Kokos-Schokolade-Würfel oder die Moral für Mehr- und Wenigerheiten

Hier eine Idee: Je nach dem, ob sie eine Minderheit oder eine Mehrheit anspricht, gibt die Moral den Leuten andere Tipps.

Ein harmonisches Zusammenleben ist zwar nett, oberste Priorität hat für die Moral1 aber ihr eigenes Fortbestehen. Warum sonst wären unter den Anleitungen der verschiedenen Religionen, die sich ja als Hüter der Moral2 verstehen, immer auch solche, die mit einem harmonischen Zusammenleben überhaupt nichts zu tun haben? Und dann auch noch an so prominenter Stelle. Das erste Gebot der Bibel zum Beispiel ist keine Anweisung, wie man sich verhalten soll, sondern bloss eine Feststellung3, die keinem anderen Zweck dient, als dass der angeblichen Urheber der Regeln im Gespräch bleibt.

Vielleicht wird es deutlicher anhand eines Beispiel aus einer anderen Domäne, wo man Regeln befolgen sollte:

  1. Es gibt nur Betty Bossi.
  2. 300g Mehl, 250g Zucker, 1 Päckli Vanillezucker, 2EL Kakaopulver, 2TL Backpulver und 1 Prise Satz in einer Schüssel mischen.
  3. 3 Eier, 3dl Milch und 200g flüssige, abgekühlte Butter gut darunterrühren. Teig in die vorbereitete Form füllen.
  4. Backen: ca. 30 Min. in der Mitte des auf 180 Grad vorgeheizten Ofens. Kuchen herausnehmen, etwas abkühlen, mit einem Holzspiesschen mehrmals einstechen.
  5. 200g Puderzucker, 1 Päckli Vanillezucker, 2EL Kakaopulver, 50g flüssige Butter und 4EL Espresso gut verrühren, auf dem warmen Kuchen verteilen. Kokosraspel darüberstreuen, Kuchen in der Form auskühlen, in Würfel schneiden.

 

Wenn man gegen eins der Gebote verstösst, mit welcher Konsequenz muss man dann rechnen? Das Ergebnis wird anders schmecken und/oder aussehen – im Idealfall schlechter/hässlicher, weil andernfalls das Rezept noch verbesserungsfähig gewesen wäre. Das gilt aber nicht für das erste Gebot. Wenn man dieses ignoriert, wird das Ergebnis genau das gleiche bleiben. Was zum Teufel sucht es dann im Pentalog?

Gar nichts! Ausser natürlich wenn die Kokos-Schoko-Würfel gar nicht das eigentliche Ziel ist: Vielleicht sollen diese den Konsumenten nur schmecken (oder sie dick machen), um sie davon abzulenken, dass es einzig und allein darum geht, dass die Betty Bossi AG auch weiterhin prosperiert! Die Kokos-Schoko-Würfel sind ein Trojanisches Pferd!
Ausser natürlich die Betty Bossi AG versucht dem Klientel weiss zu machen, dass mit dem Glauben an die Gültigkeit des ersten Gebots während der Zubereitung irgendeine besondere Qualität hinzukomme. Doch welche könnte das sein? Besserer Geschmack? Denkbar, doch dieser Effekt wird in einer Doppelblind-Verkostung nicht mehr auftreten. Hübscher? Auch denkbar, aber ebenfalls bloss ein Placeboeffekt. Dann halt etwas im Jenseits!
Wenn der Betty Bossi AG also weniger ihr Gewinn am Herzen liegt als viel mehr unser seits-übergreifendes Wohlergehen, dann stellt sich die Frage, ob der Glaube an den Monobettybossismus wirklich das einzige ist, was einen Einfluss aus die besondere Qualität im Jenseits hat. Sollte nämlich beispielsweise eine Prise weniger Kakaopulver ebenfalls jener besonderen Qualität förderlich sein, dann frage ich mich, auf welches Seits sie das Rezept optimieren?

