Es stehen zwei Volksabstimmungen an!

Die Schweiz stimmt im September über zwei ganz besondere Vorlagen ab. Bei der einen geht es ums Wohl der Tiere, in der anderen um jenes der Sklaven.

Möglichst tier- und sklavenfreundliche Tier-und Sklavenschutzgesetze sind eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die Initianten denken, dass da noch Luft nach oben ist. Die Gegner sind anderer Meinung.
Ich habe mir also mal die Argumente der Befürworter und der Gegner der Initiativen angeschaut und mir dazu ein paar Gedanken gemacht:

Die Massentierhaltungsinitiative

Die Massentierhaltungsinitiative setzt sich – einfach gesagt – für das Tierwohl ein. Sie fordert, das die Bedürfnisse der Tiere besser respektiert werden bei der Unterbringung, der Pflege und der Schlachtung.

Die Sache mit der Gesundheit

Die Befürworter der Initiative argumentieren, dass in der Massentierhaltung wegen höheren Krankheitsrisiken auch mehr Antibiotika verabreicht werden, was in Anbetracht der zunehmenden Antibiotikaresistenz sehr problematisch ist. Damit verbunden ist auch das erhöhte Risiko für neue Pandemien.
Hinzu kommt, dass billiges Fleisch den Fleischkonsum fördert und ein Übermass an diesem erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Übergewicht.

Die Massentierhaltungsinitiative soll diese Gefahren entschärfen.
Die Gegner äussern sich nicht dazu.

Die Sache mit der Nachhaltigkeit

Tierprodukte sind für 85 % aller Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft verantwortlich. Und wir müssen unbedingt etwas gegen Treibhausemissionen tun.
Durch massive Futtermittelimporte können mehr Tiere gehalten werden, als die Schweiz versorgen kann.
Das aktuelle System ist schlicht und ergreifend auf sehr vielen Ebenen nicht nachhaltig.

Die Gegner schweigen sich auch zu diesem Punkt aus.

Die Sache mit den Opfern

Die Befürworter verweisen auf die Einschätzung des Bundesrates, dass nur rund 5% der landwirtschaftlichen Betriebe von der Initiative betroffen sind. Und dazu gehören vor allem grosse, fabrikähnliche Mastbetriebe. Unter der Initiative würden neben diese auch noch Futtermittelfabrikanten und -händler sowie Grossverteiler leiden.

Die Gegner präsentieren schluchzende Bergbauern.

Die Sache mit den zufriedenen Tieren

Man könnte als Gegner durchaus argumentieren, dass die Initiative unnötig ist, weil die Bedürfnisse der Tiere ja jetzt schon zur Genüge respektiert werden. Sie könnten das mit Studien belegen, die zeigen, welche Bedürfnisse Tiere konkret haben und wie diese durch die Tierschutzgesetze garantiert werden. Darauf könnten die Befürworter nur weinerlich anführen, dass die Tiere so schöne Augen haben und dass sie viel glücklicher wären, wenn man ihnen statt Konsalik Bücher von Orwell in den Stall legen würde.

Das tun die Gegner aber nicht.

Die Sache mit dem strengsten Tierschutzgesetz

Sie versuchen es stattdessen damit, dass sie (stolz?) erklären, dass die Schweiz bereits das strengste Tierschutzgesetz der Welt, ein funktionierendes Kontrollsystem und ein wirksames Anreizprogramme für noch tierfreundliche Ställe und regelmässigen Auslauf im Freien habe.

Damit mögen die Gegner durchaus recht haben, doch bedeutet der Umstand, dass das Schweizer Tierschutzgesetz das mit Abstand strengste Tierschutzgesetz der Welt ist, nicht zwingend, dass es deswegen auch ausreichend streng ist. Das war das strengste Tierschutzgesetzt der Welt vor 100 Jahren ja nachweislich auch nicht.
Und wenn die Tierschutzgesetze das Tierwohl nicht wirklich respektieren, dann bringen auch die Kontrollen nichts, die das ungenügenden Gesetze durchsetzen.

Und wenn die Gegner die Anreizprogramme loben, müssten sie dann die Zustände, die diese anstreben, nicht als besser betrachten als die anderen? Ich meine, wenn etwas okay ist, so wie es ist, wozu braucht es dann (teure?) Anreizprogramme um es besser (und teurer) zu machen?

Die Sache mit der Mehrheit der Tiere

Ferner weisen die Gegner darauf hin, dass jetzt bereits zwei Drittel aller Tiere in der Schweiz unter den von der Initiative verlangten Bedingungen gehalten werden.

Dieses Argument verwirrt mich zutiefst. Das klingt, als ob es okay sei, wenn eine Minderheit der Tiere schlecht behandelt wird, solange die Bedürfnisse der Mehrheit respektiert werden. Wenn man es vulkanisch formuliert „Das Wohl von Vielen wiegt schwerer als das Leid von Wenigen oder eines Einzelnen.“ könnte es mich fast überzeugen, doch dann erinnere ich mich, dass vor dem Gesetz alle (Wesen der gleichen Art) gleich sind.

Hier fehlt ganz klar eine Stellungnahme dazu, wie man die gesetzlichen Mindestanforderungen beurteilt. Sind sie ihrer Meinung nach ausreichend? Und was halten sie von der Behandlung, wie sie die Initiative für alle fordert? Überflüssig und den Preis sinnlos in die Höhe treibend?

Die Sache mit den Kosten

Die Gegner machen sich gerne Sorgen um die Kosten. Sie fürchten, dass die Annahme der Initiative die Konsumentenpreise in die Höhe treiben würde. Doch wenn die von der Initiative verlange Tierhaltung tatsächlich überflüssiger Luxus ist, der heutzutage bei zwei Dritteln der Tiere praktiziert wird, dann grenzt das das doch fast schon an kartellmässige Abzocke.

Darf man den Leuten etwas einreden, das sie dazu verleitet überflüssig teure Produkte zu kaufen und dadurch den Herstellern mehr Profit beschert? Natürlich darf man das. Das ist der Clou der Werbung. Aber es gibt da eine Grenze, die nicht überschritten werden darf. Man darf die Menschen glauben lassen, dass sie moralisch überlegen sind, wenn sie teure Eier von glücklichen Hühnern essen, doch man darf nicht behaupten, dass die billigen Eier von unglücklichen Hühnern stammen, wenn man das nicht belegen kann.
Doch ab einem gewissen Punkt, wenn eine grosse Mehrheit nur noch teure Eier von glücklichen Hühnern essen, gelten die billigen Eier unausgesprochen als von unglücklichen Hühnern. Und genau an diesem Punkt sollte es Instanzen geben, die das schiefe Bild zurechtrücken sollten.
Wie bei alternativer Medizin. Die Ansicht, dass diese funktioniert und ohne lästige Nebenwirkungen auskommt, ist inzwischen dermassen verbreitet, dass sich die Produzenten sparen können, das noch explizit in der Werbung zu erwähnen (mal abgesehen davon, dass sie es gar nicht dürfen). An dieser Stelle müsste eigentlich eine offizielle Stelle (der Preisüberwacher(?)) einschreiten und feststellen, dass die „magische“ Handbewegung (?), auf die sich alle Produzenten stillschweigend geeinigt haben, keine Preiserhöhung von 100’000% rechtfertigt.

Und eine ähnliche Absprache finden nach Ansicht der Gegner der Initiative schliesslich bei der „artgerechten“ Tierhaltung statt.

Die Sache mit den Labeln

Die Gegner weisen auch darauf hin, dass es zahlreiche Labelangebote gibt, die es dem Konsumenten ermöglichen Produkte zu kaufen, wo das Tierwohl beachtet wurde.
Das bedeutet, dass es Leute gibt, denen das Tierwohl egal ist. Heisst das, dass demzufolge auch Produzenten geben soll, denen das Tierwohl egal sein muss? Wenn der Markt über Label das Tierwohl regeln soll, dann können wir uns doch alle Tierschutzgesetze sparen.

Die Sache mit den regionalen Produkten

Die Gegner befürchten, dass mit der Annahme der Initiative mehr tierische Produkte importiert würde und daher weniger regionale Produkte zur Verfügung stehen würden.

Unter regionalen Produkten verstehe ich – da bin ich wohl etwas zu sentimental – Eier von glücklichen Hühnern vom netten Landwirt aus dem Nachbardorf. Und nicht unbedingt Eier vom unglücklichen Batteriehühnern aus der Legefabrik im Nachbardorf- was aber natürlich auch regionale Produkte sind.
Da mir das jetzt bewusst ist, ziehe ich glückliche Eier aus der Ferne unglücklichen Eiern aus der Nähe vor. Und ich denke, das bin ich nicht allein.

Die Sache mit den Verwandten im Ausland

Ein weiteres Argument der Gegner, das mich sehr verwirrt, ist folgendes: Damit der Bedarf weiterhin gedeckt werden kann, müsste mehr aus dem Ausland importiert werden, was aber keinen Mehrwert für das Tierwohl im Ausland generieren würde, eher im Gegenteil.

Jetzt mal abgesehen davon, dass die Initianten sich von der Initiative einen Rückgang des Fleischkonsums in der Schweiz erhoffen (was nachweislich bitter nötig wäre), so verlangt dieses Argument im Umkehrschluss, dass die Tierschutzgesetze in der Schweiz entschärft werden müssten um einen Mehrwert zu generieren für das Tierwohl im Ausland, das ja angeblich viel grösser ist als die Schweiz.

Die Sache mit der Auswahl

Das mit Abstand übelste Argument ist aber folgendes: Dass die Konsumenten dann keine Auswahl mehr hätten. Und Auswahl ist doch das Nonplusultra.

Ich will gar nicht bestreiten, dass Auswahl eine super Sache ist. Aber diese sollte eher entlang der Linie „weisse oder braune Eier“, „Wachtel-, Hühner- oder Straussen-Eier“, „Oster- oder Schoko-Eier“, … gehen statt „Eier von glücklichen oder unglücklichen Hühnern“? Klar, zu den Konsumenten gehören auch Sadisten, die grossen Wert auf qualvoll gestaltete Tierhaltung legen, doch ist das meiner Ansicht nach nicht eine Nachfrage, der vom Markt zwingend auch nachgekommen werden muss.

Die Sache mit dem Tierwohl

Gehen wir mal davon aus, dass uns allen das Tierwohl am Herzen liegt. Sowohl den Befürwortern als auch den Gegnern der Initiative. Niemand will, dass Tiere unnötig leiden müssen.

Wenn wir uns also darüber unterhalten, welche Form von Tierhaltung daher angemessen ist, anhand welcher objektiver Kriterien sollen wir das beurteilen?

„Die Würde des Tieres“ ist zu abstrakt, „die „traurigen Augen des Schweins“ sind zu sentimental und „die Haltungskosten“ sind kein Indikator für das Tierwohl.
Wir brauchen etwas, das über alle Zweifel erhaben ist, wenn es darum geht das Wohl und das Leid der Tieren einzuschätzen. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer stressverursachten Krankheit, könnte ein konsensfähiges Kriterium sein. (Es gibt sicherlich bessere, aber ich hoffe, dass dieses Beispiel zeigt, was ich mir von einem Kriterium in dieser Fragestellung erhoffe: Quantifizierbarkeit und Nachvollziehbarkeit.

Wenn also in einem Stall eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Tiere an stressbedingten Krankheiten leiden, dann leiden die Tiere mehr als sie es in einem Stall täten, wo die Wahrscheinlichkeit signifikant niedriger ist.
Entsprechend lässt sich irgendwo die Grenze ziehen, ab welcher Wahrscheinlichkeit man von Tierquälerei sprechen sollte.
Die einen werden sie höher ansetzen wollen, die anderen tiefer. Die Frage ist, was sind zulässige Gründe um sie höher oder tiefer anzusetzen?

Den Umstand, dass man sich keinen Stall leisten kann, der den Bedürfnissen der Tiere entspricht, halte ich für keinen legitimen Grund um die Grenze tiefer zu setzen.

Es ist aber durchaus relevant bei der Frage, ob man sich die Initiative und das Wohl der Tiere überhaupt leisten kann.
Wenn das nicht geht, dann muss man sich überlegen, welche Prioritäten man hat? Das Wohl der Tiere oder das Schnitzel?

Das heisst, die Gegner müssten eigentlich
– entweder nachweisen, dass das Wohl der Tiere bereits unter den gerade geltenden Tierschutzgesetzen gegeben ist. (Was sie nicht tun.)
– oder zugeben, dass man wohl oder übel gewisse Abstriche am Tierwohl akzeptieren muss zugunsten der Wirtschaftlichkeit. (Was sie auch nicht tun.)

Stattdessen führen sie Argumente an, die sich alle um irgendwelche Konsumentenpreise drehen (womit die am Ende wahrscheinlich das Rennen machen werden), und die eigentlich die Abschaffung aller Tierschutzgesetze nahelegen würden.


Die Sklavenhaltungsinitiative

Die Sklavenhaltungsinitiative setzt sich – einfach gesagt – für das Sklavenwohl ein. Sie fordert, das die Bedürfnisse der Sklaven besser respektiert werden bei der Unterbringung und der Pflege.

(Hier wollte ich eigentlich den gleichen Text wie oben nochmals einfügen und einfach überall Tiere durch Sklaven ersetzen. Ganz im Sinne der Danny Devito Regel: Wenn das Ersetzen des Schauspielers durch Danny Devito den Charakter zu einem Psycho macht, dann war schon vorher ein Psycho.
Das spare ich mir jetzt aber. Zum einen weil der Text auch so schon zu lang ist. Und zum anderen, weil sich gezeigt hat, dass die Argumente der Gegner der Tierhaltungsinitiative eigentlich Argumente für eine komplette Abschaffung aller Tierschutzgesetze sind. Und ich will hier niemanden auf blöde Ideen bringen.)


Die Sache mit der Frage aller Fragen

Die ultimative Frage ist wohl, wer die Sache mit dem Tier- und Sklavenwohl am besten beurteilen kann?

Das Stimmvolk ist es nicht. Dieses sieht nur die traurigen Augen und das Preisschild auf dem Schnitzel. Und das sind nicht wirklich verlässliche Indikatoren um das Leid von Tieren und Sklaven zu beurteilen.

Der Bauer kann es natürlich viel besser, schliesslich lebt er mit diesen zusammen und beobachtet sie Tag und Nacht. Allerdings ist das Tier sein Produkt. Und etwas weniger Tierwohl kann etwas mehr Profit bedeuten… Da besteht also ein gefährlicher Interessenkonflikt.
Und darüber hinaus sind es die gleichen Bauern, die jetzt sagen, dass das aktuelle Tierschutzgesetzt ausreichend ist, die damals genau das gleiche zum vorigen Tierschutzgesetzt sagten.

Wer bleibt dann noch übrig?
Peer-Reviewte Wissenschaft.


Die Frage an die SVP

Wenn die Abschaffung der Sklaverei heute vors Volk käme. Ich wärt dagegen. Nicht wahr?
Ich meine, es würde die Konsumentenpreise in die Höhe treiben und die Leidtragenden wären ja nur Ausländer.

Domestic Terrorism

A Science Enthusiast postet auf Facebook folgendes:

Und darunter findet man unter anderem diesem Meinungsaustauch:

Edward Dechant
Democrats are literally fueling a war against a country with the largest nuclear weapon arsenal in the entire world. What part of thatshouldn’t declare a public safety warning? Ukraine isn’t even part of NATO. We have no obligation there. I don’t disagree with sending money to help but what are you talking about?

Nick Musser
Edward Dechant the post is about domestic terrorism, not the war in Ukraine? Wow, this comment exemplifies whataboutism…

Edward Dechant
Nick Musser You’re right we should definitely steer back to how our republican party is now inciting domestic terrorism. A spike in domestic terrorism like what are we talking about here? Opening up the border for drugs and criminals into the country. That sounds like domestic terrorism to me. Allowing „nonviolent“ criminals out of jail to go back to burglary, theft and selling drugs sounds like domestic terrorism to me. Defunding the police and pushing anti gun laws at the same time seems like domestic terrorism to me. The only thing you know is Democrat good republican bad. I doubt you even know what domestic terrorist is.

Ein Paradebeispiel konservativer „Argumentation“.

Nur der Vollständigkeit halber: Miles Taylor machte den Bachelor in International Security Studies, den Master in International Relation und arbeitete als Chief of Staff beim Departement of Homeland Security. Seine Qualifikation in Sachen „Counterterrorism“ geht also tatsächlich über 15 Youtube-Videos und den „Gesundenmenschenverstand“ hinaus.

Edward Dechants weiss das vermutlich. Sein erster Einwand gegen Taylors Warnung geht daher nicht gegen seine Person (was eine klassische erste Reaktion wäre), sondern gegen die Unterstützung der Ukraine durch die US-Regierung. Was allerdings überhaupt nichts mit dem Thema „Domestic Terrorism“ zu tun hat. Klassischer Whataboutismus also.
Im Gegensatz zu anderen klassischen Whataboutisten lässt er sich aber überzeugen wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren. Dafür Respekt.

Und so reflektiert er, was wohl mit „Domestic Terrorism“ gemeint sein könnte. Die Grenzöffnung für Drogen und Kriminelle? Der zu laxe Justizvollzug und die verfrühten Wiedereingliederungsversuche? Das Kürzen der Finanzmittel für die Polizei? Die Verschärfung von Waffengesetzen? (Versuche den Klimawandel abzuwenden?) (Die Legalisierung von Abtreibungen?)
Die klassischen Schreckgespenster der Republikaner eben.

Doch selbst wenn diese Dinge tatsächlich unzählige Menschenleben kosten (würden?), wäre das Einführen dieser Verfahren kein Terrorismus. Weil diese Dinge – so widerwärtig(?) sie auch sein mögen – brav den Rechtsweg genommen haben. Sie wurden ersonnen, entwickelt, geprüft, korrigiert, erneut geprüft, bewilligt und umgesetzt.

Das ist nicht das Vorgehen von Terroristen. Terroristen nehmen nicht den Verwaltungsweg. Dieser ist ihnen nämlich in der Regel verwehrt. Oder zu langsam. Genau deshalb greifen sie ja zum Terrorismus. Terrorismus ist ein Verzweiflungsakt, weil man sich anders nicht Gehör verschaffen kann. Deshalb liegt der Fokus auch weniger auf möglichst vielen Opfern, sondern auf möglichst grosser Medienwirksamkeit und der Verunsicherung der Gesellschaft.

Terrorismus ist das Mittel der Machtlosen um politische Forderungen zu erzwingen.
Er ist nicht der (versehentliche oder geplante) Gewaltanstieg nach einer Gesetzesänderung. (Wenn die Gewaltakte die Regierung dazu bewegen sollen, die Gesetzesänderungen wieder rückgängig zu machen, dann ist es zwar durchaus Terrorismus, aber nicht von Seiten der Administration sondern von deren Gegnern. Was NICHT das gleiche ist. Man kann kausal für Terrorismus verantwortlich zu sein ohne selbst der Terrorist zu sein.1)
Nur weil Gewalt im Spiel ist, die die Mensch in Angst und Schrecken versetzt, ist es noch lange nicht Terrorismus. Die Gewalt muss auch politisch motiviert ist.2

Ich denke, Edward Dechants nennt diese Dinge Terrorismus, weil er die (negativen?) Nebenwirkungen der Politik seiner Gegner als vorsätzliche Verbrechen verstanden haben will. Er geht damit sogar noch weiter und unterstellt der Linken, vorsätzlich das Land zerstören zu wollen – eine Überzeugung, die jeglichen (in einer Demokratie zwingend nötigen) politischen Dialog untergräbt und Kompromisse kategorisch verunmöglicht. Das kennen wir auch von der SVP.


Meine Antwort lautete damals: «Wir von der SVP müssen die kommenden Wochen, Monate und Jahre, Tag und Nacht, all dies aufzeigen und die Bürger vor dem Abkommen warnen. Aufzeigen, dass all die Landesverräter in den anderen Parteien zusammen mit verantwortungslosen Bundesbeamten, z. B. Diplomaten, diesen Vertrag still und leise ohne Diskussion beschliessen wollen.»

Christoph Blocher in seiner Albisgüetli-Rede am 15.1.2021


Seinen Gegnern Terrorismus vorzuwerfen ist wesentlich dramatischer als einfach nur festzustellen, dass sich deren Pläne nicht so entwickelt haben, wie sie es sich naiv erhofft hatten. (Was man natürlich von Anfang an wusste, aber es wollte ja niemand hören…)

Was Edward Dechants hier beschreibt, ist nicht „Domestic Terrorism“. Das wäre durch eigene Landleute verübter Terrorismus3. Er biegt sich stattdessen den Begriff so zurecht, dass er in Verbindung mit dem Gegner gebracht werden kann.
Auch das ist eine klassische Taktik der Konservativen. So versuchen sie auch mehr oder weniger erfolgreich Begriffen wie Faschismus oder Nationalsozialismus mit der Linken in Verbindung zu bringen, während alle Faschisten und Neonazis sich davon natürlich nicht täuschen lassen und weiterhin munter die Rechten wählen.

Edward Dechants könnte aber auch irgendwie zur Überzeugung gelangt sein, dass die Biden Administration ein „Terrorregime“ ist. (Auch so ein Begriff, der unter Konservativen und Verschwörungstheoretikern4 sehr leichtfertig verwendet wird.) Dann wären Grenzöffnung, Kuscheljustiz und Waffengesetze tatsächlich, wie er schreibt, hinterhältige Akte des Terrors. Hier werden Leute nicht mit Waffen und Gewalt eingeschüchtert, sondern mit der Anwesenheit von Leuten, in einem Unbehagen bereiten (Ausländer, nicht genug bestrafte Ex-Kriminelle und Leute ohne Waffen).
Die Terrorakte eines Terrorregimes zielen zwar klassischerweise eher darauf die politischen Gegner systematisch zu eliminieren und jeglichen Widerstand brutal im Keim zu ersticken, aber vielleicht sind die viel zu lieben Demokraten einfach viel zu blöd dafür. Vielleicht wollen sie Ihre Gegner mit vergifteten Impfungen sterilisieren? Keine Ahnung. Das alles ergibt für mich schlicht keinen Sinn.

