein oder Kleopatra tauchen immer mal wieder auf.

Es ist Ehrensache, dass man den realen Persönlichkeiten zumindest ein Pfitzelchen Authentizität erhält. So sollte Saladin Sand aus den Schuhen rieseln, Einstein irgendwie was weises sagen und Kleopatra eine wundervolle Nase haben.

Wenn jedoch die Evolution in Serien und Film auftaucht – meist in Form einer nächsten Stufe wie bei den X-Men – , dann stehen einem regelmässig die Haare zu Berge. Das ist zwar an sich schon mehr als bloss bedenklich, doch noch wesentlich schlimmer ist, dass die Kreationisten und Anhänger des Intelligent Design genau diese Karikaturen vor Augen zu haben scheinen, wenn sie über die Evolution herziehen.

20 Minuten und der ausgewogene Klimawandel

Und wieder einmal ein Artikel in 20min, der einem die Haare zu Berge stehen lässt.
Zum einen wegen der nicht angebrachten Ausgewogenheit der Diskussion und zum anderen wegen der Leser-Kommentare…

20min – «Wetter wird extremer» – «Das ist Spekulation»

Die Position von Benny Peiser und seines Global Warming Policy Foundation Thinktanks  ist hinlänglich berüchtigt.
Doch wie repräsentativ sind die Meinungen in den Leserkommentaren für die gesamte Bevölkerung?

Bitte…
Bitte…
Bitte, sagt: gar nicht!

Vom Fuchteln im Dunkeln

Wenn man in einen dunklen Raum tritt, dann ist wildes Rumfuchteln eine durchaus erfolgversprechende Methode das Licht an zu machen.

Die Methode funktioniert, doch ist es nicht das Rumgefuchtel, das das Licht einschaltet, sondern der Umstand, dass der Schalter meist in der Nähe der Tür ist und man mit wilden Bewegungen auch mal zufällig gegen diesen knallt.
Man ist allerdings schnell mal geneigt zu glauben, dass es eben doch das Rumgefuchtel ist, und man wird dann entsprechend auch annehmen, dass man überall im dunklen Raum Erfolg damit haben würde. Das stimmt aber nicht.

Das ist das Problem von alternativen Heilmethoden, die sich des Placeboeffekts bedienen.
Diese Heiler verkaufen das Rumgefuchtel.

Wäre es nicht besser, wenn man sich gleich dem Schalter zuwenden würde?
Der Vorteil ist, dass man einschätzen kann, wo und wann es funktioniert. Und kann Schlüsse daraus ziehen. Man kann beispielsweise einen Stock verwenden oder einen Ball. Das wird alles funktionieren.
Eine Variation des Rumgefuchtels bringt dagegen nichts.

Wenn Scharlatane den Schalter benutzen, dann können das auch die Ärzte.

In diesem Bild ist das Licht die Selbst-, resp. Spontanheilung.
Das Medikament oder der chirurgische Eingriff des Arztes ist das Flicken den Heizung.

Wie messe ich den Erfolg eines Personalvermittlers?

Bertrand Russell
der damit nichts zu tun hat

Wenn der Personalvermittler eine Stelle in einer Zeitung ausschreibt und darauf 100 Dossiers bekommt, von denen er 10 auswählt und an seine Auftraggeber weiterreicht, woher wissen wir, dass es die 10 geeignetsten Kandidaten waren?
Sicher, er hat eine Auswahlstrategie, von der er selbst überzeugt ist, dass sie die besten Ergebnisse liefert, doch wenn der Auftraggeber nie die restlichen 90 Kandidaten zu Gesicht bekommt, wird man nie wissen, ob die Strategie und die Auswahl auch wirklich überdurchschnittlich gut sind.
Kandidaten, die den Auftraggeber zufriedenstellen, bestätigen das Vertrauen des Personalvermittlers in seine Strategie. Wenn aber keine zufriedenstellenden Kandidat von der Strategie ans Licht gefördert werden, dann heisst das für dem Personalvermittler nicht notwendigerweise, dass dann wohl die geeigneten Kandidaten im Aussschuss gelandet sind und die Strategie entsprechend nichts taugt, sondern dass es einfach keine geeigneten Kandidaten unter den Einsendungen gab.
Sprich die Strategie wird durch den Erfolg bestätigt und durch den Misserfolgt nicht nur nicht relativiert, sondern tendenziell sogar bestätigt.

Gibt es eine Möglichkeit diesem Bestätigungsfehler (confirmation bias) zu entkommen?

