Der Blitzableiter auf dem Kirchturm

Ein Blitzableiter auf einem Kirchturm ist das denkbar stärkste Misstrauensvotum gegen den lieben Gott.

Karl Kraus

Auf diesen Aphorismus reagiert natürlich jeder Christ zurecht empört, schliesslich ist das ein arg naives Gottesbild, das hier den Christen unterstellt wird. Naturkatastrophen sind keine Anmerkungen Gottes zum Weltgeschehen. Es sind völlig natürliche, in den meisten Fällen inzwischen hinlänglich verstandene physikalische Phänomene, die sich statistisch verhalten und keine moralisierenden Häufungen aufweisen. Früher wurde diesen Ereignissen gern eine übernatürliche Intention zugeschrieben – aber nur weil man es nicht besser wusste.

Blöd nur, dass die Bibel ausgerechnet in einer Zeit geschrieben wurde, wo man nicht nur sehr vieles noch nicht wusste, sondern noch nicht mal wusste, dass man sehr vieles noch nicht weiss.1

Das wirft für mich die Frage auf, ob Jesus mit seinen Auftritt nicht noch etwa 2000 Jahre hätte warten können? (Ist ja nicht so, als ob er es eilig gehabt hätte, schliesslich sind seit der Sintflut da bereits gut 2000 Jahre vergangen.) Dann hätte er seine Ideen Leuten präsentieren können, die sie verlässlich hätten prüfen und dokumentieren können. Und wenn an seinen Ideen (und Wundern) tatsächlich was dran gewesen wäre, hätten sie seiner Heilslehre ein wissenschaftliches, ethisches, künstlerisches und gern auch ökonomisches Attest ausstellen können.
Das hätte seiner Sache doch sicherlich weit mehr geholfen als die „Erkenntnis“, dass ein gewisser Jesus vor 2000 Jahren Sklaverei und Homophobie etwas weniger deutlich gutgeheissen hat, als es zu jener Zeit wohl üblich war.

Klar, je früher man die Rettung präsentiert, umso mehr Menschen können gerettet werden. Durchaus. Dafür werden die Menschen aber umso effektiver gerettet, je weiter die Fertigkeiten der Rettungskräfte fortgeschritten sind.
Wenn der Fortschritt der Fertigkeiten auch nach der Offenbarung voranschreitet, spricht natürlich nichts gegen eine frühe Einführung, doch bewegt sich im Fall des Christentums da nicht mehr sonderlich viel. Von daher ist „je früher (nachdem 2000 Jahren gewartet wurde nachdem die Welt nach 2000 Jahren rebootet wurde) desto besser“ nicht wirklich eine überzeugende Strategie…

Und etwas gemein ist hierbei übrigens auch, dass trotz des allwissenden Autors nirgends in der Bibel darauf hingewiesen wird, dass man mit den kommenden Jahrhunderten sehr vielen angeblich mysteriösen Dingen auf die Schliche kommen wird.
Tatsächlich tut die Bibel eher etwas, was man als Warnung vor neuen Erkenntnissen interpretieren könnte: Denn Gott hat gesagt: „Ich werde die Weisheit der Weisen zunichte machen und die Klugheit der Klugen verwerfen.“ (1. Korinther 1:19)

Was aber hätte dagegen gesprochen, wenn Jesus neben der Berg- auch noch eine Vulkanpredigt gehalten hätte, in der er heissen würde: „Vulkanausbrüche, Erdbeben und Blitze sind völlig natürliche Ereignisse, die euch überhaupt nichts zu sagen versuchen. Ach ja und wascht euch verdammt nochmal die Hände2!“ (Auszug aus der nichtexistenten Vulkanpredigt)

Im Gegenteil scheint das alte Testament von einer Flut von Strafen Gottes in Form von Naturkatastrophen3 überzuquellen.
Und auch im neuen Testament hält sich Gott diesbezüglich nicht wirklich zurück. Jetzt nicht mehr mit der kollektiven Bestrafung durch Katastrophen, sondern mit der individuellen Belohnung durch vermeintlich wundersame Heilungen, die in der freien Wildbahn auch heute noch gelegentlich und in den Shows von Quacksalbern regelmässig vorkommen.

Doch obwohl die am Anfang erwähnten, zurecht empörten Christen Naturkatastrophen nicht als Zeichen Gottes interpretiert haben wollen und in der Regel auch eingestehen, dass es für die Wunder natürliche Erklärungen gibt, so lassen sie sich nichtsdestotrotz nicht davon abbringen, dass es – nun ja – mehr Dinge im Himmel und auf Erden gibt, als unsre Schulweisheit sich träumen lässt.
Und dass hie und da etwas eben doch ein echtes Zeichen ist.

