Interessengruppen

Die Fälle steigen wieder und der Bundesrat erwägt – entgegen der Empfehlung der Taskforce – Lockerungen der Massnahmen. Und die bürgerlichen Parteien finden, dass die Taskforce sich lieber nicht öffentlich äussern sollte.

Sehr starke Interessengruppen drängen auf Lockerungen. Dem kann sich der Bundesrat nicht einfach entziehen.

Randnotiz: Ich frage mich, was eine Interessengruppe so stark macht, dass sie sogar den Bundesrat in Bedrängnis bringen kann? Die Zahl der Interessierten kann es nicht sein, denn es gibt Interessen, die viel mehr Leute verbinden. Es liegt wohl daran, dass sich hier  diese Interessen einer Person kristallisieren, die beim Bundesrat vorstellig wird.
Ist das aber nicht unfair den anderen Interessen gegenüber? Nur weil sich bei ihnen nichts kristallisiert, bedeutet das nicht, dass ihre Anliegend nicht genauso dringend sind.
Vielleicht verhindert der Umstand, dass ein gemeinsames Interesse von zu vielen geteilt wird, die Kristallisation? Vielleicht eignen sich nur gewisse Interessen zum Kristallisieren? Vielleicht braucht die Kristallisation auch den Katalysator Geld?

Ich finde, dass die Sorgen, welche die Interessengruppen vortragen, durchaus berechtigt sind und unbedingt gehört werden müssen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie Basis für eine Entscheidung des Bundesrats sein sollten.
Entscheidungen sollten möglichst auf evidenzbasierten Erkenntnissen basieren. Wenn Epidemiologen sagen, dass nur ein kompletter Shutdown das Virus stoppen kann, dann hat das eine ganz andere Qualität als wenn der Wirteverband sagt, dass damit das Gastgewerbe zerstören würde. Deshalb ist es auch ausgemachter Nonsens einen Kompromiss finden zu wollen, zwischen Epidemiologie und Wirteverband.

Wie ich aber sagte, die Sorgen des Wirteverbands sind berechtigt und sie müssen unbedingt gehört werden. Aber nicht vom Bundesrat um eine Entscheidung zu treffen, sondern von den Wirtschaftswissenschaften, die das untersuchen und ihre Befunde als evidenzbasierte Erkenntnisse dem Bundesrat präsentieren.

Erst hier fangen die Kompromisssuche an: zwischen den Empfehlungen und Warnungen von Epidemiologie, Wirtschaftwissenschaft, Umweltwissenschaft, Kulturwissenschaft, etc. Und natürlich der Edi-O-matik.

Eine wissenschaftliche Frage der Ehre

Ich schrieb vor einer gefühlten Ewigkeit in einem Artikel, dass Trump, sollte er entgegen allen Erwartungen ein hervorragender Präsident sein, ein grässliches Problem für die Demokratie darstellen würde. Weil dann offensichtlich der Schein trügen kann und man bei der Wahl von politischen Repräsentanten nachweislich nicht davon ausgehen kann, dass das Buch hält, was der Umschlag verspricht.
Nicht, dass man das je auch nur zu hoffen gewagt hätte, aber hier wäre man in dermassen epischem Ausmass daneben gelegen, dass man ernsthaft hätte in Betracht ziehen müssen, zukünftige Wahlen lieber durch Münzwurf zu entscheiden.

Wie es scheint, hat sich meine Befürchtung nicht bewahrheitet. Er ist ein exakt so lausiger Präsident, wie man von Anfang an befürchten musste. Damit meine ich jetzt nicht, dass er eine Mauer baut und der Wirtschaft mehr Wert beilegt als der Gesundheit der Menschen, denn das sind zwar – wie ich finde – arschlochige, aber dennoch leider legitime politische Positionen. Was ihn wirklich übel macht, ist, dass er die Spaltung der Gesellschaft unverholen vorantreibt und nicht mal den Anschein eines Versuchs unternimmt einen Konsens mit deinen Gegnern zu finden.

Das heisst nicht, dass er dumm ist. Denn Dummheit ist die Unfähigkeit seine Handlungen den Gegebenheiten anzupassen und deshalb sein Ziel nicht zu erreichen. Ob Trump seine Ziele erreicht oder nicht erreicht, kann man nicht sagen, solange man diese nicht kennt.
Wenn es sein Ziel ist, Amerika wieder „Great“ zu machen, oder den amerikanischen Präsidenten als verantwortungsbewusste Leitfigur der Welt zu etablieren, oder selbst als ein Mensch zu gelten mit einem besonders guten Gehirn, dann gelingt ihm das nicht so sehr.
Wenn es dagegen sein Ziel ist, nochmals gewählt zu werden, dann sieht die Sache vielleicht etwas anders aus.

Er erscheint dumm. Und vielleicht ermöglichte ihm genau dieser Umstand, die eine oder andere geopolitische Landmine zu entschärfen. Das will ich nicht ausschliessen. Ob das aber von ihm gezielt eingefädelt wurde oder bloss ein glücklicher Ausgang war, kann ich nicht beurteilen.
Wo eine starke Führung und eine entschlossenes Voranschreiten gegen alle Widerstände bitter nötig wäre, ist der Kampf gegen die aktuelle Pandemie. Und noch viel mehr gegen den Klimawandel. Doch genau hier geschieht nichts.

Im Gegenteil. Genau hier legt Trump gefährliche Landminen. Er zwingt Experten, die ihre Arbeit tun wollen, in seinen fetten Arsch zu kriegen.
Und wenn seine Präsidentschaft vorbei ist, werden diese Leute den Markt mit Büchern überschwemmen, in denen sie zu erklären versuchen, dass sie sich nur erniedrigt haben um das Feld nicht kompletten Idioten zu überlassen. Und vielleicht werden wir ihnen sogar glauben.
Nicht mehr glauben werden den Experten dann aber künftige Präsidenten, weil sie befürchten müssen, dass diese ihnen später in den Rücken fallen und ihr Erbe besudeln werden.

Wir sind angewiesen auf die Expertise von Fachleuten. Um aus der Pandemie raus kommen. Und um den Klimawandel aufzuhalten. Doch Trump zwingt Experten unaufrichtig sein und zersetzt damit nachhaltig die Integrität der Wissenschaft – die eigentlich allein der „Wahrheit“ verpflichtet sein sollte.

Und los geht’s

Experten melden sich zu Wort, die sich Fragen, ob sich die Schweiz einen Lockdown leisten kann. Beispielsweise Tilman Slembeck in einem Interview von 20 Minuten.

Ich bezweifle nicht, dass Prof. Slembeck die wirtschaftlichen Folgen eines Lockdowns so gut wie nur möglich abzuschätzen versteht, und halte daher seine Expertise dazu, mit welchen Strategien die Schäden möglichst klein gehalten werden können, für enorm wichtig.

Ich denke auch, dass seine Forderung nach einer repräsentativen Stichprobe der gesamten Bevölkerung sehr wichtig ist, denn wir haben es hier offenbar tatsächlich noch mit sehr vielen Unbekannten zu tun, was die Evaluierung von angemessenen Reaktionen natürlich erschwert bis verunmöglicht.

Im Artikel äussert sich Slembeck aber auch darüber, ob man der Ausbreitung des Virus auch mit anderen Mitteln als dem Lockdown hätte beikommen können. Doch das ist in seiner Funktion als Ökonom nicht mehr in seinem Fachgebiet.

Er sagt beispielsweise an einer Stelle: „Der Pandemieplan des Bundes ist grundsätzlich auf ganz schwere Fälle ausgelegt – also wenn die Leute bildlich gesprochen auf der Strasse tot umfallen. Das ist bei Covid-19 bei weitem nicht der Fall.“
Wenn Leute auf der Strasse tot umfallen, ist das natürlich krass, aber ich bin mir nicht sicher, dass das notwendigerweise ein Zeichen für einen ganz schweren Fall einer Pandemie ist. Die Tücken einer Seuche sind nämlich viel subtiler, daher disqualifiziert ihn diese Aussage in meinen Augen eher als das sie hilft, seinen Punkt zu unterstreichen.

Wie gesagt, er hat schon recht, dass uns sehr relevante Zahlen fehlen, die uns helfen würden, mit effektiven Massnahmen gegen die Pandemie vorzugehen. Aus dem Fehlen dieser Daten können wir aber nicht schlussfolgern, dass der Lockdown nicht verhältnismässig ist.

Ich fordere von der Politik der Wissenschaft mehr Gehör zu leihen. Und dann verdammt nochmal das zu tun, was diese empfiehlt.
Ich nehme hier aber auch die Medien in die Pflicht, dass sie Experten in ihrem Fachbereich konsultieren, sie dann aber nicht über andere spekulieren lassen.


