Offener Brief an einen ganz bestimmten Werbeträger

Lieber Roger

Rolex, Mercedes-Benz, Credit Suisse, Jura, Moët & Chandon, Barilla, Lindt, Wilson, Uniqlo, Netjets, Sunrise, Rimowa, on

Quelle: Rogers Webseite

Ich meine … echt jetzt?

Du bist zweifellos einer der besten Sportler, die es gibt. Und das wird auch allgemein anerkannt. Und die Sportart, in der du brillierst, ist keine der knausrigen. Du solltest also eigentlich ganz passabel von den Preisgeldern leben können.
Als Sportler macht es sicherlich auch Sinn, wenn du dir deine Sportbekleidung (uniklo), deine Sportschuhe (on), dein Sportmaterial (Wilson) und die Bespannung (Barilla) sponsorn lässt. Schliesslich liegt dort deine Expertise. Wenn nicht du, wer sonst könnte beurteilen, welches Material geeignet ist, seine sportlichen Fähigkeiten optimal zu entfalten?

Aber das andere Zeug?
Klar deine Rolex leistet dir gute Dienste. Sie zeigt dir die Zeit an.
Aber würde das eine Casio nicht genauso tun?
Gut möglich, dass die Rolex die Zeit viel superer anzeigt, doch kannst du das zum einen nicht wirklich sachverständiger als andere beurteilen und zum anderen spielt das nicht wirklich eine Rolle.
Klar, du benutzt diese Marken, sie gefallen dir und du bist zufrieden mit ihnen. Doch die Frage ist, ob die gleichen Produkte von anderen Marken, auch wenn sie dir eine Spur weniger gefallen würden, deinen sportlichen Erfolg ernsthaft gefährden würden?
Nun ja, Moët & Chandon würde das auch ganz alleine schaffen. Also ich meine, deine Karriere ruinieren…

Mir ist schon bewusst, dass dir all das Geld quasi nachgeschmissen wird. Und da du die Produkte ohnehin benutzen und sie deinen Freunden empfehlen würdest, passt es ja.
Mir ist auch bewusst, dass noch sehr viele andere dir gern Geld nachschmeissen würden. Was du aber dankend ablehnst, auch wenn du deren Produkte vielleicht ohnehin schon benutzt und sie deinen Freunden empfiehlst.
Und mir ist ebenso bewusst, dass du, wenn du dir nicht sorgfältig aussuchst, von dem du dir Geld nachschmeissen lässt, Gefahr läufst, dass andere aufhören dir Geld nachzuschmeissen und dass dir dann am Ende womöglich insgesamt weniger Geld nachgeschmissen werden könnte.

Ich will daher nicht bestreiten, dass du dir neben der sportlichen Expertise im Laufe deiner Karriere auch eine beeindruckende in Sachen Sponsoring-Kompatibilität angeeignet hast.

Du könntest also neben Sportartikeln sicherlich guten Gewissens auch Werbung für Sponsoren-Vermittler machen:

Mein Sponsoring-Portfolio-Manager
SpopoMa™
sorgt dafür, dass sich meine diversifizierten Werbeverträge nicht in die Quere kommen
und ich optimal absahnen kann.

Roger, ein Sportler, der sich zu vermarkten versteht

Ich könnte mir aber vorstellen, dass solche Werbung zu jener Art gehört, die andere Sponsoren ein bisschen verschreckt…

Sie würde nämlich an deinem properem Teflon-Image kratzen und dich als den knallhart kalkulierenden Businessman zeigen (der du in Tat und Wahrheit auch bist).


Frage am Rande: Wenn man über Werbeverträge Unsummen aus zweifelhaften Firmen rausholt und alles Geld dann in (effektive) wohltätige Projekte steckt, gehört man dann zu den Guten oder zu den Bösen?
Ja, ich tue Gutes durch die wohltätigen Projekte, aber in der anderen Schale der Karmawaage liegen die dunkeln Machenschaften meiner Werbepartner, die dank meinem guten Image länger unbehelligt weiter machen können…


Wie ich schon sagte. Du besitzt in verschiedenen Bereichen ein wertvolles Fachwissen, welches jeden jede deiner Empfehlungen mehr als ernst nehmen lassen sollte. Und es ist sicherlich auch völlig berechtigt, wenn du dich für deine Expertise bezahlen lässt.
Du machst aber auch Werbung für Sachen, die dir im besten Fall nur gefallen. Und das ist für andere eigentlich kein guter Grund sich das Zeug zu kaufen, geschweige denn dich dafür zu bezahlen.

Klar, manche Leute macht es glücklich, mit dem gleichen Rollkoffer wie du durch die Welt zu jetten. Sollen sie es ruhig tun. Aber passt es zu dir und deinem authentisch sympathischen Image, das dich überhaupt erst zu einer so begehrten Werbefigur macht, dass du dich dafür bezahlen lässt, dass andere Leute deinem Geschmack nacheifern können?

