± 199 Fragen an einen Bischof

Was ich schon immer von einem Bischof wissen wollte, aber bisher nicht zu fragen die Gelegenheit hatte.

  • Wenn der Kirche die Macht, die sie im Mittelalter hatte, wieder zurückgegeben würde, würden Sie diese dann wieder in mittelalterlicher Manier einsetzen?
  • Könnte es Menschen geben, denen es weder in der Hölle noch im Himmel gefällt? Was würden Sie diesen empfehlen?
  • Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis… Sind das wirklich die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde?
  • Wenn Gott jemanden töten lässt, ist das dann eine moralisch gute Handlung?
  • Finden Sie, dass es irgendwann mal gerechtfertigt war ein ganzes Volk auszurotten, Sklaven zu halten und jemanden nur deshalb zu töten, weil er am Sonntag gearbeitet hat?
  • Steigt Ihrer Meinung nach die Chance in den Himmel zu kommen, wenn man es schwer hat / ganz furchtbar leidet / gefoltert wird?
  • Wie lange werden Sie es im Himmel aushalten bevor Sie durchdrehen?
  • Gibt es stichhaltige religionskritische Argumente?
  • Inwiefern ist die katholische Kirche keine kriminelle Organisation, wenn sie ihre Finanzen geheim zu halten versucht und systematisch Verbrechen in ihren Reihen vertuscht?
  • Würden Sie einen Robo-(Mess-)Diener haben wollen, der nach den Gesetzen des alten Testaments programmiert wurde?
  • Haben Sie einen Exorzisten? Möchten Sie einen, respektive mehr haben?
  • Gibt es die Hölle, wie man sie sich landläufig vorstellt? So mit Folter und Schmerz und Lava und Dämonen? Wenn nicht, respektive wenn die Sache etwas komplizierter ist, warum dementieren Sie diesen Irrglauben dann nicht lautstark? Warum schweigen Sie und lassen die Kirche von diesem Missverständnis profitieren?
  • Schämen sie sich für Ihre Christenkollegen, die an eine junge Erde glauben?
  • Lohnt es sich fürs Christentum zu sterben? Oder darf man lügen und sich öffentlich vom Christentum abwenden, aber insgeheim weiter an Jesus glauben? Was würden Sie raten?
  • Beneiden sie die Jungeerdekreationisten für ihre Fähigkeit die Bibel wörtlich zu glauben, auch wenn die Evidenzen dagegen sprechen?
  • Welche Strafe halten Sie für die böswillige Zerstörung einer Bibel für angemessen? Oder für das böswillige Abfackeln einer Kirche? Ist Vergebung eine Option?
  • Hat Gott einen eigenen Twitter-Account?
  • Können andere als die von Ihnen bevorzugte Bibelübersetzungen Schaden anrichten?
  • Wo sind Ihrer Meinung nach die interessanteren Menschen? Im Himmel oder der Hölle?
  • Was denken Sie, gab/gibt es echte Hexen? Und wenn ja, ist das so schlimm?
  • Was, wenn die Wunder, die einen Heiligen zum Heiligen gemacht haben, nachweislich nicht stattgefunden haben? Haben Sie schon mal vorgeschlagen einen Heiligen zu entheiligen?
  • Jesus war wohl nicht so blond, blauäugig und hellhäutig wie auf zahllosen Darstellungen abgebildet. Wie gedenken Sie gegen diese diskriminierende Geschichtsverdrehung anzugehen?
  • Erspart die Heiligsprechung einem Menschen in die Hölle zu kommen? Wenn ja, wieso setzen Sie sich dann nicht dafür ein alle Menschen heilig zu sprechen?
  • Was sagt es wohl über Gott aus, wenn ein Drittel seiner Belegschaft (Engel) das Weite gesucht hat?
  • Stehen sich manchmal die Aufgaben die Welt besser zu machen und möglichst viele Seelen in den Himmel zu bringen gegenseitig im Weg?
  • Ist mein dreieinhalbjähriger ungetaufter Sohn ein Sünder, der es verdient in der Hölle zu schmoren, wegen einem Verbrechen, das irgendwelche Vorfahren, die es nachweislich nicht gab, begangen haben?
  • Wenn das Christentum so überzeugend ist, warum werden dann schon Kinder in die Kirche geholt? Warum wartet ihr nicht bis sie erwachsen sind und reif für eine wohlüberlegte und überzeugte Entscheidung?
  • Da gibt es diese eine Stelle in der Bibel, wo steht, dass Petrus (und ihr als seine Nachfolger) den Schlüssel zum Himmel hat. Warum lasst ihr nicht einfach alle rein? Ist es dann nicht eure Schuld, wenn jemand in der Hölle gequält wird, wo es doch in eurer Macht liegt, es zu verhindern?
  • Was wenn Gott hofft, dass die Menschen sich gegen seine offensichtlich blöden Regeln auflehnen. Was wenn das der Test ist?
  • Wäre überhaupt nicht zu sterben Ihrer Ansicht nach nicht auch eine etwas bessere Demonstration der Unsterblichkeit gewesen als zu sterben, zurückzukommen und dann wieder zu verschwinden um trotz versprechen nie mehr wieder aufzutauchen? (Insbesondere da von den Toten aufzuerstehen in jenen Tagen keine Seltenheit war.)
  • Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten?
  • Lesen Sie religionskritische Bücher?
  • Halten Sie den Kreuztod von Jesus für wichtig? Seine Lehren würden ja weiterbestehen, auch wenn er nicht getötet worden wäre.
  • Welches ist der beste Witz über Atheisten, den Sie kennen? 
  • Wären Sie offen für wissenschaftlich saubere Experimente um die Wirksamkeit von Gebeten zu untersuchen? Damit könnte man viel gutes bewirken.
  • Was sind Sie bereit zu opfern um jemandes Seele zu retten? Ihre eigene Seele?
  • Da gibt es diese eine Stelle in der Bibel, wo es heisst, dass die Gemeinde von Petrus nie von den Pforten der Hölle überrannt werden würde. Wurde sie das Ihrer Ansicht nach wirklich nie? Oder ist „nicht allzu lange“ „nie“ genug?
  • Erschwert die säkulare Gesetzgebung Ihnen Ihre Arbeit?
  • Steigt oder sinkt Ihrer Meinung nach die Chance in den Himmel zu kommen, wenn man beim Sex „oh Gott“ ruft?
  • Warum leiden andere unter meiner Willensfreiheit, selbst dann, wenn ich nichts mehr draus lernen kann? Werden da die anderen nicht bloss zum Mittel zum Zweck degradiert?
  • Einige Leute, die sich vehement für die Interessen Gottes einsetzen, sind schon ziemliche Arschlöcher. Was ist das für ein Gefühl, nicht nur auf der gleichen Seite wie diese zu stehen, sondern auch zu wissen, dass ihre Interpretation der zitierten Bibelstellen naheliegender ist als die eigene?
  • Wenn eine Frau vergewaltigt und ermordet wird und der Vergewaltiger nachher zu Jesus findet und in den Himmel kommt. Was passiert mit der Frau (so sie überhaupt in den Himmel gekommen ist), wenn sie nicht damit klar kommt, dass ihr Peiniger auch dort ist?
  • Wäre es ein Grund für Sie die Kirche zu verlassen, wenn sich herausstellen würde, dass alle Ihre Vorgesetzten und Kollegen von den Missbräuchen wussten und diese zu vertuschen versuchten?
  • Darf ich jemandem helfen, der gerade unter der gerechten Strafe Gottes leidet?
  • Wenn man sich im Leben für den Himmel bewähren muss, warum haben es nicht alle gleich schwer? Scheint nicht gerade fair zu sein.
  • Möchten Sie den Ablass wieder einführen?
  • Willensfreiheit führt dazu, dass man hie und da auf die Nase fällt. Krieg, Hunger und Seuchen sind aber ein bisschen gar krasse Konsequenzen, oder nicht?
  • Wissen Sie genug von Physik, Biologie, Soziologie, Psychologie, etc. um mit Bestimmtheit sagen zu können, dass es ohne Gott nicht geht? Geht es ohne Gott?
  • Halten Sie die Gebote der Bibel für besser als die Asimovs Robotergesetze?
  • Welchen Verhandlungsspielraum haben Sie? Können Sie mir 72 Jungfrauen im Jenseits organisieren?
  • Ist es nicht komisch, dass Atheisten in der Regel die Bibel besser kennen als die Gläubigen? Dass die Bibellektüre sie überhaupt erst zu Atheisten gemacht hat? Sind Sie sicher, dass Sie die Bibel richtiger verstanden haben und nicht einfach Opfer kognitiver Verzerrungen geworden sind? Dass es diese gibt, wissen Sie ganz genau, denn Sie haben sie oft an anderen beobachtet, wenn sich diese einer anderen Religion angeschlossen haben.
  • Wenn Sie durch einen physikalischen Unfall eine Zeitreise ins Paradies machen würden, würden Sie Eva daran hindern vom Baum der Erkenntnis zu naschen?
  • Wie gross ist wohl die Wahrscheinlichkeit, wenn man sich zufällig einen Vers aus der Bibel pflückt, dass er für sich alleine betrachtet problematisch ist?
  • Sind Sie sicher, dass nicht der Teufel der Gute in der Bibel ist? Er hat weniger Leute umgebracht. Oder spielt die Anzahl der Ermordeten keine grosse Rolle? Ist viel mehr das Ergebnis wichtig? In der Art vom Konsequentialismus?
  • Welche Superkraft, die Sie in Ihrem Beruf weiterbringen würde, würden Sie sich wünschen? Leute mit ihrem Blick zu Katholiken zu bekehren?
  • Haben sie schon mal in Erwägung gezogen den Völkermord an den Jesiden dadurch wieder gut zu machen, indem sie jemanden unter Folter sterben lassen? Beispielsweise sich selbst?
  • Haben Sie ein Gespür dafür welches von zwei Verhalten wahrscheinlich eher im Sinne Gottes ist?
  • Warum distanzieren Sie sich nicht öffentlich vom Blödsinn, den irgendein bekloppter Kollege verzapft?
  • Sollte Jesus nicht nackt am Kreuz hängen?
  • Und wenn Gott Ihnen irgendwann mal überzeugend begründet, warum Homosexualität so übel ist, werden Sie ihm vorwerfen, dass er die Begründung nicht schon im Diesseits allen zugänglich gemacht hat? (Diese Frage könnte man auch im Bezug zu anderen diskriminierten Gruppen (von denen es nicht wenige gibt) formulieren.)
  • In welcher Zeit war, basierend auf Ihrer Gottesvorstellung, für einen zufälligen nichtkatholischen Christen die Chance am grössten in den Himmel zu kommen?
  • Würden Sie einen Menschen töten, wenn Sie damit 1000 Menschen das Leben retten könnten?
  • Hat man Ihrer Meinung nach im Himmel noch einen freien Willen? Wäre es für Sie okay, wenn es dort diesen nicht mehr gibt? Und wenn es ihn dort gibt, kann man es dort noch vermasseln? Und wenn ja, kommt man dann in die Hölle? Und wenn nein, wieso hat Gott die Welt nicht so gemacht wie den Himmel?
  • Spricht Gott zu ihnen? Wenn ja, bestärkt Sie das in ihrem Glauben? Wenn ja, ist es nicht unfair, dass er nicht zu mir spricht? 
  • Wenn Sie im Zirkus einen Zauberer sehen. Wie lange müssen Sie den Trick nicht durchschauen können um aufzuhören nach dem Trick zu suchen und zu glauben, dass es echte Magie ist? Haben Sie Ihre Gründe an Gott zu glauben kürzer oder länger hinterfragt?
  • Verstehen Sie sich als Cos-Player, wo sie doch so tun, als ob es Götter und Dämonen gäbe?
  • Erfahrungsgemäss stärken kritische Fragen den Glauben eher als dass sie ihn schwächen. Das ist eine seltsame Eigenschaft unseres Gehirns. Halten Sie es nicht für verstörend, dass man stolz darauf sein kann, überdeutliche Evidenzen überwunden zu haben? Insbesondere da der Erfolg Ihrer Weltanschauung genau davon massiv profitiert? Es scheint, dass Ihr Gott diese Eigenschaft des Blinden Vertrauens ganz besonders schätzt? Tun Sie das auch bei ihren Freunden und Mitarbeitern?
  • Hat die katholische Kirche eine Mission, von der die Öffentlichkeit nichts weiss? Ab welchem Dienstgrad wird man in diese eingeweiht?
  • Gibt es Arschlöcher in der katholischen Kirche?
  • In welcher Zeit war, basierend auf Ihrer Gottesvorstellung, für einen zufälligen Christen die Chance am grössten in den Himmel zu kommen?
  • Würden Sie lügen um der Kirche einen Vertrauensverlust zu ersparen, wenn sie befürchten, dass andernfalls die Kirche in ihrer guten Arbeit massiv behindert würde?
  • Wenn Ihre Liebe zu einer Person nicht erwidert wird, welche Strafen halten Sie in diesem Fall angemessen?
  • Jesus hatte 12 Apostel und keine Apostelinnen. Daraus folgert man, dass es keine Priesterinnen geben darf. Viel seltener aber hört man die Forderung, dass es nicht mehr als 12 Priester geben darf. Welche 12 Priester würden Sie im Amt lassen?
  • Welche Entwicklungen, respektive Veränderungen verdanken wir Ihrer Meinung nach direkt Gebeten?
  • Was müssten Sie wohl tun um bessere Chancen zu haben in den Himmel zu kommen? Würde das der Kirche schaden?
  • Wie finden Sie raus, ob eine Hostie schon transsubstantiiert wurde oder noch nicht?
  • War Schweinefleisch essen irgendwann wirklich mal schlimmer als einen Genozid an den Kanaanitern zu verüben?
  • Darf man Sexfantasien angesichts des sexy enthüllten Körpers von Jesus am Kreuz haben?
  • Wie fest sind Sie sich dessen bewusst, dass es nichts gibt, was sich mit der Bibel nicht legitimieren liesse?
  • Würden Sie einen Menschen töten, wenn er an einer furchtbaren Krankheit leidet und Sie anfleht dem ein Ende zu machen, und Sie damit 1000 Menschen das Leben retten könnten?
  • Haben Sie zuerst intern oder aus der Presse von den Missbräuchen in der katholischen Kirche erfahren?
  • Hatten Sie während der Corona-Krise mehr Hoffnung in Gott und ein Wunder oder in die Wissenschaft? Oder ist die Wissenschaft das Wunder und Sie reissen sich das Verdienst der Wissenschaft einfach unter den Nagel?
  • Wenn ich Ihnen sage, dass dass ich mit einer Schokolade zurückkomme noch bevor der letzt hier Anwesende gestorben ist, wie lange wären sie bereit sein auf meine Rückkehr zu warten, nachdem alle Anwesenden gestorben sind? (Und wenn es nicht Schokolade sondern eine Superkraft wäre?)
  • Wieviele Seelen müssten gerettet werden, damit Sie ihre Seele verkaufen?
  • Wenn mit der Bildung die Wahrscheinlichkeit steigt vom Glauben abzufallen, sind Sie dann dafür die Bildung runter zu fahren?
  • Warum steht in der Bibel nichts, was man zu jener Zeit nicht hätte wissen können? Warum sind die Prophetien so wage?
  • Sind Sie für das Abreissen der sixtinischen Kapelle, weil sie das erste Gebot verletzt (Bilderverbot)?
  • Hiob wurden seine Kinder genommen und er erhielt am Ende wieder neue. Halten Sie das für eine akzeptable Wiedergutmachung? Respektive, was halten Sie von einem Menschen, der so eine Wiedergutmachung zufrieden akzeptiert?
  • Gott bestraft die Menschen ja manchmal indem er ihre Nachfahren bis ins vierte Glied bestraft. Wenn er deren Nachfahren für deren Vergehen wiederum ins vierte Glied bestraft, wie viel von den Qualen heute ist dann bloss die Bestrafung unserer Vorfahren?
  • Sind alle Missbräuche, die im Rahmen Ihrer internen Untersuchung aufgedeckt wurden, von denen Sie also wissen, publik gemacht worden? Wenn ja, welche Konsequenzen sind sie bereit zu ziehen, sollte sich herausstellen, dass Sie jetzt gelogen haben?
  • Werden Sie im Himmel glücklich sein können, wenn Sie wissen, dass ich in der Hölle auf ewiglich grausamst gefoltert werde? Oder wollen Sie es dann lieber einfach nicht wissen?