Tipp an Tilman Slembeck: Wenn Sie explizit gesagt hätten, dass Sie sich im Vorfeld mit einem Epidemologen ausgetauscht haben und gemeinsam zum Schluss gekommen sind, dass die Massnahmen des Bundes über Ziel hinaus geschossen sind, wäre es (was mich betrifft) etwas ganz anderes gewesen.
Mir geht es nämlich wirklich nur darum, dass man in dieser schwierigen Zeit nur denen Gehör schenken soll, die über die nötigen Qualifikationen verfügen. So dass wenn sich unter diesen ein Konsens herausbildet, dass man sich dann auch darauf verlassen kann, dass deren vorgeschlagene Massnahmen so erfolgversprechend sind, wie sie nur sein können.
Es ist nämlich eigentlich eine denkbar blöde Strategie, jeden was sagen zu lassen und dann das Publikum selbst entscheiden zu lassen. Das ist zwar nett gemeint, aber auch ein Garant für eine steigende Zahl von Flat-Earthern. Und das können wir uns auch wirtschaftlich schlicht nicht leisten, wie Sie als (Verhaltens-)Ökonom sicherlich bestätigen können.

Unsere SVP in der Zeit der Corona

In meinem Artikel „Unsere Parteien in der Zeit der Corona“ habe ich mich dafür ausgesprochen, dass die Parteien den Empfehlungen der Wissenschaft grösseres Gehör schenken als den Wünschen ihrer Wähler, weil die Empfehlungen der Wissenschaft die Existenz ihrer Wähler besser schützt als die Wünsche ebenjener.

Inzwischen (1. April 2020) ist auf der Webseite der SVP eine Medienmitteilung erschienen, in der sie „eine klare wirtschafts- und gesundheitspolitische Strategie für die Zeit nach dem 19. April“ fordert.
Daran ist soweit noch nichts auszusetzen.
Sie anerkennt, dass die vom Bund via Notrecht bis zum 19. April 2020 getroffenen Massnahmen die vulnerablen Bevölkerungsgruppe schützen.
Das sollten wir im Hinterkopf behalten.
Sie gibt dann aber zu bedenken, dass diese gleichzeitig massive Schäden für Wirtschaft, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, ja für unser ganzes Land verursachen.
Das stimmt wohl. Doch das bestreitet meines Wissens auch keiner.
Daher stelle sich heute nicht nur die dringende Frage, wie die Schweizer Bevölkerung ab dem 19. April 2020 zu schützen ist, sondern auch, wie dies zu geschehen habe, ohne dass die wirtschaftlichen Folgeschäden noch grösser werden.
Wie gesagt, die Frage ist durchaus berechtigt.
Deshalb fordert die SVP-Fraktion eine klare wirtschafts- und gesundheitspolitische Strategie für die Schweiz nach dem 19. April 2020.

Das ist natürlich ihr gutes Recht. Ich hoffe einfach, dass sie sich bei ihren Forderungen meine Forderungen vom 29. März zu Herzen genommen hat und in ihrer Strategie die Wissenschaft (möglichst explizit) zu Wort kommen lässt.
Darüber hinaus möchte ich noch zu bedenken geben, dass eine klare Strategie eigentlich ein Wissen um die Gegebenheiten voraussetzt, was ja jetzt noch lange nicht der Fall ist. Eine „klare Strategie“ sollte daher idealerweise Raum für massive Anpassungen haben, wenn die Situation es verlangen sollte.
(btw. darüber, ob die Situation passive Anpassungen verlangt, informiert uns die Wissenschaft.)

Die SVP fordert für die Zeit nach dem 19. April 2020 die Umsetzung folgender Massnahmen zum Schutz insbesondere der vulnerablen Bevölkerungsgruppe:

  • besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen haben sich selber vor einer Ansteckung zu schützen und sich deshalb so weit wie möglich zu isolieren. Der Staat hat auf die Umsetzung dieser Massnahme hinzuwirken;
    Ist das nicht wie gehabt? Oder impliziert „hinwirken“ weniger Druck? Also beispielsweise keine Busen für Leute, die die Empfehlungen ignorieren?
    Weniger Druck bedeutet aber mehr Ansteckungen. Dessen sind wir uns bewusst, oder? Und mehr Ansteckungen bedeuten mehr Tote. Nur damit das klar ist.
  • der verstärkte Grenzschutz ist aufrecht zu erhalten, Einwanderer und Einreisende aus Risikogebieten sind ebenso abzuweisen wie Personen, die nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass sie frei vom Corona-Virus sind;
    Auch das ist nichts neues, oder?
    Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Einschleppung von aussen, jetzt mal vom ersten Mal abgesehen, tatsächlich ins Gewicht fällt? Daniel Koch, Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), meinte in einem Interview im Tessiner Radio RSI, dass die Grenzschliessung keinen grossen Unterschied gemacht hätte.
    Dieser Punkt verdankt sich also weniger wissenschaftlichen Empfehlungen als viel mehr ihren Wunschträumen. Da die Grenze schon ziemlich geschlossen ist, dürfen sie das gern fordern auch ohne wissenschaftlich belegte Notwendigkeit.
  • die Einführung einer allgemeinen Tragepflicht von Schutzmasken, wo ein Kontakt zwischen Menschen stattfindet. In erster Linie ist das medizinische Personal und danach die ganze Bevölkerung mit Schutzmasken zu versorgen. Diese sind zentral durch den Bund zu beschaffen;
    Das ist (relativ) neu. Den Hintergrund für diese Forderung liefert wohl Verena Herzog in ihrem Referat „Schutz der Gesundheit der Menschen hat Priorität“. Sie erklärt dort, dass entgegen Behauptungen Schutzmasken nicht wirkungslos sind. Denn auch wenn etwas nicht 100%igen Schutz bietet, so ist das immer noch besser als gar nichts. Das stimmt natürlich, es fehlt hier aber der Kontext in dem die „Behauptung“ gemacht wurde. Es hiess nicht, dass die Masken wirkungslos seien, sondern, dass es zu wenige hat, als dass man sie an Orten benutzt, wo sie nicht wirklich dringend benötigt werden. Und dass die Masken insofern sogar kontraproduktiv sein könnten, weil sie den Trägern ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln – insbesondere bei nicht fachgerechter Anwendung.
    Wenn es genug Masken gibt, dann können wir uns anschauen, ob durch die Maskenpflicht die Ansteckungsrate sinkt oder steigt. Die
    Erfahrung kann es uns dann im Nachhinein sagen oder im Vorfeld die Wissenschaft. Die SVP sollte ohne Referenz auf eine der beiden daher lieber nichts fordern, was den Leuten die Angst nimmt zur Arbeit zu gehen, aber potentiell das Ansteckungsrisiko heben könnte.
  • die aktuell geltenden Regeln des Abstandhaltens und die Hygienemassnahmen sind beizubehalten;
    Okay.
  • positiv auf Covid19 getestete Risikopatienten sind in strikte Quarantäne zu setzen.
    Wie gehabt.

Wenn ich diesen ersten Teil richtig überblicke, sind sie mehr oder weniger für das Beibehalten der Massnahmen des Bundesrates, unterstreichen dabei aber einfach die Punkte, die fett in ihrem Parteiprogramm stehen, und stellen Forderungen, welche sich als nützlich für den nächsten Satz an Forderungen erweisen sollen.

Jenen zum Schutz der Wirtschaft:

  • das Arbeitsverbot, wo kein Home-Office möglich ist, soll aufgehoben werden;
    Egal, wie sehr dadurch das Ansteckungsrisiko steigt?
  • Läden und Restaurants sollen unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmassnahmen wieder öffnen dürfen;
    Das ist eigentlich wie oben.
  • das Schulverbot soll so weit als möglich, risikobasiert und gestaffelt und unter Einhaltung der Hygienemassnahmen aufgehoben werden;
    Auch das ist das gleiche wie oben.
  • das Versammlungsverbot soll ebenfalls unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmassnahmen gelockert werden.
    Dass man die Arbeit und die Schule wieder möglichst im „normalen“ Rahmen (in Sinne von unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmassnahmen) in Betrieb nimmt, ist ohne zweifel lebenswichtig für die Wirtschaft. Allerdings auch verbunden mit dem Risiko einer Steigerung der Ansteckungsrate. Das gilt es gegeneinander abzuwägen. Und zwar in Zahlen. Auf der einen Seite die wirtschaftliche Kennzahl (BIP?) und auf der anderen die Zahl der Toten. Ich verlange daher von der SVP, dass sie in ihrem Strategiepapier festhält, wie viele Tote für im Tausch für 100 BIP Punkte (oder womit man hier auch immer rechnet) akzeptabel sind.
    Aber die Lockerung des Versammlungsverbots? Das ist ein Stich ins Herz der zentralen Instruments der Bekämpfung der Pandemie. Klar, die obigen Forderungen sind ohne eine Lockerung der Versammlungsverbots kaum umsetzbar, aber ich hätte es anders formuliert. Hier klingt es nämlich weniger als ein wirtschaftlicher Möglichmacher, als viel mehr so, als setze sich die SVP für die Wiedereinführung des Menschenrechts der Versammlungsfreiheit ein. Was schon ein bisschen populistisch ist.

Und dann noch ein „und überhaupt“:

  • Zudem sind die nun festgestellten Mängel in der Krisenvorsorge sofort zu beheben. Dies gilt vor allem für die Beschaffung von Schutzmasken und -kleidung, von Tests sowie von Beatmungsgeräten. Dieser Forderung ist höchste Priorität einzuräumen.
    Ja, klar. Das macht Sinn. Aber ich nehme an, das bezieht sich nicht nur auf Atemwegserkrankungen. Sondern auch für alle anderen Erkrankungen, die durch Seuchen hervorgerufen werden könnten. Und es gilt wohl ebenfalls für die Fachkräfte, die sich sowohl um die Geräte als auch um Patienten kümmern. Ich meine wie kann man für eine Pandemie vorbereitet sein, wenn das medizinische Personal auch in normalen Zeiten am Anschlag ist? Will sich die SVP also wirklich für bessere Arbeitsbedingungen im Pflegebereich (und anderen systemkritischen Berufen) einsetzen? Finde ich gut!