Analog werden dann wohl auch gewisse Regeln, die man befolgen muss um in den Genuss der von den Göttern in Aussicht gestellten jenseitigen Privilegien zu kommen, im Bezug auf ein harmonisches Zusammenleben im Diesseits noch optimierbar sein. Wenn beispielsweise Jesus uns aufträgt, in die Welt hinaus zu gehen und alle Menschen zu taufen4, so ist das von den Gläubigen, die in die Welt hinaus gehen um alle Menschen zu taufen, sicherlich gut gemeint5, doch da manche Leute nicht getauft werden wollen, hat die Regel, die mehr Seelen in den Himmel führt, ein grosses Potential zumindest kurzfristig Zwietracht unter den Menschen zu sähen.
Die Verteidiger der Missionsbefehls werden zweifellos zu argumentieren versuchen, dass abgesehen von der himmlischen Belohnung nach dem Tod, auch im Diesseits längerfristig Vorteile zu erwarten sind, weil in einer homogenen Gruppe weniger Reibereien entstehen, und dass das daraus resultierende harmonische Zusammenleben das bisschen genervt sein mehr als wett macht. Das klingt zwar plausibel, wird durch die Geschichte Europas aber nicht wirklich bestätigt. Denn irgendwie scheinen Religionen die Tendenz zu haben, grossflächig nicht homogen zu bleiben. Es scheint im Gegenteil viel mehr so, als ob eine bunte Durchmischung von sehr verschiedenen Moralvorstellungen auf engem Raum die Leute motiviert tolerant zu sein. Und das kommt einem harmonischen Zusammenleben weit mehr zugute. Wo es dagegen nur eine einzige gesicherte Wahrheit gibt, braucht es keine Toleranz. Da ist Toleranz sogar eine Gefahr für die gesicherte Wahrheit.

Interessanterweise verstärken gesellschaftliche Konflikte den Ruf nach Moral, statt dass sie diese in Frage stellen. Konflikte wie solche, die entstehen, wenn einer einer Minderheit aufgrund der Moralvorstellung der Mehrheit gewisse Rechte vorenthalten werden. Das ist ein klares Versäumnis der Moral, auf die Wünsche von Andersdenkenden einzugehen, selbst wenn diese keine Abstriche am eigenen Lebensstandard zur Folge hätten.
Ich kann ja verstehen, dass man seine eigenen Frauen und Homosexuellem diskriminiert, wenn man zufälligerweise an einen sexistischen und homophoben Gott glaubt. Aber dass man die gleichen Regeln auch für Frauen und Homosexuellen anderer Glaubensrichtungen durchzusetzen versucht, nur weil man mächtig genug dafür ist, halte ich für gefährlich. Wenn schon, dann muss man sie erst (behutsam6) bekehren. Ihnen die eigene Religion zuzugestehen, nicht aber die von dieser gewährten Rechte, halte ich für einen Zug, der aktiv am Stuhlbein des harmonischen Zusammenlebens sägt.

(Das war jetzt komplett aus der Perspektive der Religion argumentiert. Und ich wollte damit zeigen, dass wenn die Moral ein anderes Hauptziel als das harmonische Zusammenleben hat, dass sie das harmonische Zusammenleben gefährdet. Und jede religiöse Moral hat ein anderes Hauptziel!
Demgegenüber konzentrieren sich säkulare Moralvorstellungen allein auf das harmonische Zusammenleben im hier und jetzt. Das ist natürlich kein Garant für Erfolg. Und man kann natürlich nicht ausschliessen, dass sie noch schlimmere Ergebnisse liefern als religiöse. Aber wenigstens können sich deren Vertreter im Angesicht der von ihnen angestellten Katastrophen nicht damit herausreden, dass es den Leuten dafür im Jenseits umso besser gehe und man ihnen eigentlich dafür danken sollte.)