Eine Möglichkeit wäre, wenn der Personalvermittler nur 9 Dossiers entsprechend seiner Strategie auswählt und das letzte als Joker zufällig aus dem Ausschussstapel zieht. Wenn der Auftraggeber beim Verhältnis 9:1 den Joker von 10 Aufträgen mindestens 4 mal entdeckt, macht der Personalvermittler seine Sache gut. Sonst nicht wirklich.

Experimentalpolitik

Experimentalpolitische Vorstösse

  • 1:12
  • Abschaffung der Polizei
  • Artgerechte Maschinenhaltung
  • Atomausstieg
  • Ausländerstimmrecht
  • Bedingungsloses Grundeinkommen
  • Buchpreisbindung
  • Fenchelverbot
  • Frauenstimmrecht
  • Fremdsprachenunterricht: Jede Gemeinde eine andere Sprache
  • Global gleicher Lohn für gleiche Arbeit
  • Keine Abzüge bei Steuern
  • Keine wirtschaftlichen Beziehungen mit kriegsführenden Ländern
  • Krasse Investition in Bau von Zeitmaschinen
  • Religionverbot
  • Uni-Stipendien für Strapsenträgerinnen
  • Verbot von Genen in Nahrungsmitteln
  • Wahlrecht für Tiere
  • Weihnachten 24 Tage nach dem ersten Schnee
  • Zeitumstellung immer nur in die gleiche Richtung
  • Zwangshomosexualisierung

Ich habe zwar meine nette politische Position, doch wenn es darum geht, was man konkret umsetzen soll, dann vertrete ich eine knallharte Experimentalpolitik. (Links zur Illiustration ein paar Beispiele, die ich sofort befürworten würde, selbst wenn einige davon ganz und gar nicht meiner politischen Agenda entsprechen.)

Ich bin dafür all diese Dinge mal umzusetzen, nicht weil ich denke, dass sie die Schweiz und die Welt besser machen, sondern weil man nur so rausfinden kann, was sich tatsächlich draus entwickelt.
Zugegeben, Voraussetzung dafür sind schlanke politische Prozesse. Denn es könnte verhängnisvoll sein, wenn man beispielsweise mal aus Neugier das Essen verbietet und man 3 Jahre warten muss, bis man es wieder erlauben kann.

Politik ist für einen Experimentalpolitiker das zum Schweigen bringen unbegründeter Spekulationen. Und als Bonus die Möglichkeit einen Teil der Bevölkerung sagen zu lassen: „Seht ihr, ich hab’s ja gesagt.“

Ich frage mich, ob es ethisch verwerflich wäre auf Basis der Experimentalpolitik ein staatliches Wettbüro zu eröffnen? Damit holt man die Verluste wieder rein und darüber hinaus hätten die Astrologen und Wahrsager endlich eine gesicherte Einnahmequelle.


Selbstverständlich gibt es aber gewisse Themen, die kategorisch nicht zur Debatte stehen, weil sie höheren Interessen unterliegen:

  • Einführung der Todesstrafe
  • Abschaffung von Impfungen
  • Rücknahme eines eventuellen Fenchelverbots

Zukunft der Piratsphäre

Stellen wir des Arguments wegen einfach mal die folgenden beiden Prämissen über die Piratenpartei auf:

  • Von allen Parteien haben wohl die Piraten die wenigsten Skrupel kopiergeschütztes Material aus dem Netz runter zu laden.
  • Von allen Parteien hat wohl die Piraten den grössten Anteil an Trekkies.

 

Böse Zungen behaupten ja, dass die Deillegalisierung ihres Filesharingverhaltens überhaupt der Grund war die Piratenpartei zu gründen. Doch muss man zu ihrer Verteidigung anmerken, dass das Richtige selbst dann das Richtige ist, wenn es ursprünglich aus nicht ganz so edlen Motiven gefordert wurde.

Eine weitere Forderung der Piraten ist die Stärkung der Bürgerrechte und da insbesondere der Privatsphäre. Das zeugt allerdings von einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit, denn für den Fall, dass sich die Legalisierung von Privatkopien sich nicht durchsetzen lassen sollte, entzieht man den Behörden vorsorglich die Möglichkeit Verstösse auf legalem Weg herauszufinden.
Insofern ist das Parteiprogramm eine Absicherung für alle Eventualitäten. Und wenn alles andere nicht wirkt, kann  man sich immer noch auf die parlamentarische Immunität berufen.