  • Wieso stand die katholische Kirsche bei allen Fortschritten regelmässig auf der falschen Seite? Tun sie das auch? Oder halten Sie Fortschritte wie Gleichberechtigung, Abschaffung der Sklaverei und Medizin nicht wirklich für Fortschritte?
  • Was denken Sie? Zählte Abraham darauf, dass Gott ihn aufhalten würde?
  • Wie kann die katholische Kirche dazu beitragen den Klimawandel abzuwenden? Wäre es nicht praktisch gewesen, wenn man das Frühzeitig gewusst hätte und auf eine nachhaltige Lebensweise hingearbeitet hätte statt sich einfach die Natur Untertan zu machen?
  • Warum interessiert sich Gott so sehr für Schwulensex und Masturbation? Oder ist es der Klerus, der davon fasziniert ist?
  • Was für eine Meinung hätten Sie von Abraham, wenn Sie sein Sohn wären?
  • Warum haben Ihre Kirchen bei in de Corona-Krise nicht freiwillig vor allen anderen geschlossen? Sie wären mit gutem Beispiel vorangegangen und hätten damit Leben gerettet.
  • Wie gross ist wohl die Wahrscheinlichkeit, wenn man sich zufällig einen Vers aus der Bibel pflückt, dass er so schön ist, wie Sie erwarten?
  • Was halten Sie von Männern, die Priester wurden, nachdem die Missbräuche und die Trägheit der Kirche allgemein bekannt wurde?
  • Hätte Jesus den Leuten nicht nachhaltiger helfen sollen?
  • Da gibt es diese eine Stelle in der Bibel, wo es heisst, dass die Gemeinde von Petrus nie von den Pforten der Hölle überrannt werden würde. Das heisst doch, dass immer für alle deutlich klar sein würde, welches die richtige Gemeinde ist. Wie erklären Sie sich den Umstand, dass für einen Aussenstehenden nicht so klar ist, welches die richtige Gemeinde ist?
  • Welche Bibel finden Sie besser besser: Die Lutherbibel 2017 (LUT) oder die Lutherbibel 2017 (LUT), in die ich von Hand „Du sollst keine Sklaven halten!“ reingeschrieben habe?
  • Wäre objektiv betrachtet Harry Potter nicht ein besser moralischer Kompass als die Bibel?
  • Was muss ich tun, damit Jesus nicht für mich gestorben ist? Damit er nicht glaubt, dass ich in seiner Schuld stehe?
  • In welcher Zeit war, basierend auf Ihrer Gottesvorstellung, für einen zufälligen Heiden die Chance am grössten in den Himmel zu kommen?
  • Würden Sie lügen um einem Menschen das Leben zu retten?
  • Was denken Sie, wodurch würde sich die Welt von der aktuellen unterscheiden, wenn es Gott nicht geben würde?
  • Welcher Typ Wein war es, den Jesus damals aus Wasser gemacht hat?
  • Was denken sie? Ein wie grosser Anteil der Menschheit kommt in den Himmel?
  • Haben Sie, angesichts der üblen CO2 Bilanz von Fleisch, mal darüber nachgedacht Veganismus in die katholischen Lehre zu integrieren?
  • Finden Sie es nicht ein bisschen enttäuschend, dass der Erfolg des Christentums sich historisch betrachtet vor allem dem Schwert verdankt? Und dass das Schwert durch die Bibel legitimiert darin wurde, die nötige Grausamkeit anzuwenden?
  • Hätten Sie vor 420 Jahren Giordano Bruno verbrannt? Es hätte zu Ihrem Berufsprofil gehört.
  • Warum haben Sie noch nie einem Spital angeboten ihre Blutreserven mit transsubstantiiertem Wein aufzustocken, der ja nach Ihrer Überzeugung echtes Blut ist?
  • Hat die katholische Kirche im Laufe der Geschichte Ihrer Meinung nach mehr Leid gelindert als verursacht? Um wieviel mehr? Ist das nicht zu wenig, wo sie doch den heiligen Geist im Rücken hat?
  • Sie sind ja jetzt ein ganz anderer Mensch als vor 40 Jahren. Welcher dieser Menschen wird sich im Himmel, resp. in die Hölle wiederfinden? Und wenn man alles wegnimmt, das den Unterschied zwischen diesen beiden ausmacht, sind es dann noch immer Sie? Haben Sie nichts dagegen all das zu verlieren, was sie kennen, und in einer Form eine Ewigkeit lang zu vegetieren, von der Sie jetzt noch keine Ahnung haben, welche das sein wird? (vgl. Eine Raupe weiss nicht, dass sie ein Schmetterling werden wird. Vielleicht würde die eine oder andere Raupe im Wissen darum, dass aus ihr ein bunter Schmetterling wird, dann lieber Vogelfutter werden.)
  • Würden Sie den Glauben ablegen, wenn damit alle Kriege beendet werden könnten?
  • Erklären Sie in Ihren Predigten auch die Stellen, die von den Frauen verlangen, während der Gemeindeversammlung zu schweigen? Und sind am Ende zufrieden mit ihrer Erklärung?
  • Wenn Sie durch einen physikalischen Unfall eine Zeitreise zu Noah machen würden, würden Sie es Gott auszureden versuchen die ganze Menschheit inklusive aller Häschen und Welpen und Kätzchen elendiglich zu ersäufen?
  • Halten Sie die Verbannung von Adam und Eva aus dem Paradies für gerechtfertigt? Für eine Tat, von der sie nicht wissen konnten, dass sie falsch war, weil ihnen erst die Konsequenz der Tat die Fähigkeit verlieh, falsches von richtigem zu unterscheiden. (Btw. Können Sie immer falsches von richtigem unterscheiden? Oder hat der Apfel womöglich gar nicht funktioniert?)
  • In welcher Zeit war, basierend auf Ihrer Gottesvorstellung, für einen zufälligen Katholiken die Chance am grössten in den Himmel zu kommen?
  • Würden Sie morden und vergewaltigen, wenn Gott es nicht explizit verboten hätte?
  • Gibt es Bücher (oder Autoren), die verbrannt werden dürften?
  • Wenn an einer Parkbank ein „Frisch gestrichen“-Schild hängt, berühren Sie die Bank um zu testen, ob das auch stimmt? 
  • Soll man einer Neonazi-Gruppe beitreten und ein liebevolles, tolerantes Leben führen um das Image der Neonazi-Gruppe zu verbessern?
  • Was denken Sie, wodurch würde sich die Welt von der aktuellen unterscheiden, wenn es den in der Bibel beschriebenen Gott geben würde?
  • Warum stört es Sie mehr, wenn ich Ihren Glauben für falsch halte als wenn ihre politische Einstellung für falsch halte?
  • Können Sie Hostien auch in Rindfleisch transsubstantiieren? Würde damit gleichzeitig auch der CO2-Abdruck in einen üblen transsubstantiieren?
  • Gibt es etwas, das in Ihren Augen eine ewige Folter rechtfertigt?
  • Hat Gott mit der Sprachverwirrung nach der Zerstörung des Turms von Babel eher dem Krieg oder dem Frieden unter die Arme gegriffen?
  • Gibt es Menschen, bei denen, wenn diese nicht in den Himmel kommen, Sie richtig wütend werden würden?
  • Was würden Sie tun, wenn Gott Ihnen befielt jemanden zu töten. Wohlgemerkt, für Sie wäre es über jeden Zweifel erhaben, dass es tatsächlich Gott ist, der Ihnen das aufträgt. (Ist ja nicht so, als ob er nie mit solchen Wünschen an Menschen herantreten würde.)
  • Warum setzen Sie sich nicht dafür ein das alte Testament einfach aus der Bibel zu streichen? Das bedeutet ja nicht, dass man dieses während des Bibelstudiums nicht herbeiziehen würde. Man würde lediglich zum Ausdruck bringen, dass der christliche Liebe Gott nie einen Genozid an den Kanaanitern gutheissen würde. Was er doch nicht tun würde, oder?
  • Ist es nicht peinlich, dass die Möglichkeit Leute auf den Scheiterhaufen zu stellen, der Kirche erst von aussen entzogen werden musste?
  • In welcher Zeit war, basierend auf Ihrer Gottesvorstellung, für eine zufällige Person die Chance am grössten in den Himmel zu kommen?
  • Wie schwer ist es ein Universum zu erschaffen? Wie sicher sind Sie, dass man sowas nicht auch ohne Allmacht hinkriegt?
  • Wo kann ich mich beschweren, wenn ich das Gefühl habe, dass Gott vertragsbrüchig ist?
  • Wenn mehr als 50% der Bevölkerung ihre Ansichten teilen würde, welche Gesetze aus der Bibel würden Sie auf demokratischem Weg einzuführen versuchen?
  • Im ersten Gebot beschreibt Gott sich als derjenige, der die Israeliten aus Ägypten heraus geführt hat. Irgendwie macht es aber den Anschein, dass die Israeliten gar nie in so grosser Zahl in Ägypten waren, geschweige denn dass sie es unter so dramatischen Umständen wieder verlassen hätten. Werden Sie, wenn Sie durch einen physikalischen Unfall eine Zeitreise in jene Zeit machen würden, die Israeliten nach Ägypten führen, damit Gott sie zusammen mit Moses wieder herausführen kann?
  • Was denken Sie? Gehorchte Abraham Gott, weil er sich vor Gottes Zorn fürchtete?
  • Wenn Sie durch einen physikalischen Unfall eine Zeitreise nach Jerusalem zur Kreuzigung machen würden, würden Sie Jesus vor dem Kreuztod retten wie sie jeden anderen Menschen vor einem Foltertod zu retten versuchen würden? (Oder finden Sie es grundsätzlich wichtiger die temporale Integrität zu schützen?)
  • Können Sie dafür sorgen, dass eine bestimmte Person in den Himmel kommt?
  • Wenn man sich ihrer persönliche Bibel genauer anschauen würde, welche Stellen sind weitgehend unberührt?
  • Die katholische Kirche hat durch ihre Macht andere, potentiell gefährlichere Ideen aufgehalten sich auszubreiten. So wie eine Chemotherapie Krebs aufhält und beseitigt. Eine Chemotherapie schadet aber einem gesunden Organismus. Gilt ihrer Meinung das gleiche für die katholische Kirche?
  • Sehen Sie sich manchmal als Märtyrer für die heilige katholische Kirche, wenn mal wieder ein Missbrauch publik wird und Sie sich als unschuldiges Opfer für die Fehler der schwarzen Schafe in Kirche entschuldigen müssen?
  • War der Genozid an den Kanaanitern Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?
  • Welches ist der beste Witz über Christen, den Sie kennen?
  • In Babel bauten sie den Turm damit sie sich nicht über die ganze Erde zerstreuen. Hätten Sie sich damals gegen dieses (fortschrittliche) Bauprojekt eingesetzt?
  • Wenn Gott Kinder von einem (haarigen) Bären töten zu lässt, weil sie sich über einen glatzköpfigen lustig gemacht haben, welches Tier hätte Gott dann geschickt um sie zu töten, wenn sie sich über die Segelohren von Elisa lustig gemacht hätten? Ein (ohrloses) Krokodil?
  • Ihr vorbildliches Verhalten schenkt ihren weniger vorbildlichen Kollegen einen Vertrauensvorschuss, den diese ausnutzen. Stört Sie das nicht?
  • Welcher Gottesbeweis überzeugt Sie am meisten? Und stört Sie der logische Fehler darin nicht? (Doch, es steckt einer drin!)
  • Eine für den Atheisten überzeugende Evidenz reicht um diesen zu bekehren. Beunruhigt sie nicht, mit welchem Tempo die Evidenzen für Gottes Existenz mit der Wissenschaft beseitigt wurden?
  • Halten Sie es für vernünftig Gott die Führung anzuvertrauen, wenn er mit das Volk Israels 40 Jahre durch die Wüste irrt, während für die Strecke laut Google Maps nicht mehr als eine Woche nötig wäre?
  • Halten Sie einen Wahrsager, der wage Voraussagen macht, die alle durch alles mögliche erfüllt werden können (Barnum-Effekt), für glaubwürdiger oder weniger glaubwürdig als einen der weniger wage Voraussagen macht, aber auch weniger Treffer erzielt?
  • Haben Sie schon mal Gott mit einem Gebet umgestimmt?
  • Sippenhaft?
  • Gibt es Vatikan-Ninjas?
  • Wären Sie Priester geworden, wenn Sie um die Missbräuche und deren systematische Vertuschung gewusst hätten?
  • Werden Sie Gott sagen, dass er sich ab und zu wie ein Arsch verhalten hat? Beispielsweise im Bezug auf Homosexuelle?
  • Wozu ist der Glaube an Gott gut, wenn er die Menschen, die ihn haben, nicht besser macht?
  • Mein Freund kann über Wasser laufen. Glauben Sie mir? Wenn nicht: Wagen Sie es einfach mir zu glauben! Und jetzt?
  • Sollte Verbrechern die Möglichkeit gegeben werden, der Nachtwache einem Kloster beizutreten?
  • Meine Fragen erschüttern Ihren Glauben natürlich nicht. Sie haben wahrscheinlich alle Fragen schon mal gehört und haben nach eingehender Prüfung eine für Sie befriedigende Antwort gefunden. Gab es mal eine Zeit, wo Sie solche Fragen vom rechten Weg abgebracht hätten? (Frage für einen Freund mit einer Zeitmaschine.)
  • Gibt es Passagen in der Bibel, die Sie lieber nicht drin haben würden?
  • Wurden Sie von irgendwelchen internen Regeln oder kirchenpolitischen Strategien daran gehindert mehr gegen die Missbräuche in der Kirche zu unternehmen?
  • Warum darf ich in St. Gallen an hohen Feiertagen nicht mit meinen 501 Freunden tanzen, sie aber am 25. Mai einen Gottesdienst abhalten, wenn es den jeweils anderen stört?
  • Ist es nicht frustrierend, dass früher die Wunder aus einem gespalteten Meer und angehaltenen Sonnen bestanden und heute nur noch aus Gesichtern auf Toastbroten?
  • Bei wem liegt Ihrer Meinung nach die Beweislast: Bei dem, der ein unsichtbares Wesen postuliert, oder bei dem, der nicht an dessen Existenz glaubt?
  • Wieso ist der Prozentsatz von Pädophilen in der katholischen Kirche trotz direktem Draht zu Gott nicht deutlich kleiner als in der Bevölkerung? Oder wären es ohne den heiligen Geist noch viel mehr?
  • Warum hat Jesus Blinde geheilt, aber nicht die Blindheit? Wie viele Menschen hätte Jesus wohl retten können, wenn er die Menschheit die wissenschaftliche Methode und die Molekularbiologie gelehrt hätte? Finden Sie nicht auch, dass Jesus seine Superkräft suboptimal genutzt hat?
  • Wenn Sie in einem anderen Land geboren worden wären, der Bischof von welcher Religion wären Sie dann wohl heute?
  • Welcher Aufgabe der katholischen Kirche messen Sie eine höhere Priorität bei? Die Welt besser zu machen oder mehr Seelen in den Himmel zu bringen?
  • Ist es nicht ein Armutszeugnis, wenn die Religionen vor allem Leute in Krisensituationen „rektrutiert“, die sich ohnehin an jeden Strohhalm klammern?
  • Mutter Teresa hat ihren „Patienten“ bewusst die Schmerzmittel vorenthalten um sie durch die Qualen näher an Jesus zu bringen. Ist sie in Ihren Augen eine liebe Heilige oder ein heiliges Monster?
  • Das persönliche Kennen von Gott hat die Engel nicht daran gehindert ihm den Rücken zu kehren. Ist diese neue Regel, dass man an ihn Glauben muss ohne klare Evidenz, nicht vielleicht ein Trick, damit sich weniger Menschen von ihm abkehren? Das würde nicht gerade für ihn sprechen?
  • Kommen abgetriebene Föten in den Himmel? Wenn ja, wäre es dann nicht nett und im Interesse der katholischen Kirche möglichst viele Abtreibungen zu machen? Ja, man verspielt sein Seele und landet in der Hölle, hat aber viele Seelen gerettet.
  • Wenn Jesus Kinder gehabt hätte, hätte er sie geschlagen?
  • Finden Sie es okay, dass mich die gleiche Bestrafung erwartet wie Hitler, Stalin und Lord Voldemort? (Insbesondere nach diesen Fragen…)