Okay, die SVP fordert also eine Mässigung mit den Massnahmen, die ergriffen wurden um die Ausbreitung zu verlangsamen und damit das Gesundheitswesen nicht an den Rand des Kollapses zu führen.
Warum tut die SVP das? Um die Wirtschaft zu schützen. Klar, aber kann eine Wirtschaft prosperieren, wenn das Gesundheitswesen kollabiert und die Eltern der Arbeitskräfte wie die Fliegen sterben?

Sie geht wohl davon aus, dass es schon nicht so schlimm sein wird. Aber auf welcher Basis kommt sie darauf, wie schlimm es (nicht) werden wird?

Oder ist die SVP überzeugt, dass wir den Zenit überschritten haben und die Ansteckungen zurück gehen? Die Zahlen deuten zwar noch nicht darauf hin, aber nehmen wir an, dass es stimmt und die Massnahmen des Bundesrates funktionieren und jeden Tag werden weniger Ansteckungen verzeichnet. Was geschieht wohl, wenn man die Massnahmen, die das erreicht haben, wieder lockert, wie die SVP es sich wünscht? Geht dann der Trend weiter nach unten oder steigt die Zahl der Ansteckungen wieder an?

Mir ist schon klar, dass man die Wirtschaft unbedingt wieder zum Laufen bringen muss. Man muss das aber auf eine Art und Weise schaffen, die die Ansteckungsrate nicht wieder steigen lässt.
Die Forderungen der SVP scheinen mir, zumindest so lange kein nachhaltiger Erfolg gegen die Pandemie verzeichnet wurde, eher eine Art Einverständniserklärung dafür zu sein, dass man für die Wirtschaft eine beliebige Zahl von Leben aus der vulnerablen Bevölkerungsgruppe opfern darf.
Ich fände es daher nur richtig, wenn die SVP mit ihrer Forderung auch die Kosten an Menschenleben anführen würde, die sie bereit ist es die Schweizer Bevölkerung kosten zu lassen.

Es gibt Länder, wo es besser geht, und andere, wo es schlechter geht.
Die SVP soll sich entscheiden, welchen sie nacheifern möchte.

Den Zahlen des einen nacheifern mit den Methoden des anderen, so funktioniert das aber nicht.

Unsere Parteien in der Zeit der Corona

Je ein Screenshot der Webseiten unserer 16 wichtigsten Parteien (alphabetisch geordnet, warum auch nicht).

Die Herausforderungen, vor die uns Corona stellt, werden in den nächsten Wochen und Monaten noch grösser werden. Und die Bereitschaft unpopuläre aber notwendige politische Entscheidungen durchzusetzen, wird angesichts des Klimawandels auch in den nächsten Jahren noch gefragt sein.

Ich erwarte daher von der Politik und den Parteien, dass sie umdenken. Bisher bestand Politik hauptsächlich darin zu entscheiden, in welcher Farbe das Bundeshaus gestrichen werden soll, und das Ergebnis spielte überhaupt keine Rolle. Es machte zwar die einen glücklich und die anderen unglücklich oder die einen unglücklich und die anderen glücklich, doch alle, sowohl die einen wie auch die anderen, kamen früher oder später darüber hinweg.
In naher Zukunft wird die Aufgabe aber viel zu oft nicht mehr sein zu entscheiden, ob und wie etwas gemacht werden soll, sondern Wege zu finden, wie das, was gemacht werden muss, mit möglichst wenig murren getan wird.

Heute erklären die Parteien im Angesicht der Krise, dass sie hinter den Entscheidungen des Bundesrats stehen. Morgen müssen wir uns darauf verlassen können, dass sie auch dann bereits sind sich ungeachtet ihrer politischen Ziele bedingungslos der Expertise der Wissenschaft zu unterwerfen, selbst wenn die Situation noch nicht so dringend erscheint.

Zugegeben „sich der Expertise der Wissenschaft unterwerfen“ klingt ein bisschen rückgratlos. Doch wenn man bedenkt, dass die von der Wissenschaft vorgeschlagenen Strategien den Wünschen der Individuen und der Wirtschaft nicht allzu hohe Priorität einzuräumen scheinen, wird es eine Menge Charakter brauchen.

Schauen wir es uns anhand eines hypothetischen Beispiels an: Durch die wissenschaftliche Auswertung von medizinische Daten, fällt auf, dass bei überraschend vielen Vergiftung von Kleinkindern eine rosa Plastikente erwähnt wird. Man geht der Sache nach und findet heraus, dass die hübsche rosa Farbe der beliebten Ente für Kleinkinder toxisch ist. Die Firma, die die Enten herstellt möchte die Farbe nicht aus dem Verkauf nehmen, weil sie günstig in der Herstellung ist und sich super verkaufen lässt. Darüber hinaus haben sie herausgefunden, dass die Toxizität gänzlich verschwindet, wenn man beim Spielen Handschuhe anzieht. Und die Kinder lieben die Ente und schreien den Eltern die Bude ein, wenn man sie ihnen wegzunehmen versucht.
Ergo: Die Kinder haben ein grosses Interesse daran, dass die Enten weiter produziert werden. Genauso die Wirtschaft. Nur die Wissenschaft scheint etwas gegen sie zu haben.
Was soll jetzt die Politik machen? (Ja, in diesem Fall fällt die Sache unter ein anderes Gesetz, welches in solchen Fällen automatisch zur Anwendung kommt und die Ente vom Markt nimmt. Aber wir sind hier in einem Gedankenexperiment, das sich zu einer Zeit abspielte, wo dieses Gesetz noch nicht vorhanden war.)
Verschiedene Bereiche der Wissenschaft beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten des Problems. Die Chemie stellt die Toxizität des Stoffes fest und dessen Sterberate bei Kontakt mit der Farbe. Die Wirtschaftswissenschaften untersuchen die Auswirkungen eines Entenverbots auf die Wirtschaft in Form von einem Kurseinbruch. Und die Psychologie prognostiziert die Steigung der Scheidungs- und Selbstmordrate, verursacht durch den Stellenabbau der Firma und das Schreien von Kindern, denen das Spielzeug weggenommen wird.
Liegt es jetzt an der Politik zu entscheiden? Bevor wir das beantworten können, sollten wir uns noch folgende Frage stellen: Auf welcher Basis würde sie entscheiden?
Aufgrund ihres Parteiprogramms? Die Wirtschaftspartei hört sich die Wirtschaftsvertreter an und konsultiert die Studie der Wirtschaftswissenschaften und würde sich dann gegen ein Verbot aussprechen. Die, die sich den Schutz der Ehe und den Kampf gegen den Selbstmord auf die Fahne geschrieben hat, wohl auch. Nur Gwyneth Paltrows chemiefeindliche Partei würde sich für ein Verbot stark machen.
Dass sich jede Partei ein Kernthema für sich herauspickt, das ihrer Meinung nach nicht genug Beachtung findet, ist richtig und okay, aber in diesem Fall fatal. Denn die Wirtschaftswissenschaften untersuchten hier nur, was passiert, wenn eine konkrete Firma ihr Erfolgsprodukt vom Markt nehmen muss. Sie untersuchte nicht, was passiert, wenn es auf dem Markt bleibt und tausende Kinder sterben. Und die Psychologie beschäftigte sich mit der Frage, welche Konsequenzen ein Kurseinbruch einer einzelnen Firma hat kombiniert mit dem Geschrei von unzufriedenen Kindern. Sie hat sich aber nicht angeschaut, was geschieht, wenn der Kurs stabil bleibt, dafür aber Reihenweise Kinder sterben.
Erst wenn die verschiedenen Bereiche zusammenspannen und ein Model entwickeln, in welches alle diese Faktoren einfliessen, kann man eine gut fundierte Entscheidung treffen. Im Fall mit der Rosa Spielzeugente wird dort klar zeigen, dass nur eine Strategie ein akzeptables Ergebnis liefert: Enten vom Markt nehmen und Gesetze anpassen um ähnliches in Zukunft zu verhindern.
Parteien und Politik haben hier de fakto nichts mehr zu entscheiden.

Wenn verschiedene Szenarien zu ähnlich akzeptablen Ergebnissen führen, es also keine absehbare Rolle spielt, wie man sich entscheidet, können sich die Parteien gern mit ihren Parteiprogrammen wieder zu Wort melden. Wobei, wohlgemerkt, es die Wissenschaft ist, die beurteilt, ob die Ergebnisse ähnlich akzeptabel sind.