Fazit: Gesetze zu schreiben, absegnen zu lassen und dann umzusetzen, deren Folgen katastrophal sind, ist kein „Inlandsterrorismus“. Weil die Gesetze den Verwaltungsweg genommen haben. Und man sich ihrer auf diesem Weg auch wieder entledigen kann.
Drogenverkäufe, Vergewaltigungen und Abtreibungen sind kein „Inlandsterrorismus“. Weil sie keine politischen Ziele verfolgen.
Wenn man sich aber gegen diese neuen verhängnisvollen Regeln wehrt und zu den Waffen greift um die Regierung zu zwingen diese wider rückgängig zu machen, dann ist das durchaus „Inlandsterrorismus“. Weil man politische Ziele verfolgt und nicht den den Verwaltungsweg einschlägt, obwohl einem der in diesem Fall durchaus zur Verfügung stehen würde.

Stimmrechtalter 18

Die Zürcher haben entschieden.
Und zwar falsch.
Und zwar objektiv falsch.
Aber eigentlich nicht wirklich überraschend.

Quelle: Tagesanzeiger

Man hält die 16-Jährigen für nicht reif genug. Respektive man fürchtet sich vor ihren naiven Ängsten und vor ihrer Ignoranz den wirklich furchteinflössenden Dingen gegenüber.


«Eine linksradikale Gruppe von Minderjährigen soll mit dem Stimmrechtsalter 16 über den Kanton Zürich bestimmen»

Andreas Leupi (Leiter der SVP Nein-Kampagne)

Andras Leupi gesteht durchaus ein, dass er manchmal ein bisschen überspitzt formuliert habe, doch ändere das nichts daran, dass die laute (Klima-)Jugend links sei. Was jedoch noch immer kein Grund ist jemandem das Stimmrecht zu verwehren.

Ich frage mich, ob es nicht vielleicht sogar strafbar sein könnte die Öffentlichkeit dazu aufzurufen einer Gruppe Rechte vorzuenthalten. Wenn man sich beispielsweise auf Plakaten dafür stark machen würde, dass Juden nicht eingebürgert werden dürfen (weil sie traditionell links seien), dann würde das wohl gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen.
Wie schafft es dann die SVP – ohne rot zu werden – den Kanton mit Plakaten zu pflastern auf denen sie sich explizit gegen das Mitspracherecht von Andersdenkende stark macht? Zweifellos haben hatte die SVP auch sachbezogene Gründe (z.B. sinnlos komplizierte und teure Trennung von aktivem und passivem Wahlrecht, fehlende praktische Lebenserfahrung oder irgendwas mit kriminellen Ausländern1), doch die standen nicht auf den Plakaten.

Inwiefern würden die Plakate der SVP nicht gegen eine Generationismus-Strafnorm verstossen, wenn es denn eine geben würde?

Artikel 261bis2 StGB : Generationismus-Strafnorm2

Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder ihrem Alter (hinzugefügt) zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,

Zwischenfrage: Jemandem das Stimmrecht aufgrund seines Alters nicht zu geben, wäre dann doch wohl Diskrimierung, oder? Und das Propagieren dieser Diskriminierung würde dann doch wohl diesen Punkt erfüllen, oder?

wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,

Zwischenfrage: Apropos „eine linksradikale Gruppe von Minderjährigen…“ Die Gruppe bezieht sich hier auf die Gruppe der 16- und 17-Jährigen innerhalb der ganzen Bevölkerung und nicht auf eine Gruppe von Radikalen innerhalb der 16- und 17-Jährigen. Das ist dann folglich systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personengruppe, oder?
Und wenn es sich doch nur auf eine Gruppe von Radikalen innerhalb der 16- und 17-Jährigen beziehen würde, dann würde man mit der Verweigerung des Stimmrechts eine ganz Gruppe aufgrund einiger schwarzer Schafe diskriminieren – wäre das nicht noch viel schlimmer ist?

wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,

Zwischenfrage: Abstimmungsplakate sind doch Propagandaaktionen?

wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder ihrem Alter (hinzugefügt) in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völ­kermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,

Zwischenfrage: Ist das Nichtgewähren des Wahlrechts ein Verstoss gegen die Menschenwürde? Ich sage mal grosszügig nein.

wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit be­stimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder ihrem Alter (hinzugefügt) verweigert,

Zwischenfrage: Das Wahlrecht gewährt der Stimmbürger einem ausgewählten Teil der Schweizer Bevölkerung, nicht wahr? Das selbst zu verweigern, liegt nicht in der Macht der SVP. Aber sie spornt den Souverän an, in dessen Macht es liegt, es zu tun. Von daher bin ich mir nicht sicher, ob sie dieses Kriterium erfüllt.

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Zwischenfrage: Um gegen die Generationismus-Strafnorm zu verstossen und dafür ins Gefängnis zu kommen, gegen wieviele der 5 Punkte muss man da verstossen haben?

Und solange es keine Generationsmus-Strafnorm gibt, könnte man da nicht den Blasphemie-Paragraphen geltend machen? Wie die SVP nur zu gern bestätigen wird, ist der Klimalinksradikalismus schliesslich fast sowas wie eine Religion.

Okay, Andreas Leupi hat sich eigentlich straffbar gemacht. Das ändert aber nichts am Ergebnis. Die Abstimmung ist entschieden und das Resultat gilt. Daran ist nicht zu rütteln. Zumindest bis erneut abgestimmt wird und ein anderes Resultat rauskommt.
Das heisst aber nicht, dass – wie es Andreas Leupi ausdrückt – die Bevölkerung (zur Zeit) nicht wolle, dass Jugendliche Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.

Es war nämlich nicht die Bevölkerung, die entschieden hat, sondern es haben nur die Stimmberechtigten unter sich ausgemacht. Das ist nicht das gleiche.
Es war am 1. Februar 1959 schliesslich auch nicht die Bevölkerung, die das Frauenstimmrecht abgelehnt hat, sondern die ausschliesslich männlichen Stimmberechtigten.

Noch ein Nachtrag zu den von den Jugendlichen nicht entrichteten Steuern, deretwegen die Jugendlichen des Stimmrechts unwürdig sind. Die Jugendlichen zahlen… ähm… Alkoholsteuer… ähm… Tabaksteuer… ähm… auf jeden Fall aber die Mehrwertsteuer und beteiligen sich damit an ca. 30% der Bundeseinnahmen.

Und in ein paar Jahren werden sie auch noch die restlichen Steuern zahlen. Wenn ich in ein paar Jahren die Pflicht haben werde Steuern zu bezahlen. Und mir kein Option bleibt das abzuwenden. Stecke ich dann nicht jetzt schon in der Pflicht drin?


Wir sind schon Sklaven der Gravitation, wenn wir uns noch im freien Fall befinden und sie noch gar nicht spüren kann?

Ian Hazelwood

Und auch noch ein Nachtrag zur fehlenden praktischen Lebenserfahrung. Sprich zur Erfahrung mit dem Büeze und der Steuererklärung.
Wenn erst diese einen befähigt über finanzpolitische Vorlagen zu entscheiden, müsste man dann nicht auch argumentieren, dass man über sozialpolitische Vorlagen nur entscheiden kann, wenn man mal arbeitslos gewesen ist? Ich meine, wie will jemand beurteilen, der noch nie bei RAV war, ob die Massnahmen, die den Arbeitslosen helfen sollen, auch tatsächlich zielführend sind?

Und dann merkt Jaqueline Fehr (58) irgendwo an, dass der Altersmedian der Stimmberechtigten 58 sei.
Bei mir ist er 52 für die ganze Schweiz und 50 für den Kanton Zürich.
Einer von uns hat sich wohl verrechnet.

Stimmrechtsalter 16

Das Komitee

Ich habe auf dem Postweg einen Brief vom „Komitee Rettung Werkplatz Schweiz“ erhalten. Und ich bin deswegen jetzt völlig aus dem Häuschen.
Dass es der Rettung des Werkplatzes Schweiz tatsächlich dringend bedarf, ist klar. Das ist allein schon an der Tatsache ersichtlich, dass das Komitee sowohl meinen Namen als auch mein Geschlecht durcheinander gebracht hat. Und dass ihre Webseite, auf die im Brief verwiesen wird, zu dem Zeitpunkt, als der Brief bei mir eintraf, noch nicht funktionierte.

Rettung Werkplatz Schweiz

Mit welchen Mitteln gedenkt das Komitee denn nun also den Werkplatz Schweiz zu retten?
Ganz einfach: Indem man verhindert, dass 16- und 17-Jährigen abstimmen dürfen.

Okay…?

Stimmrechtalter 16 klingt jetzt auf den ersten Blick nicht nach etwas, das den Werkplatz Schweiz ernsthaft bedrohen könnte, aber wir haben uns auch noch nicht das Argument des Komitees gehört!

  1. Leute ohne praktische Lebenserfahrung haben den Wert von Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Altersversorgung noch nicht verinnerlicht und können diesen Sachen in Abstimmungen nicht den nötigen Stellenwert beimessen. Deshalb sollten sie nicht über das Geschick des Landes bestimmen können.
  2. Jugendliche haben keine praktische Lebenserfahrung.
  3. Ergo sollten Jugendliche nicht über das Geschick des Landes bestimmen können.

So macht das natürlich schon mehr Sinn. Zumindest etwas.

Das ausschlaggebende Kriterium für die Reife zum Abstimmen ist also die praktische Lebenserfahrung. Dass man mal richtig chrampfen1 musste, oder?

16- und 17-Jährige, die auf einem Bauernhof aufgewachsen sind, hätten die nötige praktische Lebenserfahrung wohl schon. Dass das Komitee dennoch bereit ist, sie vom Abstimmen ausschliessen, hat wohl eher etwas damit zu tun, dass man die Bürokratie – eine weitere akute Gefahr für den Werkplatz Schweiz! – nicht weiter aufblähen will.
Und da selbst unter den 18- und 19-Jährigen die praktische Lebenserfahrung noch nicht sooo weit verbreitet ist, wäre es sicherlich besser, wenn man auch diesen vorsorglich das Stimmrecht wieder wegnimmt, oder?
Ich meine, klar, es ist schon blöd für die jungen Leute, die gern abstimmen möchten, aber es geht um die Rettung des Werkplatzes Schweiz. Da muss jeder seine Opfer bringen2!

Das Stimmrecht sollte folglich grundsätzlich nicht ans Alter, sondern an den ersten Lohnausweis gekoppelt sein. Oder besser noch an den zweiten, damit man garantiert mindestens ein ganzes Jahr praktische Lebenserfahrung gesammelt hat.

Ja. So macht das natürlich Sinn.

Damit entledigt man sich auch elegant vieler verblendeter Studenten. Und der Hausfrauen und Hausmänner, die von der Schule direkt in die Küche gewechselt sind. Und vieler Behinderten. Und all der anderen Menschen, die den Wert von Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Altersversorgung einfach nicht zu schätzen wissen können, weil sie nie richtig gebüezt3 haben.

Die praktische Lebenserfahrung ist nämlich nachweislich4 die einzige Art von Erfahrung, die die Menschen eine verlässliche Immunität gegen Propaganda entwickeln lässt. Denn wenn man nicht den Wert von Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Altersversorgung verinnerlicht hat, dann ist da kein Platz mehr für (Alb-)Träumereien.
Ein Studium der Geschichte oder der Politologie, tantrische Meditation oder inspirierende Vordenker, alles nutzlos bei politischen Fragen, wenn man sich nie irgendwo bei der Arbeit die Hände schmutzig gemacht hat.

Nur wenn man büglet5, ist man fokussiert auf das, was wirklich wichtig ist.

Hier stellt sich aber die Frage, ob man praktische Lebenserfahrung auch wieder verlieren kann, wenn man zu lange einen lockeren Lebenswandel geführt hat, wo man den Wert von Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Altersversorgung nicht mehr zu schätzen brauchte?
Ich denke da beispielsweise an Arbeitslose, Eremiten, Pensionierte, Multimilliardäre und Akademiker.
Ob sich das Komitee Rettung Werkplatz Schweiz dazu schon mal Gedanken gemacht hat?

So oder so. Was uns hier die Linken (also eigentlich alle ausser FDP und SVP) mit dem Stimmrechtalter 16 unterzujubeln versuchen, ist nach Ansicht der Komitees folgendes: Mit Slogans wie „Weltrettung“ oder „Gerechtigkeit“ hoffen sie unerfahrene, leicht verführbare junge Menschen dazu zu bringen, für ihre utopischen und wirtschaftsschädlichen Vorhaben zu stimmen.

Utopische und wirtschaftsschädliche Vorhaben

Utopische und wirtschaftsschädliche Vorhaben, die sich Leute ausgedacht haben, die durchaus über praktische Lebenserfahrung verfügen. Leute die durchaus wissen, wie wichtig Wirtschaft, Arbeitsplätze und Altersversorgung sind. Die sich aber dennoch für Weltrettung und Gerechtigkeit einsetzen. Als ob es möglich wäre statt der heiligen Dreifaltigkeit (Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Altersversorgung) einer heilige Fünffaltigkeit (Wirtschaft, Arbeitsplätzen, Altersversorgung, Weltfriede und Gerechtigkeit) anzuhängen.

Es ist ja nicht so, dass die drei Prioritäten der SVP sich nie gegenseitig im Weg stehen würden. Manchmal muss man im Interesse der Wirtschaft kurzfristig gewisse Abstriche bei den Arbeitsplätzen und der Altersversorgung machen. Daran ist auch nichts auszusetzen, wenn die Strategie langfristig auch den Arbeitsplätzen und der Altersversorgung zugute kommt6. Wieso sollte man dann nicht auch mit fünf Prioritäten jonglieren können? Wirtschaft und Arbeitsplätze und Altersversorgung sind nicht zwingend auf die Zerstörung der Umwelt und die Unterdrückung von Menschen und Tieren angewiesen. Klar, die Wirtschaft versteht es aus diesen Dingen Profit zu schlagen, genau wie sie auch aus Sklaverei, Erdöl und Diskriminierung profitiert. Doch das heisst nicht, dass ihr die Hände gebunden wären, wenn Klimawandel und Ungerechtigkeit abgewendet worden sind.

Und es ist ja auch nicht so, dass der SVP die Weltrettung und die Gerechtigkeit egal wären. Natürlich haben auch diese Priorität. Einfach eine viel kleinere. Und wenn dann eine exklusiv für Schweizer.

Unter dem Strich bedeutet das eigentlich, dass das, was nach Ansicht des Komitees Rettung Werkplatz Schweiz den Werkplatz Schweiz tatsächlich bedroht, die Linken sind. Und dass sich der Werkplatz Schweiz nur retten lässt, wenn man verhindert, dass (mehr) Leute sie wählen.
Und irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass das Komitees Rettung Werkplatz Schweiz die Meinungsvielfalt als ein Hindernis für die Schweiz betrachtet und ist nicht etwa als ihre Stärke.

Der Leupi

Auf ihrer Webseite verlinkte das Komitee einen Artikel mit dem Titel „Demokratie verwässern? Nein Danke!“ von Andreas Leupi, wo dieser noch andere Argumente gegen das Stimmrechtalter 16 präsentiert.

Demokratie verwässern?

Bevor wir uns aber diese genauer anschauen, möchte ich kurz innehalten über die Verwässerung der Demokratie reflektieren.
Mit der Annahme des Stimmrechtalters 16 am 15. Mai 2022 wären um die 2% mehr Menschen stimmberechtigt. Also ungefähr gleichviel mehr wie mit der Senkung des Stimmrechtalter von 20 auf 18 am 3. März 1991. Was nichts ist im Vergleich zu den ca. 50%, die mit dem Frauenstimmrecht am 7. Februar 1971 hinzu kamen. Oder als am 12. April 1798 die Untertanen (ca. 80% der Bevölkerung)7 und Hintersassen (in Städten zwischen 5% in Zürich und 50% in Bern und in Landgemeinden zwischen 5% und 15%)8 zu Schweizer Bürgern erklärt wurden9
Vor 1798 war in der Schweiz also ein grosser Teil der einheimischen Bevölkerung vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen (abgeleitet aus den obigen Angaben dürften das ungefähr 95% gewesen sein). Wenn das Absinken des Anteils an Nichtstimmberechtigten von heute 37%10 auf 35%, sollte die Verfassungsänderung angenommen werden, als Verwässerung betrachtet werden muss – was schlecht ist, oder? -, dann muss sich die Schweizer Demokratie nach Ansicht von Andreas Leupi heute in der historisch zweifellos schlechtesten demokratischen Verfassung überhaupt befinden. Wobei die grössten Messer in deren Rücken zweifellos die Untertanen und die Frauen sind!

Ich will ja nicht bestreiten, dass es durchaus Sinn machen kann, nicht jedem das Stimmrecht zu geben. Auslänger, die im Ausland leben, sollten nicht abstimmen können, auch wenn sie ein durchaus ein berechtigtes Interesse am Ausgang der Abstimmung haben können. Leuten auf der Durchreise würde ich es lieber auch vorenthalten.
Doch selbst wenn man allen Menschen und Tieren und Pflanze (und Aliens) das Schweizer Stimmrecht geben würde und die prozentuelle Stimmbeteiligung ins Bodenlose fallen würde und es katastrophale Folgen für die Schweiz hätte, dann würde ich nicht sagen, dass der Untergang der Schweiz die Folge einer Verwässerung der Demokratie gewesen sei. Die einer völlig absurden Auslegung des Demokratiebegriffs, das schon, aber nicht einer Verwässerung. Denn in der Demokratie gilt ja, je weniger Leute ihre Meinungen nicht einbringen dürfen, umso demokratischer ist es. Demokratie verwässern zu wollen, ist also wahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Korrektur: Nach eingehender Reflexion bin ich zum Schluss gekommen, dass eine Verwässerung der Demokratie durchaus möglich ist, aber nur dann, wenn die Vorlagen belanglos werden. Wenn die Abstimmung keine Konsequenzen mehr hätte. Also beispielsweise, wenn man nur noch über die Sockenfarbe des Bundesräte entscheiden könnte.

Interessanterweise wurde der Link auf Andreas Leupis Artikel in der Zeit, in der ich den obigen Abschnitt schrieb, wieder gelöscht. Das deute ich als ein gutes Zeichen, denn der Artikel hatte seine Schwächen, von denen sich das Komitee nun offenbar distanziert(?)


Ich schaue mir den Artikel dennoch kurz an:

Bitte keine Experimente

Andreas Leupi will laut Untertitel keine Experimente. Ich sehe das ja etwas anders. Ich plädiere schon seit Jahren für eine Experimentalpolitik: Jemand hat einen Vorschlag, der genug Anklang findet, dann lasst es uns versuchen. Nicht in der ganzen Schweiz, sondern nur in ein paar Kantonen. So können wir nach einer gewissen Zeit die Ergebnisse objektiv vergleichen. Wenn es sich bewährt, setzen wir es um. Wenn nicht, fahren wir es zurück. Wie anders will man an verlässliche Evidenzen bei politischen Fragen rankommen?

„Uri, Schwyz und Fribourg – all diese Kantone haben in der Vergangenheit das Stimmrechtsalter 16 aus guten Gründen abgelehnt.“
Ich bin gespannt, ob er die „guten Gründe“ benennt…

„Oberflächlich mag die Verfassungsänderung wohl attraktiv aussehen: Wer will nicht mehr politische Partizipation?
Schön wäre es, doch leider muss die Realität wie so oft auch diese Illusion zerstören.“
Okay, er lehnt es also nicht aus Prinzip ab. Für ihn sprechen Evidenzen dagegen. Das ist super. Mehr kann man nicht verlangen.
Jetzt bin ich gespannt, welche Evidenzen das konkret sind.

„Wer sich mit dem SRA16 (Stimmrechtalter 16) eine Demokratiebewegung erhofft, der wird schwer enttäuscht.“
Was genau wäre denn eine Demokratiebewegung in der Schweiz? Dieser Begriff wurde in letzter Zeit vor allem im Zusammenhang mit Hongkong verwendet, wo sich Aktivisten für das Voranbringen der Demokratisierung einsetzen und dafür lange Haftstrafen riskieren. In der Schweiz dürfen „alle“ an den Abstimmungen teilnehmen so viel sie wollen11. Tatsächlich habe ich im Zusammenhang mit dem SRA16 nirgends sonst den Begriff Demokratiebewegung gefunden. Von daher erscheint mir die Verwendung hier schon ziemlich problematisch. Vielleicht war es nicht zynisch gemeint, sondern er denkt, dass sich die Befürworter davon eine höhere Wahlbeteiligung erhoffen – was sich möglicherweise im Glarus, wo das SRA16 bereits umgesetzt ist, nicht gezeigt hat. Das müsste er aber genauer ausführen.
Natürlich ist eine möglichst grosse Partizipation am politischen Leben wünschenswert, doch ist die keine Voraussetzung um jemandem das Wahlrecht zu geben. Selbst wenn alle Frauen nicht abstimmen wollen und nicht abstimmen tun, dann ist es dennoch notwendig, dass sie das Stimmrecht haben. Für den Fall, dass eine irgendwann mal doch abstimmen möchte. Wir können es ihr nicht verwehren, weil andere es für sich nicht wollen.