  • Welche Fragen waren neu?
  • Welche Frage war die schwierigste?

  • Und als letzte Frage: Kennen Sie den DisOrganizer?

Das Problem ist, dass wenn ich dem Bischof begegne, dann werden wir uns gut verstehen. Und ich werde ihm die Fragen nicht stellen, weil er offensichtlich nicht den Blödsinn glauben kann, der als Prämisse hinter den Fragen steht. Doch das kann er und das tut er. Und deshalb sollte ich ihm die Fragen nichtsdestotrotz stellen. Auch wenn es ihn beleidigen wird und unsere Freundschaft damit zerstört wird.
Ich frage mich aber, ob der Umstand, dass er durch die Fragen beleidigt wird, nicht ein Hinweis darauf ist, dass er sich schon irgendwie bewusst ist, dass sein Glaube absurd ist. Und dass er ahnt, dass es eigentlich absurd ist, an etwas zu glauben, eben weil es absurd ist und es schliesslich keinen ultimativeren Liebesbeweis gibt. Man wird einfach nicht gern dabei erwischt.

Das Spiel des Lebens

Lasst uns zusammen ein Computer-Spiel entwickeln!

Eine Art Echtzeit-Strategiespiel, in dem der Spieler (genannt „User“) fast nur Betrachter ist und das eigentliche Spiel von den verschiedenen künstlichen Intelligenzen des Spiels (KI) gespielt wird. Es gewinnen alle KIs, die ein gewisses Ziel erreichen.
Die KIs sind dabei so angelegt, dass sie das Ziel kennen und es zu erreichen versuchen. Das Ziel ist nicht allzu schwer zu erreichen, bloss kommt den KIs manchmal etwas in den Weg. Seien es die Bemühungen anderer KIs oder Pech oder auch etwas anderes.

Unser Spiel ist wohl vergleichbar mit Klassikern wie Age of Empires, Sid Meier’s Civilization oder StarCraft, wenn alle Parteien von der KI gespielt werden.

Das Ziel ist hier im Gegensatz zu den oben genannten aber kein „materielles“, wie beispielsweise Kontinente zu erobern oder möglichst viel Geld zu scheffeln, sondern ein „moralisches“: Man muss nett sein. Konkret heisst das, dass man keiner anderen KI – sei es durch Tun oder Unterlassen – wissentlich Schaden zufügen darf.
Jede Handlung wird durch Karma-Punkte belohnt, respektive durch Abzug ebenjener bestraft. Das Ziel ist am Ende eine positive Karma-Punkte-Bilanz aufweisen zu können.

Der „User“ hat dabei die Möglich ins Spiel einzugreifen. Er kann einer KI mal helfen oder ihr auch das Leben schwer machen. Sei es indem er ihr Steine auf den Kopf fallen lässt oder die Ressourcen in der Welt so einstellt, dass sie nicht für alle KIs reichen.
Die Möglichkeiten der Einflussnahme durch den „User“ sind dabei schier unerschöpflich (wodurch das Spiel voraussichtlich sehr interessant für Soziologen und Konsorten sein wird, die damit die gesellschaftlichen Konsequenzen verschiedenster Voraussetzungen untersuchen können).

Unser Spiel hat aber noch einen kleinen Twist: Die Karma-Punkte werden auch an die „User“ für ihre Handlungen verteilt. Denn wenn es für eine KI böse ist, einer anderen zu schaden, dann doch auch für den „User“.
Selbstverständlich darf der „User“ auch mal Genozid spielen, aber er wird in diesem Fall das Spiel wohl nicht gewinnen.

Der „allmächtige“ „User“ kann – wie gesagt – vieles ändern, nicht aber das Karma-Punkte-Verteilsystem.
Die Karma-Punkte werden anhand der Folgen der Handlungen und der Vorhersehbarkeit dieser Folgen berechnet. Das heisst, wenn ein“User“ ein ähnliches Setting zum zweiten Mal spielt und aufgrund seiner „Allwissenheit“ die Konsequenzen seiner Handlungen besser abschätzen kann, kriegt er je nach dem weniger Karma- respektive mehr Negativ-Karma-Punkte.

Der „User“ kann aber durchaus die KIs davon überzeugen, dass er das Karma-Verteilsystem verändert hat. Und er kann ihnen auch weiss machen, dass er selbst defaultmässig unendlich viele Karma-Punkte hat.
Die hat er aber nicht und er ist auch nicht einfach so das „moralischste“ Wesen.


Und was lernen wir draus?
Antwort: Je allwissender man ist, desto weniger wiegt eine Wohltat und desto mehr jedes zugefügte oder nicht verhinderte Leid.

aber einmal sollte man es gut sein lassen

Der Klerus hat es heutzutage auch nicht leicht.
Ihre Gebete funktionieren nicht mehr so richtig und keiner will mehr sein Kind mit nem Priester allein lassen…

Ein ehemaliger Klassenkamerad ist Pfarrer und jedes Mal wenn wieder so ein Missbrauch bekannt wird, muss ich an ihn denken. Nicht, dass ich ihm irgendetwas unterstellen würde, aber dass er weiterhin in einer Organisation arbeitet, die solche Vorfälle konsequent unter den Teppich zu kehren versucht, lässt mich schon ein bisschen an seiner Integrität zweifeln.

