Der Apfel

Schaut man sich ein bisschen in der Geschichte des Abendlandes um, so erkennt man ziemlich schnell, dass wo immer was aufregendes passiert, ein Apfel nie weit weg ist. Im Bewusstsein der westlichen Kultur fing die Geschichte selbst im Grunde sogar mit einem Apfel an, jener Frucht der Erkenntnis, deren Verzehr den Menschen befähigte zwischen gut und böse zu unterscheiden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch, dass allem Anschein nach jedem Apfel stets das Chaos dicht auf den Fersen folgt. Das Weib – den Namen Eva erhielt sie erst später – sah, nachdem sie die Schlange darauf aufmerksam gemacht hat, dass von dem Baum – ich zitiere – gut zu essen wäre. Wie, frage ich mich, kann etwas gut sein, wenn die Fähigkeit zwischen gut und böse zu unterscheiden noch gar nicht vorhanden ist?
Ihr wollt mehr Beispiele? Wie war das doch gleich mit Eris, der griechischen Göttin der Zwietracht, die in die Gästeschar von Peleus und Thetis Hochzeit den berühmten goldenen Apfel warf und damit de facto den Trojanischen Krieg vom Zaun brach? Peleus und Thetis waren die Eltern von Achilles und werden diesen wohl erst nach der Vermählung gezeugt haben. Wie kann Achilles dann noch vor der Hochzeit in Sparta um Helenas Hand geworben und das von Odysseus ersonnene Schutzbündnis ratifiziert haben, welches ihn dann später in die Pflicht nahm Troja und Paris wegen der kurz nach der Hochzeit geraubten Helena platt zu machen?
Ein weiteres Beispiel gefällig? Nach der Schlacht von Camlann, in der Artus Mordred tötet und selbst tödlich verwundet wird, bringen ihn drei Priesterinnen nach Avalon, was so viel heisst wie Insel der Äpfel. Ob er da stirbt oder überlebt ist nicht überliefert, doch ist sehr wohl bekannt, dass im Anschluss Europa ins Chaos des finsteren Mittelalters stürzte.
Oder Hamlets Wahnsinn! Es gibt Augenzeugen, die beschwören, dass der Prinz von Dänemark seinen berühmten Dialog nicht mit Yorick Schädel hielt, sondern mit einem verschrumpelten, alten Apfel.
Oder Tells berühmter Apfelschuss. Auch da brach das blanke Chaos aus – zumindest aus der Sicht der Habsburger.
Oder der Reichsapfel der Monarchien, der die Weltherrschaft symbolisieren sollte und damit nie gerade zum Weltfrieden beitrug.
Oder die Mätresse Madame de Pompadour – hier findet sich der Apfel fast nur im Namen -, die Ludwig XV. den Kopf verdrehte.

Wie gesagt, die Geschichte ist gespickt mit Äpfeln. Oder umgekehrt, der Apfel, wenn man ihn als ein höheres Prinzip verstehen will, ist gespickt mit Geschichte. Es stellt sich nur noch die Frage, mit was sonst noch?

Was brachte Isaak Newton der Gravitation auf die Spur? Der Apfel, der ihm auf die Birne fiel. Natürlich ist das nur eine nette Anekdote, mit der er seinerzeit die Damen unterhielt, nichtsdestotrotz war es ausgerechnet der Apfel, der ihm angeblich die Erkenntnis gebracht haben soll und die Frauen mit seinen süssen, roten Wangen davon abbrachte, diese Gravitation etwas genauer erklärt bekommen zu wollen.
Könnte es sein, dass die Frauen seit jenen verhängnisvollen Zeiten zu Beginn der Geschichte, im Angesicht des Apfels instinktiv die Flucht ergreifen? Auch im Schneewittchen konnten sie sich vom Apfel nichts gutes erhoffen. Dass also die in der Serie „Sex in the City“ propagierten Manolos nichts weiter sind als das Bestreben möglichst viel Distanz zwischen sich und dem Big Apple zu bringen?
Doch nicht nur New York versucht seinen Platz in der Geschichte mit einem pomologischen Spitznahmen zu ergattern. Im Mittelalter hiess man Konstantinopel auch „den goldenen Apfel“.
Mit dem Apfel schmücken sich des weiteren auch das legendäre Plattenlabel der Beatles und die ebenso berühmte Computerfirma. Ob der Name Apple jedoch auch der Tochter von Gwyneth Paltrow zu Ruhm und Ehre gereicht, wird wohl erst die Zukunft zeigen.