„Neben dem stark beschränkten Nutzen, darauf kommen wir später zurück, verstrickt sich die Vorlage in einen Widerspruch zum heutigen Bild von Jugendlichen: Man traut ihnen bis zur Volljährigkeit nicht wirklich alles zu, schützt sie teils sogar. Nun soll aber gerade das, was unser Land weltweit so einzigartig macht, zum Labor umfunktioniert werden. Beispiele gefällig?
Zum Einen hat das Stimmvolk gerade vor ein paar Wochen beschlossen, dass Jugendliche besser vor Tabak geschützt werden sollen, da sie sie zu stark von der Werbung beeinflusst würden. Zum Anderen darf ein 17-Jähriger heute keinen Handyvertrag unterschreiben, soll nun aber plötzlich in der Lage sein, komplexe Staatsverträge und deren Auswirkungen zu beurteilen.
All das soll nun keine Rolle spielen: Sie sollen dennoch über Milliardeninvestitionen, über Staatsverträge und komplexe Gesetze entscheiden können.“
Und wenn man 20 18 wird und Handyverträge unterschreiben darf, dann ist man von einem Schlag auf den anderen in der Lage über Milliardeninvestitionen, über Staatsverträge und komplexe Gesetze zu entscheiden? Echt?
Hand aufs Herz! Wie viele Stunden muss man ehrlicherweise investieren und in die Materie eintauchen um eine fundierte Entscheidung bei solche Fragen treffen zu können?
Hört der Souverän in der Regel nicht eher auf sein Bauchgefühl? Und Bauchgefühle hat der 16-Jährige genau so wie der 66-Jährige. (Dass beim einen das Bauchgefühl von den gewissen Rundungen gesteuert werden und beim anderen von Zukunftsängsten, ändert nichts daran, dass Bauchgefühle eigentlich keine gute Grundlage für vernünftige Entscheidungen sind.12)
Orientiert der Bürger sich nicht eher an den Empfehlungen der Parteien, die in der Vergangenheit am ehesten seinen Idealen entsprochen haben? In der Hoffnung, dass diese die vielen nötigen Stunden in einer Art und Weise investiert haben, wie er es getan hätte, wenn er es getan hätte? Oder dass die Parteien zumindest jemanden kennen, der es getan hat?
Ich habe, ehrlich gesagt, auch meine Mühe damit, dass Leute über Fragen abstimmen sollen, die sie nachweislich nicht verstehen können. Über Fragen, zu deren Konsequenzen sich selbst Experten, die sich jahrelang intensiv damit auseinandergesetzt haben, nicht einig sind. Auf welcher soliden Grundlage will da ein Laie eine Entscheidung treffen?

Lehnt Andreas Leupi wirklich ab, dass Leute, die von einer Sache viel zu wenig verstehen, über diese Entscheidungen treffen dürfen? Plädiert er für eine Art Meritokratie, wo man nur abstimmen darf, wenn man vorher bei einem Test nachweisen konnte, dass man von der Materie genügend versteht?13 So würden wir sicherlich die vernünftigeren Ergebnisse erhalten, doch gleichzeitig würden wir wohl den wichtigsten Aspekt der Demokratie verlieren. Das Vertrauen der Menschen ins System und ihre Bereitschaft das Ergebnis zu stützen. Weil jeder in die Entscheidung eingebunden sein soll.
Aber als Experimentalpolitiker bin ich natürlich durchaus bereit die Meritokratie einfach mal auszuprobieren. Und es nähme mich schon Wunder, wie die SVP da abschneiden würde. Ihre Überzeugungskraft liegt ja eher in der Polemik und die Skepsis gegenüber Experten…

„Dass dies nicht einmal so abwegig ist, hat die Kampfjetabstimmung gezeigt und zeigen Gemeindeversammlungen jedes Jahr: Einzelne Stimmen können Wahlen und Abstimmungen entscheiden.“
Das die Ergebnisse so oft so knapp rauskommen, ist tatsächlich etwas, das mich auch enorm erstaunt. Andererseits denke ich nicht, dass es mal ne Abstimmung gab, wo die Schweiz explodiert wäre, wenn sie anders rausgekommen wäre.
Egal was bei einer Abstimmung rauskommt, die Schweiz findet immer einen Weg mit dem Ergebnis zu leben.

„Will man das, so müsste man wenigstens konsequent sein und die Volljährigkeit auf 16 Jahre heruntersetzen – diese Forderung ist aber noch nicht aufgekommen. Man traut Adoleszenten dann halt noch nicht alles zu.“
Nicht wirklich. Wie wir gesehen haben, brauchen wir ja nicht wirklich sachverständige Wähler. Wir brauchen Wähler, die das Gefühl haben, am Entscheidungsfindungsprozess teilgenommen zu haben.
Und will man konsequent sein, müsste man das Stimmrecht jetzt schon auch an die in den Schweiz lebenden Ausländer geben, denn die sind ja Volljährig.

(Bitte nicht an Prinzipien appellieren, die man nicht wirklich bereit ist umzusetzen!)

„Das führt aber unweigerlich dazu, dass die Vorlage, über welche wir bald befinden, eine Bastellösung ist: Das Wahlrecht wird wortwörtlich auseinandergerissen und regelt das passive und das aktive Wahlrecht neu unterschiedlich.“
Da sehe ich jetzt kein so grosses Problem. Alle über 16-jährigen erhalten Stimmzettel. Alle die sich zur Wahl stellen wollen, müssen auf dem Formular den Jahrgang ausfüllen. Dass man wählen kann, aber noch nicht gewählt werden kann, sollte jetzt kein so unüberwindlichen Hindernis sein.
Das ist eher was, mit dem man Leute zu erschrecken versucht.

„Das ist unter den gegebenen Umständen logisch, denn man stelle sich vor, ein Exekutivmitglied wäre minderjährig: Für jede Unterschrift, sei es ein überkommunaler Vertrag oder die Visierung einer Rechnung, müssten die Eltern herbeigezogen werden. Das wäre an Absurdität kaum zu überbieten. Wenigstens dies wurde erkannt und das passive Wahlrecht wie erwähnt so belassen, wie es heute ist: Altersgrenze 18. Nur ist man halt so wieder bei der eingangs erwähnten Bastellösung angelangt.“
Das ist ein Strohmann. Dass Minderjährige gewählt werden müssen, verlangt meines Wissens zur Zeit noch niemand.
Andererseits wäre es durchaus auch möglich im Gesetzt zu verankern, dass ein Visum eines gewählten Repräsentanten rechtsgültig ist, selbst wenn er minderjährig ist.

„Was in der öffentlichen Debatte leider oftmals vergessen geht: Es gibt heute bereits genügend Möglichkeiten, wie sich Jugendliche engagieren können – dagegen spricht ja auch absolut gar nichts. Ich war selbst Vize-Präsident des kantonalen Jugendparlaments in der Aufbauphase und im Präsidium der Jugendsession, wo wir den Jugendlichen genau diese Chancen geben wollten, sich zu engagieren, sich in den richtigen Gefässen einzubringen und ihre Liebe zur Politik zu finden. Die meisten von uns konnten damals selbst noch nicht oder eher gerade frisch abstimmen und wählen, geschadet hat das unserem politischen Interesse nicht. Denn für uns war eigentlich klar: In Jugendparlamenten, Jungparteien und der Jugendsession können wir als Interessierte uns viel stärker einbringen und viel mehr bewegen, als wenn wir bloss «Ja» oder «Nein» auf einen Stimmzettel schreiben dürfen.“
Wirklich? Wenn das Jugendparlament beispielsweise einstimmig entschieden hätte, dass in der Schweizer Landwirtschaft jedem Schwein 42m2 Auslauf zustehen, was genau hätte man damit konkret bewegt? Mit dem „Ja“ oder „Nein“ auf dem Stimmzettel bei einer knappen Entscheidung sähe die Sache dagegen ganz anders aus.
Ich will ja gar nicht bestreiten, dass diese Jugendlichen im Jugendparlament die Liebe zur Politik gefunden und gelebt haben. Und sicherlich hat sich so manch ein Politiker von der Begeisterung mitreissen lassen und sich dann für deren Sache stark gemacht. Hat es dieser aber getan, weil man ihn überzeugt habt? Oder weil es eh auf seiner Linie lag und er sich so ihre Loyalität gesichert hat? Können sie das überhaupt unterscheiden, die Jungparlamentairer? Schliesslich waren sie jung und leicht beeinflussbar…
Diese Liebe zur Politik… diese Begeisterung sich einzubringen… mir kommt es eher so vor, als ging es da mehr ums politisieren als ums partizipieren?
Diese Jugendlichen lieben es politische Themen zu diskutieren (und werden in Zukunft vielleicht sogar politische Karriere machen). Andere mögen das vielleicht nicht. Die wollen vielleicht einfach nur ihre Stimme abgeben.

Und wenn sich die Jugendparlamentarier so stark (wenn nicht gar noch stärker) einbringen konnten, dann würden sie doch sicher nichts dagegen haben, wenn das Stimmrechtalter auf 42 angehoben wird und sie sich noch viel länger noch viel stärker einbringen könnten, oder?

„Die direkte Demokratie ist das, was unser Land auszeichnet, was unser Land so einzigartig macht.“
Dem stimme ich gerne zu. Und zwar in einem sehr positiven Sinn.
Aber verstehen Andreas Leupi und Eda Gregr unter direkter Demokratie auch das gleiche?
Das EDA erklärt es wie folgt: Die direkte Demokratie ermöglicht es dem Volk, sich zu Entscheiden des Bundesparlaments zu äussern oder Verfassungsänderungen vorzuschlagen14. Dem stimmen wir beide wohl zu. Doch was ist das Volk? Nur die Gesinnungsgenossen der SVP? Und alle anderen sind Vaterlandsverräter, die gefälligst zu schweigen haben?

„Die Vorlage mag man zwar ein edles Ziel verfolgen, am Schluss ist es jedoch eine Operation am offenen Herzen unseres Landes.“
Warum? Weil eine weitere irrationale Gruppe von Menschen an der Abstimmung teilnehmen dürfte?
Eine Gruppe, die traditionell eher links wählt?
Wie wäre wohl die Parole der SVP, wenn Jugendliche tendenziell konservativ wählen würden?

„Man will zugunsten eines kleinen Zugewinns die Demokratie ein gutes Stück verwässern.“
In den man 2% mehr Leuten das Recht zu wählen gibt?
Sollte uns die Meinungsvielfalt und der naive Idealismus der Jugendlichen nicht 2% wert sein?

„Guido Westerwelle, der ehemalige deutsche FDP-Chef, hat einmal gesagt: «Freiheit stirbt immer zentimeterweise.» Das lässt sich auch auf unsere Demokratie anwenden. Denn kommt das Stimmrechtsalter 16, dann ist die Forderung nach dem nächsten Schritt nicht weit entfernt, dann wird auch das Ausländerstimmrecht schneller wieder zum Thema, als uns lieb sein kann.“
Westerwelle mag schon recht haben. Aber dass Demokratie mit jedem zusätzlichen Wähler ein Stück sterben soll, ist ausgemachter Blödsinn.

Und übrigens, ist es „vernünftig“ eine Vorlage abzulehnen, weil man befürchtet, dass die nächste Vorlage einem nicht gefallen wird? Diese Entscheidung hat nichts mit der eigentlichen Fragestellung zu tun. Daraus, dass die nächste Abstimmung möglicherweise etwas verantwortungsloses zur Wahl stellt, folgt nicht, dass die aktuelle Wahl verantwortungslos ist.

Wenn man sich in den Nachbarländern umschaut, dann ist der nächste Punkt auf der „Verwässerungs“-Tagesordnung übrigens das Stimmrecht für Menschen mit Demenz, die rechtlich betreut werden.

„Das ist die Message, welche wir in den nächsten Wochen an die Bevölkerung bringen müssen: Keine Experimente mit unserer Demokratie und Nein zu mehr Rechten ohne die dazugehörigen Plichten.“
Gilt das auch umgekehrt? Wer Pflichten hat, dem stehen auch die Rechte zu?
Ich denke da beispielsweise an die Pflicht in der Schweiz steuern zu zahlen… Sollte man dann nicht auch das Recht haben mitzubestimmen, für welchen Firlefanz das Geld dann ausgegeben wird?


Was?
Schon fertig?
Wo bleiben denn nun die Belege, dass 16- und 17-jährige signifikant schlechter wählen als Volljährige?
Wo bleibt die Erklärung, woran man eine schlechtere Wahl überhaupt erkennt?
Wo bleiben die Beispiele, wo SRA16 konkrete Probleme verursacht hätte?
Wo. Bleiben. Die. Evidenzen?

Wenn im jetzigen System neben Experten auch Astrologie, Religion und Ernährungsbloggs politischen Einfluss nehmen können, warum dann nicht auch jugendliche Blauäugigkeit? Die Jugendlichen werden ja am längsten mit der Entscheidung leben müssen. Wäre es da nicht nur fair, wenn sie (trotz des marginalen Prozentsatzes) das Gefühl haben könnten an der Entscheidung mitbeteiligt gewesen zu sein?

Demokratie hat ja auch das Ziel, dass der Bürger das Gefühl hat, gehört worden zu sein.
Dass man nicht merkt, dass man manchen Bürgern nicht zuhört, ist bedauerlich.
Dass man manchen Bürgern nicht zuhören will, ist dagegen böswillig.

Praktische Lebenserfahrung vs. Politische Eliten

Der Altersmedian der Schweizer Wohnbevölkerung ist ungefähr 42 Jahre. Das heisst 50% sind jünger, 50% sind älter und der Rest ist exakt ungefähr so alt.
42 ist übrigens auch noch der Berufstätigkeitsmedian – wenn man annimmt, dass das erwerbstätige Leben von 20 bis 64 stattfindet15.
Der Altersmedian der Schweizer Bürger ist ungefähr 45 Jahre.
Und der Altersmedian der Wahlberechtigten ist bei Stimmrechtalter 18 ungefähr 52 Jahre. Für mich als Jungspund ist also die Hälfte der Wähler quasi oder ganz pensioniert!
Beim Stimmrechtalter 16 würde der Altersmedian auf 51 Jahre fallen.
Erst beim Stimmrechtalter 0 würde dieser dem Altersmedian der Schweizer Bürger entsprechen.

Ich bestreite ja nicht, dass wir die Interessen und Erfahrungen der Rentner berücksichtigen bei unseren politischen Entscheidungen. Geht das aber wirklich nur, indem man sie „künstlich“ stärkt?

Eine provokative These: Was wenn wir beim Stimmrecht auch die Zeit berücksichtigen, die man statistisch unter dem Gesetz, über das man beschliesst, zu leben hat? Ich meine, soll ein 100 Jähriger wirklich gleich viel zu einem Gesetz zu sagen haben wie ein 25 Jähriger?16

Ob man mit jedem Berufsjahr einen konstanten Zuwachs an praktischer Lebenserfahrung verzeichnen kann und ob man diesen beibehält, wenn man pensioniert wird oder die Arbeit verliert, kann ich nicht beurteilen, mir scheint aber, dass die alten Leute, die keine weitere zeitgenössischen, praktischen Lebenserfahrungen mehr sammeln werden, wesentlich überrepräsentiert sind im Vergleich zu den jungen Leuten, deren praktische Lebenserfahrung tagesaktuell ist und stetig wächst und die mit den gemeinsam getroffenen Entscheidungen wie gesagt länger werden leben müssen.

Wenn man die praktische Lebenserfahrung als ein Hauptargument ins Feld führt, müsste man dann nicht erst mal zeigen, dass die Strategien, die zu entwickeln einen die praktischen Lebenserfahrungen befähigen, unabhängig vom Wandel der Zeit immer nützlich sind.
Dass Wirtschaft, Arbeitsplätze und Altersversorgung wichtig sind, bedeutet schliesslich nicht zwingen, dass diese in einer Welt, die einen Klimawandel abzuwehren versucht, gleich funktionieren müssen, wie zu der Zeit als diese den Klimawandel verursacht haben. Vielleicht sind Denkmuster, die früher so nützlich wahren, heute eher hinderlich? Klar, das sagen alle Jungen. Und das schon sein Urzeiten. Ich wünsche mir lediglich, dass dieses Dilemma auch mal thematisiert wird.

Und überhaupt ist dieses Betonen der praktischen Lebenserfahrung, die zweifellos sehr verschieden sein kann, ob man sie in der Schweiz, in Taka-Tuka-Land oder in der Schweiz der 12. Jahrhunderts erworben hat, eigentlich sehr dünnes Eis. Weil die politische Macht vorrangig jenen Leuten zugeben, die eine ganz bestimmte Eigenschaft im Übermass besitzen, diese Leute zu einer Elite macht. Zu einer politischen Elite. Und die Herren, die sich so vehement gegen SRA16 einsetzen, setzten sich sonst noch viel vehementer gegen politische Eliten ein.
Die Demokratie, wie sie sich in der Schweiz so bewährt hat und die wir dafür so schätzen, lässt jeden bei allem mitreden. Völlig unabhängig davon, wie komplex das Thema ist. Und völlig unabhängig davon, welches Vermögen, welche Bildung, welche Religion, welches Geschlecht, welche Herkunft, welche Berufserfahrung und welches Alter der Wähler hat. Auch wenn die Herren, die sich so vehement gegen SRA16 einsetzen, sich in der Vergangenheit auch gegen SRB917, SRR66618, SRGxx19, SRH138620, SRB4936321 und SRA18 22 eingesetzt haben.

Praktische Lebenserfahrung im Praxistest

Die praktische Lebenserfahrung, die ich mir als Steuerberater (gewissermassen der Landwirt auf dem Feld der Finanzen) erworben habe, hilft mir nicht sonderlich bei der Reparatur meines Traktors.
Die praktische Lebenserfahrung, die ich mir als Traktorenmechaniker (gewissermassen auch eine Art Steuerberater) erworben habe, hilft mir nicht sonderlich beim Ausfüllen der Steuererklärung, dafür aber bei der Entscheidung über ein Steuergesetz?

Scheint es nur mir so, dass Leute, die viel Wert auf praktische Lebenserfahrung legen, bei ihren Ausführungen immer sehr theoretisch bleiben? Sie hilft einem bei etwas. Aber nicht wem bei was.

Die Esfaupee

Das zur Zeit wichtigste Argument der SVP ist „Ohne Pflichten keine Rechte.“
Dass Leuten23 mit Pflichten24 gewisse Rechte25 vorenthalten werden und dass das der SVP überhaupt nichts ausmacht, offenbart zwar ihre Heuchelei, doch widerlegt es ihre Forderung nicht.
Jugendliche haben keine Pflichten. Zumindest keine ernstzunehmenden. Das ist zwar nicht ganz richtig, doch akzeptieren wir es mal so.
Gewisse Rechte haben sie dennoch. Zum Beispiel zur Schule zu gehen.

Man könnte jetzt diskutieren, wie man die Grenze ziehen soll, ich will aber auf etwas ganz anderes hinaus. Die Stände.
So waren beispielsweise 54.3% (1’283’951) beim obligatorischen Referendum am 03.03.2013 für den Bundesbeschluss vom 15.06.2012 über die Familienpolitik und 45.7% (1’078’531) dagegen. Weil aber nur 10 Stände dafür waren, scheiterte die Vorlage.
In der Schweiz wird kleinen Kantonen über das Ständemehr ein grösserer Hebel in die Hand gegeben als grossen Kantonen, die mehr Leute, mehr Wirtschaft und mehr Wissenschaft haben.
Wenn man sich die Verteilung der Wirtschaftssektoren in der Schweiz anschaut26 und sich überlegt in welchem Sektor die wirtschaftliche Macht der Schweiz liegt, dann kommt man schnell zum Schluss, dass hier Leute, die deutlich weniger zur Prosperität der Schweiz beitragen, deutlich mehr über den Weg bestimmen, wie die Prosperität gesichert werden soll. Ich sage nicht, dass das schlecht ist. Ich stelle nur fest, dass hier Leute sich Rechte herausnehmen, für die ihr Einsatz bei den Pflichten eher bescheiden ist. Also genau das, was die SVP gegen die STR16 stimmen lässt.

Hier daher meine Idee: Warum bilden wir nicht weitere „Stände-Systeme“ neben den Kantonen? Ich denke da beispielsweise an Geschlechterstände: Männer, Frauen, Queer. Und Altersstände: 16-24,24-32,32-40,40-48,48-56,56-64,64-72,72-80,80-88,88-96,96-104,104-112,112-120,120-128,… Und höchste Bildungsstände: Obligatorische Schule, Sekundarstufe, Höhere Berufsbildung, Hochschule. Oder Aufenthaltsstatus. Und nach Ernährungsgewohnheit. Um eine Vorlage durchzubringen oder zu bodigen, muss man nicht nur das Volksmehr haben, sondern auch das Ständeständemehr.

Das Fazitee

Unter „Weitere Informationen“ verlinkt die SVP Zürich auf stimmrechtsalter16-nein.ch, wo einzig uns allein auf den Manipulationsabsichten der Linken herumgeritten wird.

Die SVP unterstellt der Linken diesen Vorstoss nur zu machen, weil er ihr wahrscheinlich Stimmen bringt. Gleichzeitig macht sie das Verhindern, dass die Linke mehr Stimmen erhält, zu einem der wichtigsten Gegenargumente – obwohl das eigentlich überhaupt nichts mit dem Thema zu tun hat.

Eigentlich finde ich das schon irgendwie lustig. Die Partei, die es wie keine andere versteht aus Angst politisches Kapital zu schlagen, wehrt sich dagegen, dass eine Gruppe von Menschen, die auf ihre Schreckgespenster nicht so anspringen, nicht wählen dürfen und begründet das damit, dass die andere Seite diese Leute mit Angst manipulieren werde.
Sollte sich da die SVP nicht an der Nase nehmen, dass sie offenbar unfähig ist eine ganze Altersgruppe anzusprechen?