Bei Corona sind die Prognosen sehr klar. Beim Klimawandel ebenso. Es führt kein Weg an einer massiven Reduktion des CO2 vorbei. Die Aufgabe der Parteien kann daher nicht sein, die Interessen der Individuen und er Wirtschaft zu schützen. Denn tatsächlich können deren Interessen langfristig nur über die Abwendung des Klimawandels geschützt werden. Es ist auch nicht die Aufgabe der Parteien Wege zu finden, wie sich das CO2 im erforderlichen Zeitraum im erforderlichen Ausmass senken lässt. Denn die möglichen Wege, die zum Ziel führen könnten, wurden von der Wissenschaft bereits aufgezeigt. Die Politik kann diese nur noch umsetzen. Und die Parteien müssen sich darüber im klaren sein und mitspielen.

Gut möglich, dass eine der von der Wissenschaft vorgeschlagenen Strategien nicht hält, was sie verspricht, aber immerhin sind die Gründe für das Vertrauen in die Strategie und die Chancen, dass sie erfolg haben könnte, nachprüfbar besser als das Bauchgefühl von Politikern.

Nun ja, ganz machtlos ist die Politik aber auch wieder nicht. Sie ist es, die über die Finanzierung der Forschung verfügt.
Und das stellt uns vor eine interessante Situation: Entweder decken sich die Ansichten einer Partei mit jener der Wissenschaft, oder sie tun es nicht.
Wenn sie es aus Prinzip tun, ist alles okay.
Wenn sie es nur zufällig in einem ganz besonderen Fall tun, betrachten wir einfach einen anderen Fall.
Wenn sie es nicht tun, kann die Partei überzeugt sein, dass die Meinungsverschiedenheit allein darauf zurück zu führen ist, dass noch nicht genug geforscht wurde. In diesem Fall würde sich die Partei dafür einsetzen, dass mehr Geld in die Forschung fliesst. Wenn sie die dann besser fundierte Ansicht akzeptiert, ist alles okay.
Wenn die Partei aber überzeugt davon ist, dass Forschung nichts ausrichten kann oder dass mehr Forschung ihre Ansichten untergraben wird, dann kann sie die Forschungsgelder kürzen wollen. Damit würde sie die bisherigen Empfehlungen der Wissenschaft und die Notwendigkeit diese Umzusetzen zwar nicht aufheben, aber sie würde doch zumindest ihre Wissenschaftsfeindlichkeit öffentlich zur Schau stellen. Und das ist auch okay, denn auf diese Weise disqualifiziert sie sich selbst.

Wie gesagt. Wir müssen umdenken. Die Parteien müssen Farbe bekennen und sich hinter die Empfehlungen der Wissenschaft stellen. Bedingungslos und ohne Rücksicht auf ihr Parteiprogramm.
Wissenschaftsfeindliche Parteien haben in der Politik nichts zu suchen, denn die Wissenschaft als der Weg Fragen verlässlich bestmöglich zu beantworten ist die einzige Chance, die wir haben. Sowohl bei Corona als auch beim Klimawandel. Und eigentlich auch bei der Migrationspolitik, der Zeitumstellung und der Farbe des Bundeshauses.
Ich denke, dass Wissenschaftsfeindlichkeit sogar noch gefährlicher ist als Rassismus.

Oder denkt wirklich jemand ernsthaft, dass Covid-19 gänzlich ohne Mithilfe der Wissenschaft besiegt werden kann? Respektive auf eine Weise, die die Wissenschaft als untauglich oder ungenügend betrachtet?

Wunder?

Vieles von dem, was heute völlig alltäglich ist, wäre vor wenigen Jahrhunderten noch problemlos als Wunder durchgegangen. Zumindest wenn man es richtig inszeniert hätte.
Falsch inszenierte Wunder konnten leicht als Hexerei interpretiert werden und einen in Teufels Küche bringen.

Wollte man beim „Wundervollbringen“ auf der sicheren Seite sein, musste man lieber von Substanzen jeglicher Art die Finger lassen: Denn wenn Kräuter, Pulver oder Maschinen involviert waren, dann war das Unerklärliche automatisch Teufelswerk.
Während man mit Gebeten (sowie Weihwasser und Hostien, welche eigentlich nichts anderes sind als von autorisierten Personen mit Gebeten beschalltes Wasser und Brot)1 in der Regel keinen grossen Verdacht erregte.

Theoretisch hätte man auch mit Gebeten beschallten Wein benutzen können, das Risiko wäre hier aber gewesen, dass wenn die Transsubstantiation mal wirklich geklappt und man mit echtem Blut herumhantiert hätte, dass einem das wohl dennoch zum Verhängnis hätte werden können.


1. Randnotiz: Wäre die Wandlung während des Gottesdienstes nicht etwas glaubhafter, wenn Ausgangsprodukt und Endprodukt nicht unverwechselbar wären? Jesus hat bei einer Gelegenheit aus Wasser Wein gemacht und bei einer anderen aus Wein Blut. Hätte er uns da statt nur den einen nicht auch den anderen Trick beibringen können? Die Wandlung von Wein zu weinähnlichem Blut ist vielleicht wundersamer, die Wandlung von Wasser zu (gern auch verwässertem) Wein ist dagegen spektakulärer. Kombiniert hätte man auch gleich sowas wie einen liturgischen Lackmustest, der zeigt, dass die Wandlung wirklich stattgefunden hat. (Das Bimmeln der Glöckchen ist zwar nett, aber sehr durchschaubar.)


Wie gesagt, abgesehen von Blut, war die Gebetsbeschallung eigentlich nie ein Problem. Sei es nun bei Speisen, Werkzeuge oder Waffen.

Unter dem Strich lief die Sache mit den Wundern ungefähr auf Folgendes hinaus:

Wunder korrelieren mit Gebeten,
Hexerei mit Erfolgen.

Wenn man davon ausgeht, dass Wunder Interventionen vom allwissenden, allmächtigen und superlieben Gott sind und Hexereien die von seinem Widersacher, dann sollte das ein bisschen überraschen.


2. Randnotiz: Kann der Teufel eigentlich in einem Wunder herumpfuschen, das Gott gerade wirkt, und es damit zu einer Katastrophe werden lassen? Respektive kann Gott in eine Hexerei, die der Teufel gerade ausheckt, eingreifen und sie einem guten Ende wenden? Oder ist sowas Tabu, vielleicht weil es die beiden in der Vergangenheit zu bunt getrieben haben?


Dass Hexereien mit Erfolg korreliert, heisst aber noch nicht zwangsläufig, dass der Erfolg ohne die Hilfe des Teufels nicht möglich gewesen wäre. Selbst dann nicht, wenn die „Hexe“ es während der hochnotpeinlichen Befragung gestanden hat. Ja noch nicht mal dann, wenn die „Hexe“ während der Zubereitung ihres Kräutertees den Teufel sehr bewusst angerufen hat.
Der Erfolg des verhexten Kräutertees kann sich nämlich auch ganz allein den Kräuters verdankt haben!
Ob dem so ist, wäre leicht zu überprüfen durch die folgenden Modifikationen am Setting: Einmal den Kräutertee durch Wasser ersetzen und einmal das Anrufen des Teufels durch das Anrufen von Schneewittchen2.


3. Randnotiz: Können wir uns darauf einigen, dass man auf den Scheiterhaufen nur kommen können sollte, wenn man mit Beihilfe des Teufels jemandem übel zugespielt hat? Wenn man jedoch das Unglück des Opfers ganz allein zustande gebracht hat, dass einem dann nur Gefängnis drohen sollte? Darüber, ob es okay ist, jemandem, der mit Beihilfe des Teufels jemandem nett zugespielt hat, auch auf den Scheiterhaufen zu stellen, werden wir uns wohl nicht einig, doch ich bin bereit das zu akzeptieren, weil es weder den Teufel noch seine Beihilfe gibt3 und der Scheiterhaufen deshalb ohnehin nie zum Einsatz kommen wird.
Was mich aber erstaunt, ist, dass die Leute, die an die Existenz des Teufels glauben und die Hexenverbrennung für eine göttliche Idee halten, sich nicht daran störten, dass man für eine Tat, zu der man verführt wurde (es ist schliesslich unwahrscheinlich, dass in einer Partnerschaft mit dem Teufel der Mensch die Oberhand hat), strenger bestraft wird als wenn man alles selbst ausheckt hat.


Das gleiche gilt übrigens auch für Wunder und Gott und Heilige!

Über das Wesen von Wundern (und Hexereien)

Wunder und Hexereien, die sich Wunder und Hexereien nennen wollen (um Heiligsprechung und Verbrennung zu rechtfertigen), müssen meines Erachtens nur ein einziges Kriterium erfüllen:

Wunder und Hexereien müssen die Naturgesetze ausser Kraft setzen.

Das bedeutet, dass es umso leichter ist, etwas für ein Wunder, respektive eine Hexerei zu halten, je weniger Naturgesetze man kennt.

Zugegeben, dieses Verständnis von Wunder und Hexerei ist relativ modern, denn es setzt voraus, dass sich die Erkenntnis etabliert hat, dass es in der Natur gesetzmässig zu und her geht. Und dafür muss man natürlich erst einen Grundstock an wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengetragen haben.
Davor blieb einem nichts anderes übrig als alles, was verblüffend war, für eine Intervention von aussen zu halten. In manchen Fällen, wie beispielsweise beim Teilen des Roten Meeres oder bei der wundersamen Brotvermehrung, mag das aufs gleiche rauskommen, aber zum Leidwesen von Kräuterhexen und ihren Tränken eben nicht in allen.