Er gesteht natürlich durchaus ein, dass die Kirche viel falsch gemacht hat und bedauerlicherweise bis heute noch nicht alle Lektion daraus gelernt hat. Und dafür entschuldigt er sich auch, doch deswegen der Kirche den Rücken zukehren, ist für ihn keine Option. Das sieht er nicht als den richtigen Weg. Er versucht stattdessen ein anderes Bild der Kirche zu leben.

Das klingt doch eigentlich ganz okay.
Ausser vielleicht, dass die Kirche, die viel falsch gemacht und bis heute noch nicht alle Lektionen gelernt hat, nicht mit anderen Organisationen zu vergleichen ist, welche ebenfalls auf eine unrühmlich Vergangenheit zurückblicken müssen. Im Gegensatz zu Firmen, die beispielsweise an den Verbrechen der NS-Zeit beteiligt waren und sich dann dafür entschuldigten, nicht das richtige getan zu haben, sieht die Kirche ihre Kernkompetenz nämlich darin, dank des aktiven Patronats des heiligen Geistes stets zu wissen, was gut und was böse ist. Deshalb verstand sie sich auch immer als Wächterin der Moral.
Dass hie und da bei einzelnen mal was schief läut, ist bedauerlich, aber wohl nicht gänzlich zu verhindern. Dass die Kirche mit ihrem direkten Draht zur höchsten moralischen Instanz das aber nicht merkt oder, wenn sie es merkt, es einfach nur zu verschleiern versucht, lässt daran zweifeln, ob die katholische Methode überhaupt funktioniert.

Tatsächlich erscheint es mir eher so, als ob die katholische Methode weniger darüber wacht, was gut und was böse ist, als viel mehr, das, was der Kirche gerade passt, als moralisch okay propagiert.
Sie ist jetzt beispielsweise gegen die Sklaverei. Das war sie nicht immer. Und sollte es mal nötig werden, stehen ihr mit der Bibel und einer abhörsicheren Verbindung zu Gott die nötigen Instrumente zur Verfügung wieder für diese zu sein. Das gleiche gilt fürs Frauenstimmrecht, den Verzehr von Schweinefleisch und das Tolerieren der Homosexualität.

Und auch dass sich mein Freund dafür entschuldigt, dass die Kirche viel falsch gemacht hat und bis heute nicht alle Lektionen gelernt hat, ist nicht wirklich okay. Er hat ja selbst nichts gemacht. Wofür also sich entschuldigen? Und als Dorfpfarrer ist er wohl auch nicht in der Position, dass er etwas davon gewusst hätte.
Oder etwa doch? Hat er davon gewusst und nur für die Lösung gebetet? Entschuldigt er sich dafür, dass er nicht genug gemacht hat? Dass er den Verdacht, den er hatte, nicht den Behörden gemeldet hat? Oder ihm das Beichtgeheimnis wichtiger war als das Wohl eines Kindes?
Aber wahrscheinlich lese ich hier viel zu viel rein. Er entschuldigt sich womöglich bloss, weil er nicht nichts tun und einfach weiter machen kann. Er ist im Zugzwang. Und durch die Entschuldigung distanziert er sich ohne irgendwelche Konsequenzen ziehen müssen. Und als Bonus erniedrigt er sich elegant und kann sich als Märtyrer für die geschundene Kirche verkaufen.

Und dass er stattdessen ein anderes Bild der Kirche zu leben versucht, ist so auch nicht ganz okay. Ich hoffe, damit will er zum Ausdruck bringen, dass er sich bemüht die Kirche von innen zu ändern, und nicht einfach nur die Risse in der Fassade zu kitten.
Da ist sicher was dran, denn die Kirche ist too big to fail. Sie ist wie ein Atomkraftwerk, das während langer Zeit die Herzen der Menschen erleuchtete und bei dem man jetzt merkt das die Kosten für die Umwelt einfach zu hoch sind. Und wie bei einem Atomkraftwerk ist es sicher besser, wenn man sie nicht mit einer Explosion vom Netz nimmt.
Es bleiben aber dennoch zwei Fragen:
Die eine ist, in was genau er die Kirche zu ändern versucht. Ich meine, weiss er besser, was Gott wirklich will, als all die anderen Priester, Bischöfe und Päpste, die sie nicht verändert haben? Ist er sich wirklich sicher, dass es im Interesse Gottes ist und nicht bloss in seinem eigenen, dass sie sich ändert? Ist er sich sicher, dass all das Üble nur geschah, weil die Pforten der Hölle die Gemeinde überwältigt haben? Denn wie sonst wäre sowas möglich gewesen?
Und die andere Frage ist, woran wird er erkennen, dass seine Bemühungen gefruchtet haben? Woran erkennt er die bessere, sich nachhaltig veränderte Kirche? Und woran erkennt er im umgekehrten Fall, dass es zwecklos ist und die Kirche sich nie ändern wird? Es muss diesen Punkt geben, wo die Hoffnung stirbt. Wo ist der? Und wenn es ihn nicht gibt, dann ist mein Freund zufrieden damit sein Leben in einer Kirche zu verbringen, die aus ihren Fehlern nichts lernt und frohen Mutes weitere begeht.

Aber vielleicht will er aber auch gar nichts ändern. Abgesehen vom Bild, das man von ihr hat, dem Image der Kirche also.
Dazu würde auch passen, dass es ihn – wie er beteuert – mit Stolz erfüllt der katholischen Kirche anzugehören.

(Ist Stolz nicht eine der 7 Todsünden? ;)


Mein Freund erwähnte dann nur so nebenbei noch, dass es auch Länder gibt, wo Ungerechtigkeiten an der Tagesordnung seien. Da könne man auch nicht einfach austreten.
Diesen Vergleich finde ich aus zwei Gründen interessant: Zum einen weil er die Kirche lieber mit einem Staat vergleicht, welcher sich seine Regeln selbst macht, als mit einer Organisation, die innerhalb eines Staates funktioniert und sich auch an dessen Gesetze zu halten hat.
Und zum anderen weil er nicht bemerkt, dass wenn die Menschenrechte eingehalten würden, dass man durchaus das Land verlassen könnte, wenn man die Ungerechtigkeit für unzumutbar hält.
Eigentlich ziemlich entlarvend, dass er mit einem Vergleich mit einer Diktatur davon abzulenken versucht, dass er selbstzufrieden in einer kriminellen Organisation arbeitet.


Zum Abschluss ein kurzer Blick hinter die Kulissen:
Ich schreibe an diesem Artikel etwa seit August 2019. Ursprünglich wollte ich die Strategie hinter der Verteidigung/Entschuldigung meines Freundes mit einem witzigen kleinen Aphorismus entlarven, aber irgendwann fiel dieser der Redaktion des Textes zum Opfer. Ich will ihn euch nicht vorenthalten:

When I was a kid, I used to pray every night for a new bike. Then I realised, the Lord doesn’t work that way. So I just stole one and asked Him to forgive me … and I got it!

Emo Philips

Schutz der Verleumdeten und Vergewaltigten

Wie der Titel dieses Artikels so lautet auch die Überschrift zu den hier zitierten Passagen aus der Lutherbibel 20171.
Bevor du weiter liest, geneigter Leser, lehne dich zurück und überleg dir, wie du Verleumdete und Vergewaltigte schützen würdest?

13 Wenn jemand eine Frau heiratet, zu ihr eingeht und ihrer überdrüssig wird 14 und legt ihr etwas Schändliches zur Last und bringt ein böses Gerücht über sie auf und spricht: Diese Frau hab ich geheiratet, und als ich zu ihr ging, fand ich sie nicht als Jungfrau, 15 so sollen Vater und Mutter der jungen Frau die Zeichen ihrer Jungfräulichkeit nehmen und vor die Ältesten der Stadt im Tor bringen. 16 Und der Vater der jungen Frau soll zu den Ältesten sagen: Ich habe diesem Mann meine Tochter zur Frau gegeben; nun ist er ihrer überdrüssig geworden 17 und legt ihr Schändliches zur Last und spricht: Ich habe deine Tochter nicht als Jungfrau gefunden. Hier aber sind die Zeichen der Jungfräulichkeit meiner Tochter. Und sie sollen die Decke vor den Ältesten der Stadt ausbreiten. 18 Und die Ältesten der Stadt sollen den Mann nehmen und züchtigen 19 und ihm eine Buße von hundert Silberstücken auferlegen und sie ihrem Vater geben, weil der Mann über eine Jungfrau in Israel ein böses Gerücht aufgebracht hat. Und er soll sie als Frau behalten und darf sie sein Leben lang nicht entlassen. 

5. Mose 22, 13-19

Echt jetzt? Das betrachtet man als Schutz von Verleumdeten und Vergewaltigten? Indem man dem Vater der Braut Geld gibt und das Opfer bei ihrem Mobber lässt?

Aber okay, man kann nicht bestreiten, dass das eine abschreckende Wirkung haben könnte für den Mann. Wenn sich der Verdacht als unbegründet erweist, so ist er 100 Silberstücke los (wofür man sich 3 bis 4 Sklaven hätte kaufen können) und hat die Frau auf Ewig am Hals, während er sie ansonsten problemlos auch mit einem Scheidebrief hätte loswerden können (vgl. 5.Mose 24, 1) – bloss dass ihm dann die Genugtuung der Steinigung verwehrt geblieben wäre.

Der nächste Teil ist dagegen der wirklich starke Tobak!

So stark, dass ich mich genötigt fühle, meine Beschwerde in Form eines offenen Briefes an einen der Repräsentanten des „lieben“ Gottes zu richten.

Lieber Markus

20 Ist’s aber die Wahrheit, dass sie nicht mehr Jungfrau war, 21 so soll man sie heraus vor die Tür des Hauses ihres Vaters führen, und die Leute der Stadt sollen sie zu Tode steinigen, weil sie eine Schandtat in Israel begangen und in ihres Vaters Hause Hurerei getrieben hat; so sollst du das Böse aus deiner Mitte wegtun.

5. Mose 22, 20-21

Echt jetzt? Es war irgendwann einmal okay eine Braut zu steinigen, weil sie Sex vor der Ehe hatte?

Wobei nein, sorry, stimmt so nicht ganz. Ich muss die Frage anders formulieren: Echt jetzt? Es war irgendwann einmal okay eine Braut zu steinigen, wenn es dem Bräutigam etwas ausmacht, dass sie Sex vor der Ehe hatte? Denn es scheint ja keine Pflicht gegeben zu haben den Ältesten der Stadt alle Hochzeitsnachtdecken vorzulegen, damit sie die Sache gewissenhaft überprüfen können, oder?

Jetzt mal ganz davon abgesehen, dass eine saubere Hochzeitsnachtdecke kein Beweis für eine fehlende Jungfräulichkeit ist. Das weisst du doch, Markus, oder? Und das sollte doch eigentlich auch dein allwissender Gott wissen, nicht wahr?

Als moderner Repräsentant Gottes auf Erden wirst du wahrscheinlich einsehen, dass man sich heute die Steinigung sparen kann. Wir leben schliesslich in einer anderen Zeit und der Effekt, der damals mit einer solch grausamen Strafe erzielt wurde, lässt sich heute mit weit subtileren Mitteln erreichen. (Denn Gott geht es schliesslich um den Wirkung der Strafe und nicht um die Strafe selbst, oder?)

Nichtsdestotrotz bleibst du die Antwort schuldig, unter welchen Umständen es gerechtfertigt sein könnte ein Gesetz zu erlassen, das einem ermöglich eine Frau wegen Sex vor der Ehe zu steinigen! Denn offenbar fühlt sich Gott zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte dazu genötigt. Nicht jedoch später es wieder aufzuheben.

Diese Frage ist umso dringender, als du doch sicherlich auch dafür plädierst, dass Sex vor der Ehe eigentlich überhaupt nichts verwerfliches ist, oder? Dass wenn es einvernehmlich passiert, dass es dann völlig okay ist, oder?

Oder findest du, dass es im Interesse der Gesellschaft und des allgemeinen Seelenheils liegt, mit geeigneten Massnahmen den Sex vor der Ehe (insbesondere bei Frauen) einzuschränken? Weil der allwissende Gott es besser weiss und weil der allgütige Gott sonst natürlich keine Bräute hätte steinigen lassen?

Du bist überzeugt davon, dass auch wenn man heute niemanden mehr deswegen steinigen sollte, sich nichts daran geändert hat, welche Dinge gut und welche böse sind.