Das Hauptziel der religiösen Moral ist aber auch nicht, möglichst viele Seelen auf die hübsche Seite des Jenseits zu befördern, wie uns das die Betty Bossi AG weiss zu machen versucht. Himmel und Hölle sind genauso wie der Zucker und der Kakao nur ein Lockmittel – wenn auch eins dessen Schädlichkeit sich nicht nachweisen lässt. Worum es geht, ist der Fortbestand. Moral ist die Überlebensstrategie einer Kultur. Sie tut alles dafür, dass sie in genau der gleichen Form fortbesteht. So stur wie möglich, so flexibel wie nötig.

Allerdings braucht es je nach dem, „wo“ sich die Kultur, welche sich  durch die Moral definiert, gerade befindet, andere moralische Regeln. Unter „wo“ verstehe ich hier weniger den den geografischen Standort, obwohl der hier sicherlich auch eine Rolle spielt, sondern den Standort im – ich nenn es mal – globalen sozialen Fluss. Also ob die Kultur eine dominierende ist wie beispielsweise jene der Römer, oder ob es sich um eine unterdrückte Minderheit irgendwo weit Abseits vom Schuss handelt wie jene der Juden.

Das Überleben der Minderheit liegt nicht wirklich in ihrer Hand. Sie ist auf den Goodwill der dominierenden Kultur angewiesen. Da man sich nicht auf das ewige Fortbestehen des Goodwills verlassen kann, liegt es im Interesse der Minderheit zu einer dominierenden Mehrheit zu werden. Das jedoch möglichst auf eine Weise, mit der man sich den Goodwill der Mehrheit nicht verspielt.
Die Mehrheit dagegen muss zu ihrem eigenen Schutz versuchen eine Mehrheit zu bleiben, was bedeutet, dass sie verhindern muss, dass eine Minderheit zu einer Mehrheit wird. Und das möglichst auf eine Weise, die die Motivation der Minderheit möglichst schnell eine Mehrheit zu werden nicht beflügelt.
Oberflächlich betrachtet, sind beide Gruppen also darauf bedacht eine friedliche Koexistenz zu wahren. Eine offene Auseinandersetzung ist nämlich für beide mit unberechenbaren Risiken verbunden. Für die Minderheit, weil sie damit ihre Existenz aufs Spiel setzt und für die Mehrheit, weil sie vielleicht doch nicht so stark ist, wie sie denkt. Oft zeigt sich nämlich erst im Konflikt, ob wirklich alle die, die man auf seiner Seite wähnt, auch wirklich auf der gleichen Seite stehen. Die Mehrheit definiert sich nämlich weniger durch die absolute Zahl, sondern viel mehr durch das, wie sich die Leute zu verhalten scheinen. Was durchaus trügerisch sein kann. So mögen die meisten Menschen in Europa Katholiken sein, doch wenn die katholische Kirche zur Tötung aller Schwulen aufruft, wird sich ihr niemand mehr anschliessen. Insofern ist es besser für sie, den Status quo zu akzeptieren und die Welt glauben zu lassen, man vertrete die Mehrheit.

Die friedliche Koexistenz wird jedoch bei Mehrheit und Minderheit auf sehr unterschiedliche Weise gewahrt. So ist Toleranz den eigenen Leuten gegenüber bei der Mehrheit ein Vorteil, weil Andersdenkende damit nicht ausgeschlossen und in die Arme des Gegners gedrängt werden, während in einer Minderheit abweichende Meinungen nicht toleriert werden können, weil es die eh schon schwache Position noch mehr schwächt.
Bei der Mehrheit ist die Toleranz anderen gegenüber jedoch auch nur insofern okay, wie die Intoleranz die Gegenseite nicht zu einem ernstzunehmenden Gegner macht. Wenn die Mehrheit dermassen überwältigend ist, können auch leichte Abweichler als externe Minderheit betrachtet werden. Eigene Leute aus der Gruppe raus zu werfen ist riskant, kann sie insgesamt aber durchaus stärken.

Deshalb stand die Moral dem Fortbestand ihrer Gruppe auch noch nie im Weg. Dem Fortbestand der Individuen und dem anderer Gruppen durchaus, nicht jedoch der Idee, die die Gruppe zusammen hält. Moral ist der Überlebensinstinkt der Gruppe, wie der Egoismus der Überlebensinstinkt des Individuums ist.