Ich frage mich, ob Christen, die an heute stattfindende Wunder glauben, die Gesetzmässigkeit der Natur bezweifeln? An dieser Stelle klammere ich bewusst die – ich nenn sie mal – „Christentum definierenden“ Wunder wie Jungfrauengeburt, Auferstehung und die Wandlung aus, denn das sind Dogmen, die man einfach akzeptieren muss um überhaupt mitspielen zu dürfen. Bei „alltäglichen“ Wundern, wie zum Beispiel bei geheiltem Krebs, nicht verbrannten Bibeln oder Jesustoasts, hat es dagegen keine (spirituellen) Konsequenz, wenn man nicht akzeptiert, dass diese sich zwingend einer göttlichen Intervention verdanken.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei diesen Christen alles natürlich zugeht und dass Gott einfach in ausgewählten Momenten eingreift. Dafür sind die Wunder, die sie heute zu erkennen glauben, irgendwie zu bescheiden. Mehr Sinn macht für mich, wenn sie überzeugt davon sind, dass jegliche Ordnung (und Schönheit) in der Welt sich unmittelbar Gott verdankt. Sprich, dass es so etwas wie einen natürlichen Gang der Dinge ohne Gott nach ihrer Ansicht gar nicht geben kann, wodurch die Naturgesetze selbst zu einem steten wirken Gottes werden.


4. Randnotiz: In der Bibel werden Kranke, Behinderte und Schwiegermütter geheilt, Stöcke verwandeln sich in Schlangen, Wasser in Wein, Wein in Blut, ein Mann lebt in einem Wal, ein anderer wird nicht von Löwen gefressen, Tote werden zum Leben erweckt, auf einem See wird spaziert, ein Meer wird geteilt und die Sonne und der Mond stehen still.
Heute werden auf wundersame Weise Kranke und Behinderte geheilt (über Schwiegermütter konnte ich leider nichts finden), weinen Statuen und Toastbrote.
Die Heilung der Kranken4 ist die gleiche, doch der Rest geht, was die Spektakulärhaftigkeit betriff, diametral auseinander.
Die Wunder früher waren alles andere als subtil. Man hätte sie untersuchen können und nichts hätte daran zweifeln lassen, dass es hier unmöglich mit rechten Dingen zu gehen konnte.
Die Wunder heute sind Zeichen für die, die sie zu sehen bereit sind. Für alle andren sind es einfach nur zufällige Ereignisse, ohne statistisch signifikante Häufung.
Sind so lausige Wunder den Christen nicht peinlich? Dass ihr allmächtiger Gott dermassen nachgelassen haben soll?


Wenn ein Wunder nun also das Ausser-Kraft-Setzen von Naturgesetzen ist, dann ist es völlig egal, ob es sich ohne erkennbares Muster ereignet oder jedes Mal, wenn man darum bittet.
Ein Wunder hört nämlich nicht auf ein Wunder zu sein, wenn es sich gezielt herbeirufen lässt. (Dann ist lediglich die Gefahr grösser, dass man dahinter kommt, wenn doch alles mit rechten Dingen zu und her geht.)

Hinzu kommt, dass der Umstand, dass etwas ein Wunder ist, respektive dass man nicht weiss, wie etwas funktioniert, nicht notwendigerweise bedeutet, dass man es nicht nutzen dürfte.
Ich meine, wenn sich jedes Mal, wenn man drum bittet, das Wasser vor einem teilt, dann könnte man sich gern den Bau von teuren Brücken sparen. Vielleicht nicht bei Meeren, aber sicherlich bei Bächen.

Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass wenn man kein Wunder heraufbeschwören kann, dass man dann auch nichts über den Zweck eines verblüffenden Ereignisses sagen kann, welches sich wie zufällig ereignet hat. Denn dann sind sie von einer Laune der „Natur + Übernatur“ nicht zu unterscheiden.
Wunder sollten nur dann theologische Betrachtung verdienen, wenn sie „berechenbar“ sind (was keineswegs auch „erklärbar“ heissen muss).

Und dann würden sie auch wissenschaftlich relevant werden.
Die Wissenschaft hat mit Wundern nämlich kein Problem. Sofern sie sich untersuchen lassen.

Tatsächlich gehören Wunder, respektive Dinge, die sich so eigentlich nicht verhalten dürften, weil sie damit doch offensichtlich gegen die Naturgesetze verstossen, zum täglichen Geschäft der Wissenschaft. Sie nennt sie einfach nicht so. Sie nennt sie „ungelöste Probleme“.
Man könnte diese aber gern auch Wunder nennen. Vorausgesetzt es wird dann nicht als ein Sakrileg betrachtet, wenn ein Wunder untersucht und seinen natürlichen Ursachen nachgespürt wird. Und wenn sie gegebenenfalls wieder von der Liste der Wunder gestrichen werden.
Denn vor allem mit dem letzteren haben Religionen ihre Mühe.
Nicht vom Konzept her, aber irgendwie macht es eine schlechte Figur, wenn von den verblüffenden Wundern, die von der Macht und der Liebe des allmächtigen Gottes zeugen, eins nach dem anderen seine Wundersamheitigkeit verliert…

Doch selbst wenn sich alle Religionen damit einverstanden erklärten, dass keine Sanktionen verhängt werden auf das entzaubern der Wunder Gottes, so würde doch zweifellos jede einzelne von ihnen darauf beharren, dass die Wunder auf der Liste der Wissenschaft sich einzig und allein dem hauseigenen Gott verdanken.
Doch noch bevor sie sich darob in die Haare kommen, würden sie eine gemeinsame Petition an die Wissenschaft verfassen, dass diese die Wunder mit den üblen Konsequenzen doch bitte Hexereien nennen möge!

Wohlgemerkt, für diese wissenschaftlich vorläufig anerkannten Wunder und Hexereien lässt sich in den allermeitsen Fällen niemand heilig sprechen oder auf den Scheiterhaufen stellen. Eben weil um es auf die Liste zu schaffen die Wunder reproduzierbar sein, respektive berechenbar auftauchen müssen.
Und um jemanden heilig sprechen, resp. auf den Scheiterhaufen stellen zu können, müsste sich nämlich das erforderliche Ereignis jedesmal einstellen, wenn die besagte Person ein bestimmtes Ritual vollführt, nicht aber wenn einer dieser Parameter geändert worden wäre. Und meines Wissens sind „ungelöste Probleme“ selten so personen- und ritualspezifisch.

Ein weiterer, amüsanter Punkt wäre, dass es schnell Uneinigkeit darüber geben würde, ob ein bestimmtes Phänomen nun ein Wunder oder eine Hexerei ist. Zumindest wenn man sich nicht darauf beschränkt, als Wunder nur die Ereignisse mit Dingen zu verstehen, die von einer offiziell autorisierten Person beschallt wurden, sondern auch den Benefit auf Mensch und Umwelt in die Beurteilung einfliessen lässt.
Kirchen, die es sich zu leisten bereit sind (und das werden wohl alle sein), werden dann zweifellos sehr schnell eine Inquisition einsetzen um all diese Fragen sauber zu klären.

Nobody expects the Spanish Inquisition!

Die Frage der Urheberschaft der Wunder interessiert mich jetzt heute mal nicht, sondern wirklich vor allem der Umstand, dass Wunder so unberechenbar sind.
Wenn kein Muster auszumachen ist, wie weiter oben schon angesprochen, dann kann man eigentlich auch nicht wissen, ob der Grund für die Gewährung wirklich der ist, an den man denkt.

Wenn ein Passagier auf wundersame Weise einen Flugzeugabsturz unverletzt überlebt, dann können wir uns nie wirklich sicher seine, ob es tatsächlich geschah, weil damit ein gutmeinender Gott einen heilsbringenden Plan verfolgt. Möglich wäre das natürlich schon. Und im Nachhinein werden wir vielleicht auch den Plan erkennen. Doch irgendeinen Plan hätten wir nachher auch erkannt, wenn er schwer verletzt oder ein ganz anderer überlebt hätte.
Wir könnten aber auch einen Plan entdecken, der darauf hindeutet, dass einer der Widersacher Gottes dahinter steckt, weil die Konsequenzen mannigfaltig sind und man sich genau so gut üble wie hübsche herauspicken kann.
Möglich wäre aber auch, dass Aniger, die Göttin der zerquetschten Tiere, den Menschen nur hat überleben lassen, um das Leben ihrer auserwählten Laus zu retten, die während des Absturzes um Rettung gebetet hat. Und wenn jedes Gebet von Läusen durch ein mehr oder weniger grosses Wunder erhört wird, dann müssten wir die Vorstellung wohl aufgeben, dass die biblischen Gestalten irgendwas auf die Reihe kriegen… (ausser vielleicht indem der biblische Gott von langer Hand geplant hat, dass die Laus auf eben diesem Flug bei eben dieser Person mitfliegt?)


Letzte Randnotiz: Wie stellt man sicher, dass man das verlässliche Wunder nicht einfach zu den „Naturgesetzen“ zählt?
Wieso sollte man dann beispielsweise nicht die Gravitation als Wunder betrachten, wo sie sich doch mit den anderen Grundkräften der Physik einfach nicht unter einen Hut bringen lässt? Die gibt theologisch zwar nicht so viel her, aber man könnte sie durchaus als Aussetzen der Naturgesetze betrachten, welche vom Standardmodell beschrieben werden.
Darauf habe ich leider keine Antwort.