Ich rekapituliere.
Erstens: Erkenntnis und Zwietracht sind Schwestern, und zwar siamesische.
Und zweitens: wo auch immer in der Welt etwas dramatisches passiert, ein Apfel ist immer in der Nähe. Und sei es auch nur in der Form eines hübschen Frauenhinterns. Das heisst natürlich nicht, dass birnenförmige Hintern nicht auch wunderschön wären, bloss das die keinen Einfluss auf die Geschichte haben.

Hühnerhusten

Ich glaube, das Ausmass der heranrollenden Vogelgrippe wurde mir erst so richtig bewusst, als ich heute Morgen den folgenden Pfister-Werbeslogan las: „Sogar unsere Matratzen lassen jetzt Federn.

Ich hoffe inständig, dass es sich hierbei nur um ein zufälliges Zusammentreffen von unglückliches Umständen handelt, andernfalls könnte diese Werbung von Hühnern und anderem Flattervieh leicht als Karikatur interpretiert werden. Und nur Hitchcock allein weiss, wozu diese letzten lebenden Nachfahren der Dinosaurier fähig sind.
Und wo wir schon von Koinzidenzen sprechen; ich musste feststellen, dass das, was an Illustrationen in Jared Diamonds Buch Guns, Germs, and Steel: The Fates of Human Societies fehlt, durch das aktuelle Anschauungsmaterial in den Massenmedien mehr als Wett gemacht wird. Eine der Hauptthesen seines geographischen Determinismus postuliert einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erfolg einer Kultur und der Fähigkeit auf der Grundlage sehr intensiver Viehzucht neue Krankheiten hervorzubringen, die für die „Erzeugerkultur“ wegen einer längeren Angewöhnungsphase eine Spur weniger tödlich sind als für deren Nachbarn. Wobei diese Fähigkeit sich insbesondere der grösseren Bevölkerungsdichte und dem engeren Zusammenleben von Mensch und Tier verdankt.

Wie dem auch sei, die ganze Geschichte hat schon beinahe etwas apokalyptisches an sich. Schliesslich zählen Vögel zur Schweren Artillerie der Symbolik: Die Schwäne beispielsweise, deren Kadaver ganz Europa in Panik versetzen, stehen für Reinheit, Mut und edle Herkunft. Oder die Hähne und Hennen, Lichtkünder und Beispiele des morgendlichen Fleisses, respektive Sinnbilder mütterlicher Fürsorge. Oder die Spatzen, Symbole für Bedeutungslosigkeit und Wollust. Oder die Eulen, die für Weisheit stehen. Oder die Tauben, welche uns als Boten des Friedens dienen. Oder die Störche, die uns die Kinder bringen. Oder die Pfauen, die Symbole für Eitelkeit. Oder die Adler, die seit dem Altertum für Könige und Götter standen. (Von Raben und Elstern, die Unglück, respektive Diebstahl bringen, gar nicht zu sprechen.)
Lauter Attribute unserer Gesellschaft also, auf die wir mehr oder weniger stolz sind. Und nun bringen uns diese engelsgleichen Symbole womöglich gar noch den Tod…
Es scheint fast, als hätte sich der Himmel gegen uns verschworen…
Das ist der Zwirn aus dem Legenden gewoben werden – oder Science Fiction Geschichten.

Aber wir hätten es wissen müssen!
Schon in dem Augenblick als Zeus in der Gestalt eines Schwans Leda verführte und mit ihr die schöne Helena zeugte, die später Troja das Verderben brachte.
Genau da hätten wir es schon wissen müssen! Denn auch da stoben Federn von der Matratze.