Eine Frage am Rande: Gibt es eigentlich Themen, vor denen Angst zu machen für die SVP tabu ist?

Dass den vielen linken Parteien ein tieferen Stimmrechtalter zugute kommt, wird diesen schon gefallen, auf ihrer Webseite27 nennt das „Überparteiliche Komitee SRA16“ aber drei ganz andere Gründe:

  1. „Junge Menschen übernehmen durchaus Verantwortung. Zum Beispiel bei der Berufswahl, als Leiter in der Pfadi, der freiwilligen Feuerwehr oder in unterschiedlichsten Vereinen. Sie können das also.
    Da ist durchaus was dran. Gewisse Pflichten kriegt man aufgebrummt, andere übernimmt man freiwillig. In beiden Fällen hat man es mit Pflichten zu tun und in beide Fällen wächst man an ihnen.
  2. „Das Stimmrechtsalter 16 stärkt die politische Teilhabe und verstärkt das jugendliche Engagement im politischen Alltag.“
    Das wäre zumindest wünschenswert. Ob sich das tatsächlich so entwickelt, wird sich zeigen. Oder liesse sich zeigen, wenn es an anderen Orten schon versucht worden ist.
    Die Datenlage scheint den Optimismus der Befürworter nicht ganz zu rechtfertigen. Aber auch nicht den Pessimismus der Gegner.
    Ich hätte mir eine Auseinandersetzung mit den Erfahrungswerten gewünscht. Was erfahrungsgemäss in der Schweiz allerdings keine Tradition hat.
  3. „Wer von einem Abstimmungsentscheid betroffen ist, soll darin auch eine Stimme haben.“
    Wenn man von einem Abstimmungsentscheid betroffen ist, dann resultieren daraus Pflichten. Ob alle diese Pflichten sofort zum tragen kommen oder erst Ende Jahr oder erst in ein paar Jahren, spielt dabei eigentlich keine Rolle. Im Grund ist es also genau die gleiche Forderung wie die der SVP: „Ohne Pflichten keine Rechte“ – bloss dass man sich hier die Pflichten nicht zusammenpflückt, wie es einem gerade passt.

Es gibt sicherlich Gründe, warum man gegen das Stimmrechtalter 16 ist. Dass man dagegen ist, weil die andere Seite davon profitieren würde, ist allerdings ein schlechter Grund. Er unterscheidet sich durch nichts von der Forderung allen Nicht-SVP-Wählern das Stimmrecht vorzuenthalten. Eine sehr eigenwillige Interpretation der Demokratie.


Noch eine letzte Idee: Wenn sich Parteien auf eine Parole einigen wollen, sollten sie eine verblindete Strategie anwenden: Die eine Hälfte der Delegierte erhält Statistiken, die belegen, dass die Vorlage der eigenen Seite zugute käme, die andere Hälfte, dass es den Gegner helfen würde.
Wenn die beiden Gruppen nicht zum gleichen Entschluss kommen, dann verdankt sich das Ergebnis nicht der von der praktischen Lebenserfahrung gestählten Vernunft, sondern einzig und allein Eigeninteressen. Und dann sollte sich die Partei ehrlicherweise eine Parole verkneifen.

Die Monsterjagd der SVP

Gut möglich, dass aufgrund die Annahme des CO2-Gesetzes Familien bis zu 1000 Franken pro Jahr kosten wird. Es ist vielleicht auch nicht unplausibel, dass sich deswegen der Werkplatz Schweiz verteuert. Und eventuell wird es tatsächlich zu grossen Umverteilungen und massiven Aufstockungen der Bürokratie führen, die bei den Sozialdemokraten für ein wohliges Kribbeln in der Leistengegend sorgen werden.
Doch das ist kein Argument, denn die einzige Frage, die hier zählt, ist: Wird das CO2-Gesetz den Ausstoss von CO2 in der geplanten Grössenordnung senken? Dazu äussert sich Christian Imark aber nicht.

Der CO2 Ausstoss muss runter. Und zwar schnell. Sonst geht es uns an den Kragen.
Das heisst im Klartext: Der CO2 Ausstoss muss um jeden Preis runter.
Wenn das Familien bis zu 1000 Franken pro Jahr kostet, dann ist es halt so.
Wenn der Wirtschaftsstandort Schweiz Attraktivität einbüsst, dann ist es halt so.
Wenn das zu Umverteilungen und einer Vergrösserung der Bürokratie führt, dann ist es halt so.
Und wenn es die Sozialdemokraten erregt, dann gönnen wir es ihnen.
All diese Dinge sind doof, zweifellos, aber wenn es ohne sie nicht geht, dann muss trotzem man durch.

Masken Tragen und Social Distancing sind auch doof, aber wenn wir damit verhindern können, dass das Gesundheitswesen, die Wirtschaft und die Kultur zusammenbrechen, dann führt da kein Weg dran vorbei. (Das ist – wohlgemerkt – kein Kommentar zu den konkreten Corona-Massnahmen des Bundesrates, die man als zu lasch oder zu streng betrachten kann. Es ist einfach die Feststellung, dass es katastrophale Folgen hätte, wenn man COVID-19 einfach ignorieren würde.)

Und auch die Landesverteidigung kostet uns eine ganze Stange Geld und Freizeit. Auch das ist doof. Doch leider unumgänglich, wenn wir das, was wir haben, bewahren wollen. Wobei das, was wir haben, weniger ist, als das, was wir hätten, wenn wir Geld und Freizeit dafür nicht opfern müssten. Zumindest kurzfristig. (Und das ist – wohlgemerkt – kein Kommentar zur Landesverteidigung, wie die Schweiz sie lebt. Man kann diese nämlich auf ganz verschiedene Arten organisieren und man kann sich durchaus darüber streiten, welche effizienter ist.)

Christian Imark sagt nicht, dass das CO2-Gesetz die gesteckten Ziele nicht erreichen wird.
Er sagt auch nicht, dass das CO2-Gesetz den Weg zu effektiveren CO2-senkenden Strategien verbaut. Er sagt nur, dass wir dann nicht mehr so weiterleben können wie bisher.

Tja. Das können wir tatsächlich nicht. So oder so.
Und das müssen wir langsam (also eigentlich ziemlich schnell) akzeptieren.

Das oben war natürlich nur ein Slogan, der sich hübsch an einer Plakatwand macht. Das tatsächliche Agrumentarium1 der SVP ist natürlich wesentlich eloquenter:

„Das neue CO2-Gesetz ist
erstens teuer,
zweitens nutzlos
und drittens ungerecht.“2

Es folgen nun die Detail-Argumente, die erklären, warum das CO2-Gesetz teuer, nutzlos und ungerecht ist. Ich habe den Text Wort für Wort von der SVP-Webseite übernommen (violettkursiv) und mit meinen Gedanken ergänzt (schwarzwiedienacht).
Mein Fokus liegt dabei weniger darauf die Argumente zu entkräften, sondern sie in den in den Kontext einer existenziellen Bedrohung durch ein „Monstrum“3 zu stellen.

1. «Teuer»

1.1. Erhöhung des Treibstoffpreises um 12 Rappen pro Liter – das betrifft alle, die auf das Auto angewiesen sind, aber letztendlich auch alle Konsumenten!

  • Pendler, die auf ihr Auto angewiesen sind, werden stark belastet.
    Stimmt. Pendler, die auf ihr Benzinauto angewiesen sind, werden stark belastet. Auf der anderen Seite füttern sie mit ihrem Verhalten das Monster. Ist es da nicht berechtigt, sie zur Kasse zu bitten? Insbesondere da es ja Alternativen gibt – sei es in Form von öffentlichem Verkehr oder elektrischen Autos.
  • Die Bevölkerung in Gebieten, in denen kein enges ÖV-Netz zur Verfügung steht, wird überproportional belastet – also alle, die ausserhalb der urbanen Zentren oder in Bergregionen leben.
    Dies führt zu einem Graben zwischen der Bevölkerung in städtischen und ländlichen Gebieten.
    Auch das stimmt. Hier fällt die Option des öffentlichen Verkehrs zunächst einmal weg. Wenn aber die Nachfrage steigt, ist es dann nicht naheliegend, dass der öffentliche Verkehr an diesen Orten wieder verstärkt Präsenz zu zeigen beginnt.
    Dies würde nicht zu einem (neuen) Graben zwischen Stadt und Land führen, weil es diesen schon lange gibt (nicht zuletzt dank des fleissigen Buddelns der SVP). Aber es könnte ihn tatsächlich tiefer machen (woraus die SVP dann sicherlich politisches Kapital zu schlagen wissen wird).
    Ich denke aber, es liegt durchaus in der Macht der Politik hier die Weichen so zu stellen, dass sich der öffentliche Verkehr wieder wohl fühlt auf dem Lande und dass der Graben nicht weiter wächst.
  • Gewerbebetriebe bzw. ganze Branchen, die auf das Auto angewiesen sind, werden benachteiligt, z. B. Handwerker, Landwirte, etc.
    Gewerbebetriebe, die sich den neuen Umständen nicht anzupassen fähig sind, werden darunter leiden. Stimmt. Aber das ist nichts neues. Damit waren die Gewerbebetriebe schon seit jeher konfrontiert. Es gab Zeiten, in denen Sklaverei okay und Umweltauflagen kein Thema waren. Als dann irgendwelche Hippies kamen und das änderten, machten sie vielen Branchen das Leben schwer.
    Müsste man Gewerbebetriebe und Branchen, die auf nicht gewillt sind im Angesicht des Monsters etwas an ihrer Haltung zu ändern, nicht als Kollaborateure mit dem Feind betrachten? Sind Rüstungslieferungen an den Feind, der unverhohlen eine Invasion in die Schweiz plant, wirklich okay, wenn andernfalls Arbeitsplätze gefährdet sind?
  • Wird die Mobilität künstlich verteuert, wird die ganze Wertschöpfungskette verteuert, d. h. Waren und Dienstleistungen werden für den Endkonsumenten teurer. Dies trifft vor allem die einkommensschwache Bevölkerung, für welche die zusätzliche finanzielle Belastung nicht mehr tragbar ist.
    Einige Formen der Mobilität werden verteuert. Wenn der Produzent nicht auf andere umsteigen kann, werden die Produkte teurer und die (einkommensschwachen) Konsumenten werden auf die der Konkurrenz umsteigen, die es geschafft hat, auf andere Formen der Mobilität umzusteigen.
  • Durch die Umverteilung von 50% der Strafzahlungen der Autoimporteure, welche die erlaubten Höchstwerte der CO2-Emissionen bei ihren Neuwagen nicht einhalten können, Gelder, die dem Nationalstrassen- und Agglomerations-Fonds NAF zufliessen sollten, fehlen der Strasseninfrastruktur Gelder für den Unterhalt und den Ausbau des Strassennetzes. Dies wird zu einer weiteren Treibstoffpreiserhöhung führen, um die fehlenden Gelder zu kompensieren. Damit wird der motorisierte Individualverkehr noch mehr belastet.
    Dieses Argument verstehe ich nicht ganz. Aufgrund des CO2-Gesetzes fehlen Gelder für die Nationalstrassen, die dann durch Treibstoffpreiserhöhungen beschafft werden? Was die oben angesprochenen Probleme noch mehr verschärft?
    Okay, dann wird alles, was vorher befürchtet wurde, noch schlimmer. Und die Alternativen werden noch attraktiver.
  • Die Konsumenten werden bevormundet, weil auf eine einseitige Förderung der Elektromobilität gesetzt wird. Nur mit Technologievielfalt können aber alle Mobilitätsbedürfnisse effizient abgedeckt werden, da sich nicht jede Technologie für jeden Einsatz eignet.
    Im Prinzip stimmt das schon. Technologievielfalt ist sicherlich wichtig um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass alle Technologien erlaubt sein müssen.
    Als man giftige Farbstoffe auf Kinderspielzeug verbot, wurden Konsumenten dadurch wirklich bevormundet? Indem man ihnen die Möglichkeit nahm problemlos an Spielzeug zu kommen, das Ihre Kinder tötet? Ist das so schlecht?
    Die Idee von gewissen Steuern ist es, über den Geldbeutel das Verhalten der Menschen in eine „gesundere“ Richtung zu schubsen. Ist das so schlecht, wenn die Evidenzen klar sind, welches die „gesundere“ Richtung ist? Tabaksteuer um die Leute zum Nichtrauchen zu motivieren. Ist das so schlecht?
    Ob es funktioniert ist natürlich eine andere Frage. Aber ungesundes Verhalten (und dazu gehören CO2-intensive Handlungen) zu verändern zu versuchen, ist doch sinnvoll?
  • Eine massive Verteuerung des motorisierten Individualverkehrs verunmöglicht es vielen jungen Leuten, die Art ihrer Mobilität selbst zu wählen, da ihre finanziellen Mittel nicht ausreichen. Gerade in der Corona-Krise hat sich die grosse Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs für jeden Einzelnen von uns gezeigt.
    Was aber, wenn die Art der Mobilität, die die jungen Leute wählen würden, schädlich ist? Ich stimme schon zu, dass jeder das machen soll, was er will. Aber er darf damit anderen nichts antun, was diese nicht wollen. Die Freiheit kann stets nur so weit gehen, wie sie nicht die Freiheit eines anderen beschränkt. Da sind wir uns doch einig?
    Wenn jemand ein Haustier haben will, dann soll er sich eins zutun, aber wenn er es nicht artgerecht behandelt, dann ist es Tierquälerei und dann hört der Spass auch ziemlich schnell wieder auf. Das gleiche gilt für Umweltverschmutzung. Ich kann machen, was ich will, aber ich darf dabei nicht Erdöl in den Fluss schütten. Dass man das früher tat, weil man nicht wusste, wie schädlich das ist, ist kein Grund es auch weiterhin zu tun. Wir wissen es jetzt und wir müssen wohl oder übel auf die Freude verzichten, die solche Aktivitäten einem bereiten.
    Das doch eigentlich gut so?
    Wir wissen heute, welchen Schaden CO2 anrichtet und dass wir es uns nicht leisten können, das Treibhausgas noch mehr Schaden anrichten zu lassen.
  • Die massive Erhöhung der Treibstoffpreise könnte in den Grenzregionen zu «Tanktourismus» führen.
    Stimmt. Danke für den Hinweis. Da muss man sich dann wohl was ausdenken um dem Vorzubeugen. Ich setze da mein volles Vertrauen in die Bürokratie :D

Unsere Wirtschaft und damit alle Bevölkerungsschichten leiden zurzeit unter den immensen Auswirkungen der Corona-Krise und der Lockdowns. Diese dürfte auch noch längere Zeit anhalten. Es ist also der schlechteste Moment, die Mobilität zu verteuern, weil dies den Warentransport und etliche Dienstleistungen verteuert und damit Arbeitsplätze gefährdet werden.
Stimmt. Und wie mir scheint, setzt die SVP mit ihrer Corona-Politik alles dran, dass die Krise auch schön lange weiter geht.
Aber es stimmt schon. Der Zeitpunkt ist schwierig. Bloss, dass wir nicht wirklich die Zeit haben auf einen angenehmeren zu warten.

Als Corona letztes Jahr losgingt, hegte ich noch die Hoffnung, dass wir erkennen würden, dass man bei gewissen Problemen die Differenzen beiseite legen und gemeinsam an einem Strick ziehen kann. Idealerweise sogar über die Landesgrenzen hinaus.
Dass wir irgendwie aus der Erfahrung lernen würden und für die Herausforderung des Klimawandels besser gewappnet sein würden. Tja, damals war ich noch naiv.

1.2. CO2-Gesetz verteuert indirekt die Mieten – das trifft alle Mieterinnen
und Mieter!

Die Mieten in der Schweiz – vor allem in den Städten – sind jetzt schon sehr hoch.
Das wird mit dem CO2-Gesetz noch schlimmer:

  • Mehrkosten, die aufgrund des Heizungsersatzes entstehen, werden von den Hauseigentümern 1 zu 1 an die Mieter weitergegeben. Dies wird die Mieten in der Schweiz mittelfristig zum Steigen bringen.
    Ausser man setzt sich als Partei für die Interessen der Mieter ein?
  • Die aufgrund der steigenden CO2-Abgabe teureren Heizkosten werden 1 zu 1 via Nebenkosten an die Mieterschaft überwälzt, was die Wohnkosten für weite Teile der Bevölkerung drastisch erhöhen wird. Die beabsichtigte Lenkungswirkung verpufft dabei komplett.
    Geschah das gleiche nicht auch mit den Konsequenzen der Brandschutzvorgaben?
    Aber es stimmt schon. Es wird teuer. Aber die Frage ist nicht, ob es angenehm wird, sondern ob es nötig ist. Es ist schon schön, wenn die Politik den Menschen das Leben leichter macht. Manchmal muss sie die Leute aber auch zu Dingen bewegen, die vielleicht nicht angenehm, dafür aber leider nötig sind.

1.3. Verbot von Öl- und Gasheizungen – das trifft vor allem Hauseigentümer!

Mit dem neuen CO2-Gesetz wird es faktisch verboten, neue Öl- und Gasheizungen einzubauen und dies, obwohl moderne Öl- und Gasheizungen sehr sparsam sind im Verbrauch. Stattdessen werden künftig erneuerbare Heizungen wie bspw. Wärmepumpen vorgeschrieben, egal ob diese technisch oder ökologisch sinnvoll sind.

  • Viele Hauseigentümer haben die finanziellen Mittel nicht, um sich eine teure, erneuerbare Heizung leisten zu können.
    Sollte man sich dann nicht lieber Gedanken darüber machen, wie man CO2-neutrale Heizungen erschwinglicher macht?
  • Insbesondere bei älteren Personen im Rentenalter, die voraussichtlich nur noch wenige Jahre in ihrem Eigenheim leben können, lohnt sich die teure Investition im Sinne einer Vollkostenrechnung nicht.
    Steigt der Preis der Immobile nicht, wenn eine CO2-neutrale Heizung drin steckt?
  • Viele Gebäude eignen sich nicht für erneuerbare Systeme wie Luft-Luft- oder Luft-Wasser-Wärmepumpen: Man kann aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht bohren, die Lärmbelästigung wäre zu hoch, die Umgebungstemperatur ist ganzjährlich zu niedrig oder das Gebäude ist baulich schlicht nicht auf eine Wärmepumpe ausgelegt.
    Auch hier setze ich auf die Genialität der Schweizer Betriebe, die sich schon was ausdenken werden. Was für die einen eine Hürde ist, ist für die anderen ein Trampolin.
  • Es wird bereits heute sehr viel getan, um den Ersatz von fossilen Heizungen zu fördern.
    Und das ist auch gut, doch die Frage ist, ob es reicht. (Pssst. Tut es nicht.)
  • Der Hauseigentümer muss selbst entscheiden können, welches Heizsystem für seine Verhältnisse das beste ist.
    Muss auch der Patient selbst entscheiden, welche Medikamente für ihn am besten sind? Und muss zwingen auch Zyankali zur Auswahl stehen?
  • In Gebäuden, die unter Schutz (Heimat- oder Denkmalschutz) stehen, ist der Einbau einer Wärmepumpe meist gar nicht möglich.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bürokratie, die es einem bisher das Leben so schwer gemacht hat, wenn man irgendwelche Änderungen an denkmalgeschützten Gebäuden vornehmen wollte, einen neu neu dazu zwingen würde eine Wärmepumpe einzubauen.

Das Heizen ist in der Regel einer der grösseren Posten des ökologischen Fussabdrucks, der sich nicht so leicht reduzieren lässt. Man kann relativ einfach weniger fliegen, weniger Fleisch essen und auch sonst einen nachhaltigeren Lebenswandel führen, doch die CO2-Kosten einer ölbeheizten (und schlecht isolierten) Wohnung lassen sich nicht so einfach senken. Man kann in eine Minergie-Wohnung umziehen, doch dann übernimmt die alte Wohnung jemand anders und unter dem Strich ändert sich kaum etwas. Da muss der Hebel an anderer Stelle angesetzt werden. Das CO2-Gesetz versucht es mit dem Verbot von Neuinstallationen von Heizungen, die auf fossilen Brennstoffen beruhen. Wenn das nicht der richtige Weg ist um Öl- und Gasheizungen loszuwerden, welcher ist es dann? Denn loswerden müssen wir diese Monsterfutterschleudern – ob sie nun sehr viel oder sehr wenig Futter schleudern ist dabei nicht so wichtig, denn füttern tun sie das Monster so oder so.

1.4. Verdoppelung der CO2-Abgabe – das benachteiligt unser Gewerbe und unsere Wirtschaft im internationalen Wettbewerb und gefährdet letztendlich Arbeits- und Ausbildungsplätze!

Die CO2-Abgabe auf Heizöl und Gas wird mehr als verdoppelt, von 96 auf neu bis zu 210 Franken pro Tonne CO2.
Stellen wir uns vor, wir haben ein Restaurant und wir kreieren ein fantastisches, neues Gericht. Den Preis errechnen wir aus den Wahrenkosten und dem Deckungsbeitrag. Alles läuft auch wunderbar, doch auf einmal kommt die Müllabfuhr und erklärt uns, dass die Essensreste von unserem fantastischen, neuen Gericht sich irgendwie nicht den anderen Abfällen vertragen und diese deshalb als Sondermüll behandelt werden müssen. Was natürlich extra kostet. Wer wird dann wohl für die zusätzlichen Kosten aufkommen müssen? Der Souverän? Können wir uns darauf herausreden, dass früher die Essensreste als Normalmüll entsorgt wurden und es folglich auch in Zukunft so verrechnet werden muss? Und dass wir mit den Essensresten unseres fantastischen, neuen Gerichts früher oder später die Müllverbrennungsanlage explodieren lassen, braucht uns folglich auch nicht zu interessieren?
Macht es keinen Sinn die Abgaben auf etwas, das uns teuer sehr, sehr teuer zu stehen kommt, zu erhöhen um die Leute dazu zu motivieren diese Sache weniger zu tun? Und daran, dass die Klimaerwärmung uns teuer zu stehen kommt, daran sollte inzwischen kein Zweifel mehr bestehen.