Ausser natürlich in den Fällen, wo Jesus sagte, dass von nun an etwas anders gilt.
Wie zum Beispiel beim Händewaschen (Matthäus 15,20).
Nicht aber beim Ehebrechen. Jesus hat in der berühmten Episode mit dem ersten Stein nur die Strafe ausgesetzt, nicht aber den Ehebruch für nicht mehr strafrechtlich relevant erklärt.

Das heisst dann, dass auch die Strafen für Sex vor der Ehe (und vergewaltigt werden innerhalb der Stadtmauern und Masturbation und Blasphemie und Apostasie) lediglich ausgesetzt sind?
Und dass, wenn es nötig sein sollte2, diese jederzeit (bis hin zur Steinigung) wieder eingesetzt werden kann?

Für dich sich Gut und Böse in Stein gemeisselt.
Und die Strenge der Strafe allein den Umständen geschuldet.

Im Humanismus mit seiner – ich nenne es mal – adaptiven Moral ist es gang und gäbe, dass etwas, das früher böse war, heute für unbedenklich gehalten wird, und anderes, das früher okay war, heute unakzeptabel ist. Die Strenge der Strafe ist ebenfalls den Umständen geschuldet – doch verlangen diese nach einhelliger Meinung niemals, dass jemand gesteinigt wird.
Warum die Sinneswandel?
Weil man es früher einfach nicht besser wusste3.

Was man früher zum Beispiel nicht wusste, respektive kannte, war die vergleichsweise bescheidene Wirksamkeit von pädagogischen Massnahmen wie Körperstrafen oder Steinigungen.

Ein alles wissender Gott dagegen…

Ich frage mich, was das für ein Mensch sein muss, der die Steinigung einer vergewaltigten Frau zu rechtfertigen versucht. Ich frage mich, was das für ein Mensch sein muss, der sowas nicht verurteilt. Ich frage mich, was das für ein Mensch sein muss, der ein Wesen bewundert, das solche Regeln aufgestellt hat?

Herzliche Grüsse
Eda

ps. Hätte fristlose Scheidung und Landesverweis damals wirklich nicht auch gereicht?


Das zum Steinigen von entjungferten Bräuten wäre damit gesagt, der Schutz der Verleumdeten und Vergewaltigten geht aber weiter:

22 Wenn jemand dabei ergriffen wird, dass er bei einer Frau schläft, die einen Ehemann hat, so sollen sie beide sterben, der Mann und die Frau, bei der er geschlafen hat; so sollst du das Böse aus Israel wegtun. 

5. Mose 22, 22

Sprich: Töte die Vergewaltigte. (Wohlgemerkt, in diesem Abschnitt der Bibel geht es laut Überschrift und die Opfer von Verleumdungen und Vergewaltigungen, was bedeutet, dass der Sex zwischen den Männern und den Frau nicht einvernehmlich war!) Aber wenigstens hat die Frau die Genugtuung, dass auch ihr Peiniger einen grausamen Tod stirbt. Das ist nett von der Bibel.

23 Wenn eine Jungfrau verlobt ist und ein Mann trifft sie innerhalb der Stadt und schläft bei ihr, 24 so sollt ihr sie alle beide zum Stadttor hinausführen und sollt sie beide steinigen, dass sie sterben, die Jungfrau, weil sie nicht geschrien hat, obwohl sie doch in der Stadt war, den Mann, weil er seines Nächsten Braut geschändet hat; so sollst du das Böse aus deiner Mitte wegtun. 

5. Mose 22, 23-24

Sprich: Für eine verlobte Vergewaltigte gilt das gleiche: Opferhilfe durch fliegende Steine, die sie von der Pein eines versauten Lebens befreien, und gestillte Rachegelüste. Wäre vielleicht nett, wenn sie beim Vergewaltiger den ersten Stein werfen dürfte? Und sich erst dann steinigen lassen könnte?

25 Wenn aber jemand ein verlobtes Mädchen auf freiem Felde trifft und ergreift sie und schläft bei ihr, so soll der Mann allein sterben, der bei ihr geschlafen hat, 26 aber dem Mädchen sollst du nichts tun, denn sie hat keine Sünde getan, die des Todes wert ist; sondern dies ist so, wie wenn jemand sich gegen seinen Nächsten erhöbe und ihn totschlüge. 27 Denn er fand sie auf freiem Felde, und das verlobte Mädchen schrie, und niemand war da, der ihr half. 

5. Mose 22, 25-27

Sprich: Wenn die Verlobte aber ausser theoretischer (!) Hörweite vergewaltigt wurde, darf es weiter leben! Das ist doch grosszügig.

28 Wenn jemand eine Jungfrau trifft, die nicht verlobt ist, und ergreift sie und schläft bei ihr und wird dabei betroffen, 29 so soll der, der bei ihr geschlafen hat, ihrem Vater fünfzig Silberstücke geben und soll sie zur Frau haben, weil er ihr Gewalt angetan hat; er darf sie nicht entlassen sein Leben lang.

5. Mose 22, 28-29

Sprich: Wenn die Jungfer unverheiratet ist, erwartet sie mit dem (um ein bis zwei potentielle Sklaven ärmereren) Vergewaltiger ein „und so lebten sie bis ans Ende ihrer Tage“… So süss… Wenn das keine Happy End ist… Hach…

Ähm… Warum gilt die Stadt-Feld-Unterscheidung nicht auch im Fall von verheirateten Frauen?

Und überhaupt: Warum berücksichtigt man bei Verleumdung und Vergewaltigung überhaupt den Beziehungsstatus?


Und?
Hättet du, lieber Leser, die Verleumdeten und Vergewaltigten auch auf diese Weise geschützt?

Sich korrekt verhaltenden Pfarrer

Ich bin Atheist und habe auf Facebook ein paar freche atheistische Kanäle abonniert. So taucht in meiner Timeline immer mal wieder ein frisch enthüllter Missbrauchsskandal der katholischen Kirche auf.

Ich frage mich dann immer, ob sich korrekt verhaltende Pfarrer diese Geschichten ebenfalls mitkriegen? Und ich frage mich dann jeweils auch, welche Antwort darauf wohl die bessere ist?

Es ist entsetzlich, dass es zu diesen Übergriffen kommt. Darin sind sich natürlich alle einig. Doch wenn wir realistisch sind, müssen wir uns eingestehen, dass sie sich nie restlos werden verhindern lassen. Aber mit der richtigen Kultur – und Kultur, im Sinne von einem System von Regeln und Gewohnheiten, die das Zusammenleben und Verhalten von Menschen leiten1, ist hier tatsächlich der richtige Begriff – lässt sich die Zahl drastisch senken.

Darüber, was konkret die beste Kultur sein könnte, gehen die Meinungen auseinander. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Versuch Taten unter den Teppich zu kehren, deren Zahlen nicht sinken lässt. Ein offener Umgang mit den Problemen und eine kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen ist zwar schmerzlich, zeitigt dagegen durchaus Erfolge.

Wenn nun also die besagten sich korrekt verhaltenden Pfarrer von den Missbräuchen erfahren, sind sie sich dann bewusst, dass ihr Arbeitgeber eine Kultur propagiert, die NICHT darauf ausgelegt ist, die Zahl der Übergriffe zu senken?
Sind sich diese sich korrekt verhaltenden Pfarrer bewusst, dass sie mit ihrem korrekten Verhalten einer Organisation, welche Skandale lieber zu vertuschen als zu verhindern versucht, Vertrauenswürdigkeit schenkt, die den Tätern innerhalb der Organisation in die Hände spielt?
Ich will nicht bestreiten, dass die sich korrekt verhaltenden Pfarrer wegen einiger weniger schwarzen Schafe zu unrecht angegriffen werden und massiv unter dem Generalverdacht leiden, doch frage ich mich, ob sich jemand wirklich korrekt verhält, wenn er keine Jungs verführt, dafür aber mit Engagement und Charme Werbung für eine Organisation macht, die nicht viel dagegen tun würde, wenn er es doch täte?

Wenn die sich korrekt verhaltenden Pfarrer aber nichts davon mitkriegen, dann richten sie genau den gleichen Schaden an wie die „sich korrekt verhaltenden“ Pfarrer, die davon wissen, aber kein Problem haben mit einer Kultur, die dem Schutz der Kinder eine weniger hohe Priorität zugesteht als dem des guten Rufes. In diesem Fall kommt aber noch hinzu, was die Sache vielleicht noch schlimmer macht, dass die unwissenden sich korrekt verhaltenden Pfarrer möglicherweise von dem Schlag sind, die Unrecht nicht einfach akzeptieren, sondern aufstehen und ungeachtet der Konsequenzen für sie selbst das richtige tun. Sprich es wären vielleicht die hartnäckigsten Streiter für die bitter nötige Veränderung der Kultur der katholischen Kirche.

Ich halte den Austritt für den besten Weg, zumal ich ja nicht an die Existenz eines Gottes glaube. Aber es ist tatsächlich auch der am wenigsten steinige Weg. Andere mögen das anders sehen und einwenden, dass ein Massenexodus zwar schon zu einer Veränderung führt, aber nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung.

So oder so, bin ich überzeugt davon, dass man einen Kulturwandel nicht hinter verschlossenen Türen vollziehen kann.

Deshalb sehe ich für die katholische Kirche nur einen einzigen Weg, wie sie ihre Glaubwürdigkeit zurückerlangen kann. Und der besteht darin, restlos reinen Tisch zu machen und sich das Vertrauen völlig neu zu verdienen.
Das bedeutet, dass keine neuen alten vertuschten Skandale auftauchen dürfen. Und dass die katholische Kirche eine Garantie darauf ausstellt. Und zwar in Form einer Summe, die sie für jeden neuen alten vertuschten Skandal hinblättern wird, der doch noch auftauchen sollte.

Die Summe muss astronomisch sein. Weil wenn sie es nicht ist, das dann zeigt, dass sie kein besonders grosses Vertrauen in ihre eigene Offenheit hat und insgeheim schon damit kalkuliert, dass sie diese irgendwann wird bezahlen müssen.

Und noch bevor die Kirche die Summe nennt, muss jeder Pfarrer öffentlich erklären, bei welcher Summe, wenn diese unterschritten wird, er von seiner Kirche enttäuscht ist und die Kündigung einreicht.

Ich meine, könnte ein sich ein korrekt verhaltender Pfarrer guten Gewissens in der Kirche bleiben, wenn der Papst hoch und heilig verspricht, dass jetzt garantiert restlos alle Skandale, von denen man irgendwo in der Organisation Kenntnis hatte, offen gelegt seien, und dass die katholische Kirche, wenn sich herausstellen sollte, dass da doch noch was mehr war, bereit sei 15 vatikanische Euro an eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden.