Vom Fuchteln im Dunkeln

Wenn man in einen dunklen Raum tritt, dann ist wildes Rumfuchteln eine durchaus erfolgversprechende Methode das Licht an zu machen.

Die Methode funktioniert, doch ist es nicht das Rumgefuchtel, das das Licht einschaltet, sondern der Umstand, dass der Schalter meist in der Nähe der Tür ist und man mit wilden Bewegungen auch mal zufällig gegen diesen knallt.
Man ist allerdings schnell mal geneigt zu glauben, dass es eben doch das Rumgefuchtel ist, und man wird dann entsprechend auch annehmen, dass man überall im dunklen Raum Erfolg damit haben würde. Das stimmt aber nicht.

Das ist das Problem von alternativen Heilmethoden, die sich des Placeboeffekts bedienen.
Diese Heiler verkaufen das Rumgefuchtel.

Wäre es nicht besser, wenn man sich gleich dem Schalter zuwenden würde?
Der Vorteil ist, dass man einschätzen kann, wo und wann es funktioniert. Und kann Schlüsse daraus ziehen. Man kann beispielsweise einen Stock verwenden oder einen Ball. Das wird alles funktionieren.
Eine Variation des Rumgefuchtels bringt dagegen nichts.

Wenn Scharlatane den Schalter benutzen, dann können das auch die Ärzte.

In diesem Bild ist das Licht die Selbst-, resp. Spontanheilung.
Das Medikament oder der chirurgische Eingriff des Arztes ist das Flicken den Heizung.

Trennung von Religion und Medizin

Auf dem Krankenschwesterstirnband in Avas Ärztekoffer ist ein rotes Kreuz. Für Ava ist das ein Symbol des Heilens, also malt sie es auf mein Bein, das sie kurz zuvor als gebrochen erklärte.
Ich finde, dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie basal diese „animistische“ Form der Medizin ist.  Und entsprechend profitiert die Religion davon, dass das Rote Kreuz auch das Kreuz des Christentums ist. Historisch wird dieses Detail der Hilfsorganisation wahrscheinlich überhaupt erst die Durchsetzung ermöglicht haben – ich vermute, weil die Trennung von Spiritualität und Medizin noch nicht so weit forgeschritten war wie heute -, doch ob es deshalb auch heute noch seine Berechtigung hat, möchte ich in Frage zu stellen.
Während sich der Säkularismus für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt, gibt es meines Wissens kein Konzept, welches sich explizit der Trennung von Religion und Medizin annimmt. Doch die ist allein schon deshalb notwenig, weil es das religiöse Denken ist, welches Schuldzuweisungen macht. Und die sind in der modernen Medizin definitiv fehl am Platz.
Die Schuldzuweisung ist übrigens auch ein zentraler Bestandteil der  Alternativ & Komplementärmedizin, allein schon damit, dass sie sich damit zu immunisieren versucht, dass sie erklärt, dass Zweifel an der Behandlung deren Effektivität verringert, wenn nicht gar verunmöglicht.Hier spielt natürlich auch noch der Placebo-Effekt eine grosse Rolle, doch da mein als gebrochen erklärtes Bein eine weitere Behandlung bedarf, muss ich diesen Aspekt auf etwas später verschieben…