Epilog

Wie ich schon sagte, die Wesen, die Wunder und Hexereien gewähren, interessieren mich hier nicht. Allerdings würde das Vorhandensein von Wundern und Hexereien durchaus ein starkes Indiz für deren Existenz sein.
Und die Folgen eines wissenschaftlichen Beweises für die Existenz eines ganz bestimmten Gottes wären gewaltig, denn in der Folge davon würden sich Tausende, vielleicht sogar Millionen oder Milliarden von Seelen zusätzlich retten. Und das wäre doch fantastisch, oder?
Denn warum sonst versuchen Apologeten wohl seit Urzeiten die Existenz ihres Gottes zu beweisen?

Wunder taugen bei diesem Vorhaben nicht viel, weil sie zu unberechenbar auftauchen.
Hexereien dagegen… der Teufel kommt schliesslich jedem zu Hilfe der ihn um Hilfe bittet (man würde schliesslich niemanden auf den Scheiterhaufen stellen, nur weil er den Teufel angerufen hat, wenn dieser ihm dann in folge dessen gar nicht half). Das heisst, die „Wunder“ des Teufels sind berechenbar!

Und dadurch liesse sich doch eigentlich leicht die Existenz des Teufels beweisen.
Und durch die Existenz des Teufels wäre auch die des lieben Gottes bewiesen.

Liebe Gläubige, wäre es nicht wert, die eigene Seele zu opfern dadurch megavielen Seelen die Höllenqualen zu ersparen? Ich meine, es gibt schliesslich keinen grösseren Akt der Nächstenliebe…

Ein Gottesbeweis

Manche Menschen sind wahnsinnig kitzlig. Andere dagegen nur ein bisschen. Alle allerdings nur dann, wenn nicht die eigenen Hände am Werk sind.
Das ist sogar „wissenschaftlich bewiesen“:

Perception of the Consequences of Self-Action
Is Temporally Tuned and Event Driven
Paul M. Bays, Daniel M. Wolpert, J. Randall Flanagan
Current Biology, Vol. 15, Issue 12, p1125–1128
Published in issue: June 21, 2005

Manche masturbieren aus Angst, dass der natürliche Samenerguss (beim Mann) in einer unangenehmen Situation auftritt. Andere weil sie versehentlich (oder weniger versehentlich) einer sexuellen Stimulation ausgesetzt waren. Alle aber masturbieren zum Missfallen Gottes. Und das ist „theologisch bewiesen“:

Die Bibel, Jakobus 1:14-151

Damit lässt sich „logisch beweisen“, dass Gott – egal ob es ihn nun gibt oder nicht – fies ist. Weil von allen Kitzelvarianten zufälligerweise einzig und allein die sündhafte mit sich selbst funktioniert…

Danksagung

Ich möchte mich vor allem bei der Webseite bibelpraxis.de bedanken. Ohne ihre Hilfe wäre ich nie auf Jakobus gekommen. Bei bibelpraxis.de möchte ich mich aber auch bedanken für die tiefschürfenden Einblicke in den Alltag früherer Zeiten:

Warum nun wird die Selbstbefriedigung (A.d.R.: in der Bibel) nicht erwähnt? Vermutlich war dieses Problem damals noch nicht vorhanden, da es keine ständige Konfrontation mit sexuellen Themen gab, wie wir das heute kennen.2

Und für die Gelegenheit zu erahnen, wie es sich anfühlt ein Christ zu sein:

Eine rein äußere, biologische sexuelle Stimulation, die durch Erblicken einer attraktiven Person des anderen Geschlechtes (oder durch Reklame…) ausgelöst wird3. Der sexuelle Drang wird so groß, dass man ihn stillen, das heißt befriedigen muss4.

Und auch für die differenzierten Einsichten in Psyche von Männern und Frauen überhaupt:

Wir leben in einer Zeit drastischer Reizüberflutung. Dem kann sich ein Christ nicht entziehen. Da hier vor allem Männer5 betroffen sind, ein kurzes Wort an Frauen6: Männer reagieren fast automatisch7, das heißt ohne Willen auf Reizsignale8, die auf sexuellem Gebiet ausgesandt werden. Wenn Du Dich also nicht nur attraktiv, sondern vielleicht noch aufreizend kleidest oder bewegst, dann bist Du der Anlass für eine sexuelle Erregung und häufig unmoralische Gedanken von Männern9. Überlege Dir daher bitte sehr genau, wie Du auftrittst10.

Online-Kommtatoren

Hier eine Idee… Was wenn all die Kaltschnäuzigkeit und der blanke Hass, der einem heutzutage in den Online-Kommentaren entgegenschlägt, nicht etwa Ausdruck von Rassismus, Sexismus und Homophobie sind, sondern die rationalen Analysen besorgter Bürger1?

Die Kommentatoren selbst sehen es auf jeden Fall so.
Sie verbreiten nicht Hass, sondern kritische Einschätzungen gewürzt mit Wortwitz2 und hie und da auch mal mit einem „Sapperlot nochmal“ um zu unterstreichen, wie wichtig es ihnen ist.3

Früher erfuhr man von Gott, was richtig, was falsch und was zu tun geboten war. Und wenn nicht von Gott selbst, dann von einem seiner Stellvertreter. Zu verstehen, was das eine richtig und das andere falsch macht, war eigentlich nicht nötig.
Die Aufklärung änderte dann aber alles und legte die Verantwortung in die Hände des Verstandes. Alles musste jetzt einen nachvollziehbaren Grund haben.
Während man sich also früher darauf verlassen konnte, dass wenn man tat, was einem (von Gott oder seinen Stellvertretern) gesagt wurde, dass das dann schon okay war, muss man heute selbst denken und herausfinden, was richtig ist und was falsch.
Und genau das tun heute auch alle. Das heisst sie wissen sehr genau, was richtig ist und warum es richtig ist und was falsch ist und warum es falsch ist.
Ja selbst der besorgte Bürger, der empfiehlt, dass Feministinnen mal richtig gevögelt werden sollten. Er ist nämlich überzeugt, dass es ihnen tatsächlich helfen würde, die „Sache“ zu verstehen, und er ist sich sicher, dass auch die Wissenschaft seine Einschätzung stützt.

Jeder hat heutzutage für jede seiner Überzeugungen sehr (nach seiner Ansicht) vernünftige Gründe. Alles andere würde bedeuten, dass man an den eigenen logischen Fähigkeiten zweifelt – was selbstverständlich nie jemand tut.
Und selbst wenn mal die vernünftigen Gründe fehlen, dann gibt es durchaus vernünftige Gründe für das Fehlen, so dass die Plausibilität der Überzeugungen zu keinem Zeitpunkt in Gefahr war.

Also nochmals zum mitschreiben: ALLE, ICH MEINE WIRKLICH ALLE ORIENTIEREN SICH HEUTZUTAGE AN DER VERNUNFT UND BERÜCKSICHTIGEN DABEI DIE ERKENNTNISSE DER WISSENSCHAFT.

Es besteht lediglich keine Einigkeit darüber, was konkret man für wissenschaftliche Erkenntnisse hält…
So wie ich den Kreationismus als Humbug abtue und seine Schlüsse kategorisch ignoriere, so schenkt unser „Feministen-Heiler“ der Psychologie keinen glauben – zumindest solange nicht, bis dort Studien durchgeführt werden, die einen Zusammenhang zwischen sexueller Befriedigung und der Akzeptanz von unterdrückenden Rollen zweifelsfrei bestätigen.

Der Knackpunkt steckt also in der Frage, ob die zur Verfügung stehende Information, welche von etwas, das einem als Wissenschaft erscheint, zur Verfügung gestellt wurde, gut genug ist, um als Basis für belastbare Schlussfolgerungen her zu halten.
Und da man diese Frage nur durch das Anwenden der eigenen Vernunft auf die Informationen beantworten kann, die einem von dem, was man für Wissenschaft hält, zur Verfügung gestellt wurde, ist am Ende einzig und allein massgebend, ob mir die Schlussfolgerung richtig erscheint. Was sie nur dann tut, wenn sie in mein Weltbild passt.

Da könnte man glatt die Flinte ins Korn werfen wollen. Aber ich denke nicht, dass es tatsächlich so hoffnungslos ist, schliesslich befindet sich das Weltbild eines jeden Menschen in einem steten Wandel. Sachte geformt von den Argumenten, mit denen er tagtäglich konfrontiert wird4.
Das heisst, dass es für jedes Weltbild einen der gegebenen Vernunft und den vorhandenen „wissenschaftlichen“ Daten genügenden Weg gibt, der es zu jedem beliebigen anderen Weltbild führt. Selbst von jenem des besorgten Bürgers5 hin zu dem der Unbekümmertheitsbürger / Systemtrottel / Gutmenschen. Der Weg wird wohl verschlungen sein und wilde Hacken schlagen und wenn man es schafft, diesen irgendwie grafisch darzustellen, wird die Linie sicherlich ein über die Person sehr aufschlussreiches Muster bilden…

Womöglich ist das Problem also nicht, dass die Menschen noch nicht gelernt haben selbst zu denken, sondern dass wir nicht damit umgehen können, dass sie es tun (und damit zu völlig absurden Schlussfolgerungen gelangen).