Die Lektion von Abraham

„Was würdest du tun, wenn Gott dir sagt, dass du dein Kind töten sollst?“
„Sowas würde er nie tun.“
„Es wäre nicht das erste Mal. Er hat es zum Beispiel 2003 von Deanna Laney verlangt, worauf hin sie zwei ihrer drei Kinder umgebracht hat.“
„Das war nicht Gott, der zu ihr sprach. Das war eine Wahnvorstellung. Gott würde sowas nie tun.“
„Und wie steht es um Abraham? Dem hat er das auch aufgetragen.“
„Aber Gott hat ihn dann daran gehindert.“
„Gott trägt es also doch hie und da auf, er macht macht einfach – wohl weil er ein lieber Gott ist – in der letzten Sekunden IMMER einen Rückzieher.“
„Genau.“
„Wusste Abraham denn, dass Gott in der letzten Sekunde einen Rückzieher machen würde?“
„Ja…?“
„Also hat Abraham nur so getan als ob er im Begriff sei seinen Sohn umzubringen, wohl wissend, dass Isaak kein Haar gekrümmt würde, und für Gott war die Scharade okay?“
„Nein, natürlich nicht. Abraham vertraute darauf, dass alles gut kommen würde. Was auch immer geschehen wäre.“
„Selbst wenn er ihn nicht in der letzten Sekunde daran gehindert hätte?“
„Ja.“
„Vielleicht weil Abraham die Geschichte von Hiob kannte, die sich laut Biblehub ungefähr 50 Jahre zuvor ereignet haben soll, und deshalb wusste, dass Gott alles ersetzt, was er einem während Prüfungen nimmt? Sprich, dass er dann einen neuen, viel besseren Sohn erhalten würde?“
„Nein! Abraham vertraute darauf, dass alles gut kommen würde. Ohne Hintergedanken!“
„Und er tat es auch nicht, weil er sich vor dem Zorn Gottes fürchtete?“
„Nein!“
„Zeigte Gott damals den Menschen nicht bei vielen Gelegenheiten, dass es besser ist, sich vor seinem Zorn zu fürchten?“
„Schon, aber damit lehrte er die Menschen ihm zu gehorchen. Weil es das beste für uns ist. Weil er am besten weiss, was gut für uns ist.“
„Und um uns diese Lektion zu lehren, greift er auch manchmal zu unergründlichen Mitteln?“
„Genau.“
„Zum Beispiel dazu, dass er uns befiehlt unsere Kinder zu töten?“
„Ja..?“
„Und würdest du es tun? Deinen Sohn umbringen, im Vertrauen darauf, dass alles gut kommen würde? Sei es nun, dass er dir in der letzten Sekunde Einhalt gebieten oder dir später einen neuen, viel besseren Sohn schenken würde?“
„…“
„Vielleicht ist die Lektion aber auch die, dass du lernen sollst, ihm die Stirn zu bieten?“
„…“
„Würdest du dich denn nicht weigern? In einer persönlichen Beziehung kann man ja auch mal nein sagen.“
„…“
„Würdest du nicht deine Seele opfern um das Leben deines Kindes zu retten?“
„…“
„Ist dein Vertrauen in Gott gross genug um dein Kind einer Todesgefahr auszusetzen, die du nicht mehr kontrollieren kannst? Würdest du eine Zeitbombe an dein Kind montieren, die nur durch göttliche Intervention entschärft werden kann? Ob Gott Stopp sagt oder etwas stoppen tut, macht ja keinen grossen Unterschied mehr.“
„…“
„Ich meine, wie sicher bist du, dass Abraham nicht insgeheim plante es nicht wirklich bis zum bitteren Ende durchzuziehen? Oder ob ihm dieser Auftrag nicht sehr gelegen kam? Wie sicher bist du, dass Gott tatsächlich weiss, was in den Köpfen der Abrahams und der Menschen vorgeht? Ja, Gott bindet es uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die Nase. Ist die Beteuerung, dass man Gedankenlesen kann nicht meistens ein Hinweis darauf, dass man es nicht kann? Wo in der Bibel demonstriert Gott diese Fähigkeit auf eine Weise, die sich nicht auch mit dem Barnum-Effekt erklären liesse? Vielleicht sowas in der Art wie:“

Und in der Schenke sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Ich gehe jetzt kurz vor die Tür und dann denke sich ein jeder von euch an eine Zahl zwischen 0 und 100 und schreibe diese auf eine Tonscherbe, die er dann unter seiner Tunika verstecken möge.“ Und nachdem Jesus das Zimmer verlassen hatte, taten die Jünger wie geheissen. Als Jesus bald darauf zurück kam, sprach er: „Petrus, du hast die 37“ und Petrus sagte: „Ja.“ „Andreas, du hast die 2“ und Andreas sagte: „Ja.“ „Jakobus, du hast die 37“ und Jakobus sagte: „Ja.“ „Johannes, du hast die 66“ und Johannes sagte: „Ja.“ „Philippus, du hast die 100“ und Philippus sagte: „Ja.“ „Bartholomäus, du hast die 88“ und Bartholomäus sagte: „Ja.“ „Matthäus, du hast die 34“ und Matthäus sagte: „Ja.“ „Thomas, du hast die 3“ und Thomas sagte: „Ja.“ „Jakobus, Sohn des Alphäus, du hast auch die 37“ und Jakobus, Sohn des Alphäus sagte „Ja.“ „Simon, du hast die 52“ und Simon sagte: „Ja.“ „Judas, du Scherzkeks“, du hast einen Frosch auf deine Scherbe gemalt“ und Judas, der Scherzkeks wurde rot und sagt: „Ja“ „Matthias, du hast die 97“ und Matthias sagte: „Ja.“ Und alle waren verblüfft. Und auch der Araber Yaʿqūb Al-Randi, der zufälligerweise auch in der Schenke sass und diesem Wunder beiwohnte, war ebenfalls verblüfft und zahlte Jesus und seinen Jüngern einen Weinschlauch.

Offenbar nicht in der Bibel

Ein moralstiffendes Buch

Wenn wir ein beliebiges Buch lesen, nehmen wir einfach mal Harry Potter, dann können wir die Handlungen der dort beschriebenen Personen zu Maximen erklären und entsprechend unsere Moral daraus ableiten.

Wir können uns also beispielsweise an Harry, Ron und Hermine halten und das Gute anhand von dem definieren, was sie machen. Oder wir nehmen uns ein Beispiel an Lord Voldemort und den Todessern und verinnerlichen deren Handlungen als ideal. Entsprechend sind dann die Handlungen der Gegner automatisch die moralisch verwerflichen.
Und wenn man seinem Favoriten die Fähigkeit einräumt die Dinge langfristig betrachten zu können, dann können sich auch Handlungen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade nett erscheinen, als von der Liebe getrieben erweisen, indem sie sich durch ihre pädagogische (& rassenhygienische) Wirkung in der Zukunft moralisch auszahlen werden.

Wenn wir uns nun die Geschichten in der Bibel anschauen, aus denen wir angeblich unsere abendländische Moral destillieren, mit welcher Fraktion aus der Welt von Harry Potter stehen diese wohl eher im Einklang?

Wer liesse wohl eher die besiegten Gegner töten? Harry oder Voldemort?
Wer liesse wohl eher Andersdenkende umbringen? Harry oder Voldemort?
Wer liesse wohl eher vergewaltigte Frauen steinigen? Harry oder Voldemort?
Wer liesse wohl eher Homosexuelle zum Tode verurteilen? Harry oder Voldemort?
Wer schreckt auch nicht davor zurück Kinder zu töten? Harry oder Voldemort?
Wer würde wohl eher Sexismus propagieren? Harry oder Voldemort?
Wer würde wohl eher Sklaverei tolerieren? Harry oder Voldemort?
Wer würde wohl eher Genozid gutheissen? Harry oder Voldemort?

Ich frage mich, ob die Bibel nicht vielleicht ein Harry Potter Roman sein könnte, der aus der Perspektive der Todesser verfasst wurde?

Speck als Lackmustest

Für die Moral braucht es keinen Gott. Und Jesus ist der Beweis dafür.

Wenn ein Christ vor einer Entscheidung steht, fragt er sich, wie sich wohl Jesus an seiner Stelle entschieden hätte, und versucht dann entsprechend zu handeln.

Wenn die Moral in Gott gründete und dieser jene im alten Testament klip und klar formulierte1, dann sollte man doch eigentlich annehmen, dass Jesus sich vor jeder Entscheidung (rhetorisch) fragte, was wohl das alte Testament2 dazu sagt, und dann entsprechend handelte.
Als (Mit-)Autor des alten Testaments verstand er zweifellos besser als jeder andere, warum die Regeln genau so gestaltet waren3, das ändert aber nichts an dem, was geboten und was verboten ist.
Von daher braucht es Jesus als moralischen Kompass eigentlich gar nicht, weil jede seiner Entscheidungen genau dem entspricht, was auch das alte Testament verlangt. Man könnte ihn höchsten in Fällen konsultieren, welche im alten Testament nicht explizit geregelt wurden4.

Erste Randnotiz: Neue moralische Fragestellungen ergeben sich – wie mir scheint – nur im Kontext technischer Entwicklungen5. Ich will die technische Entwicklung der zwölf Jahrhunderte zwischen Moses und Jesus nicht klein reden, aber ich denke nicht, dass die Ausbeute an neuen moralischen Problemen auch nur ein Bruchteil von dem war, mit was wir in den – sagen wir mal – letzten 300, 100 oder auch nur 50 Jahren Jahren konfrontiert worden sind.
Von daher war die Ankunft von Jesus in einer Zeit, wo das meiste noch beim Alten war, vielleicht nicht gerade optimal gewählt um die Moral (zum letzten Mal) klarzustellen, resp. nachzujustieren.

Ausser natürlich, wenn sich Jesus doch nicht an die Regeln des alten Testaments gehalten hat6 und die Moral, die wir von ihm lernen, eine (gänzlich?) andere ist7.

Da Jesus mit Gott irgendwie identisch ist, würde das bedeuten, dass seine Moral („andere Backe“), obwohl es eine andere ist als im alten Testament („Backe um Backe“ 8), das gleiche Fundament hat. Jenes Fundament, welches den Atheisten angeblich fehlt und was dazu führt, dass sie etwas, das sie heute für moralisch richtig halten, morgen vielleicht schon als moralisch verwerflich betrachten9.
Doch wie wir sehen, schützt auch ein stabiles Fundament nicht davor, dass etwas heute gut und morgen böse ist10.

Zweite Randnotiz: Da es offenbar theoretisch möglich ist, dass etwas, wofür man früher in die Hölle kam, einen heute in den Himmel bringt, stellt sich mir die Frage, wie es sich wohl anfühlt, für etwas im Himmel zu sein, für das ein anderer in der Hölle sitzt? Oder noch schlimmer umgekehrt. Ist das vergleichbar erhebend/frustrierend wie wenn man im Flieger sitzt und erfährt, wieviel der Sitznachbar für den gleichen Flug bezahlt hat?

Ein Problem ist das nicht zwingend, denn als Gott hat er jedes Recht, die Regeln, wann immer er will, nach belieben zu ändern ohne sich dafür den Vorwurf der Beliebigkeit gefallen lassen zu müssen11.


Quod licet Iovi, non licet bovi


Okay. Hat was…

Speck

Als Jesus vor dem Frühstück-Buffett stand und überlegte, ob er Speck nehmen soll, was wäre noch mal seine Antwort gewesen?

Das heisst natürlich nicht, dass eine andere Antwort zwingend falsch ist. Nicht alle Fragen haben nur eine richtige Antwort. Aber – nun ja – es ist nicht das, was Jesus gemacht hätte…

Und zu behaupten, dass er es heute so machen würde… Ich weiss nicht. Nimmt man sich da nicht etwas zu viel heraus? Ich meine, er wird sich doch was dabei gedacht haben, als er damals die Gesetze erliess. Und ich wüsste nicht, dass er mal erklärt hätte, was genau. Und ohne das zu wissen, ist es doch eher schwierig zu beurteilen, ob sich die Ausgangssituation wirklich dermassen geändert hat, dass eine Neubeurteilung der Gesetze gerechtfertigt wäre12. Sich einfach darauf zu verlassen, dass er schon widersprechen wird, wenn man etwas falsch angeht, halte ich für ein bisschen riskant. Insbesondere da er nicht gerade bekannt dafür ist, irregeleiteten religiösen Moralvorstellungen öffentlich oder deutlich genug zu widersprechen.13
Dann kann man auch gleich darauf verzichten sich vorzustellen, was Jesus an meiner Stelle getan hätte14.

Und überhaupt, intendierte Moral anhand von gezeigtem Verhalten abzuleiten, ist nicht ganz unproblematisch. Wer weiss, ob man das Augenmerk auf das richtige Detail gewendet hat? Vielleicht wollte Jesus, als er der älteren Dame über die Strasse half, uns nicht zeigen, dass man hilfsbereit sein soll, sondern dass sich bei jeder Gelegenheit in der Nase popeln lässt.

oder sonst

Okay, man kann von Jesus nicht verlangen, dass er für uns die Probleme der Welt löst. Das ist unsere Aufgabe…

Moment Mal!

Warum eigentlich können wir nicht erwarten, dass Jesus bei der Lösung unserer Probleme mit anpackt? Ja, wir haben sie uns selbst eingebrockt1. Aber das ist doch kein Grund uns nicht dennoch zu helfen, oder?
Ganze Berufszweige leben davon uns aus dem Schlamassel zu helfen, in das wir uns selbst geritten haben. Zahnärzte zum Beispiel. Oder Schlüsseldienste. Oder Babysitter.
Apropos Babies. Auch als Eltern tun wir nichts anderes. Wir retten die Kinder vor Scheren, Erdnüssen und hungrigen Bären. Und das sogar umsonst. Und wir verlangen noch nicht mal Dankbarkeit. Ja, wir wünschten sie uns schon, aber helfen tun wir auch ohne.
Klar, manchmal lassen wir die Kleinen etwas zappeln. Doch das hat (vom Unterhaltungswert mal abgesehen) stets pädagogische Motive: Wir hoffen, dass sie was draus lernen. Wobei wir es natürlich nicht übertreiben und der Gesundheit des Kindes stets grösseres Gewicht beimessen als dem angestrebten Lerninhalt. Und auch wenn die Probleme die Fähigkeit des Kindes übersteigen, helfen wir. Und auch, wenn es uns ganz lieb drum bittet.
Kurz, wir helfen eigentlich immer.
Und selbst wenn wir nicht direkt helfen, dann weil wir überzeugt sind, dass das Nichthelfen eine indirekte Hilfe ist. Wobei aber schon wichtig ist, dass das Kind das auch weiss. Die Familie zu verlassen und dann 30 Jahre später den Erfolg des Sprösslings sich zuschreiben zu wollen, so funktioniert das nicht.
Aber auch die direkte Hilfe ist eine indirekte Hilfe: Zu wissen, dass einem geholfen wird, wenn man Hilfe benötigt, ist eine wertvolle Erfahrung, die einen lehrt auch anderen zu helfen. Wie sonst sollten die Kleinen lernen, anderen Leuten in schwierigen Situationen beizustehen? Indem man mit guten Beispiel vorangeht.