  • Die behauptete Lenkungswirkung der CO2-Abgabe ist höchst fraglich: Eine einmal installierte Heizung wird aufgrund der hohen Investitionskosten in der Regel bis ans Lebensende weiterbetrieben. Eine Erhöhung der Abgabe auf den Brennstoff führt somit frühestens dann zu einer Lenkungswirkung, wenn die Heizung ohnehin ersetzt werden muss. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die Lenkungsabgabe wohl oder übel bezahlt werden. Das ist ungerecht.
    Was aber, wenn sich das Ersetzen einer Heizung lohnt?
  • Die Lenkungswirkung der CO2-Abgabe ist bei Mietern inexistent: Mieterinnen und Mieter bezahlen die CO2-Abgabe via ihren Nebenkosten, haben aber bei der Auswahl des Heizsystems keine Mitsprache. Dies ist eine weitere Ungerechtigkeit, der Mieter mit dem neuen Gesetz ausgesetzt sind. Für den Hausbesitzer besteht kein Anreiz, zu einem erneuerbaren System zu wechseln.
    By the way: Werden die Wohnungen mit alten Heizsystemen wegen der hohen Nebenkosten nicht ziemlich schnell mal Zeit unattraktiv? Ist das keine Lenkungswirkung?
  • Die schweizerische CO2-Abgabe ist bereits heute die höchste der ganzen Welt. Eine Verdoppelung ist nicht zu rechtfertigen und schwächt den Standort Schweiz.
    So ziemlich alles ist in der Schweiz das teuerste der ganzen Welt.

1.5. Flugticketabgabe – das trifft vor allem junge, reisefreudige Leute, Familien mit Kindern und schädigt unsere Flughäfen in Genf und Zürich!

Es wird eine neue Steuer von 30 bis maximal 120 Franken auf Flugtickets eingeführt.
Was wenn es üblich wäre, nach jedem Flug 500 Liter Öl ins nächste Gewässer zu schütten? Wäre das ein Grund die Ticketpreise zu erhöhen um so die Sanierung der Gewässer zu finanzieren?

  • Die Abgabe wird niemanden vom Fliegen abhalten. Wer es sich leisten kann, wird die Abgabe kaum bemerken. Wer weniger finanzielle Mittel hat, wird das Geld woanders einsparen müssen. Es findet kein Flug weniger statt.
    Wirklich? Wieso genau fliegen dann ärmere Menschen weniger als reiche? Sie können das Geld ja auch jetzt schon woanders einsparen, oder nicht?
  • Um Geld zu sparen, werden Kunden auf Flughäfen im grenznahen Ausland ausweichen, was eine zusätzliche CO2-Belastung durch die Autofahrt zum Flughafen zur Folge hätte.
    Verglichen mit dem CO2, das mit dem Flug ausgestossen wird, ist der Beitrag des Autos in diesem Fall marginal.
  • Der Flughafen Basel wird gegenüber den anderen Schweizer Landesflughäfen bevorteilt, da die Schweizer Flugticketsteuer im französischen Teil des Flughafens nicht erhoben werden kann.
    Zumindest so lange, bis auch Frankreich die Steuer erhöht. Der Klimawandel ist ein globales Problem und jedes Land wird früher oder später drastische Massnahmen ergreifen um den CO2-Ausstoss massiv zu reduzieren.
  • Die Flugbranche und insbesondere die Landesflughäfen leiden am meisten unter der Corona-Krise. Was sie am wenigsten gebrauchen können, sind neue Abgaben und eine weitere Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit.
    Auch die Henkerbranche hat mächtig gelitten unter der Abschaffung der Todesstrafe.
  • Internationale Unternehmen könnten bei einer willkürlichen Verteuerung der Flugticketpreise ihre Hauptsitze ins Ausland verlegen. Die Rolle des Flughafens Zürich als Hub ist gefährdet.
    Dieses Argument schleicht sich jedes mal irgendwo ein. Das ändert aber nichts daran, dass man mit Erpressern nicht verhandeln soll. Nun ja, verhandeln schon, aber ihren Forderungen nicht nachkommen. Zumindest nicht vollumfänglich.

Die Frage, ob Fliegen überhaupt gerechtfertigt werden kann, wird irgendwie gar nicht erst gestellt. Klar, manche Flüge sind notwendig. Und manche sicherlich auch verdient. Aber Anspruch auf Fliegen gibt es nicht. Genauso wenig wie es einen Anspruch auf Tierquälerei gibt.

1.6. Privatflugabgabe – das schadet unserer Wettbewerbsfähigkeit!

Jeder Start eines Privatflugzeugs von über 5700 kg Startmasse soll mit einer Abgabe zwischen 500 und 3000 Franken belastet werden.

  • Internationale Unternehmen könnten bei einer willkürlichen Verteuerung der Geschäftsfliegerei ihre Hauptsitze ins Ausland verlegen.
    Und weil das Argument so gut ist, gleich zweimal?
  • Kleinflughäfen würden bei einem Rückgang der Geschäftsfliegerei empfindliche Umsatzeinbussen erleiden. Dies würde dazu führen, dass einige von ihnen schliessen müssten, weil sie nicht mehr rentabel betrieben werden könnten.
    Auch Folterknechte mussten sich neue Berufe suchen als sich die Menschenrechte durchsetzen… Natürlich muss man Stellen schützen. Aber nicht jede um jeden Preis. Die Zeiten ändern sich.

Mein Fazit: Irgendwie scheint die SVP nicht viel Vertrauen zu haben in die Innovationsfähigkeit der Schweiz…

2. «Nutzlos»

2.1. Das CO2-Gesetz hat keinen spürbaren Einfluss auf das Klima – und dafür sollen wir Milliarden zahlen, unsere Bevölkerung und unser Gewerbe massiv belasten?

  • Die Schweiz ist gerade einmal für einen Tausendstel des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich. Selbst wenn wir von heute auf morgen unseren CO2-Ausstoss auf null herunterfahren, hätte dies keinen Einfluss auf das Weltklima.
    Die Schweiz hat auch etwa einen Tausendstel der Erdbevölkerung (8,67 Mio von 7.77 Mia, Stand 1.5.2021). Als Vorreiter im CO2-Sparen kommen wir damit nicht wirklich rüber.
    Wichtiger aber ist, dass wir mit unseren 4.19 Tonnen CO2 pro Jahr in Sachen pro Kopf Emissionen auf Platz 25 stehen (Stand 2019, Quelle statistika.com).
    Okay… laut Wikipedia und ihre Quellen stehen wir auf Platz 61, knapp über dem Mittelwert der Welt.
    Das „gute“ Abschneiden verdankt sich zu einem grossen Teil dem Umstand, dass wir einen grossen Teil unseres Stroms mit Wasserkraft herstellen. Was nicht das Verdienst unserer Charakterstärke oder Innovationsfähigkeit ist, sondern der unserer Topographie. (Übrigens: Der Klimawandel gefährdet genau diesen Energielieferanten.)
  • Solange die Hauptemittenten (China, USA, Russland, Brasilien usw.) ihren CO2-Ausstoss nicht markant senken, bringt ein teurer Alleingang der kleinen Schweiz niemandem etwas.
    Das stimmt natürlich. Es nimmt uns aber auch nicht aus der Verantwortung. Und dass es ein Alleingang wäre, kann man so auch nicht sagen. Wir sind nicht mal in der Top Ten der Länder mit den höchsten Leistungen für den Klimaschutz (wobei nicht mal die Nummer 1, Schweden, „sehr gut“ abschnitt, denn nicht mal dort wurde der erforderliche Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung erreicht.
  • Es ist für die Entwicklung des Weltklimas irrelevant, wann die Schweiz CO2-neutral wird. Die Fixierung auf eine konkrete Jahreszahl ist blosse grüne Propaganda.
    Alle müssen CO2-neutral werden. So schnell wie möglich.
    Würde es dem Wirtschaftsstandort Schweiz nicht gut tun, wenn er frühzeitig auf zukunftstaugliche Regulierungen setzt? Ist eine Schweiz, die nachhaltige Technologien schätzt und fördert nicht attraktiv für Unternehmen, die in diesen Branchen unterwegs sind? Unattraktiv wird sie lediglich für ignorante Fossilien, die einfach weiter machen wollen, wie bisher.
  • Der CO2-Ausstoss der Schweiz sinkt auch ohne CO2-Gesetz kontinuierlich – die Schweiz ist bereits heute vorbildlich unterwegs: In Neubauten werden keine Öl- und kaum noch Gasheizungen eingesetzt, der Anteil an Elektro- und Hybridfahrzeugen steigt beständig und die bestehende Heiz- und Motorentechnologie wird immer effizienter.
    Der CO2-Ausstoss der Schweiz sinkt. Und das ist natürlich gut so. Die Frage ist aber, ob er es genug tut. Die Antwort ist leider Nein.
  • Die Schweizer Bevölkerung hat ihren CO2-Ausstoss pro Kopf in den letzten 10 Jahren um knapp 24% reduziert. Eine Fortführung dieser Entwicklung resultiert bis 2030 in weniger als der Hälfte des Pro-Kopf-Ausstosses von 1990. Eine Verschärfung mit der Brechstange ist nicht nötig.
    Das ist ja alles schön und gut, aber es ist kein Argument, wenn es nicht genug ist.

Welche Position die SVP wohl einnehmen würde, wenn nicht von CO2-Ausstoss sondern von Ausländer-Einwanderung (die in den letzten Jahren ja auch sinkt) die Rede wäre? Kann man auch da auf die Brechstange verzichten?

2.2. Das CO2-Gesetz ist ein Bürokratiemonster – es ist nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich!

  • Das CO2-Gesetz bläht den Staatsapparat noch weiter auf und bringt für den Bürger zahlreiche neue Regeln, Vorschriften und Verbote.
    Gegen Regeln, Vorschriften und Verbote ist – finde ich – nichts einzuwenden, wenn sie Sinn machen. Wenn zum Beispiel Minarette verboten oder Kleidungsvorschriften erlassen werden. Ob das aber auch zwingend den Staatsapparat aufbläht? Ich weiss nicht. Und selbst wenn. Manchmal lohnt es sich, wenn damit kriminelle Ausländer ausgeschafft werden können. Oder sehe ich das falsch? *ironieaus*
  • Der Staat will dem Bürger vorschreiben, wie er zu leben hat.
    Ist nicht genau dafür der Staat da? Damit er dafür sorgt, dass sich die Bürger an die Regeln halten? Und sind wir nicht ein Demokratie, damit der Staat uns das richtige vorschreibt?
  • Das Parlament hat das CO2-Gesetz komplett überladen. Einige Artikel sind derart kompliziert geschrieben, dass selbst Experten sie kaum verstehen.
    Okay? Und daraus folgt? … Ressentiments gegen die Elite?
  • Die neuen Benzin-, Diesel-, Heizöl- und Flugticketsteuern sollen in einen «Klimafonds» fliessen, aus dem die Verwaltung dann wahllos Geld verteilen kann. Dafür sollen der Ausbau und Unterhalt der Strassen vernachlässigt werden. Gleichzeitig werden die Gelder dem Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds NAF entzogen und dies entgegen dem entsprechenden Entscheid des Schweizer Stimmvolks aus dem Jahr 2017.
    Könnte der „Klimafond“ beispielsweise finanzschwachen Pensionären helfen die Heizung auszutauschen? Rein theoretisch meine ich?

2.3. Nutzlos und gefährlich: Es ist keine vernünftige Alternative zur fossilen Energie vorhanden!

Die Mineralölbranche trägt den Hauptteil zur Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Energie bei. Selbst bei schlimmsten Krisen und Versorgungsengpässen kann die Gesellschaft mindestens vier Monate lang mit fossiler Energie versorgt werden. Wer einen vollen Heizöltank im Keller hat, muss sich den ganzen Winter über keine Sorgen über sein Warmwasser oder seine Heizung machen. Es ist höchst verantwortungslos, diesen Vorteil ohne Alternative aufzugeben.
Ob keine vernünftigen Alternativen vorhanden sind, darüber scheiden sich die Geister. Experten scheinen nicht so pessimistisch zu sein.
Es ist aber genauso verantwortungslos dem Klimawandel nichts entgegen zu setzen. Insbesondere da es dort tatsächlich keine Alternativen gibt.

  • Es ist höchst unklar, woher zukünftig der Strom für die zahlreichen Elektroautos und Wärmepumpen kommen soll. Wir werden unsere Atomkraftwerke mittelfristig herunterfahren. Gleichzeitig liefern die erneuerbaren Energien nicht annähernd ausreichend Strom. Dadurch werden wir abhängig vom Ausland. Zu diesem Schluss kommt auch eine Studie der EMPA vom Juli 2019. Da auch in den Nachbarländern die Stromversorgung auf erneuerbar umgestellt wird, ist im Krisenfall nicht damit zu rechnen, dass wir noch Strom aus dem Ausland beziehen können.
    Ich halte den Ausstieg aus der Atomkraft im Kontext der Klimaerwärmung tatsächlich für problematisch. Aber okay, mit dem CO2-Gesetz ist es also ungewiss, ob die Stromversorgung sichergestellt werden kann. Aber auch hier ist die Frage: Was ist die Alternative. Elektroautos und Wärmepumpen sind auch ohne CO2-Gesetz auf dem Vormarsch. Weil sie kosteneffizienter sind. Das heisst der Stromverbrauch wird auch ohne CO2-Gesetz steigen.
    Etwas mehr als 50% der Stromproduktion kommt aus der Wasserkraft. Und diese ist direkt vom Klimawandel betroffen. Die Stromversorgung ist also so oder so gefährdet.
  • Es drohen massive Strommangellagen bzw. Stromausfälle. Ein Szenario, welches gemäss Studien des Bundes deutlich gravierendere Konsequenzen hat als Pandemien oder der Klimawandel.
    Also da hätte ich schon gern den Link zu den Studien des Bundes.
    Mich nähme schon Wunder, wie man Strommangel aufgrund von CO2-Gesetz, Strommangel aufgrund von Klimawandel, gebremste und ungebremste Pandemien und den Klimawandel als Ganzes gegeneinander abwägt.
    Ganz besonders interessant finde ich, dass die Konsequenzen des Klimawandels offenbar bereits bekannt sind (und die SVP bereits mit ihnen kalkuliert(?)).

Zu diesem Punkten – muss ich eingestehen – kann ich leider kaum etwas anmerken. Auf den Webseiten von Organisationen, die mir politisch näher stehen, werden optimistischere Bilder gezeichnet was die Alternativen betrifft. Dafür werden dort aber auch die Gefahren des Klimawandelns sehr ernst genommen. Bei der SVP fehlt mir dagegen irgendwie jedes Zeichen dafür, dass man sich überhaupt bewusst ist, dass da etwas grosses auf uns zurollt. Und das kratzt schon ein bisschen an der Glaubwürdigkeit ihrer Einschätzungen. Aber natürlich könnte das auch nur mein Confirmatuion-Bias sein.

2.4. Nutzlos und innovationsfeindlich: Anstelle von immer mehr Steuern, Verboten und Vorschriften setzen wir auf Innovation!

  • Der Weg hin zur angestrebten Klimaneutralität ist nur möglich über Forschung, Innovation und nachhaltige Anreizsysteme, nicht über Verbote, Vorschriften und neue Steuern.
    Jap. Da sind wir uns einig.
    Zumindest fast, denn Verbote, Vorschriften und neue Steuern sind Anreizsysteme und können meines Erachtens der Forschung und Innovation durchaus einen Schubser geben.
  • Das CO2-Gesetz gibt zu einseitig den Weg in Richtung bestimmter Technologien vor (bspw. Elektromobilität). Somit wird Innovation im Keim erstickt – vielleicht stellt sich ein anderes System als überlegen heraus, bspw. die Wasserstoffmobilität.
    So wie ich es verstehe, wird das CO2 geächtet. Für alle andere stehen die Türen offen.
  • Die CO2-Bilanzen der verschiedenen Technologien müssen endlich ganzheitlich betrachtet werden: Gemäss einer Studie des Fraunhofer-Instituts braucht ein Elektroauto mit einer nur 40 Kilowatt grossen Batterie, das an der Steckdose geladen wird, eine Laufleistung vom 72’000 km, um einen CO2-Vorteil gegenüber einem Benzinfahrzeug aufzuweisen. Bei einer 58 kWh grossen Batterie sind es bereits 100’000 km, bei 95 kWh sind es 166’000 km bis zu einem Klimavorteil gegenüber einem Diesel. Das heisst bei der Herstellung eines Elektroautos wird doppelt so viel Umwelt zerstört, wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor.
    Da ist durchaus was dran. Ich bin aber etwas skeptisch, ob die erwähnten Zahlen immer noch aktuell sind. Hätten sie die entsprechende Studie verlinkt, könnte man das überprüfen.
    Hinzu kommt – und lehne ich mich bewusst sehr weit aus dem Fenster raus -, dass 1 Tonne CO2 aus erneuerbaren Quellen besser ist als 1 Tonne CO2 aus fossilen. Das heisst, wenn ein Elektroauto sehr viel weniger effizient Solarstrom frisst als ein Benzinauto Benzin, dann hat immer noch das Elektroauto die Nase vorn.
  • Das CO2-Gesetz zielt auf die Abschaffung ganzer Infrastrukturen im Heizungs- und im Tankstellenbereich ab. Wenn aber einmal alle Ölheizungen und fossilen Zapfsäulen verschwunden sind, kann sich allfällige Innovation gar nicht mehr entwickeln, namentlich synthetische oder biogene Brenn- und Treibstoffe.
    Verstehe ich das richtig? Ohne fossile Zapfsäulen ist eine Innovation in synthetischer und biogener Brenn- und Treibstoffentwickung unmöglich? Müsste dann nicht die Elektroautoindustrie im Keim erstickt worden sein, wo es doch keine elektrischen Zapfsäulen gab?

2.5. Das CO2-Gesetz ist nicht nur nutzlos, sondern sogar kontraproduktiv!

Nach meiner Ansicht ist diese Argumentationslinie die einzig legitime. Ob das Argument aber einer kritischen Prüfung standhält, wird sich zeigen.

  • Das CO2-Gesetz verhindert den Einsatz von Bio-Treibstoff, denn darin sind biogene Treibstoffe nicht mehr steuerbefreit. Damit wird eine der wirksamsten Massnahmen zur CO2-Einsparung abgewürgt.
    Sie picken sich die eine nachhaltige Technologie heraus, der es an den Kragen geht, so es denn tatsächlich so ist – was ich ehrlich gesagt bezweifle -, stilisieren es hoch als einzige Rettung und führen sie in die Schlacht. Obwohl sie zuvor wahrscheinlich vehement gegen die Steuererleichterung für diese innovative Technologie gewesen sind.
  • Das CO2-Gesetz wird aufgrund der darin enthaltenen Verteuerung der Mobilitäts- und Energiekosten zahlreiche Firmen dazu bringen, ihre Produktionsstandorte aus der Schweiz in andere Weltgegenden zu verlegen, in denen es keine Vorschriften bezüglich CO2-Emissionen gibt. Dies schwächt den Standort Schweiz und schadet dem Klima unter dem Strich sogar!
    „Wenn ich die Drogen nicht verkaufe, dann tut es jemand anders und der wird seinen Stoff noch viel mehr strecken als ich. Ich verkaufe die Drogen, weil ich mich um die Gesundheit meiner Kunden sorge.“ (Dass das Argument absurd ist, ist klar, aber ich frage mich, ob man sich nicht vielleicht sogar strafbar macht, wenn man es benutzt?)
    Am traurigsten finde ich aber, dass die SVP hier ziemlich unverhohlen behauptet, dass nicht die Qualität der Schweizer Arbeitskräfte oder die Planungssicherheit der Schweizer Gesetzeslandschaft, sondern die tiefen Energiekosten, Steuern und Umweltauflagen die Firmen dazu bewegen sich hier niederzulassen.

Die Planungssicherheit ist aber durchaus ein Punkt, den man sich etwas genauer anschauen sollte. Firmen müssen sich darauf verlassen können, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wenn schon nicht gar nicht, so doch in vorhersehbarer Weise entwickeln. Es ist durchaus im Interesse der Firmen, dass neue Erkenntnisse berücksichtigt werden und die Regeln den Gegebenheiten angepasst werden. Die Abschaffung der Sklaverei, der Vaterschaftsurlaub und das CO2-Gesetz sind kein Standortnachteil. Sie sind die logischen Konsequenzen der Erkenntnisse, die diesen Entscheidungen zugrunde liegen.
Es stellt sich nur die Frage, ob man lieber an einem Wirtschaftsstandort handelt, wo die Regeln, die sich früher oder später überall durchsetzen werden, früher oder später eingeführt werden? Ich sehe Gefahren und Chancen für beide Varianten, aber ich denke, dass innovative Firmen sich in einem progressiven Umfeld wohler fühlen werden.

Doch selbst, wenn dem nicht so ist, wenn die Zeit drängt, muss man sich bewegen, auch wenn man eigentlich gern noch abgewartet und von den Erfahrungen der anderen profitiert hätte.

3. «Ungerecht»

3.1. Mehrbelastungen für Familien, Pendler, Land- und Bergbevölkerung

  • Nicht alle sind von den Massnahmen des CO2-Gesetzes gleich stark betroffen: Familien, Auto-Pendler sowie die Land- und Bergbevölkerung werden stärker unter den neuen Abgaben leiden als ÖV-Benutzer oder die Stadtbevölkerung.
    Genau deshalb muss sich die Politik etwas ausdenken um jenen, denen es schwerer fällt, unter die Arme zu greifen.