Das Geheimnis der Heilung

Auf 3sat lief kürzlich die Doku „Das Geheimnis der Heilung„, die anders als der Untertitel „Wie altes Wissen die Medizin verändert“ womöglich hätte erwarten lassen können, eigentlich gar nicht so schlecht war. Statt irgendwelche esoterischen Erklärungsmodelle zu propagieren wurde einfach von mentalen Bildern gesprochen, die den Patienten bei der Genesung halfen. Welche Methode zur Erzeugung dieser Bilder verwendet wurde, war dabei eher sekundär. Völlig zurecht will ich meinen.
Etwas sorgen machte mir hingegen, dass diese Bilder und deren positive Wirkung als den Naturwissenschaften völlig widersprechend erklärt wurden. Das ist etwas zu dick aufgetragen. Diese positiven Effekte werden von den Wissenschaften durchaus wahrgenommen, anerkannt und auch untersucht. Und obgleich hier ohne Zweifel noch vieles unklar ist, heisst das nicht, dass sich diese Phänomene nie werden erklären lassen. Tatsächlich wurden im Film selbst ein paar durchaus vielversprechende Ansätze präsentiert, jedoch leider ohne die entsprechenden Schlussfolgerungen draus zu ziehen.
In die gleiche Richtung geht das Versäumnis zu erklären, dass Heilungschancen immer nur eine gewisse Prozentangabe ist. 100% und 0% gibt es nicht. Es gehört nun mal dazu, dass ab und zu einer etwas tödliches überlebt und dass ein Krebs spontan verschwindet. Auf diesen Fällen rumzureiten und dabei angewendeten Behandlungen dann als die Heilsbringenden zu interpretieren, ist streng betrachtet problematisch.
Am heikelste fand ich aber, dass die vorsichtige Distanz zu esoterischen Erklärungen nicht thematisiert wurde. Für einen „ungeübten“ Zuschauer wird die Differenz zwischen der Verwendung von Schamanismus in der Therapie und der Richtigkeit der schamanischen Metaphysik, wenn man es so ausdrücken will, nicht deutlich. In krasse esoterische Praktiken wurde gar nicht eingetaucht, doch merkt das der Zuschauer nicht und daher bleiben sie für ihn plausible Alternativen zu den hier vorgestellten Methoden. Es ist der Effekt der Methode, der beim Patienten heilend wirkt, und nicht die Methode selbst.
Unter dem Strich also nichts Neues. Dass Empathie die Heilung fördert, wurde ja nie bezweifelt.
Es wurden noch zwei weitere Aspekte zu erwähnen vergessen: 1) Was hier als Rückkehr zu uralten heilenden Methoden gepriesen wird, die durchaus Erfolge zu verbuchen haben, hat damals in 98% der Fälle den Patienten nicht vor dem Tod bewahrt, weil dies auch heute noch nur Aspirin zu leisten vermag. Der Trick von Hannemann und seiner Homöopathie bestand darin, lieber nichts zu tun als die Leute ins Krankenhaus zu schicken, welches mit seinen hygienischen Standards damals einem verbrieften Todesurteil gleichkam. Und 2) wieviel diese uralten empathischen Heilmethoden kosten, denn schliesslich muss sich ja jemand die kostbare Zeit nehmen.

Verdacht auf homöopathische Applikationen

Um die Tauglichkeit einer Softwareapplikation zu testen, lässt man für gewöhnlich Leute von unterschiedlichem Know-how mit ihr arbeiten und schaut, wie zufrieden sie mit dem Ergebnis sind. Es ist aber scheinbar noch niemandem in den Sinn gekommen, dass dieser Effekt auch reinstes Placebo sein könnte. In diesem Fall wären die horrenden Projektkosten natürlich völlig zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Man muss daher beim Testing stets eine Kontrollgruppe mit Software arbeiten lassen, bei der lediglich das GUI steht. Sollte die Nur-GUI-Variante nicht signifikant schlechter ankommen, kann man getrost mit der billigere Placebo-Version in Produktion gehen und sich eine Menge Arbeit sparen. Und wenn beide durchfallen, dann kann man das ganze Projekt ohnehin an den Nagel hängen.
Man darf nur nicht vergessen, dass man gar nicht früh genug mit dem Testen beginnen kann.

Mit keinem anderen Testing-Verfahren lässt sich nämlich schlüssig nachweisen, dass die getestete Software nicht eine homöopathische Applikation ist.