Wieso also hilft uns Jesus nicht?

Ich meine deutlich! Beispielsweise indem – Zack! – alle Ebola-Kranke auf wundersame Weise von einem Moment auf den anderen wieder gesund sind. Und nicht bloss durch kryptische Zeichen, die nur ein paar Auserwählte zu lesen verstehen, denen aber ohnehin nie jemand irgendetwas glaubt – und Jesus weiss sehr genau, dass ihnen nie irgendjemand irgendetwas glaubt…

Will er uns damit lehren Verantwortung für unser Tun zu übernehmen? Vielleicht. Doch tastet man sich bei dieser Lektion nicht nach und nach an die Verantwortung heran? Erst lehrt man das Kind Verantwortung für die eigenen Schnürsenkel zu übernehmen. Und erst später… sehr viel später für vollautomatische Waffen und Komplikationen bei der Niederkunft…
Und indem uns Jesus auch dann nicht hilft, wenn wir dabei drauf gehen, geht auch der pädagogischer Effekt flöten. Ausser vielleicht bei den Nächsten, die lernen, dass Jesus nie hilft. Was meines Erachtens nicht wirklich eine gute Lektion von einem liebenden Wesen ist, das sich angeblich Sorgen um mich macht.
Ich hege daher den leisen Verdacht, dass es Gott eher sogar ein Dorn im Auge ist, wenn wir uns gegenseitig helfen. Sich gegenseitig lieben, durchaus, sich gegenseitig helfen, ich weiss nicht. Als die gesamte Menschheit sich das letzte Mal zusammengetan hat um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, stieg Gott vom Himmel herab, schaute sich um und zerstört den Turm von Babel. Und sabotierte ein für alle Mal die Kommunikation zwischen den Menschen – was für die gegenseitige Unterstützung schon ziemlich hinderlich ist.
Ich meine, wo lehrt Gott uns, uns gegenseitig zu helfen? Mit dem barmherzigen Samariter? Jenem Gleichnis, wo ein Priester und ein Levit, welche beide bestens bewandert waren in den Lehren des Herren, an einem Verletzten vorbei liefen und erst der Samariter, der von dem, was Gott von uns will, keine Ahnung hat, sich seiner erbarmte? Ja, mit dieser Geschichte gibt Jesus den Menschen tatsächlich den Auftrag anderen zu helfen, gesteht damit aber auch ein, dass das vorher nirgends erwähnt wurde.
Und selbst hier ist die Hilfe nur ein Mittel zum Zweck. Worum es eigentlich ging, ist zu klären, wer denn gemeint ist mit dem Nächsten in der Nächstenliebe. Deshalb wird auch nicht spezifiziert, wie weit die Hilfe gehen soll – ich meine in der institutionellen Richtung. Was uns Jesus hier gebietet, ist, im übertragenen Sinn, dem Hungernden einen Fisch zu geben, nicht jedoch ihn zu lehren, wie man fischt. Und nur letzteres ist nachhaltige Hilfe. Und wie ich schon sagte, ich argwöhne, dass Gott solche nicht gerne sieht. Jesus hat Leprakranke geheilt, nicht jedoch die Lepra aus der Welt getilgt. Manchmal ist eine kleine Hilfe eigentlich gar keine Hilfe.

Irgendwie passt das alles aber schon zusammen.
Einfach weniger zu der liebenden Vaterfigur, als die er sich gerne in den Werbeprospekten präsentiert. Als solcher würde er uns nämlich durchaus immer mal wieder helfen.
Sondern viel mehr zu einem Klempner, der durch sein Nichts- und Wenigtun nur den Preis in die Höhe zu treiben versucht. Und die Währung ist in diesem Fall Unterwürfigkeit der Anbetung.

Ich will Gott nicht unterstellen, dass es ihm nur um unterwürfige Anbetung geht. Dass das der ganze Grund für die Schöpfung war. Die unterwürfige Anbetung könnte alternativ auch ein Mittel zum Zweck sein:
Jemandem, den man unterwürfig anbeten muss, traut man nicht auf Augenhöhe zu begegnen. Warum könnte es im Interesse Gottes sein, dass wir ihm nicht auf Augenhöhe begegnen? Klar er ist mächtig und wissend, aber das war Einstein auch. Das ist kein Grund nicht zusammen ein Bier zu trinken und wenigstens für kurze Zeit so zu tun, als sei man ebenbürtig. Nur so macht es Spass. Die ganze Zeit drauf rum zu reiten, wie unwürdig man ist, da kommt doch keine Freude auf (okay, bei manchen vielleicht schon). Vor allem aber, was wirft das für ein Licht auf jemanden, der sowas einfordert? Im Fall der englischen Königin dient das der Machterhaltung, weil wenn man vergisst, dass sie Macht hat, hat sie keine Macht mehr. Wenn man dagegen vergisst, dass Einstein schlau ist, kann er uns jederzeit relativ schnell das Gegenteil berechnen. Wieso verhält sich Gott wie die englische Königin und nicht wie Einstein? Was sagt das über seine Wissen und seine Macht aus?
Jemanden, dem man sich nicht auf Augenhöhe zu begegnen traut, zieht man tendenziell nicht zur Rechenschaft, wenn er was fürchterliches angestellt hat. Man wird viel eher vor sich hinmurmeln, dass das so schon seine Richtigkeit haben wird. Was könnte Gott angestellt haben? Keine Ahnung. Ich hoffe, es ist die Sintflut. Und nicht etwas, das er mit der Sintflut zu vertuschen versucht, denn was immer man zu vertuschen versucht, sollte so als Daumenregel schlimmer sein als das, womit man es vertuscht.
Wäre Gott sowas zuzutrauen? Ein Verlangen nach unterwürfiger Anbetung oder allein auf Illusion basierende Macht oder eine unrühmliche Vergangenheit? Also ich finde, dass die Indizien dafür sprechen… Allerdings ist er nicht von dieser Welt und deshalb ist es prinzipiell nicht möglich, irgend etwas über ihn und sein Motive auszusagen mit Begriffen von dieser Welt.

Oder vielleicht doch?

Das alte Testament lehrt uns, dass Leute – seien sie nun von dieser Welt oder von einer anderen – , die Gott persönlich kennen und tatsächlich das tun, was er will, die grosse Ausnahme sind.
Gläubige schliessen daraus, dass die Welt deshalb in einem so jämmerlichen Zustand ist. Doch übersehen sie dabei, dass viele der Dinge, die Gott von den Menschen damals wollte, – nun ja – sagen wir mal – haarsträubend waren.
Da kann man es niemandem verdenken, wenn er sich weigerte seinen Nachbaren zu töten, nur weil sich dieser rasierte.
Eine naheliegendere Schlussfolgerung wäre daher, dass die persönliche Bekanntschaft mit Gott trotz seiner Göttlichkeit keinen besonders überzeugenden Eindruck hinterlässt. Ich meine gut ein Drittel seiner Engel ist desertiert. Adam und Eva haben in den Apfel gebissen, wohl wissend, dass sie damit ihrem ewigen Aufenthalt im Paradies ein jähes Ende setzen würden. Und die Juden, die mit Moses aus Ägypten flohen und das Wunder des geteilten Meeres hautnah miterlebten, zogen ihm schon bald ein goldene Kalb vor!
Keine Bilanz, auf die ein Chef stolz sein sollte…

Und überhaupt, ich sehe nicht ein, warum man jemandem, der sich nach hiesigen Massstäben lausig verhält, alles durchgehen lassen soll, nur auf sein Versprechen hin, es uns nach unserem Tod zu erklären?
Es ist natürlich durchaus möglich, dass ich dann tatsächlich die versprochene Erklärung bekomme und mich diese auch überzeugt und ich auch einsehe, warum sie mir erst dann und nicht schon vorher gegeben werden könnte, doch ich würde nicht viel drauf wetten.

Aber vielleicht irre ich mich ja und Jesus will uns helfen mit all seiner Macht. Bloss dass die aus seiner transzendenten Position heraus nicht mehr sehr stark ist. Wer weiss? Oder vielleicht sind seine Kenntnisse über unsere Universum auch nur sehr, sehr beschränkt und die einzige Form der Interaktion mit unserer Welt sind Stimmen im Kopf. Auch darauf würde ich nicht viel wetten, aber möglich wäre es durchaus.
Aber auch in diesem Fall könnte er sich nützlich machen. Beispielsweise indem wir ihn zum Übermitteln von Nachrichten über weite Distanzen einsetzen: „Eda an Jesus. Eda an Jesus. Sag bitte Siggi in seinem nächsten Zwiegespräch mit dir, er solle den roten Draht kappen und auf keinen Fall den blauen.“
Skeptiker würde dies zwar nicht von der Existenz des biblischen Gottes überzeugen. Zurecht, muss man sagen. Aber ist das so wichtig? Ist das Entschärfen einer Bombe, die viele Menschen in den Tod gerissen hätte, nicht wichtiger?

Kommt schon, Christen. Sagt Jesus, dass zu viel auf dem Spiel steht, um sich darüber zu streiten, wer wie und ob an wen glaubt. Sagt ihm, dass er jetzt gefälligst den Arsch in Bewegung setzen soll. Und droht ihm, wenn nötig. Erklärt ihm, dass er euch andernfalls vergessen kann. Ich meine, wenn ihr zwischen der Rettung von einer Million Menschen und eurer Seele entscheiden müsstet, wie würdet ihr euch entscheiden?

Stellt ihm ein Ultimatum!

Zugegeben, eine geliebten Person vor ein Ultimatum zu stellen, ist nie gut. Doch den schlechten Ruf, den das Ultimatum hat, hat es nicht wirklich verdient. Es stellt nämlich die Liebe nicht in Frage. Im Gegenteil, es bestätigt sie sogar. Es nimmt der geliebten Person einfach die Möglichkeit sich weiterhin verschiedene Optionen offen zu halten. Was meist eh unfair dem anderen gegenüber ist. Von daher, ist ein Ultimatum nichts anderes als den gegenüber zu zwingen, das Richtige zu tun. Und das sollte doch eigentlich im Interesse eines aufrichtigen und liebenden Jesus sein.
Zwingt Jesus sich für eine Fussballmannschaft zu entscheiden. Und zwar in einer Art, dass beide Mannschaften seine Entscheidung erfahren. Und wenn ihm beide Schnuppe sind, dann sollen ach das beide Mannschaften wissen.

Beendet daher eure Gebete ab heute nicht mehr mit „Amen“. Sondern mit „oder sonst…“
Ich meine, ihr habt euch ja gut überlegt, wofür ihr betet. Nach eurer Ansicht wäre die Erfüllung eures Gebets völlig im Interesse Gottes.
Einverstanden. Aufgrund unserer Nichtganzallwissenheit, kann das auch mal nach hinten rausgehen, aber das gehört zum Lernprozess.

Vielleicht sollte Gott langsam lernen, uns zu lehren Verantwortung zu übernehmen, wofür wir beten?