3.2. Bestrafung von Mietern und Randregionen

  • Die zahlreichen Abgaben im CO2-Gesetz sind eine riesige Umverteilungsmaschinerie: «Gutes» Verhalten wird belohnt, «schlechtes» Verhalten wird bestraft. Zahlreiche Bürger – bspw. Mieter oder Bewohner von Randregionen – haben aber keinen Einfluss darauf, ob sie sich «gut» oder «schlecht» verhalten.
    Ist es denn falsch, dass gutes Verhalten belohnt und schlechtes bestraft wird? Und wenn jemand aufgrund von Umständen, die er nicht beeinflussen kann, sich schlecht verhält, ist es dann traditionell wirklich die SVP, die sich dafür einsetzt ein Auge zuzudrücken?

3.3. Es trifft das Kleingewerbe

  • Industrie- und Gewerbebetriebe mit hohem Energieverbrauch wie bspw. Bäckereien werden stärker zur Kasse gebeten als Banken oder Werbeagenturen. Dies führt zu einer Verteuerung von Gütern des täglichen Bedarfs, welche die Konsumenten zu tragen haben.
    Gute Idee endlich mal die Banken zur Kasse zu bitten…

3.4. Es trifft die unteren und mittleren Einkommensschichten

  • Wohlhabende Personen spüren die zahlreichen Abgaben gar nicht. Für Personen mit niedrigem Einkommen sind 200 Franken Mehrkosten pro Jahr für Benzin, Heizöl oder die jährlichen Sommerferien aber bereits einschneidend.
    … und die wohlhabenden Personen …

… vielleicht kann man es sich dann leisten den Personen mit niedrigem Einkommen während der schwierigen Zeit der Umstellung etwas unter die Arme greifen?

4. Und dann kommen noch ein paar weitere Argumente

4.1 Das CO2-Gesetz ist erst der Anfang

Sowohl die Grünen als auch die Klimajugend bezeichnen das CO2-Gesetz immer wieder als notwendigen, aber ungenügenden ersten Schritt und haben ihre Pläne für weitergehende Massnahmen bereits dargelegt.
„Klopf, klopf“ – „Wer da?“ – “ DER KLIMAWANDEL!“
Natürlich sind das nur die ersten Schritte. Denn die reichen nicht. Und das wissen alle (die den Klimawandel ernst nehmen).
Wir können erst aufhören zu laufen, wenn die Temperatur nicht mehr steigt. Oder besser noch, wenn sie wieder auf ein vernünftiges Level gesunken ist.

  • Wenn das CO2-Gesetz durchkommt, werden in einem nächsten Schritt noch deutlich schärfere Massnahmen gefordert, wie bspw. Verbote für Verbrennungsmotoren, Kurzstreckenflüge oder Fleischkonsum. Hohe Steuern auf «klimaschädliche Produkte» sind so gut wie sicher. Dies bedeutet eine totale Bevormundung der Bevölkerung.
    Sollten denn „klimaschädliche Produkte“ angesichts des Klimawandels nicht so schnell wie Möglich vom Markt verschwinden?
    Aber es stimmt schon, eine gewisse Bevormundung kann man nicht leugnen. Doch so funktioniert das eben in einem Rechtsstaat. Es gibt Regeln, an die man sich im Interesse der Allgemeinheit halten muss. Ist es denn auch (totale) Bevormundung, dass man (total) nicht töten darf?
    Totale Bevormundung? Selbst wenn alle menschen-, kultur- und klimaschädlichen Produkte verboten werden, wird man noch immer Freiheiten haben. Und sei es nur ungestraft die, sagen zu können, dass man es für eine totale Bevormundung hält.
  • Das CO2-Gesetz ist kein «gutschweizerischer Kompromiss», wie immer wieder behauptet wird, sondern ein radikales, völlig überladenes Gesetz, dem die Mitteparteien nur unter dem Eindruck der Klimastreiks zugestimmt haben.
    Hat mit den Klimastreiks nicht das Volk gesprochen?
    Und wenn das Volk spricht, sollte das Parlament dann nicht zuhören?
    Und wird das Volk nicht entscheiden, ob es sich das Gesetz geben will?
    Oder ist nur die Meinung der SVP die Volksmeinung™?

4.2 Befürworter haben finanzielle Interessen

Die Mineralöl- und Verkehrsverbände werden in der öffentlichen Diskussion stets als diejenigen dargestellt, die das Gesetz nur aus Eigennutz bekämpfen. Dabei ist das Gegenteil der Fall:
Nur um das klar zu stellen. Indem das Gegenteil der Fall sein soll, wird hier nicht etwa gesagt, dass auch die Befürworter des Gesetzes aus Eigennutz handeln, sondern dass allein die Befürworter des Gesetzes aus Eigennutz handeln, während die Mineralöl- und Verkehrsverbände das Gesetz völlig uneigennützig bekämpfen?

  • Diejenigen Wirtschaftszweige, die sich für das CO2-Gesetz einsetzen, profitieren ganz direkt finanziell von dem geplanten Klimafonds und den neuen Vorschriften und Regulierungen im CO2-Gesetz. Sie wollen die günstigere, fossile Konkurrenz mit Regulierung aus dem Markt drängen. Die Gegner des Gesetzes setzen sich hingegen für gleich lange Spiesse und einen möglichst freien Markt ein.
    Echt jetzt? Alteingesessene Akteure mit dicken Portemonnaies und guten Verbindungen zur Regierung haben gleich lange Spiesse wie neue Akteure ohne Geld und mit Ideen und Bedenken, die viele noch nicht so richtig begreifen?

Ganz allgemein: Sind finanzielle Interessen denn etwas schlechtes? Ändern sie etwas an der Gültigkeit der Argumente? Die einzige Konsequenz von finanziellen Interessen sollte sein, dass man, wenn es diese irgendwo gibt, die Argumente etwas genauer unter die Lupe nimmt, weil finanzielle Interessen die Leute motivieren können, unliebsame Details zu übersehen.

4.3 Klimajugend hat ganz andere Ziele: «System change, not climate change»

  • Die Klimajugend spricht offen von einem Systemwechsel, weg von einem marktwirtschaftlichen hin zu einem sozialistischen Gesellschaftsmodell. Solche Tendenzen haben in der Geschichte immer nur zu Elend, Not und Niedergang geführt.
    Systemwechsel ja. Weg von einem System, das gravierende Mängel aufweist, ist wünschenswert, welches System aber die Lösung bietet, darüber scheiden sich die Geister.
    Ja, bei manchen schwirrt ein sozialistisches im Kopf rum, bei anderen aber andere.
    Alle Kritiker in den gleichen Topf zu werfen ist populistisch.

Ob Systeme, die als sozialistisch bezeichnet wurden, tatsächlich sozialistisch waren, darüber lässt sich streiten, zweifellos funktionierten sie aber nicht so, wie erhofft.
Es ist aber ja auch nicht so, dass das marktwirtschaftliche System Elend und Not und den Klimawandel verhindert hätten.

4.4 Handel mit dem Ausland

Die Befürworter argumentieren stets, mit dem neuen CO2-Gesetz würde kein Geld mehr ins Ausland abfliessen und es würden dafür Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen. Dieses Argument lässt sich leicht kontern.

  • Es liegt in der Natur der Marktwirtschaft und der Globalisierung, dass Produkte dort hergestellt werden, wo sie am günstigsten sind und wo das Know-how am höchsten ist. Gemäss der Argumentation der Befürworter dürfte man keinen französischen Wein, keine koreanischen Handys und keine deutschen Autos mehr importieren, sondern müsste alles in der Schweiz herstellen.
    Nicht wirklich. Vielleicht sollte man sich mal anschauen, was die Befürworter tatsächlich sagen.

.

. .

. . .

. .

.

Liebe SVP

Ist es möglich, dass ihr den Klimawandel für Fake oder schlimmstenfalls für harmlos haltet? So spricht man nicht über Monster, die einen bedrohen.
So zurückhaltend sprecht ihr nicht über die Bürokratie, über die Masseneinwanderung oder über die EU. Eure Monster.
Was genau macht diese Dinge eigentlich in euren Augen so gefährlich? Dass sie uns unglaublich viel kosten werden und damit uns unserer Lebensgrundlage berauben?
Was denkt ihr, was der Klimawandel kostet und anstellt?

Was schlagt ihr vor?
Wie lässt sich der Klimawandel verhindern?
Wie lässt sich der CO2-Verbrauch der Schweiz und der ganzen Welt massiv senken?
Zur Zeit wehrt ihr euch ja nur gegen alle möglichen unbequemen Wege.
Welcher Weg soll es denn statt dessen sein?
Wird er reichen?
Und was wenn nicht?
Wird er schmerzen?
Wo darf er schmerzen?

Tu quoque, Roger

Roger Köppel wirft in seiner „Weltwoche Daily, 10.11.2020“ noch einmal einen Blick auf die vereinigten Staaten und die jüngsten Verwicklungen und Missverständnisse.

Das wichtigste zuerst: Wir haben – so Köppel – noch kein Ergebnis.
Es werde schliesslich noch gezählt und auch einige Anfechtungen vor Gericht seien noch hängig. Wer sich aus rechtsstaatlichen Gepflogenheit und Verfahren etwas mache, müsse das akzeptieren und abwarten.
Da hat er natürlich recht. Doch ich sehe jetzt nicht so ein grosses Problem darin sich verfrüht über den Sieg zu freuen. Wichtiger ist doch, ob man das Ergebnis – wie es auch immer herauskommt – akzeptieren wird.
Will der Köppel etwa behaupten, dass Biden ein schlechter Verlierer ist als Trump?

Solange es aussieht, dass Biden der nächste Präsident sein wird (und das tut es doch offensichtlich), ist es meines Erachtens Bidens gutes Recht, sich schon mal an die Arbeit zu machen. So ein Machtwechsel ist schliesslich jede Menge Arbeit. Dass er dabei noch keine Unterstützung durch die scheidende Administration erhält, nimmt er dieser noch nicht einmal übel. Ist also nicht so, dass er schon auf Dinge pochen würde, auf die er tatsächlich noch kein Anrecht hat.

Der Köppel lädt uns dann ein uns vorzustellen, was wohl passiert wäre, wenn Biden von Wahlbetrug geredet und Trump sich selbst zum Sieger erklärt hätte. Die gleichen Medien, die jetzt jubeln, – so Köppel – würden von Diktatur und faschistischen Anwandlungen im Weissen Haus reden… Es sei betrüblich, wie die eigene persönliche Moral und Vorliebe über den Rechtsstaat gestellt wird.

Dieses Gedankenexperiment ist in vielerlei Hinsicht schräg. Zum einen war die Disqualifizierung der Briefwahl eine von Trumps wichtigsten Wahlkampfstrategien. Er arbeitete in einer Zeit, wo wegen Corona viele brieflich abstimmen würden, sehr gezielt darauf hin, dass seine Anhänger an die Urne gehen würden. Wodurch allein aus dem Umstand, ob ein Wahlzettel persönlich in die Urne gelegt wurde oder per Post eintraf, mit grosser Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden konnte, was auf diesem stehen würde. Und wenn man weiss, in welchen Säcken die Wahlzettel des Gegners sind, kann man versuchen dafür zu sorgen, dass diese Säcke „aus Gründen“ nicht gezählt werden dürfen.
Zu Fragen, was wohl geschehen wäre wenn Biden von Wahlbetrug gesprochen hätte, macht in diesem Kontext etwa so viel Sinn wie zu fragen, was wohl geschehen wäre, wenn Hillary damals eine Mauer hätte bauen wollen.
Der Rest vom Gedankenexperiment, also dass Trump sich selbst zum Sieger erklärt hätte, ist noch absurder, denn am Tag von Bidens Siegeransprache twitterte Trump:

Und sogar ein paar Tage früher postete er folgendes:

Trump hat sich zum Sieger erklärt und wir sprechen schon seit Jahren davon, dass Trump faschistische Anwandlungen hat und mit einer Diktatur liebäugelt. Das ist nichts, was geschehen würde, wenn etwas anders wäre. Das ist leider Realität. Dieses Gedankenexperiment vom Köppel entspricht also ungefähr folgendem: Stell dir vor Karotten wären violett, dann würden Kühe Grass fressen. (Hä???)

Ich frage mich, ob durch den Vorwurf, dass Biden den Sieg zu früh für sich in Anspruch nahm, und das Verschweigen, dass Trump es noch viel früher tat, und durch den Hinweis, dass noch Gerichtsentscheide zum Vorwurf des Wahlbetrugs abgewartet werden müssen, und das Nichterwähnen, dass bisher keine stichhaltigen Hinweise auf irgendwelche Unstimmigkeiten bei der Wahl vorgelegt wurden, nicht irgendwie die eigene persönliche Moral und Vorliebe über das Ideal einer möglichst objektive Berichterstattung gestellt wird?

Auch dass Köppel mit keinem Wort erwähnt, dass das Untergraben des Vertrauens in den Wahlprozess ein direkter Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit ist, finde ich etwas befremdlich.
Wohlgemerkt, ich sage nicht, dass es keinen Wahlbetrug geben kann oder dass man bei Verdacht die Sache nicht notwendigerweise zu untersuchen braucht. Ich halte es lediglich für sehr problematisch Zweifel am Funktionieren der Wahl zu streuen, bloss weil das die Chance zu gewinnen steigert.

Dann führt Köppel breit aus, dass Biden in seinen Reden von Heilung spricht und die Medien das eins zu eins übernommen hätten: Die Sonne sei aufgegangen über den Vereinigten Staaten und alle Differenzen seien endlich beseitigt.
Woher hat er das? Klar, man freut sich darüber, das Biden es sich zur Aufgabe gemacht hat ein gespaltenes Land zu heilen, aber niemand behauptet, dass dies einfach werde oder gar schon geschehen sei.
Und eine Heilung ist bitter nötig, denn das Land ist tief gespalten. Und obwohl Trump nicht die Ursache der Spaltung ist, so trieb er sie doch massiv voran und zog daraus politisches Kapital.

(Ein Zyniker könnte anmerken, das in der Vergangenheit Krieg ein patentes Mittel war die Gesellschaft zusammenzuschweissen. Und dass Trump mit der Weigerung einen Krieg anzufangen dem gespaltenen Land die bitter nötige Heilung vorenthielt.)

Er mobilisierte Anhänger indem er dem Gegner ans Bein pinkelte. Die Leute strömten ihm zu nicht weil er ihr Leben besser, sondern weil er das der Gegner schlechter macht. Das ist nicht Spaltung in Kauf nehmen. Das ist Spaltung als Energiequelle nutzen.
Dass Köppel diese Kern/Gesellschafts-Spaltung-Analogie nicht aufgefallen ist, überrascht nicht, schliesslich hängt die SVP ja ehrlich gesagt am gleichen Netz.

Köppel fragt sich dann, von welcher Art von Heilung Biden hier eigentlich spreche?
Er unterstellt Biden und den Demokraten die Gesellschaft heilen zu wollen, indem alles weggeschnitten wird, was nicht gefällt. Von einer Krankheit, die alles als Fake-News zu bezeichnen versucht, was sie nicht hören will? … Denkt er wirklich, dass die Demokraten die Krankheit als Heilung für die Krankheit verwenden wollen? Dass sie Feuer mit Feuer bekämpfen wollen? Ist das nicht eher Doktrin auf der andern Seite?

Ich habe das Gefühl, dass Köppel hier im Interesse seines Arguments entgegen besseren Wissens Spaltung und Meinungsverschiedenheit gleichsetzt. Das ist nicht nur grundfalsch, es könnte vielleicht sogar eine der stärksten Triebkräfte für die Spaltung sein.

Ich mag anderer Meinung sein als der Köppel, ich bezweifle aber keine Sekunde, dass er – genau so wie ich – nur das beste für die Schweiz (und Europa (und die ganze Welt)) will. Uns schweben verschiedene Utopien und verschiedene Wege dorthin vor. Und wir befürchten, dass der Weg des anderen nicht nur nicht funktioniert, sondern verhängnisvoll sein würde. Was aber nicht heisst, dass ich dem anderen unterstelle ein Vaterlandsverräter zu sein, der in voller Absicht die Schweiz, ihre Kultur und die Bevölkerung vom Erdboden tilgen will.
Wir setzen uns für die gleiche Sache ein, die Schweiz, und wir hoffen beide, dass die Schweiz uns beiden gleichermassen zum Wohl gereicht. In unserem persönlichen Verständnis verstehen wir uns – so hoffe ich – trotz allen Meinungsverschiedenheiten als eine Einheit, die eben diese Meinungsverschiedenheiten nutzt um Fortschritte zu machen.

Spaltung dagegen ist, wenn das Wohl des anderen mir Missbehagen bereitet. Wenn mein Glück vom Leid des anderen abhängt.
Und so leid es mir tut, sehe ich genau das in den Vereinigten Staaten. 72’430’431 Menschen haben Trump nicht gewählt, weil er toll ist, sondern weil er die anderen 77’704’933 zur Weissglut treibt.

Das Ziel der Heilung ist nicht, dass alle gleicher Meinung sind, sondern dass alle gehört und ihre Anliegen und Bedürfnisse genügend ernst genommen werden und so alle das Gefühl haben Teil eines grossen Ganzen zu sein.

Als Beleg, dass Biden sich bisher nicht als ganz grosse versöhnliche Stimme profiliert hat, verweist Köppel darauf, dass Biden Trump als Clown bezeichnet hat.
Es stimmt schon, ich glätte keine Wogen, wenn ich den Heiland eines Gläubigen als Clown bezeichne. Andererseits führt kein Weg an der Wahrheit vorbei.

Das Problem ist die Person Trump. Seine politischen Überzeugungen mögen vielleicht sogar vertretbar sein, doch er lügt, was das Zeug hält, ist egomanisch und skrupellos. Damit wird das, wofür er einsteht selbstverständlich nicht automatisch falsch. Aber er ist ein Arschloch. Punkt.
Wohlgemerkt, das ist kein ad hominem. Ich lehne – wie gesagt – nicht seine Position aufgrund seines üblen Charakters ab. Ich lehne einfach nur ihn ab. Und hoffe es mit einem netten und zuverlässigen politischen Gegner zu tun zu haben.

Weiter führt Köppel an, dass Biden Trumpwähler für systemische Rassisten, sprich Rassisten hält.
Auch hierzu möchte ich ein paar Worte verlieren:
Zum einen sollte man systemischen Rassismus nicht einfach mit Rassismus gleichstellen. Für systemischen Rassismus braucht es keine Rassisten, die sich auf Basis der Biologie oder Herkunft verschiedene Gesetze für verschiedene Gruppen wünschen. Es reicht, wenn man nicht achtsam ist und das Gesetz bei den Angehörigen einer Gruppe anders umsetzt als bei denen einer anderen. Das muss nicht böse gemeint sein. Es kann sogar vernünftig erscheinen: Wenn die Statistiken besagen, dass grünäugige Menschen durchschnittlich häufiger Kugelschreiber klauen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die grünäugige Person Kugelschreiber klauen wird, grösser als die, dass es der blauäugige Kandidat tut. Diese Überlegung aber als Grundlage zu nehmen für die Entscheidung den blauäugigen Kandidaten beispielsweise einzustellen, wäre Diskriminierung, weil ich von den erhöhten Häufigkeit einer bestimmten Eigenschaften bei einer Gruppe nicht auf das Vorhandensein dieser Eigenschaften bei einem Individuum aus der Gruppe schliessen kann. Davon, dass die besagte Statistik durch den Umstand verzerrt wurde, dass man aufgrund der Kenntnis vom Kugelschreiberfetisch der Grünäugigen bei den Grünäugigen häufiger Kugelschreiberrazzien durchführte als bei jeder anderen Gruppe, wollen wir hier gar nicht erst anfangen.

Und zum anderen (wir sind ja noch immer bei den vermeintlich rassistischen Trumpwählern) finde ich, dass die Frage eigentlich durchaus berechtigt ist, ob Rassismus politisch vererbbar ist: Macht es mich zu einem Rassisten, wenn ich einen Rassisten wähle? Klar, ich kann ihn beispielsweise wegen seiner Ansichten zur Wirtschaft wählen, die ich für besser halte als die seines politischen Gegners. Doch wenn wirtschaftliche Fragen für mich eine höhere Priorität haben als die Bekämpfung des Rassismus, dann ist es vielleicht wirklich gerechtfertigt mich einen Rassisten zu nennen. Rassisten sind nämlich nicht nur die, die brennenden Kreuze aufstellen, sondern auch die, die es nicht für nötig halten, dem Einhalt zu gebieten.

Fun Fakt: Die Leugnung der Existenz von rassistisch motivierter Diskriminierung findet man erstaunlich oft bei Rassisten.

Wie ich weiter oben erwähnte, halte ich Meinungsverschiedenheiten in einer Gesellschaft für völlig legitim, wenn nicht gar für notwendig. Entsprechend halte ich auch die Freiheit der Meinungsäusserung für ungemein wichtig. Es geht dabei aber nicht nur darum, alles sagen zu dürfen, was man will, sondern auch um die Frage, wie ich mit der Meinung der anderen umgehe. Wenn ich sie ignoriere, dann diskriminiere ich sie. Wenn ich sie akzeptiere, dann bin ich Begriff sie zu übernehmen. Wenn ich sie toleriere, sehe ich einige Mängel in ihr, bin aber grundsätzlich zu einem gewissen Kompromiss bereit. Es gibt aber auch Meinungen, die ich nicht tolerieren kann. Weil ein Kompromiss schlicht ausgeschlossen ist. Die Meinung, dass alle Juden vergast werden sollen, ist so ein Beispiel. Hier kann und darf es keinen Verhandlungsspielraum geben. Sich eben nur auf die Hälfte zu einigen ist keine Option.