Doch selbst wenn die Piraten allesamt verschlagene Seebären wären, so bedeutet das nicht im Geringsten, dass eine Reform des Urheberrechts, des Patentrechts und der Bürgerrechte nicht dringend notwendig ist. Die Piraten würden davon profitieren, doch das sollte uns nicht die Augen davor verschliessen lassen, dass auch alle anderen davon profitieren würden.

Und vielleicht würden wir in einer nicht allzu fernen Zukunft in einer schönen neuen Gesellschaft leben, wie sie die Trekkies an ihren Wochenenden nachspielen.
Es entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie, dass es mit der Privatsphäre im Star Trek Universum nicht mehr sehr weit her ist. Man hat zwar die volle Entfaltungsmöglichkeit, doch aufgrund der Technologie weiss man zu jedem Zeitpunkt, wer was wo macht. Und nur der Edelmütigkeit ist es zu verdanken, dass diese Informationen nur in wirklich sehr dringenden Fällen angezapft werden.
Nicht nur weiss man, wie gesagt, wer was wo macht, man kann auch ganze Raumschiffe und Planeten scannen, den ganzen Körper durch medizinische Trikorder checken und einfachere Eingriffe zum Wohl des Gebeamten und aller anderen automatisch durch den Transporter durchführen lassen. Und nicht zuletzt speichert man auch alle seine Log- und Tagebücher auf dem gleichen System.
Und niemand stört sich an dieser allgegenwärtigen Überwachung.

Selbst die Trekkies unter den Piraten nicht.

Die Grenzen des Autoritätsbias

Das Autoritätsargument ist ein Fehlschluss – zumindest so lange, wie die überprüfbaren Belege der erwähnten Autorität nicht nachgereicht werden können. Wenn man diese hingegen nachreichen kann, dann ist das eine bequeme und legitime Abkürzung.

Der Autoritätsbias ist etwas ganz anderes. Das ist unsere natürliche Tendenz die Meinung einer in der Hierarchie uns übergeordneten Persönlichkeit zu übernehmen. Das ist eine natürlich, nicht immer unproblematische, soziobiologisch Reaktion.
Bisweilen wird allerdings statt von der in der Hierarchie übergeordneten Persönlichkeit auch einfach von einem Spezialisten gesprochen. Dies klingt zwar weitgehend deckungsgleich, impliziert jedoch, dass es hier nicht mehr um das Sozialverhalten, wo man die Gültigkeit einer Aussage allein aus der übergeordneten hierarchischen Position der Autorität ableitet,  sondern um die Qualität der Argumentation, welche durch überprüfbare und von Peers weitestgehend akzeptierten Belege gestützt wird, geht. Und das kann verhängnisvoll sein.

Beispielsweise wenn man leichtfertig dazu aufruft jeglicher Autorität gegenüber respektlos zu sein wie dies Rolf Dobelli in seinem Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ tut. Er baut seine Argumention auf verschiedenen Beispielen auf:

  • Keiner der Abermillionen von ausgebildeten Ökonomen schaffte es das Timing und den Hergang der Finanzkrise vorauszusagen.
    Stimmt, doch erhebt die Ökonomie überhaupt für sich in Anspruch genau dies exakt tun zu können? Dass einzelne Exponenten ein anderes Verständnis von der Präzision der Voraussagbarkeit in der Wirtschaft haben, ist ihre persönliche Fehleinschätzung und kann der Wissenschaft an sich nur sehr begrenzt zum Vorwurf gemacht werden.
  • Bis ins Jahr 1900 war es nachweislich besser als Kranker nicht zum Arzt zu gehen.
    Stimmt, weil die Ärzte zu jener Zeit nur „drei“ Krankheiten erfolgreich behandeln konnten und der Job des Arztes eigentlich nur daraus bestand zu schauen, ob die konkrete Krankheit eine jener drei ist und wenn ja die Therapie anzuwenden. Die Ärzte waren sich dessen bewusst, versuchten aber nichtsdestotrotz ihr bestes – und verschlimmerten die Sache in den meisten Fällen nur. Auch hier liegt eine persönliche Fehleinschätzung vor, begünstigt noch durch die Unkenntnis der Tatsächlichen Wirkzusammenhänge.
  • In Milgrams Experiment brachte der Versuchsleiter seine Probanden dazu andere Probanden im Dienste einer höheren Sache zu quälen.
    Stimmt, doch hier ging es darum den Autoritätsbias überhaupt erst nachzuweisen, indem man zeigte, wie leichtfertig die Probanden die Verantwortung an ihren Handlungen allein aufgrund einer anwesenden Autorität weiter zu geben bereit sind. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Milgram verschiedene Variationen dieses Experiments durchgeführt hat, wobei diese hier das mit Abstand deutlichste Resultat erbrachte.
  • Viele Unfälle in der Luftfahrt ereigneten sich weil der Pilot etwas übersah und der Copilot sich nicht traut es anzusprechen.
    Genau, hier haben wir es endlich tatsächlich mit einem unverfälschten Autoritätsbias zu tun.