Man darf mich nicht falsch verstehen. So ein göttliches Räuspern wäre durchaus eine famose Sache. Ganz im Ernst!
Insbesondere wenn man (sei es nun als Person oder als Gemeinschaft) gerade im Begriff ist irgendeinen Blödsinn anzustellen.
Wichtig wäre dabei aber, dass das Räuspern Gottes auch wirklich als solches für jeden klar erkennbar ist. Auch für Aussenstehende. Ganz besonders für Aussenstehende. Denn man muss sich sicher sein, dass etwas der Hinweis eines allwissenden, allmächtigen und allgütigen Wesens ist und nicht nur das Rascheln des Windes im Baum, welches jemand als göttliche Bestätigung für das interpretiert, was er gern bestätigt haben möchte.
Deshalb sollten Zeichen Gottes nie privat sein – nicht mal in sehr privaten Angelegenheiten. Sie müssen stets von unabhängigen Drittpersonen bestätigt werden können.

Das ist nicht der Weg Gottes, sagen die Christen. Er war es mal. Aber jetzt nicht mehr.
Allerdings bezweifle ich, dass sie sich von Gott abwenden würden, wenn er die offene Kommunikation auch weiterhin praktizieren würde.

Es spricht nämlich nichts gegen deutliche, unmöglich falsch zu interpretierende und von Dritten bestätigbare Botschaften.
Wenn Gott jeden zweiten Samstag im Monat im Schloss Schauensee Audienz halten oder auf Youtube in einem eigenen Kanal Tipps zu Politik, Kultur und Wissenschaft erteilen würde, dann schränkte das unsere Willensfreiheit genauso wenig ein, wie es das auch die gelegentlichen persönlichen Begegnungen im alten und neuen Testament nicht taten.
Eigentlich eher im Gegenteil! Denn nur wenn ich weiss, wo genau eine Abzweigung ist, kann ich mich entscheiden diese zu nehmen oder eben nicht und dann wacker die Konsequenzen tragen. Einfach Vertrauen haben und irgendwann, wenn es gerade blitzt oder donnert oder eine Gesicht auf den Toast erscheint, mal abbiegen, ist keine so gute Strategie.

Göttliche Zeichen

Während ich einen Text schreibe, in dem ich mich über Gott und Jesus lustig mache, fällt meine Tochter um und schlägt sich das Knie blutig.
Ist das eins jener Zeichen Gottes, von denen Christen so oft sprechen, weil es sie angeblich wieder auf den rechten Weg führt?
Oder wäre es dann ein Zeichen, wenn sie umgefallen wäre und sich auf wundersame weise nichts getan hätte?1

Hej Eda, besinne dich…
oder deinen Kindern könnte was passieren…
Gott

Egal ob Gott meiner Tochter ein Bein stellt oder sie nicht rettet, wenn er es sonst getan hätte. Es sind Mafia-Methoden.

Und wie geht man damit um?
Man gehorcht natürlich und nennt sie Die Liebe Camorra und verteidigt deren Tugendhaftigkrit gegen jeden Angriff. Vorzugsweise mit Weihwasser.

Ein Zeichen des wahren Glaubens

coke-jesusWenn man sich mit echten Christen unterhält, dann erklären sie einem stets, dass die katholische Kirche eine Verbrecherorganisation sei, die schon vor langer Zeit vom rechten Pfad abgekommen sei. Dem will ich gar nicht widersprechen, doch ich will dann in der Regel von der betreffenden Person wissen, woher sie die Gewissheit nimmt, dass nicht auch sie abseits des rechten Pfades herumtappt?
Sie erklärt dann, dass sie die Bibel studiere und dass sie ihr Leben nach deren Lehren auszurichten versuche (vielleicht nicht immer perfekt – schliesslich sind wir alle Sünder – aber sie gibt ihr bestes) und dass sie eine persönliche Freundschaft mit Jesus pflege. Aber wirklich überzeugend ist das nicht, denn genau das gleiche versichern einem auch die verbrecherischen Katholiken.

Wäre es da nicht toll, wenn diejenigen, die wahrlich glauben, ein Zeichen begleiten würde? Ein Zeichen, welches genau dies unterstreicht? Sowas wie ein Heiligenschein vielleicht?
Da wüsste ich gleich, wer ein echter Christ ist und wer bloss unter Wahnvorstellungen leidet. Wäre das nicht toll?

Doch das können wir uns wohl an den Hut stecken, schliesslich lässt Gott sich nicht in die Karten schauen. Ich meine, stellt euch das mal vor… Dann wüsste man, wer auf dem rechten Weg schreitet und wer nicht. Man könnte sich ein Beispiel an ihnen nehmen und sie höflich um Rat fragen. Die ganzen Glaubenskriege wären damit Schnee von Gestern.

So ein Pech, dass es sowas nicht gibt.