Rassismus, Sexismus und Homophobie gehören in diese Kategorie von nicht tolerierbaren Meinungen. Das heisst natürlich nicht, dass man Leute, die diese vertreten ins Gefängnis schmeissen sollte. Privat dürfen sie meinen, was sie wollen. Sobald sie aber Personen des öffentlichen Lebens werden und Massen von Leuten zu beeinfluss beginnen, dann sieht die Sache auf einmal ganz anders aus. Dann kann es leicht zur Hetze werden, wo sie selbst zwar nichts „böses“ tun, sondern einfach nur ihre Meinung sagen. Ihr Publikum aber auf potenziell blöde Ideen bringen…

Kein Angst, sich über Leute lustig zu machen und sie vielleicht sogar zu beleidigen, gehört nicht in die Kategorie des nicht tolerierbaren. Ganz im Gegenteil. Das darf man gerne tun. Respektive muss es sich in einer freien Gesellschaft gefallen lassen.

Die Grenze ist, wo Menschen die Existenzberechtigung abgesprochen wird.

Mir fällt gerade auf, dass ich bis jetzt gutgläubig davon ausgegangen bin, dass Köppel die Ansichten der von ihm erwähnten Leute korrekt widergibt. Doch nun kommt er auf Alexandria Ocasio-Cortez zu sprechen: Sie habe getwittert, dass man jetzt Listen erstellen müsse von Trump-Sicophanten, von Trump Anhängern, um sich dann an denen zu rächen. Was schon ziemlich starker Tobak ist.

Schauen wir uns daher mal an, was genau sie getwittert hat:

und ein bisschen später:

Mein Englisch ist natürlich nicht so gut, wie das vom Köppel, und es entgehen mir sicherlich viele Nuancen, aber für mich ist das nur eine Aufforderung die Sachen nicht zu vergessen, die die Leute so von sich gegeben haben, während sie Trump in den Arsch gekrochen sind. Es geht hier in meinen Augen alleine darum, dass man diesen Leute nicht erlauben sollte sich der Verantwortung für ihre fragwürdigen Äusserungen und Taten zu entziehen.
Das würde ich jetzt nicht unbedingt als Rache bezeichnen.

Das er hier etwas übers Ziel geschossen ist, müsste dem Köppel doch eigentlich klar sein, oder nicht?
Klar, so ist es witziger. Es gelingt ihm mit einer kleinen Überspitzung AOC in eine Reihe mit den übelsten Diktatoren der Weltgeschichte zu stellen. Und natürlich ist das nicht wirklich ernst gemeint.
Doch was denken wohl diejenigen seiner Zuhörer, die den Jux nicht mitbekommen haben, weil sie sich nicht die Mühe gemacht haben den Tweet nachzulesen?

Die Frage ist, glaubt Köppel wirklich, dass Alexandria Ocasio-Cortez ingeheim hofft, dass ihr Tweet Leute auf die Idee bringt sich im Batman-Style an den Komplizen von Trump zu rächen?

Um Köppel aber hier auch wieder ein bisschen in Schutz zu nehmen: Mit der Cancel Cultur im Hinterkopf, also der Tendenz der Social Justice Warrior Fehlverhalten, von dem sie denken, dass es gravierende negative Auswirkungen auf die Gesellschaft hat, unverhältnismässig hart zu bestrafen, könnte er befürchten, dass jemanden in diesem Kontext jemanden zur Rechenschaft zu ziehen zwangsläufig masslos übertrieben wird. Was natürlich eine berechtigte Sorge sein könnte. Aber ist es dann okay ein Verbrechen, für das man die Strafe für zu hart hält, grosszügig zu ignorieren?
Spricht da der Verteidiger der Rechtsstaatlichkeit oder der der eigenen Interessen?

Die Diskrepanz zwischen dem, was AOC schreibt, und dem, was Köppel liest, lässt mich vermuten, dass es ihm nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit den Problemen geht, vor denen wir nach Trumps Amtszeit stehen, sondern darum seine Anhänger anzustacheln.

Dazu passt auch Köppels Fazit: Er hält die Töne, die man von den Demokraten hört, für gefährlich. Für ihn klingen sie nach „Säuberung“ und „Enttrumpisierung“ (um – wie er sagt – das Wort „Entnazifizierung“ nicht zu verwenden).

Das Wort „Säuberung“ weckt üble Assoziationen und Köppel stellt damit die Demokraten in eine Ecke mit Diktatoren und Völkermördern. Seltsamerweise spricht Köppel dann das Wort „Entnazifizierung“ mit einer ähnlichen Abscheu aus, wobei das doch – wie wir uns doch sicher alle einig sind – eigentlich eine gute Sache war: Das Bestreben die Gesellschaft von allen Einflüssen des Nationalsozialismus zu befreien.
Sprich Köppel schafft es in einem Atemzug den Demokraten ein Liebäugeln mit der Gleichschaltung vorzuwerfen und den Kampf gegen den Chauvinismus zu bedauern.


Mein Fazit:

Auf Köppels Beitrag zu reagieren, ist gar nicht so einfach, weil man die ganze Zeit reinrufen möchte, dass Trump und er und die SVP es genau so machen, ja sogar noch viel mehr. Leider ist das aber noch kein Argument.


Noch ein Nachtrag

Köppel wundert sich darüber, dass Trump immer vorgeworfen worden sei, dass er Wahlveranstaltungen durchführe, an denen keine Masken getragen werden. Und dass jetzt die Leute, die auf der Strasse Bidens Sieg feiern, auch keine Masken tragen.

Hat er das mal gegoogelt?
Beispielsweise: biden victory streets

Kann es sein, das Roger Köppel vorsätzlich lügt?


Und noch ein letzter Nachtrag:

Köppel wundert sich an einer Stelle über das seltsame Timing der Ankündigung des COVID-19 Impfstoffes. Genau richtig, so sagt er mit einem Augenzwinkern, dass es Trump nicht mehr hilft. Dabei habe Trump Pfizer Geld für die Entwicklung des Impfstoffes gegeben haben. Wie undankbar.
Es wurde zwar schon vereinbart, dass man den Impfstoff abkaufen würde, das Geld für die Entwicklung kam aber nicht aus den USA sondern aus Deutschland.
Der einzige der behauptet hat, dass Trump Pfizer Milliarden gegeben habe, warTrump selbst.

Lieber Roger, ist Trump deine Quelle?
Echt jetzt?

Und noch einmal: Was bezweckst du mit deiner Interpretation der Daten? Dir ist schon klar, dass du mit solchen Anmerkungen vielleicht noch keine Verschwörungstheorien formulierst, sie aber mit Steroiden fütterst?

„Das Zaudern des Bundesrates schadet der Wirtschaft und damit der Gesundheit“ sagt die SVP

Die SVP Schweiz ist entsetzt über die mutlose Strategie des Bundesrates zum Ausstieg aus dem Corona-Lockdown. Statt die Testmöglichkeiten auszubauen, ausreichend Schutzmasken zu besorgen und die Rückverfolgung von Infektionen via App voranzutreiben, um den Menschen in der Schweiz so eine möglichst rasche Wiederaufnahme der Arbeit zu ermöglichen, vergrössert er den Schaden für die Wirtschaft und die Volkswirtschaft insgesamt.

Aus der heutigen Medienmitteilung der SVP

Ob die Ausstieg-Strategie des Bundesrats fatal für die Wirtschaft ist, kann ich nicht beurteilen. Ich will der SVP aber zugute halten, dass sie sich in ihrer Medienmitteilung auf die Einschätzung von Experten beruft und auf die positiven Erfahrungen in Deutschland und Österreich.
Ob zu den erwähnten Experten auch Epidemiologen gehören, weiss ich nicht, und ob Deutschland und Österreich durch die Lockerung in eine zweite Welle rutscht, auch nicht, aber ich rechne es der SVP hoch an, dass expertenfreundlich und weltoffen argumentiert.

Mich erstaunt hier aber die Wortwahl, wenn sie die Strategie „mutlos“ nennt.

Wenn es nach der SVP ginge, würde der Ausstieg unter dem Motto „Kommt schon, riskieren wir es!“ laufen. Mut haben bedeutet schliesslich etwas zu riskieren. Vielleicht sogar über den Standard hinaus.

Doch was genau ist die SVP hier bereit zu riskieren?

Einen zweiten Ausbrauch von Covid-19!
Und damit das Leben von Menschen.

Wie gesagt, ich sage nicht, dass die Lockerung nicht wirtschaftsfreundlicher gestaltet werden sollte. Man sollte es einfach nicht als Charakterschwäche darstellen, wenn man das Leben von Menschen vor die Interessen der Wirtschaft stellt.

Und mal abgesehen davon, es braucht auch Mut einen Kurs einzuschlagen, der die Wirtschaft gegen die Wand fährt.

Unsere SVP in der Zeit der Corona

In meinem Artikel „Unsere Parteien in der Zeit der Corona“ habe ich mich dafür ausgesprochen, dass die Parteien den Empfehlungen der Wissenschaft grösseres Gehör schenken als den Wünschen ihrer Wähler, weil die Empfehlungen der Wissenschaft die Existenz ihrer Wähler besser schützt als die Wünsche ebenjener.

Inzwischen (1. April 2020) ist auf der Webseite der SVP eine Medienmitteilung erschienen, in der sie „eine klare wirtschafts- und gesundheitspolitische Strategie für die Zeit nach dem 19. April“ fordert.
Daran ist soweit noch nichts auszusetzen.
Sie anerkennt, dass die vom Bund via Notrecht bis zum 19. April 2020 getroffenen Massnahmen die vulnerablen Bevölkerungsgruppe schützen.
Das sollten wir im Hinterkopf behalten.
Sie gibt dann aber zu bedenken, dass diese gleichzeitig massive Schäden für Wirtschaft, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, ja für unser ganzes Land verursachen.
Das stimmt wohl. Doch das bestreitet meines Wissens auch keiner.
Daher stelle sich heute nicht nur die dringende Frage, wie die Schweizer Bevölkerung ab dem 19. April 2020 zu schützen ist, sondern auch, wie dies zu geschehen habe, ohne dass die wirtschaftlichen Folgeschäden noch grösser werden.
Wie gesagt, die Frage ist durchaus berechtigt.
Deshalb fordert die SVP-Fraktion eine klare wirtschafts- und gesundheitspolitische Strategie für die Schweiz nach dem 19. April 2020.

Das ist natürlich ihr gutes Recht. Ich hoffe einfach, dass sie sich bei ihren Forderungen meine Forderungen vom 29. März zu Herzen genommen hat und in ihrer Strategie die Wissenschaft (möglichst explizit) zu Wort kommen lässt.
Darüber hinaus möchte ich noch zu bedenken geben, dass eine klare Strategie eigentlich ein Wissen um die Gegebenheiten voraussetzt, was ja jetzt noch lange nicht der Fall ist. Eine „klare Strategie“ sollte daher idealerweise Raum für massive Anpassungen haben, wenn die Situation es verlangen sollte.
(btw. darüber, ob die Situation passive Anpassungen verlangt, informiert uns die Wissenschaft.)

Die SVP fordert für die Zeit nach dem 19. April 2020 die Umsetzung folgender Massnahmen zum Schutz insbesondere der vulnerablen Bevölkerungsgruppe:

  • besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen haben sich selber vor einer Ansteckung zu schützen und sich deshalb so weit wie möglich zu isolieren. Der Staat hat auf die Umsetzung dieser Massnahme hinzuwirken;
    Ist das nicht wie gehabt? Oder impliziert „hinwirken“ weniger Druck? Also beispielsweise keine Busen für Leute, die die Empfehlungen ignorieren?
    Weniger Druck bedeutet aber mehr Ansteckungen. Dessen sind wir uns bewusst, oder? Und mehr Ansteckungen bedeuten mehr Tote. Nur damit das klar ist.
  • der verstärkte Grenzschutz ist aufrecht zu erhalten, Einwanderer und Einreisende aus Risikogebieten sind ebenso abzuweisen wie Personen, die nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass sie frei vom Corona-Virus sind;
    Auch das ist nichts neues, oder?
    Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Einschleppung von aussen, jetzt mal vom ersten Mal abgesehen, tatsächlich ins Gewicht fällt? Daniel Koch, Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), meinte in einem Interview im Tessiner Radio RSI, dass die Grenzschliessung keinen grossen Unterschied gemacht hätte.
    Dieser Punkt verdankt sich also weniger wissenschaftlichen Empfehlungen als viel mehr ihren Wunschträumen. Da die Grenze schon ziemlich geschlossen ist, dürfen sie das gern fordern auch ohne wissenschaftlich belegte Notwendigkeit.
  • die Einführung einer allgemeinen Tragepflicht von Schutzmasken, wo ein Kontakt zwischen Menschen stattfindet. In erster Linie ist das medizinische Personal und danach die ganze Bevölkerung mit Schutzmasken zu versorgen. Diese sind zentral durch den Bund zu beschaffen;
    Das ist (relativ) neu. Den Hintergrund für diese Forderung liefert wohl Verena Herzog in ihrem Referat „Schutz der Gesundheit der Menschen hat Priorität“. Sie erklärt dort, dass entgegen Behauptungen Schutzmasken nicht wirkungslos sind. Denn auch wenn etwas nicht 100%igen Schutz bietet, so ist das immer noch besser als gar nichts. Das stimmt natürlich, es fehlt hier aber der Kontext in dem die „Behauptung“ gemacht wurde. Es hiess nicht, dass die Masken wirkungslos seien, sondern, dass es zu wenige hat, als dass man sie an Orten benutzt, wo sie nicht wirklich dringend benötigt werden. Und dass die Masken insofern sogar kontraproduktiv sein könnten, weil sie den Trägern ein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln – insbesondere bei nicht fachgerechter Anwendung.
    Wenn es genug Masken gibt, dann können wir uns anschauen, ob durch die Maskenpflicht die Ansteckungsrate sinkt oder steigt. Die
    Erfahrung kann es uns dann im Nachhinein sagen oder im Vorfeld die Wissenschaft. Die SVP sollte ohne Referenz auf eine der beiden daher lieber nichts fordern, was den Leuten die Angst nimmt zur Arbeit zu gehen, aber potentiell das Ansteckungsrisiko heben könnte.
  • die aktuell geltenden Regeln des Abstandhaltens und die Hygienemassnahmen sind beizubehalten;
    Okay.
  • positiv auf Covid19 getestete Risikopatienten sind in strikte Quarantäne zu setzen.
    Wie gehabt.

Wenn ich diesen ersten Teil richtig überblicke, sind sie mehr oder weniger für das Beibehalten der Massnahmen des Bundesrates, unterstreichen dabei aber einfach die Punkte, die fett in ihrem Parteiprogramm stehen, und stellen Forderungen, welche sich als nützlich für den nächsten Satz an Forderungen erweisen sollen.

Jenen zum Schutz der Wirtschaft:

  • das Arbeitsverbot, wo kein Home-Office möglich ist, soll aufgehoben werden;
    Egal, wie sehr dadurch das Ansteckungsrisiko steigt?
  • Läden und Restaurants sollen unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmassnahmen wieder öffnen dürfen;
    Das ist eigentlich wie oben.
  • das Schulverbot soll so weit als möglich, risikobasiert und gestaffelt und unter Einhaltung der Hygienemassnahmen aufgehoben werden;
    Auch das ist das gleiche wie oben.
  • das Versammlungsverbot soll ebenfalls unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmassnahmen gelockert werden.
    Dass man die Arbeit und die Schule wieder möglichst im „normalen“ Rahmen (in Sinne von unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmassnahmen) in Betrieb nimmt, ist ohne zweifel lebenswichtig für die Wirtschaft. Allerdings auch verbunden mit dem Risiko einer Steigerung der Ansteckungsrate. Das gilt es gegeneinander abzuwägen. Und zwar in Zahlen. Auf der einen Seite die wirtschaftliche Kennzahl (BIP?) und auf der anderen die Zahl der Toten. Ich verlange daher von der SVP, dass sie in ihrem Strategiepapier festhält, wie viele Tote für im Tausch für 100 BIP Punkte (oder womit man hier auch immer rechnet) akzeptabel sind.
    Aber die Lockerung des Versammlungsverbots? Das ist ein Stich ins Herz der zentralen Instruments der Bekämpfung der Pandemie. Klar, die obigen Forderungen sind ohne eine Lockerung der Versammlungsverbots kaum umsetzbar, aber ich hätte es anders formuliert. Hier klingt es nämlich weniger als ein wirtschaftlicher Möglichmacher, als viel mehr so, als setze sich die SVP für die Wiedereinführung des Menschenrechts der Versammlungsfreiheit ein. Was schon ein bisschen populistisch ist.

Und dann noch ein „und überhaupt“:

  • Zudem sind die nun festgestellten Mängel in der Krisenvorsorge sofort zu beheben. Dies gilt vor allem für die Beschaffung von Schutzmasken und -kleidung, von Tests sowie von Beatmungsgeräten. Dieser Forderung ist höchste Priorität einzuräumen.
    Ja, klar. Das macht Sinn. Aber ich nehme an, das bezieht sich nicht nur auf Atemwegserkrankungen. Sondern auch für alle anderen Erkrankungen, die durch Seuchen hervorgerufen werden könnten. Und es gilt wohl ebenfalls für die Fachkräfte, die sich sowohl um die Geräte als auch um Patienten kümmern. Ich meine wie kann man für eine Pandemie vorbereitet sein, wenn das medizinische Personal auch in normalen Zeiten am Anschlag ist? Will sich die SVP also wirklich für bessere Arbeitsbedingungen im Pflegebereich (und anderen systemkritischen Berufen) einsetzen? Finde ich gut!

Okay, die SVP fordert also eine Mässigung mit den Massnahmen, die ergriffen wurden um die Ausbreitung zu verlangsamen und damit das Gesundheitswesen nicht an den Rand des Kollapses zu führen.
Warum tut die SVP das? Um die Wirtschaft zu schützen. Klar, aber kann eine Wirtschaft prosperieren, wenn das Gesundheitswesen kollabiert und die Eltern der Arbeitskräfte wie die Fliegen sterben?

Sie geht wohl davon aus, dass es schon nicht so schlimm sein wird. Aber auf welcher Basis kommt sie darauf, wie schlimm es (nicht) werden wird?

Oder ist die SVP überzeugt, dass wir den Zenit überschritten haben und die Ansteckungen zurück gehen? Die Zahlen deuten zwar noch nicht darauf hin, aber nehmen wir an, dass es stimmt und die Massnahmen des Bundesrates funktionieren und jeden Tag werden weniger Ansteckungen verzeichnet. Was geschieht wohl, wenn man die Massnahmen, die das erreicht haben, wieder lockert, wie die SVP es sich wünscht? Geht dann der Trend weiter nach unten oder steigt die Zahl der Ansteckungen wieder an?

Mir ist schon klar, dass man die Wirtschaft unbedingt wieder zum Laufen bringen muss. Man muss das aber auf eine Art und Weise schaffen, die die Ansteckungsrate nicht wieder steigen lässt.
Die Forderungen der SVP scheinen mir, zumindest so lange kein nachhaltiger Erfolg gegen die Pandemie verzeichnet wurde, eher eine Art Einverständniserklärung dafür zu sein, dass man für die Wirtschaft eine beliebige Zahl von Leben aus der vulnerablen Bevölkerungsgruppe opfern darf.
Ich fände es daher nur richtig, wenn die SVP mit ihrer Forderung auch die Kosten an Menschenleben anführen würde, die sie bereit ist es die Schweizer Bevölkerung kosten zu lassen.

Es gibt Länder, wo es besser geht, und andere, wo es schlechter geht.
Die SVP soll sich entscheiden, welchen sie nacheifern möchte.

Den Zahlen des einen nacheifern mit den Methoden des anderen, so funktioniert das aber nicht.

Der TV-Film «Terror – Ihr Urteil»

Das Urteil

84% der Zuschauer hätten den Kampfpiloten freigesprochen, der ein Passagierflugzeug mit 164 Passagieren abschoss, um 70’000 Menschen in einem Fussballstadion zu retten.

Es ist das klassische Trolley-Problem1:

trolleyproblem

zumindest fast:

Hier sind nämlich noch etwas zu berücksichtigen:

  • Weder die Beweggründe, noch der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung waren besonders verwerflich.

Wodurch eine Mordanklage eigentlich etwas fehl am Platz ist. Über Todschlag könnte man aber reden.

Doch genau das ist ja das Dilemma bei Trolley-Problem ist: dass man mit beiden Varianten gegen das Gesetz verstösst. Denn sowohl eine Handlung, die zum Tod einer Person führt, wie auch das Unterlassen einer Handlung, die einen Menschen retten würde, stehen unter Straffe.
Und so lange es keine verbindliche Richtlinie gibt, die das regeln würde, kommt man aus dem Dilemma nicht raus.

In unserem Szenario gibt es aber diese Richtlinie, wodurch es noch einige weitere Punkte zu beachten gilt:

  • In der Verfassung steht ausdrücklich geschrieben, dass in einem solchen Fall nicht geschossen werden darf, weil man Leben nicht gegeneinander aufwiegen darf.
  • Der Pilot weiss um den obigen Punkt, hat sich intensiv mit ihm auseinander gesetzt und hält die Entscheidung für falsch.
  • Der Pilot ist ein Soldat und handelte gegen den ausdrücklichen Befehl seiner Vorgesetzten, die sich an die Verfassung halten.

Wie gesagt, all das berücksichtigend, sprachen ihn 84% der Zuschauer von der Mordanklage frei.