Ist es zu viel verlangt, dass ich von Held etwas mehr erwarte?
Du kannst einschätzen, ob ein Turnschuh etwas taugt. Das ist keine Geschmacksache. Genau an der Fähigkeit, das einschätzen zu können, hängt auch deine Karriere . Bei der Schokolade ist das jedoch nur eine Geschmacksache. Du hast dir die Fähigkeit zwischen guter und schlechter Schokolade zu unterscheiden, nicht hart erarbeitet.
Ist es zu viel verlangt, dass ich mir wünsche, dass Helden nur dafür Lohn einheimsen, was sie auch tatsächlich geleistet haben?

Ausser natürlich, du hast – ohne dass ich das mitbekommen habe – Ernährungswissenschaft studiert und dein Urteil spiegelt den State of the Art der Schokoladenforschung wieder. Dann sorry!

So aber untergräbst du mit deinem einnehmenden Lächeln das Vertrauen in Expertise. Vermittelst die Ansicht, dass Gefühle Evidenzen ebenbürtig sind.

Und damit untergräbst du irgendwie sogar die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft.

Niemand will dir das Recht nehmen, die Schokolade zu essen, die dir am besten schmeckt. Und auch nicht den Leuten, die es interessiert, zu sagen, welche das ist.
Wenn du aber Geld dafür nimmst, dann ist das … auch angesichts der Millionen, die du dafür kassierst … irgendwie … billig?

Ironman

Ironman (amerikanische Aussprache: [‚aɪərnˌmæn],
britische Aussprache: [‚aɪənˌmæn], im Deutschen übliche falsche, abweichende Aussprache: [‚aɪʁənˌmɛn])

Quelle: Wikipedia

Sowas kommt raus, wenn Wettkampfveranstalter untereinander einen Wettkampf veranstalten, wer von ihnen die Athleten am härtesten ran nimmt.

Allerdings erwarte ich eigentlich von einem Ironman, der diesen Titel auch wirklich verdient, schon etwas mehr als bloss eine absurd lange Distanz in absurd kurzer Zeit nur zu Fuss, per Rad und im Wasser zurückzulegen. Ich würde da meine Meinung vielleicht ändern, wenn die Athleten dabei ein Ritterrüstung1 tragen und/oder dabei bügeln2 und/oder einen Baumstamm3 mitschleppen würden. Aber so… ist der Sieger nichts weiter als ein Fast(er)man.

Das einzige Eisen am Ironman steckt im Auto, Zug oder Flugzeug, mit dem die Athleten anreisen… Dann könnte man den Sieger eines Schachtourniers, das in einem Hochhaus stattfand auch Elevatorman nennen.

Ohne einen echten Bezug zu Eisen ist es reiner Etikettenschwindel. Und mit einem metaphorisch gemeinten Titel sollte sich grundsätzlich niemand brüsten müssen.

Apropos Hin- und Rückweg. Wenn ein Wettkampf knallhart sein soll, dann müssen auch die ein Teil des Wettkampfes sein. Punkt.
Unfair für die, die weiter weg wohnen? Das Leben ist kein Ponyhof, du Pussy!

Und warum dürfen die Teilnehmer eigentlich ihr eigenes Velo mitbringen? Ein harter Kerl nimmt sich, was er findet! (Was beim Ironman Rapperswil, der gleich neben Knies Kinderzoo stattfindet, auch mal ein Elefant sein könnte ;)

Und warum müssen sie überhaupt nach Rapperswil kommen? Die Athleten sind gechipt, damit man überprüfen kann, ob sie nicht schummeln. Da können sie das Rennen auch gleich zuhause absolvieren. Und mit Google-Maps, -Meteo und dem ganzen anderen Hightech-Firlefanz kann man für jeden Teilnehmer eine individuelle Strecke generieren lassen, die exakt den gleichen Schwierigkeitsgrad aufweist.
Dann würde auf einmal das Smartphone klingeln und man müsste los. Sowas wäre knallhart. Und dann jagt man alleine wie wild kreuz und quer durch die Gegend und hat keine Ahnung, was die Konkurrenz währenddessen macht. Das wäre die ultimative Herausforderung für den inneren Schweinehund. Hier würde ich sogar fast auch ohne Rüstung, Bügeln und Baumstamm den Titel Ironman tolerieren…
Aber eben nur fast. Weil man für den Titel Ironman nun mal den Eisernen Preis bezahlen muss.

Noch einen draufsetzen würden die Veranstalter, wenn die Athleten nicht wüssten, wie weit sie laufen, schwimmen, radeln müssen und das Rennen endet, wenn alle bis auf den allerletzten aufgegeben haben…4

Auf jeden Fall ist es jetzt einfach nur ein Wettkampf auf Steroiden. Ein aufgepumpter Triathlon. Von daher könnte sich der Sieger, obwohl er ohne Doping gestartet ist, nichtsdestotrotz Steroman nennen…


Fun Fakt: In einer ganz bestimmten Kategorie betrug beim Ironman Rapperswil die Zeitdifferenz zwischen dem 1. und 23. fast eine eine 3/4 Stunde. Also Zeit genug um in ein Restaurant einzukehren und ein Schnipo mit Spinat5 zu verdrücken – sei es mit eisernem Besteck oder mit Eisenzeitmanieren.