Oder gibt es das vielleicht doch?

Folgende Zeichen werden die begleiten, die glauben: Sie werden in meinem Namen Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden, wenn sie Schlangen anfassen oder etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nichts schaden, Kranken, denen sie die Hände auflegen, wird es gut gehen.
Markus 16 : 17-18

WOW! Das ist genau das, was ich brauche!
Okay, ein Heiligenschein wäre praktischer gewesen, denn an dessen Leuchtkraft könnte man, noch während man einen Gedanken formuliert, erkennen, ob man damit in der richtigen Richtung unterwegs ist. Hier dagegen gibt es keine Tendenzen. Was nicht wirklich nachvollziehbar ist, denn Tendenzen sind bei der Navigation eine coole Sache. Ich meine, stellt euch mal vor, euer Navi würde während des Weges nicht „jetzt nach rechts“ und „jetzt nach links“ sagen, sondern am Ort, den ihr für das Ziel haltet, je nach dem ob es wirklich das Ziel ist, entweder die Tür öffnen oder das Auto in die Luft jagen.
Es ist keine Frage davon, ob man zum richtigen Ziel will, denn das wollen die meisten durchaus. Insofern wäre auch es völlig in Ordnung, wenn das Navi, wenn man trotz dessen deutlichen Anweisungen nicht zum richtigen Ziel kommt, den Selbstzerstörungsmechanismus aktiviert. Aber ohne die Hinweise und Korrekturen?

Doch beklagen wir uns nicht, sondern schauen uns lieber an, was uns hier in die Hand gegeben wurde: Dämonen, Sprachen, Schlangen, Gift und Heilung.
Damit lässt sich sicher was anfangen.

Da ich neue Sprachen nicht von mir unbekannten alten Sprachen unterscheiden kann, taugt für mich als Aussenstehender dieser Indikator leider nicht allzu viel.
Dämonen austreiben und Kranke heilen, eignet sich schon besser. Daran versuchen sich viele Christen, müssen aber – um überzeugend zu sein – über den Plazebo-Effekt hinaus kommen. Und zu beurteilen, ob das gelungen ist, ist leider alles andere als einfach.
Schlangen anfassen ist auch nicht schlecht. Daran versuchen sich schon deutlich weniger Christen1. Doch wie viel davon ist bloss antrainierte Geschicklichkeit?
Das Trinken von Gift – das ist perfekt! Es lässt sich sicher ein Gift finden, das garantiert jeden tötet. Botulinustoxin2 klingt vielversprechend. Wenn ein Gläubiger einen Schluck davon nimmt und überlebt …

… dann glaube ich ihm!

Also, ihr lieben, echten Christen, tretet vor.
Ihr seid euch Gewiss in eurem Glauben? Dann zeigt, dass euch – wie prophezeiht – das Gift nicht schaden wird.
Wenn es Zeichen sind, dann sollen sie auch gesehen werden!

 

 

Was passiert eigentlich mit denen, die so gewiss in ihrem Glauben sind, dass sie bereit sind das Gift zu trinken, dabei aber falsch liegen und sterben?
Wie wird Gott das wohl beurteilen?

Keine Selbsttäuschungen

Lesen ist eindimensional. Ein Wort kommt nach dem anderen und ein Satz folgt dem nächsten. Fernsehen hingegen, so platt es auch sein mag, ist zweidimensional. Da können Dinge nebeneinander, übereinander und diagonal zu einander geschehen. Und wenn man sich optischer Tricks bedient, lässt sich mit dem suggerierten Hintereinander noch eine weitere Dimension hinzufügen. Und noch eine, wenn man den Ton einstellt.
Natürlich gibt es auch Möglichkeiten dem Buch die eine oder andere weitere Dimension abzuringen. Zum Beispiel, wenn man es illustriert. Oder wenn es vom Buchdruck handelt.
Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich auch die Seiten in Bier zu tunken. Dann hat man neben dem literarischen auch ein olfaktorisches Vergnügen.
So geschehen mit meinem Buch „The God Delusion“, welches sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Flasche Petra befand als diese sich anschickte in meinem Rucksatz zu zerbrechen. Dies ist einer der Momente, wo man zu argwöhnen beginnt, ob es da nicht vielleicht doch eine höhere Macht gibt, die dir auf diese Weise ein Zeichen zu geben versucht. Ironischerweise handelt das getränkte Buch aber gerade davon, wie leicht sich Menschen auf diese Weise in die Irre führen lassen. Zack, eine zusätzliche Dimension.
Tja, ich nehme es pragmatisch und halte es getreu dem Motto „In pivo veritas“ für ein Zeichen dafür, dass in Dawkins Buch die Wahrheit steht: Es mag zwar durchaus winkende Schicksen geben, doch das winkende Schicksal ist bloss ne Chimäre.