Ich frage mich – und darauf will ich eigentlich hinaus -, wie sich das Verhältnis verändert hätte, wenn man ein paar Details verändert hätte. Wobei wir weiterhin voraussetzen, dass der Pilot auch weiterhin für den Tod aller ums Leben gekommener verantwortlich gemacht worden wäre, selbst wenn es nicht wirklich Sinn macht.

Wie viele hätten den Piloten von der Anklage freigesprochen, wenn sie Situation wie folgt ausgesehen hätte:

Ein von (islamistischen / christlichen / veganen / einfach nur verrückten) Terroristen entführtes Flugzeug voller (normaler Leute / Schweizer / schwangerer Frauen / Wirtschaftleute / Politiker / Kleriker / Ärzte / Lehrer / Journalisten / Juristen / Wissenschaftler / Flüchtlinge / Häftlinge) fliegt auf ein Stadion in (der Schweiz / Deutschland / Indien, Syrien) voller (normaler Leute / Schweizer / schwangerer Frauen / Wirtschaftleute / Politiker / Kleriker / Ärzte / Lehrer / Journalisten / Juristen / Wissenschaftler / Flüchtlinge / Häftlinge) zu. In der Maschine sitzen 164 todgeweihte Menschen, im Stadion (7’000’000 / 700’000 / 70’000 / 7’000 / 700 / 70 / 7). Die einzige Möglichkeit die Leute im Stadion zu retten, ist das Flugzeug abzuschiessen. Die Verfassung schreibt für diesen Fall (den Nichtabschuss / den Abschuss) vor, die Vorgesetzten geben dem Befehl zum (Nichtabschuss / Abschuss) und der Pilot, der ein (Soldat / ehemaliger Soldat / Zivilist) ist, schiesst. Noch zu erwähnen ist, dass die Familie des Piloten (ganz weit weg / im Flugzeug / im Stadion) ist.

Das sind 4 x 13 x 4 x 13 x 7 x 2 x 2 x 3 x 3 = 681’408 Varianten und wenn es ums Prinzip geht, müsste das Ergebnis eigentlich immer das gleiche sein. Es müsste das gleiche sein, weil die 164 Menschen im Flugzeug in diesem Szenario auf jeden Fall sterben würden. Dadurch ist es auch nicht mehr so wichtig, wie viele Leute im Stadion sind. Zum Tragen käme die Zahl nur, wenn die Leute im Flugzeug im Fall eines Absturzes ins Stadion irgendwie garantiert überleben würden. Dann würde man nämlich Menschenleben gegeneinander aufwiegen, was man laut der Verfassung im Film eben nicht darf.

84% sprachen den Piloten frei. Das heisst, für die Mehrheit sind die Konsequenzen wichtiger als die Gesetze.
In der Gesprächsrunde schien das vor allem bei den Konservativen (Hurter, Müller) der Fall gewesen zu sein, während die Liberalen (Galladé, Lang) sich lieber nach dem Gesetz richten wollten.

Wenn die Passagiere den Terroranschlag irgendwie garantiert überlebt hätten und man Menschenleben gegeneinander abwiegen müsste, hätte das die Position der Liberalen wohl nicht geändert. Vor die Wahl gestellt, hätten sie sich der Entscheidung zwischen Menschenleben abzuwägen entzogen und sich an den geltenden Regeln orientiert.
Für die Konservativen dagegen würde das Urteil vermutlich sehr von den Umständen abhängen. In manchen Konstellationen zweifellos zu Recht. Beispielsweise je nach dem, ob 70’000 oder 7 Menschen im Stadion wären. Oder ob die Familie des Piloten in der entführten Maschine sitzt. In anderen Konstellationen wäre es jedoch äusserst bedenklich. Wenn es beispielsweise davon abhängen würde, welche Art von Menschen im Stadion und im Flugzeug sind (normaler Leute / Schweizer / schwangerer Frauen / Wirtschaftleute / Politiker / Kleriker / Ärzte / Lehrer / Journalisten / Juristen / Wissenschaftler / Flüchtlinge / Häftlinge).

Wir gingen jetzt immer davon aus, dass der Pilot unter allen Umständen geschossen hätte. Und wir fragten uns, welchen Einfluss die Umstände auf das Urteil gehabt haben.
Man könnte sich aber auch fragen, wie das Urteil ausgesehen hätte, wenn er nicht geschossen hätte. Und welchen Einfluss die Umstände dann auf das Urteil gehabt hätten, wenn er wegen „Mord“ in 70’000 Fällen angeklagt worden wäre.
Ich denke – und das ist das faszinierende am Trolley-Problem -, dass auch wenn die Handlung moralisch geboten sein mag, das Unterlassen der Handlung nicht wirklich übel genommen werden kann. Was in sich schon wieder ein Dilemma darstellt.

Auch ungeklärt bleibt die Frage, ob für einen Soldaten, der Befehlen gehorchen muss, welche aus strategischen Gründen durchaus auch Opfer kosten können, andere Regeln gelten als für einen Zivilisten, dem der „Weitblick“ fehlt und seine Entscheidung auf der Basis wesentlich kurzfristigerer Konsequenzen treffen muss.

 


 

Und dann, eine Woche später:

Reimann kritisiert, dass Besko die Schweiz verlassen musste.«Es ist eine verpasste Chance.» Der ausgeschaffte Rapper hätte junge Migranten positiv beeinfussen können. «Man muss abwägen: er nützt uns hier mehr als in Kosovo.» Reimann interveniert sogar schriftlich beim Chef des Staatssekretariat für Migration, Mario Gattiker. Zwar sei er immer noch für eine strenge Haltung bei der Ausschaffung von kriminellen Ausländern. «Aber was, wenn nicht das, ist ein Härtefall?»
SVP-Reimann unterstützt ausgeschafften Rapper – 20min

Lukas Reinmann scheint aus dem TV-Film «Terror – Ihr Urteil» gelernt zu haben, dass die Konsequenzen schwerer wiegen als die Buchstabentreue.
Und der beliebteste Leser-Kommentar zu diesem Artikel war der folgende:

20min-reimann_unterstuetzt_rapper

Ich weiss zwar nicht, wofür „murrli“ beim Fernsehexperiment war, aber ich vermute sehr für Freispruch.
Und ich unterstelle jetzt mal verwegen, dass „murrli“ Galladé und Lang es da ziemlich übel nahm, dass sie lieber 70’000 Menschen sterben liessen als das bestehende Gesetz nicht anzuwenden.

Macht nur mich das stutzig?

Vereint gegen fremde Fötzel und die Kuscheljustiz!

Durch die Sozialen Medien ging der folgende Vergleich zwischen dem Islamischen Staat und Saudi Arabien:

In den Sozialen Medien wurde auch der folgende Ausschnitt aus der Serie Newsroom oft geteilt:

Die Tea Party ist inzwischen ein bisschen von der Bildfläche verschwunden. Ihre Basis findet man inzwischen wohl hinter Donald Trump.
Auch die Taliban hat an Medienpräsenz eingebüsst. Heute hätte Will McAvoy daher eher vom IS gesprochen.

In Europa ist die religiöse Komponente nicht so ausgeprägt, die Ressentiments sind aber mehr oder weniger die gleichen.

Die AfD verlangt vielleicht nicht das gleiche Strafmass wie Saudi Arabien und der IS, aber was bestraft werden soll, ist verblüffend ähnlich.
Und was die AfD in Deutschland ist, ist die SVP in der Schweiz.

Die Generäle der SVP poltern gegen die Kuscheljustiz.
Und unter den Fusssoldaten ist die Einführung der Todesstrafe für besonders abscheuliche Verbrechen und die Idee Dieben die Hände zu amputieren aber oft gar nicht so abwegig.

 

 

Nachtrag 22.9.2016:

Schweizer Rechtsstaat und Sharia widersprechen sich übrigens nicht zwangsläufig. Wenn ein Dieb sich selbst nach den Vorschriften seiner heiligen Schrift bestrafen will, dann kann er das gerne tun. Weil Handlungsfreiheit. Er kann sich allen Gesetzen unterwerfen, denen er sich unterwerfen will, er darf einfach nicht andere diesen Gesetzen unterwerfen. Weil Religionsfreiheit.

Bestrafen wer Arbeitsplätze schafft?

svp-sp-initiativeAm 25. September 2016 wird im Kanton Luzern über die Volksinitiative «Für faire Unternehmenssteuern» abgestimmt. Die Parole der Gegner ist die Frage, ob man wirklich jene bestrafen will, die Arbeitsplätze schaffen. Gemeint sind natürlich die Unternehmen.

Die Frage ist durchaus berechtigt. Wenn die Unternehmen Arbeitsplätze schaffen, sollte man sie doch eigentlich lieber belohnen statt sie zu bestrafen.
Nicht zuletzt, weil man mit Belohnung ein Verhalten fördert und mit Bestrafung es zu verändern versucht. Und Arbeitsplätze zu schaffen ist zweifellos ein wünschenswertes Verhalten.

Daher gilt:
Jedes zusätzliche ‰ Unternehmenssteuern reduziert den Gewinn eines Unternehmens.
Kleinere Gewinnspannen machen den Standort für Unternehmen weniger attraktiv.
Weniger attraktive Standorte ziehen weniger Unternehmen an.
Weniger neue Unternehmen schaffen weniger neue Arbeitsplätze.
Und jeder nicht geschaffene Arbeitsplatz macht macht den Kanton traurig, weil Nichtarbeitende weniger Steuern zahlen.

Umgekehrt macht jedes ‰ weniger Unternehmenssteuer den Kanton glücklicher, weil er von arbeitenden Arbeitnehmern mehr Steuern bekommt als vom nicht arbeitenden Arbeitsfähigen.

Fazit:

Der Sinn einer Steuersenkung ist es, dass man im Endeffekt mehr Geld einnimmt.
Finanzdirektor Marcel Schwerzmann1

Ich nehme an, der Mechanismus dieser Win-Win-Win-Strategie2 ist folgender: Jeder nicht für Steuern ausgegebene Franken wird in neue Arbeitsplätze investiert, was Produktivität und Gewinne steigert, die wiederum in neue Arbeitsplätze investiert werden, was Produktivität und Gewinne steigert, … Und alle sind beschäftigt und glücklich und fleissig am Steuern zahlen.3

Wieso dann nicht die Unternehmen für ihren Effort Arbeitsplätze zu schaffen nicht mit viel, VIEL, V I E L tieferen Steuern belohnen?

Vielleicht liesse sich sogar eine negative Unternehmenssteuer einführen? Statt Steuern bezahlen zu müssen, würden die Firmen Subventionen erhalten! Das würde die Erfolgsspirale noch viel, VIEL, V I E L mehr ankurbeln.

Dass tiefere Steuern die Wirtschaft ankurbelt, bestreiten die Befürworter der Initiative gar nicht. Sie merken lediglich an, dass man trotz florierender Wirtschaft nicht wie erwartet mehr Geld eingenommen hat und dass es allmählich wirklich knapp wird bei der Finanzierung von Bildung, Sozialem, Sicherheit, Umwelt und Infrastruktur – was sich übrigens über kurz oder lang nachhaltig auf die Standortattraktivität auswirken wird. Und sie merken auch an, dass grosse Firmen nicht notwendigerweise auch viele Angestellte zu haben brauchen und sich daher über deren Steuern weniger an der Finanzierung der von der Gemeinschaft zur Verfügung gestellten Infrastruktur beteiligen, als sie sie in Anspruch nehmen – was unfair ist, weil das dann von anderen gestemmt werden muss.

Schauen wir uns also mal die Gründe an, warum man laut nein-zur-sp-steuerinitiative.ch die Initiative ablehnen soll:
(ich beziehe mich auch auf die Ausführungen zu diesen Punkten auf der Webseite)


  • Wenn man falsch abgebogen ist und man zurück fährt, wirft einen das zurück? Schon, aber wäre man besser dran, wenn man einfach weiter geht? Kaum. Und dass hinter einem andere in die gleiche Strasse einbiegen, bedeutet nicht, dass man demzufolge doch auf dem richtigen Weg ist. Vielleicht können sie es sich im Gegensatz zu uns ja leisten.
  • weil sie unser Finanzproblem verschärft
    Hier gestehen die Gegner ein, dass es tatsächlich ein massives Finanzproblem im Kanton Luzern gibt, welches die aktuelle Steuerpolitik verursachte, verschärfte oder zumindest nicht zu beseitigen fähig war. Dass der Effekt der Steuerinitiative aber einen gegenteiliger zum erhofften sein könnte, ist durchaus ein valider Einwand, der aber wesentlich ausführlicher begründet werden müsste als mit dem Satz: „Eine Abkehr von der eingeschlagenen Steuerstrategie würde jene wenigen Unternehmen aus unserem Kanton vertreiben, die für den Grossteil der Unternehmenssteuern im Kanton Luzern aufkommen und die ihren Steuersitz jederzeit problemlos verlegen können.“ Wenn sie nämlich so problemlos wieder abziehen können, dann werden sie es tun, sobald sich die Gelegenheit bietet – und andere Kantone sind ja drauf und dran Gelegenheiten zu bieten. Interessant wäre es, zu erfahren, wie viel diese wenigen Unternehmen,  im Kanton Luzern in Infrastruktur und Arbeitsplätze investiert haben? Denn je freizügiger sie es taten, desto weniger problemlos wird ein Abzug sein. Und wir wollen ja nur die nicht bestrafen, die Arbeitsplätze schaffen.

  • Dass man Volksentscheidungen Zeit geben sollte um sich zu entfalten, sehe ich als experimentalpolitisch orientierter Stimmbürger natürlich ein. Allerdings weiss ich auch, dass man Kriterien haben muss, welche einem bestimmen lassen, ob ein Experiment gescheitert ist. Die Gegner sagen nicht, dass es bald besser wird. Sie sagen nur, dass es sich anders zu überlegen schlecht ist. Auf Fehler nicht zu reagieren ist aber auch ein Risiko für die so hoch geschätzte Planungssicherheit.

  • Das ist ein witziger Einwand. Die SP nennt ihre Initiative „Für faire Unternehmenssteuern“ und die Gegner erwidern, dass die Umsetzung der Initiative unfair wäre. Können wir uns darauf einigen, dass beide Seiten unter Fairness etwas anderes verstehen?
  • weil sich tiefe Firmensteuern auszahlen
    Es stimmt schon, dass „Wer Gewinne erzielt, zahlt Steuern“. Die Frage ist nur, ob sich mit den Steuern, die man erhält, alles nötige finanzieren lässt? Und das allgemeine Eingeständnis, dass es Finanzprobleme gibt, bedeutet, dass es sich noch nicht wirklich ausgezahlt hat, auch wenn der eine oder andere Posten sich vergrössert haben mag.

Unter dem Strich heisst das: Es gibt ein wachsendes Finanzproblem, welches die aktuelle Steuerpolitik offenbar nicht zu entschärfen fähig war. Die Befürworter hoffen mit ihrer Initiative das Steuer herum zu reissen, die Gegner befürchten, dass man sich damit nur noch tiefer in den Schlamassel rein manövrieren würde. Als Lösung schlagen diese statt dessen vor, vorerst einfach mal weiter zu machen und zu hoffen, dass es gut kommt.

Persönlich neige ich zur Befürwortung der Initiative, ziehe aber den Hut vor den Bürgerlichen für ihren Einsatz zugunsten der Experimentalpolitik.

Ungewisse Zukunft vs persönliche Vorlieben

Dass man sich gegen die Abschaffung der Sklaverei stellt, kann ich ja noch verstehen. Ich meine, die Wirtschaft hängt von ihr ab und auch die Bibel hat nichts gegen sie einzuwenden. Klar, es gibt da Missstände, aber die lassen sich auch beseitigen ohne gleich alles zu verbieten.
Die Sache ist aber die, dass sobald die Sklaverei abgeschafft ist und es auf der Hand liegt, dass die Entscheidung die Wirtschaft ganz und gar nicht in die Knie gezwungen hat und auch dass der moralische Zerfall in der Gesellschaft mitnichten zugenommen hat, dass dann die ethische Beurteilung der Optionen bei der Frage, ob man die Sklaverei wieder einführen soll, eine ganz andere ist.
Vorher musste man ein funktionierendes System gegen eine ungewisse Zukunft abwiegen. Jetzt eine funktionierende Zukunft gegen eine funktionierende Vergangenheit, wobei bei letzterer Menschen eigentlich unveräusserliche Rechte weggenommen werden. Während vorher die Angst vor dem Ungewissen zugunsten der Sklaverei sprach, tut es jetzt nur noch das Interesse am eigenen Profit und die Abneigung/Gleichgültigkeit den eigentlichen Sklaven (zu erkennen an deren Hautfarbe?) gegenüber.

Das gleiche Gedankenspiel könnte man auch für die Gleichstellung der Frau, die Legalisierung der Abtreibung oder eben auch für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe machen.
Und im Grund auch für die Frage, ob man an einer gefährlichen Kreuzung eine Ampel aufstellen will. Zunächst weiss man nicht, ob die Ampel wirklich die Unfälle senken wird, und in dem Fall fragt man sich schon, ob das Geld nicht an einem anderen Ort besser investiert wäre. Wenn man sie aber erst mal gebaut hat und die Statistiken einen deutlichen Rückgang verzeichnen, dann wird es schwierig, die Ampel wieder abreissen zu wollen. Denn dann ist die Zukunft gewiss. Und es ist allein das Geld, das entscheidet. Und die Hoffnung etwas schneller von A nach B zu gelangen.

Sloweniens Stimmvolk hat sich gestern für die Rücknahme der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen.

Und wie die SVP uns weiszumachen versucht, hat das Volk immer Recht.
Und des Volkes Entscheid hat selbst dann umgesetzt zu werden, wenn er völkerrechtlich umstritten ist und allein auf Phobien gründet.
Phobien, wie sie sich nur allzu leicht schüren lassen.

Eine ungewisse Zukunft kann furchteinflössend sein. In einem solchen Fall kann man dem Stimmvolk seine Vorsicht nicht verübeln. Doch nicht jede Zukunft ist so ungewiss, wie sie auf den ersten Blick vielleicht erscheinen mag.
Wir wissen, dass eine Ampel die Verkehrsunfälle senkt. Wir wissen, dass die Abschaffung der Sklaverei gut für die Wirtschaft ist. Wir wissen, dass da ein Klimawandel im Anmarsch ist. Wir wissen, dass die homosexuelle Ehe nicht die Qualität der heterosexuellen Ehe schmälert.

Und wir wissen, dass man das eigentlich wissen müsste. Dass viele aber lieber ihren persönlichen Vorlieben den Vorrang geben.

Zufall oder Taktik

Ist die Gleichzeitigkeit dieser beiden Meldungen Zufall oder Taktik?

20min / 31. August 2014 09:05   20min / 31. August 2014 17:21
Nazivergleich – Brunner ist sauer auf BDP-Chef   Schüler sollen linke Lehrer der SVP melden
BDP-Chef Martin Landolt wirft der SVP «braune» Politik vor. Deren Chef Toni Brunner verlangt nun eine Entschuldigung.   Unzählige Lehrer würden nach Ansicht der Jungen SVP linkspolitisch unterrichten und ihre Schüler manipulieren. Eine Internet-Meldestelle soll dies nun ändern.

 

Eine Meldung über das Vorhaben der SVP, Schüler ihre Lehrer für linkes Gedankengut denunzieren zu lassen, hätte unmöglich keine Assoziationen zu ähnlichen Projekten hervorgerufen, beispielsweise jenes im etwas mehr als 999jährigen Reich. Und keine noch so gerechte Empörung der SVP-Spitze hätte daran was geändert.
Wenn aber jemand der SVP „braune“ Politik unterstellt – was ungeachtet dessen, ob es tatsächlich so ist – , dann ist das nicht die feine englische Art. Weil – nun ja – mit dem Nationalsozialismus vergleicht man nun mal nicht. Nie! Punkt. Nein, Ausrufezeichen!

Das lasse ich jetzt etwas wirken…

Es ist also durchaus gerechtfertigt, wenn der Beschuldigte sich empört. Und alle werden zustimmen, dass die Gegner hier den Bogen eindeutig überspannt haben. Weil – nun ja – mit dem Nationalsozialismus vergleicht man nun mal nicht. Nie!
Damit befindet sich der Beschuldigte in der Position des unschuldigen, zu unrecht geprügelten Kätzchens. Und jede weitere Attacke wird kategorisch zurückgewiesen. Selbst dann, wenn man den Vergleich mit dem Nationalsozialismus nun wirklich nicht mehr zu scheuen braucht.

Kraniologie

Ein-Kran-fuer-ein-Dorf

Aus der Mitte Verdasios ragt ein riesiger Kran in den Himmel. Beim Nachbardorf Lionza und in etlichen anderen Dörfern im Centovalli und im Valle Maggia lässt sich das gleiche Phänomen beobachten.

Ich hielt es zunächst für eine zeitlich begrenzte, ästhetisch bedauernswerte, renovationtechnisch jedoch wohl notwendige Massnahme. Doch auf den zweiten Blick war ich mir da nicht mehr so sicher. So ein Kran erleichtert nämlich den Innerortstransport in so unzugänglichen Dörfchen ungemein. Ein Kran vermag jede beliebige Sache an jeden beliebigen Ort zu hieven. Was die Energiebilanz betrifft sicherlich sauberer als alle anderen technischen Option. Okay, an der Optik liesse sich noch feilen, doch das sollte uns nicht dran hindern einen Geniestreich zu sehen, wenn er vor uns in die Höhe ragt.

Ich hielt dem geplanten Zürcher Hafenkran bis jetzt eigentlich für Kunst – so nach dem Motto, dass etwas wohl Kunst sein muss, wenn es für sonst nichts zu gebrauchen ist – , doch das Tessin hat mir diesbezüglich die Augen geöffnet: Es ist der Versuch den Verkehr in der City etwas zu entlasten. Leider einfach etwas zu zurückhaltend projektiert.