Uns bleibt Paris

Es vergeht kaum ein Tag, an dem uns Paris Hilton nicht irgendeinen Körperteil aus den Pendlerpostillen entgegenstreckt. Nicht dass mich das sonderlich stören würde, ganz im Gegenteil. Trotzdem versuche ich zugunsten eines guten Buches dieser fleischlichen Lüste zu entsagen und ich darf mit Stolz behaupten, dass mir dies auch ziemlich gut gelingt. So dachte ich zumindest, bis heute.
Da stand sie mir gegenüber, in der 2. Klasse, ohne Prosecco, dafür mit brünettem Bubikopf. Wie aus dem Gesicht geschnitten und vertieft in die 20 Minuten Lektüre.
War das eine revolutionäre Art Marketing oder eine entzugsbedingte Halluzinelle? Oder schlicht und ergreifend die Unfähigkeit des Alters die Einzigartigkeit der Individuen noch vollumfänglich würdigen zu können?
Je älter ich werde, desto ähnlicher scheinen mir die Leute – und das hat nichts mit kosmetischer oder digitaler Chirurgie zu tun. Ich vermute, das hat mit der Art und Weise zu tun, wie unser Gehirn möglichst effektiv die Mustererkennung praktiziert. Und deshalb sind wir alten auch besonders anfällig auf das so genannte Schubladendenken.
Sich also auf die Weisheit alter Männer zu berufen – so lehren uns Paris Extremitäten – hat durchaus auch seine Tücken.