Qualitätsmanagement

Es sollte doch eigentlich im Interesse eines jeden Unternehmens liegen, dass dessen Führung was taugt. Um dies zu gewährleisten, setzt man zwar allerhand ausgeklügelte Verfahren ein, doch scheute sich meines Wissens bisher noch jede Firma davor, die einzige wirklich wissenschaftlich anerkannte Strategie einzusetzen: den Vergleich mit einer so genannten Kontrollgruppe, deren Entscheidungsfindungsprozess völlig zufallsgesteuert ist.
Konkret heisst das, dass man manche Führungspositionen mit charismatischen Leuten besetzt, die jedoch über absolut keine Fachkompetenz verfügen und ihre Entscheidungen aus völlig haarsträubenden Gründen fällen. Die Identität dieser Personen sollte aus verständlichen Gründen unter allen Umständen geheim gehalten werden.
Das Niveau der Erfolge dieser kontrollgeführten Abteilungen verdankt sich demzufolge einzig und allein dem Placeboeffekt und jede Abteilung, die nicht signifikant bessere Resultate liefert, hat schlicht und ergreifend einen Chef, der sein Geld nicht wert ist.

Ich möchte hier auch gleich die Gelegenheit nutzen und mich selbst für die Position des charismatischen Placebochefs empfehlen. Meine Qualifikationen sprechen für sich.

Steigende Gesundheitskosten

Die Gesundheitskosten steigen, doch die Strategien mit denen man dieser Herr zu werden versucht, sind einfach dilettantisch. Statt raffiniert zu sein, versuchen wir effizienter zu sein. Was für eine Verschwendung.
Ein Beispiel gefällig? Was ist wohl teurer, Pflaster oder Schmerzmittel? Wir kalkulieren und ermitteln die optimale Pflastergrösse für jede Wund und sparen damit so und so viele Quadratmillimeter Verbandsmaterial ein. Würde man aber mit dem Verbandmaterial so richtig klotzen, so würde der Pflegereflex bei den Frauen ausgelöst und die daraus resultierende liebevolle Zuneigung dem männlichen Patienten gegenüber würde ein ganzes Arsenal an Schmerzmitteln überflüssig machen.

Klinische Effekte von Homöopathie sind Placebo-Effekte

Laut einem Artikel, der kürzlich in der Lancet, einer Fachzeitschrift, die sich dem Kampf gegen die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft in der Medizin (in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) verschrieben und es sich zur Aufgabe gemacht hat zu reformieren, zu informieren und zu unterhalten, sollen die Beweise für einen spezifischen Effekt homöopathischer Heilmittel verdammt schwach sein. Die Autoren folgern gar, dass die klinischen Effekte von Homöopathie auf Placebo-Effekte zurückzuführen seien. Auch dieser wurde übrigens unlängst unter die Lupe genommen und man hat dabei festgestellt, dass der Glaube und die Erwartung, ein schmerzlinderndes Mittel zu bekommen, das Gehirn zur Produktion körpereigner Schmerzmittel, so genannter Endorphine, animiere. Diese setzen die Schmerzempfindlichkeit herab – auch dann, wenn gar kein zusätzlicher Wirkstoff verabreicht wird.

Dies bedeutet nun aber, dass die breite Skepsis gegenüber der konventionellen Medizin, die Patienten dazu führt, nach alternativen Therapien zu verlangen, nicht nur auf sehr wackligen Füssen steht, sondern dass damit die gute, alte Meduzin ihrer bisher ebenfalls vorhandenen Platzebowirkung (also der Animation zur Endorphin-Produktion) beraubt wird und man statt dessen auf Präparate zurückgreift, die nichts anderes als eben dies zu bieten haben. Natürlich ist sehr oft auch nichts anders nötig und es kann daher durchaus angebracht sein für einen Arzt Placebos zu verteilen, doch ein Problem bleibt: Wenn ich vom Arzt völlige Transparenz verlange, verhindere ich womöglich, dass er mir adäquat helfen kann.
Der Verstand vermag vielleicht nicht alles, aber eine einlullende, potenzierte Geschichte auch nicht den Rest.