Wie steht es eigentlich um die Verlässlichkeit der Vernunft?
Kommen zwei Personen, die die exakt gleichen Voraussetzungen akzeptieren, nach Applikation ihrer Vernunft notwendigerweise zum gleichen Schluss?

Peer Delusion

Too often we judge other groups by their worst examples, while judging ourselves by our best intentions.
George W. Bush

Hätte nicht gedacht, dass das mal passieren würde, aber hier hat Jabba the Bush tatsächlich mal den Nagel auf den Kopf getroffen. Respekt!

Genau vor diesem Problem steht man auch in der Wissenschaft. Jeder Wissenschaftler ist von 2 Sachen felsenfest überzeugt: Erstens dass seine Hypothese super ist. Und zweitens dass alle anderen Idioten sind.
Auch jeder Apologet teilt diese Ansichten.
Allerdings haben sich die Wissenschaftler darauf geeinigt, dass etwas erst dann als okay gilt, wenn dem auch die Idioten zustimmen.
Und genau das fehlt in der Religion.

Auch Religionen sollten sich der wissenschaftlichen Methode bedienen und nur die Dogmen propagieren dürfen, die von den Peers aus anderen Religionen nicht als unhaltbar verworfen wurden.
Als Atheist gehe ich natürlich davon aus, dass auf diese Weise alle religiösen Ansichten für absurd erklärt werden, doch selbst wenn sich alle Religionen in stiller Übereinkunft gegenseitig den Bauch pinseln würden – schliesslich ist das erklärte Ziel einer jeden Religion Friede, Freude, Eierkuchen -, wäre das noch immer ein gewaltiger Fortschritt, weil sie in allen zentralen Fragen einer Meinung wären und weil Einigkeit weniger Opfer fordert als Uneinigkeit.

Wäre das aber wirklich ein Fortschritt? Klar, verschiedene aufeinander prallende Wertesysteme stellen ein gewaltiges Konfliktpotential dar. Die Angst, die zur Zeit in Europa um geht, gründet sich genau in den unvereinbaren Wertvorstellungen. Andererseits gäbe es, wenn nur ein einziges Wertesystem gelten würde, keine Spannung und kein Verbesserungspotential. Homogene Gesellschaften neigen nicht gerade dazu soziale Probleme schnell zu lösen. Heterogene Gesellschaften dagegen, wo man Leben und Leben lassen praktiziert, sind in dem Punkt wesentlich effizienter.

Allerdings leben Religionen davon, dass man das auserwählte Völkchen ist, das die Zeichen als einzige richtig verstanden hat, und mit dem Peer Review ginge das natürlich flöten.

Unzulässige Gehirnwäsche

es ging um die Frage, ob die Medien und Wissenschaft hinsichtl der vermeintlich zufälligen Entstehung des Lebens eine unzulässige Gehirnwäsche betreiben
das Diskussionsthema in einem Traum von du weisst schon wem1

First things first. Wenn Medien und Wissenschaften eine unzulässige Gehirnwäsche betreiben, dann gibt es also auch eine zulässige Gehirnwäsche. Aha…

Der einzige Kontext, in dem offensichtlich üble Taten als als lieb interpretiert werden können, ist die Religion. Und in Anbetracht des religiösen Hintergrunds von du weisst schon wem, würde es mich nicht wundern, wenn er ein gewisses Mass an psychologischer Manipulation, die dem Zweck dient eine Person (wieder) auf den Weg zu Gott zu führen, als zulässig betrachtet. Er würde sich zwar dagegen wehren, es eine Gehirnwäsche zu nennen, was aber nichts daran ändert, dass es die genau gleiche Vorgehensweise ist: Man sucht sich ein schwaches und verletzliches Opfer (notfalls sorgt man dafür, dass es schwach und verletzt ist2), man isoliert es, man macht kaputt, was es zu wissen glaubt, man nimmt es grosszügig in die Gruppe auf, man erklährt ihm, wie es wirklich ist, und man stellt ihm eine wundervolle Belohnung in Aussicht.
Zugegeben, es ist auch die Vorgehensweise im Schulunterricht. Auch dort hat man es mit schwachen und verletzlichen Individuen zu tun (Kindern), wo man diese isoliert (Schulzimmer), ihnen ihre Fehler aufzeigt (Rotstift), sie in die Gruppe integriert (Klasse), ihnen erkärt, wie es richtig ist (Schulstoff), und ihnen eine Belohnung verspricht (Pony). So mag es zumindest erscheinen. Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied: Der Umgang mit kritischen Fragen. In der Schule sind diese eigentlich willkommen – auch wenn sie hie und da zugunsten des Lehrplans etwas gedrosselt werden müssen. Wenn es um Gehirnwäsche alias den Weg zu Gott geht, sind kritische Fragen das Werkzeug, wie der Teufel einen vom rechten Weg abbringt. Das soll nicht heissen, dass sie nicht willkommen sind, ganz im Gegenteil. Jede kritische Frage bietet nämlich die Gelegenheit dem Teufel die Stirn zu bieten. Insofern sind nicht so sehr die Fragen verboten als vielmehr die Antworten vorgegeben, während in der Schule die Lehrerschaft – so es die Evidenzen verlangen3 – durchaus gewillt ist, ihre Meinung zu ändern4.

Die Offenheit kritischen Einwänden gegenüber, respektive die Bereitschaft gegebenenfalls seine Antwort zu revidieren, ist das Fundament der modernen Wissenschaft. Sie ist die Voraussetzung für die Bestrebung falsche Überzeugungen aufspüren und über Bord zu werfen, also für die wissenschaftliche Methode selbst. Zu wissenschaftlichen Ehren kommt man daher heute auch nicht mehr, indem man Theorien verteidigt, sondern indem man sie zerstört5. Gehirnwäsche mag zwar ein Thema sein, das die Wissenschaft untersucht, sie anzuwenden würde aber heissen, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.
Bei den Medien sieht es schon etwas ander aus. Obwohl man auch dort vor allem damit zu Ehren kommt, dass man irgendwas ausgräbt, was andere lieber verscharrt gelassen sehen möchten, so konzentriert man sich meist doch lieber auf die Sicherung der nächsten Ausgabe. Immerhin gehört aber dort die Fähigkeit das Denken des Publikums zu beeinflussen zum täglichen Handwerkszeug.

Medien und Wissenschaft arbeiten also zusammen um eine Lüge zu propagieren.
Tun sie das gemeinsam als eine Interessengemeinschaft oder werden die einen vom anderen manipuliert?

Auf den ersten Blick bietet sich natürlich an, dass die Wissenschaft die Medien wie Marionetten tanzen lässt. Dafür spricht, dass die Medienleute nicht wirklich verstehen, was da in der Wissenschaft abgeht. Sie mit Blödsinn zu füttern ist daher nicht weiter schwer und hat deshalb auch schon eine lange Tradition. Pseudowissenschaften versuchen sich auf diesem Weg schon seit langem zu profilieren. Leider erstaunlich erfolgreich.
Aber auch umgekehrt wäre es denkbar. Durch gezielte Fehlinformation versehen die Medien die heranwachsende neue Generation von Wissenschaftlern mit einem Bias, der sie blind macht für jede andere Möglichkeit. Der Erfolg des Kreationismus in den Vereinigten Staaten verdankt sich übrigens tatsächlich genau dieser Strategie: Da ihre Argumente die Wissenschaftler nicht überzeugen, verlangen sie das Recht es Kindern eintrichtern zu dürfen (vgl. „„Gewöhne einen Knaben an seinen Weg, so läßt er auch nicht davon, wenn er alt wird.““ Sprüche 22, 6).
Es gibt da aber noch einen weiteren Verdächtigen. Du weisst schon wer hat diesen zwar nicht erwähnt, doch es wäre auch möglich, dass die Pharma-Industrie dahinter steckt und alle beide, Wissenschaft und Medien, für ihre finsteren Machenschaften einspannt.

Vielleicht schafft in diesem Punkt Klarheit, wenn wir wissen, wieso sie das tun?
Welches Ziel verfolgen sie damit?
Welchen Nutzen können sie daraus ziehen, wenn die Leute fälschlicherweise glauben, dass das Leben auf natürliche Weise entstanden ist?

Wenn die Pharma dahinter steckt, ist das Ziel offensichtlich (deshalb habe ich sie auch noch ins Spiel gebracht): Profit. In einer Welt, in der Gebete funktionieren, braucht es weniger Medikamente. Und in einer Welt ohne Gott kommt niemand auf die Idee, dass sie funktionieren könnten. Insofern ist die Abiogenese (neben dem Urknall) tatsächlich der archimedische Punkt über den sich Gott aus der Welt katapultieren liesse (vgl. „δος μοι που στω και κινω την γην“ Archimedes).