 

Das Beispiel aus der Luftfahrt unterscheidet sich allerdings fundamental von den anderen dadurch, dass der Copilot, was das Wissen und die Erfahrung angeht, auf einem ähnlichen Level steht wie der Pilot. Sprich, er könnte diesen im Notfall ersetzen, wodurch sein Schweigen allein auf die Ehrfurcht vor der sozialen Stellung zurückgeht. Das ist jedoch beim Wirtschaftswissenschaftler, resp. Arzt des 19. Jahrhunderts nicht gegeben, weil hier ein Verhältnis zwischen Laie zum Spezialist vorliegt. Klar, was das Tippen auf Börsenkurse betrifft, kann der Normalsterbliche durchaus manchmal besser liegen, doch das ist nur winziger Bruchteil der Wirtschaftswissenschaften, die allerdings auch enthält, wieso es sich bei den Börsentipps genau so verhält. Und klar, ein Hahnemann hat zweifellos genau dadurch etliche Leben gerettet, dass er sprichwörtlich nichts gemacht hat, doch das ist nicht sein Verdienst und schmälert auch nicht die noch so bescheidenen Leistungen der Medizin.
In winzigen Teilgebieten der Ökonomie und der Medizin mag der Zufall zweifellos manchmal besser liegen, jedoch nie im Cockpit eines Flugzeugs. Und deshalb können wir auch nur aus dem Beispiel aus der Luftfahrt etwas lernen und die Erkenntnisse in anderen Branchen übertragen – was zweifellos mehr als angebracht ist.

Doch aus dem Beispiel mit dem Arzt verleitet dazu auch die moderne Medizin zu hinterfragen, inklusive beispielsweise des Impfens. Eine Einschätzung, für die es eigentlich eine wesentlich fundiertere Qualifikation braucht, als einen Analogieschluss.
Als ob das noch nicht schon genug wäre, knüpft Dobelli den Status dieser Spezialisten an Äusserlichkeiten statt an die Zustimmung ihrer Peers. Doch nicht die Überzeugung der Passagiere macht den Piloten zum Chef, sondern die des Copiloten um den Wissens- und Erfahrungsvorsprung. Und nicht der Titel macht den Arzt oder Wissenschaftler zu einem Experten, sondern die andauernde Bestätigung innerhalb des Diskurses mit seinen Fachkollegen.
Weiter merkt Dobelli an, dass in jeder Zeit andere Autoritäten sexy sind und man die Autorität gern fachübergreifend einzusetzen versucht. Das stimmt zwar, doch das ist der Fehlschluss „Autoritätsargument“ und hat mit dem Bias, wie gesagt, nicht viel zu tun.

Dies alles bedenkend, sieht auch Milgrams Experiment auf einmal etwas anders aus, als es vielleicht auf den ersten Blicke erscheint. Es gibt hier nämlich verschiedene Ebenen, auf denen die Autorität wirkt. Zum einen die technische, wo der Versuchsleiter sehr wohl besser als der Proband weiss, wie gefährlich die Stromstösse sind. Und zum anderen die ethische, wo dem Versuchsleiter aber keine besseren moralischen Urteile, die dies rechtfertigen würden, zur Verfügung stehen als dem Probanden. (Hier könnte man bestenfalls zu argumentieren versuchen, dass es sich hier um bedauerliche Opfer zum Wohl der Menschheit handelt. Und tatsächlich sind wir nicht selten geneigt eine solche Begründung durchgehen zu lassen.)

Unter dem Strich empfiehlt es sich den Autoritätsbias gegenüber einem Menschen nur dann abzulegen, wenn man in der Lage ist, ihn in seiner Aufgabe zu ersetzen. Wobei man sich hier höllisch vor dem Dunning-Kruger-Effekt in Acht nehmen muss, nämlich dass man sich umso sicherer ist etwas von einer Sache zu verstehen, je weniger man effektiv von ihr versteht.