Was aber haben Wissenschaft und Medien vom Verschwinden Gottes? (Jetzt mal ungeachtet dessen, dass dort sehr viele (wenn auch nicht überdurchschnittlich viele) Gläubige arbeiten.)
Werden mehr Gelder in die Forschung fliessen? Das wäre ein Motiv für die Wissenschaft!
Wird die Welt in Chaos versinken? Das wären Schlagzeilen! Und ein Motiv für die Medien!
Oder vielleicht tun sie es auch nur, weil all die Wissenschaftler und/oder Medienleute aus den verschiedensten Kulturen einfach dem Teufel in den Arsch kriechen wollen. Auch das wäre ein Motiv!

Okay, ein paar plausible Motive hätten wir also gefunden. (Wenn auch die Drahtzieher noch nicht eindeutig identifiziert.)

Jetzt stellt sich die Frage, wieso nur ein paar ausgewählte Bereiche der Wissenschaft betroffen sind? Wenn die wissenschaftliche Methode nicht zuverlässig funktioniert, dann müssten doch eigentlich auch andere Disziplinen betroffen sein als bloss jene, wo es Gott an den Kragen geht. Doch das scheint nicht der Fall zu sein, in allen anderen Disziplinen funktioniert sie einwandfrei. Das heisst, nur in der Abiogenese (und in der Kosmologie) wird böswillig gepfuscht. Das mag vielleicht weit entfernten Disziplinen entgehen, doch in den Nachbardisziplinen, welche ja eng mit diesen zusammen arbeiten, müsste das doch eigentlich sehr schnell auffallen. Fehler in der Methodologie sind schliesslich auch für Aussenstehende erkennbar. Hm…

Ich weiss, die Frage ist abwegig, doch könnte der unbedingte Wunsch, dass es einen Gott gibt, die Gläubigen nicht vielleicht das eine oder andere missverstehen lassen? (vgl. „Libenter homines id, quod volunt, credunt.“ Caesar 3:16:6)
Ne, sowas kann gottesfürchtigen Menschen nicht passieren.

Das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft

Ein paar Gedanken zum heutigen NZZ am Sonntag Artikel „Die Politik muss sich nicht immer nach den Erkenntnissen der Wissenschaft richten, sie darf die Forscher aber nicht zu blossen Hampelmännern machen“ von Patrick Imhasly

Politiker müssen nicht nur die wissenschaftlichen Fakten im Auge behalten, sondern auch deren gesellschaftliche Akzeptanz und die Finanzierbarkeit. Daraus ergeben sich zwangsläufig unschöne Kompromisse.
Wie weit darf man den Wissenschaftlern aber vorwerfen, dass sie ihre Erkenntnisse etwas zu pointiert formulieren um sich gegenüber der ihrer Meinung nach schnarchenden Politik Gehör zu verschaffen?
Damit verlassen sie in der Tat das Terrain der Wissenschaft und begeben sie sich in die politischen Gefielde, doch wieso sollten sie das nicht tun? Auch sie sind politische Individuen und absolut legitime Stimmen im Meinungsbildungsprozess. Genau wie die Exponenten aus Kultur und Wirtschaft.
Daraus, dass sich einige zu etwas überrissenen Aussagen hinreissen lassen, eine Unglaubwürdigkeit der Wissenschaft ableiten zu wollen, ist genauso absurd, wie aus kulturellen Missgriffen und wirtschaftlichen Fehlschlägen die Legitimität von Kultur und Wirtschaft in Frage zu stellen, und zeugt in hohem Masse von einem Unverständnis dessen, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert.
Statt also den Wissenschaftlern einen Maulkorb anzulegen, sollte man vielleicht lieber etwas mehr Zeit darauf verwenden die Missverständnisse bezüglich der Wissenschaft auszuräumen.

Wenn die Wissenschaft herausfindet, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen keine Gefahr für die Umwelt ausgeht, oder dass die Homöopathie nicht funktioniert, dann kann man dies in der Politik nicht ignorieren mit dem Vorwand, dass die Bevölkerung dies nun mal so wolle. Dies mag vielleicht noch vertretbar sein bei der Frage, ob man das Hornussen weiter fördern wolle, doch bei gesundheitlichen und finanziellen Fragen, sollte man schon eine Grenze ziehen. Wir werden ja auch nicht die Todesstrafe wieder einführen nur weil dies in der Bevölkerung gut ankommen würde.

Gern wird in diesem Zusammenhang auf sich dauernd ändernden Vorzeichen verschiedener wissenschaftlicher Erkenntnisse verwiesen, doch kann man dies nicht wirklich gelten lassen, denn das aktuelle Resultat ist der aktuelle Stand der Kenntnis. Etwas besseres haben wir zur Zeit nicht. Und darauf zu setzen, dass es sich schon noch mal wenden wird, basiert nicht auf Logik, sondern auf einer unhaltbaren Extrapolationen.
Auch hier gründet es sich in einem fundamentalen Unverständnis dessen, was die Wissenschaft ist und wie sie funktioniert und wie man mit deren Erkenntnissen umgehen muss.

Das Fazit ist: Die Politik muss auch unbequeme Wege einschlagen. Selbst dann, wenn er es gar nicht möchte. Und den Rat der Wissenschaft zu ignorieren, darf nicht sein, denn sie repräsentiert das beste Wissen, das zur Zeit zur Verfügung steht. Ob man es sich allerdings leisten kann, dem Rat nachzukommen, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt. Doch wenn dies nicht geht, bedarf es einer sehr guten Begründung und einer öffentlich Diskussion darüber.

Der Charme des Hummelrichs

Die Wissenschaft kann nicht erklären, warum eine Hummel fliegt. Und doch tut sie es.
Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn, denn das kann die Physik (inzwischen) durchaus.
Nichtsdestotrotz wollen wir mal so tun als ob, denn ungeklärte Fragen gibt es in der Wissenschaft beiliebe noch genug.
Die Sache ist die, dass die Wissenschaft, wenn ihr der Hummelflug unerklärlich ist, nicht einfach die Augen vor ihm verschliesst und postuliert, Hummel könnten gar nicht fliegen, und alle, die etwas anderes behaupten, für verrückt erklärt. In einem solchen Fall stellt sie fest, dass sie die Antwort nicht kennt, und verstärkt im Idealfall die Bemühungen eine solche doch noch zu finden.
Anders sieht es jedoch aus, wenn noch nie irgendwo Hummeln fliegen gesehen wurden. Und wenn alle Demonstrationen sich nachweislich als mehr oder weniger raffinierte Taschenspielertricks entpuppen. Dann besteht kein Grund den Hummelflug als ein ungeklärtes wissenschaftlichen Phänomen zu bezeichnen.
Zumindest so lange nicht, bis tatsächlich mal eine nachweislich unfrisierte Hummel gesichtet wird.
Genau so verhält es sich mit der Homöopathie.
Sie ist ein schwebender Elefant.
Dass man sich nicht erklären kann, wie ein Elefant schweben können soll, hat keinen Einfluss darauf, ob es dieses Phänomen überhaupt gibt oder nicht.
Diese Frage stellt sich nur dann, wenn man schon einen schweben gesehen hat.
Und das hat man leider nicht.

Die meskinawsche Wette

Einer erzählt dir eine durchaus plausibel klingende Theorie. Dann stell dir die folgenden zwei Fragen:

1. Erfreut sich die Theorie breiter Zustimmung in der Wissenschaft?
2. Publiziert die Person in peerreviewten Journalen?

Wenn auf beide Fragen die Antwort Nein lautet, dann kannst du eine ganze Stange Geld drauf wetten, dass es ausgemachter Blödsinn ist.

Anleitung zu einer erfolgreichen, weil seriösen Evolutionskritik

Sollte an der Evolutionstheorie wirklich etwas faul sein, dann kann man was dagegen tun.
Dazu sind aber die folgenden Regeln minutiös und exakt in der vorgegebenen Reihenfolge einzuhalten:

1. Hat die Theorie eine Schwachstelle? Dann zeig sie auf.

Das wars schon.

Eine alternative Theorie ist nicht nötig. Im Gegenteil, wenn diese Lücken hat, lenkt das nur von den Fehlern der eigentlich kritisierten Theorie ab.
Es empfiehlt sich im Vorfeld abzuklären, ob die vermeintliche Schwäche nicht bereits formuliert und von der Fachwelt zurückgewiesen wurde. Das erspart allen Seiten Arbeit. Es ist in der Wissenschaft nämlich leider nicht so, wie beispielsweise in der Religion, dass durch Wiederholung die Gültigkeit steigen würde. Von daher, sollte man eine Schwachstelle gefunden haben, die bereits zurückgewiesen wurde, dann sollte man die Begründung so formulieren, dass alle Fehlschlüsse und falschen Annahmen des Vorgängers elegant umschifft werden. Denn in der Tat bedeutet ein ungültiger Schluss nicht notwendigerweise, dass das Ergebnis auch falsch sein muss.
Noch ein Tipp am Rande: Bevor man damit an die Öffentlichkeit geht, lieber erst mal von einer Drittperson checken lassen. Mit Drittperson ist nicht ein Drittklässler gemeint, sondern eine neutrale bis skeptische Fachperson. Das kann Peinlichkeiten ersparen. Und wie will man die Fachwelt überzeugen, wenn es einem noch nicht mal bei einem einzelnen gelingt?

Ach ja und noch eins: Für den Fall, dass der Einwand stimmig ist, lieber schon mal den Frack in die Reinigung geben, denn ein Nobelpreis ist da auf sicher.