Märtyrer oder die Kunst zu Leiden

„Wahre Christen“ erkennt man angeblich daran, dass sie versuchen, das gleiche wie Jesus zu tun. Damit ist selbstverständlich nicht das übers Wasser laufen gemeint, was ich jeden Sommer immer mal wieder versuche, ohne damit gleich zu einem Christen zu werden. Auch nicht die wundersame Brot- und Fischvermehrung1, was den überfischten Gewässern zwar eine bitter nötige Verschnaufpause gewähren, andererseits aber wohl die Back- und Fischereiindustrie ruinieren würde. Und auch nicht die ganzen anderen Wunder2. Sondern das Nett- und Hilfsbereitsein zueinander und das Keine Angst vor dem Tod haben müssen.
Dass er nicht immer nett war zu den Leuten, im besonderen zu den Kanaanitern (vgl. Matthäus 15,21ff), und dass er den Leuten mit der Hölle eine Heiden Angst vor dem Tod eingejagt hat, ignorieren wir mal. Wir ignorieren auch, dass er keine Ehe führte und auch nicht Geld verdienen musste. Zwei Aspekte, in denen wir dringend ein taugliches Rollenmodell bräuchten: Wie bewältigt man wie Jesus die täglichen ehelichen Probleme? Wie fest beteiligt mann sich wie Jesus am Haushalt? Wie erzieht man wie Jesus seine Kinder? Wie borgt man sich wie Jesus etwas Mehl vom schwulen Nachbarn? Wie arbeitet man wie Jesus in einer Firma, wo der Chef ein Arsch ist3? Wie führt man wie Jesus eine Firma mit begriffsstutzigen Mitarbeitern/Sklaven? Wie soll man sie entlöhnen? Und wie soll man sich zu überrissenen Lohnvorstellungen und sechs Wochen Urlaub stellen? Wie viel Wert soll man auf Nachhaltigkeit legen? Und wenn das Land von den Kanaanitern angegriffen wird, wie soll man sich wie Jesus verhalten? Wie als Soldat, wenn man eingezogen wird? Wie als Offizier? Und wie soll man wie Jesus abstimmen, wenn die Initiative von der SVP kommt? Und was soll man mit Leuten, die das Gesetz übertreten haben, machen, nachdem man ihnen verziehen hat?…
Wenn Jesus und seine Jünger einen Kibbuz oder sowas gegründet und dort Familien und bescheuerte Nachbaren gehabt hätten, dann könnte man sich sein Leben als Vorbild nehmen. Aber so? Jetzt haben wir nur einen umherziehenden „Philosophen“, bei dessen Ideen sich die Leute nicht einig werden, wie sie konkret im täglichen Leben umgesetzt werden sollen.
Und überhaupt, das Problem ist ja nicht, was man tun soll, wenn man arm ist, denn dann ist der Handlungsspielraum eh sehr begrenzt, sondern was man machen soll, wenn man fähig ist, tatsächlich was zu bewegen. Oder im Sinne von Laotse: Jesus verschenkte Fische, aber er lehrte nicht, wie man sie vermehrt.

Aber egal, ein Christ hofft, dass die Welt eine bessere4 wird, wenn jeder ein Leben führt, wie es Jesus in seiner Situation (ohne die wundersamen Fähigkeiten) gelebt hätte.
Persönlich halte ich das für naiv, denn wenn man sich schon an einem hausierenden Philosophen ein Vorbild nehmen will, dann bitte an Sokrates. Aber sei’s drum.

Doch was zum Teufel soll dann dieses ganze Tamtam rund um seinen Tod?
Inwiefern wird die diesseitige Welt besser, wenn mein Vorbild ans Kreuz genagelt wird?
Auch Sokrates liess man über die Klinge springen, weil er allmählich nervig wurde, doch hatte das keinen Einfluss welcher Art auch immer auf die Gültigkeit seiner Argumente. Der Tod des Sokrates zeigt uns lediglich, dass er seine Contenance auch im Angesicht der Todes nicht verlor. Mehr aber auch nicht. Behaupten zu wollen, dass es der Schierlingsbecher gewesen sei, der die Menschen auch noch nach Jahrtausenden sich mit seinen Ideen beschäftigen lässt, ist absurd. Genauso die Vorstellung, wir täten es aus schlechtem Gewissen, resp. um zu verhindern, dass er nicht umsonst gestorben ist. Es war allein die Qualität der Ideen. Genauso wie bei Aristoteles, Platon und Pythagoras, welche auch ohne spektakulären Tod „unsterblich“ wurden.

Jesus ohne Kreuzigung scheint aber nicht ganz zu funktionieren. Die Qualität seiner Ideen war offenbar nicht überzeugend genug5 um allein durch diese in Erinnerung zu bleiben. Irgendwie sieht das ganze so aus, als ob Jesus ein Strassenkünstler gewesen ist, der sein Publikum mit immer unglaublicheren Tricks und verrückteren Ideen unterhalten hat. Und als ihm dann allmählich das Material ausging, holte er zum spektakulären Finale aus, bei welchem er sich kreuzigen liess und dann drei Tage später wieder auferstand um dann wenig später die Bühne (ziemlich unspektakulär) (mit dem Versprechen eines baldigen Comebacks) für immer zu verlassen.

Es entbehrt übrigens nicht einer gewissen Ironie, dass eine der zentralen Ideen von Jesus jene des ewigen Lebens ist und er diese zu verkaufen versucht, indem er sich umbringen lässt. Wäre einfach ewig weiter zu leben nicht irgendwie naheliegender? Und überzeugender? „Nein Jesus ist nicht gestorben, er lebt noch, einfach in einem anderen Leben.“, finde ich jetzt nicht wirklich überzeugend6.

Tatsächlich geht es bei Jesus nicht primär darum, die Welt besser zu machen. Das ist – wenn überhaupt (!) – nur ein netter Nebeneffekt. Es geht vor allem anderen um das ewige Leben. Und dieses hat er angeblich mit seinem Leiden am Kreuz überhaupt erst möglich gemacht. Das Leiden war also der Schlüssel. Und Leiden ist auch weiterhin der Schlüssel:

Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen läßt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis…
Textabschnitt 194 aus Der Weg vom Heiligen Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás, dem Gründer von Opus Dei

Das Problem ist, ich hatte „sie versuchen, das gleiche wie Jesus zu tun“ irrtümlich auf die Taten von Jesus bezogen statt auf sein Leiden!
Wie konnte ich das übersehen? Das Leiden zieht sich schliesslich wie ein roter Faden durch das ganze christliche Denken: von Adam und Eva, die irgendeinen Blödsinn anstellten, für den sie und alle ihre Nachkommen dann zur Strafe Leiden müssen, über Jesus, der die Menschen lehrte auch die andere Wange hin zu halten, wodurch er uns darauf hinwies, dass sich jede Meinungsverschiedenheit auch ohne weitere Gewalt beenden lässt, der dann aber nichtsdestotrotz ans Brett genagelt werden musste um irgendein Karma auszugleichen, bis hin zu den armen Christen, die seelische Höllenqualen durchleiden, wenn sie wissen, dass ihre schwulen Nachbaren nebenan trotz Gottes Abscheu legal Sex miteinander haben.

Das Leiden ist nicht nur eine bedauerliche Konsequenz einer unperfekten Welt, es ist die Bestimmung des Christentums:

Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden.
2. Timotheus 3:12

Werden sie verfolgt, weil Satan in seiner Verschlagenheit alle anderen gegen sie aufstachelt hat?
Oder werden sie verfolgt, weil Jesus aus versehen das Schwert statt des von Jesaja versprochenen Friedens mit zur Party brachte?

Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
Matthäus 10:34

Nicht so schnell! Die beiden letzten Zitate zusammengenommen, sind doch ganz eindeutig Slapstick! Das ist doch die klassische Szene, wo jemand auf der eigenen Bananenschale ausrutscht und damit allgemeine Heiterkeit provoziert7.

Jesus versuchte den von Jesaja versprochenen Frieden durch Humor herzustellen! Das Schwert ist ein Gag-Schwert, das den Schwertträger schneidet, während er den Gegner umzubringen versucht! Das ist doch zum Schiessen komisch! Und wie wir alle wissen, eint Menschen nichts so sehr wie gemeinsam zu lachen! Das ist doch einfach genial!
Wir werden es gleich sehen, wenn die Spannung sich im nächsten Vers in einer grandiosen Pointe auflöst:

Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater, und die Tochter mit ihrer Mutter, und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert.
Matthäus 10:35-388

Ups… Okay, es war vielleicht doch nicht ironisch gemeint…
Escrivás Lob des Leidens entspringt also weniger seinem Masochismus als viel mehr der göttlichen Kartografie, in welcher der richtige Weg stets gepflastert ist mit Leiden.

Wenn wir leiden, ist das also schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass wir sicher nicht auf dem Holzweg sind. Damit kann man arbeiten.

Allerdings… Wie wahrscheinlich ist es, dass der Teufel nicht bemerkt, dass ihm viele Seelen allein deshalb durch die Lappen gehen, weil sie stur immer den steinigsten Weg nehmen? Wie lange würde es da wohl dauern, bis er einen noch viel verlockenderen steinigen Weg errichtet, der an Steinigkeit alles bisher gesteinigte weit hinter sich lässt?
Wie wir in „Die Grosse Verführung“ gesehen haben, brauchen wir uns wegen der guten Gründe, die dafür sprechen, dass auch das Leiden eine Form der Verführung sein könnte, keine Sorgen zu machen, weil Gründe ein Teufelswerk sind und ein wahrer Christ sich von solchen niemals überzeugen lassen sollte. Also pfeif aufs „Allerdings…“

Und selbst wenn Leiden doch noch kein Garant für den Himmel sollte, ist das Wohlbefinden schlussfolgernd aus 2. Timotheus 3:12 auf jeden Fall einer für die Hölle.
Deshalb wird der wahre Christ immer aufs Leiden setzen9. Das macht im Angesicht der Erbsünde durchaus auch Sinn, denn Leiden ist eine Form von Sühne ist und und von dieser kann man entsprechend gar nicht genug haben.
Deshalb interpretiert der wahre Christ zur Sicherheit alles, was sich als Angriff interpretieren lässt, grundsätzlich als Angriff.
Deshalb fühlt sich der wahre Christ als Märtyrer, wenn nebenan seine schwulen Nachbarn poppen.
Deshalb fühlt sich der wahre Christ verfolgt, wenn man ob dieser Bigotterie den Kopf schüttelt.
Und deshalb hat die Bibel auch kein Problem mit Vergewaltigung, Sklaverei und Genozid, dafür aber mit dem Verzehr von Hummer. Weil nur beim Hummer kein Mensch leidet. Denn wo niemand leidet, kommt auch niemand in den Himmel.

Deshalb macht es für einen wahren Christen auch keinen Unterschied, ob sein Mitbruder gefoltern oder nur diskriminiert wird. Klar für den Mitbruder fühlt es sich sehr verschieden an, doch da beides Formen von Verfolgung sind, sind beides klare Hinweise darauf, dass er auf dem richtigen Weg ist10. Und wenn der Mitchrist auf dem gleichen Weg, den ich beschreite, gefoltert wird, dann bin auch ich auf dem richtigen Weg und mein Leid müssen die leidigen schwulen Nachbaren sein.

Randnotiz : Open Doors, die alljährlich den Weltverfolgungsindex herausgeben, welcher dokumentiert, dass das Christentum die am meisten verfolgte Religion ist, unterscheidet in der Beurteilung der Situation tatsächlich nicht zwischen Folter und Diskriminierung, wie Markus Rode, der Vorsitzende von Open Doors Deutschland auf Anfrage von kath.net bestätigt: „Die Grenzen zwischen Verfolgung und Diskriminierung sind fließend. Deshalb haben wir den Begriff «Verfolgung» als Oberbegriff gewählt. Es steht uns nicht zu, Christen per Definition vorzuschreiben, ob sie erst dann als verfolgt gelten, wenn sie gefoltert oder ins Gefängnis geworfen werden, oder bereits wenn ihre Kinder von Ausbildungs- und Berufschancen bewusst ausgeschlossen werden. Verfolgung hat viele Facetten, die auch von den Christen vor Ort subjektiv, und somit unterschiedlich stark erlebt werden.
Der Open Doors Logik folgend, die vor allem auf der schiere Zahl beruht und überhaupt nicht auf Verhältnissen, müsste das Christentum mit 1.9 Milliarden nicht verfolgten Anhängern auch die am wenigsten verfolgte Religion der Welt sein und mit den Einschränkungen, welche das Christentum Frauen angedeihen lässt, die am meisten verfolgende Religion. Für einen Vergleich, der überhaupt erst bestimmen könnte, welche Religion am meisten verfolgt wird, müsste man auch die anderen Religionen auswerten, was Open Doors, wie sie selbst einräumen, kaum tut.
Man muss hier allerdings schon auch erwähnen, dass Open Doors den grossen Kirchen etwas zu weit gehen.
Eine morbide Faszination für Märtyrer teilen sie aber alle.

Wieso diese Besessenheit für Märtyrer?
Dass man für seine Überzeugungen bereit ist ein gewisses Mass an Leid zu ertragen, kann ich nachvollziehen. Dass man womöglich auch das Risiko eingeht zu sterben beim Versuch seine Überzeugungen zu verteidigen oder durchzusetzen, kann ich auch noch verstehen. Doch dass man im Tod für die „richtige“ Sache die bewundernswerte Erfüllung der eigenen Bestimmung sieht, übersteigt meine Vorstellungskraft.
Damit will ich nicht abstreiten, dass der Tod des Märtyrers ein mächtiges Symbol darstellen kann, welches seiner11 Überzeugung zum Durchbruch verhilft12. Ich sage nur, dass jeder Tod eine Tragödie ist und es für alle (und insbesondere für den Märtyrer) besser gewesen wäre, wenn er die Sache auf wundersame Weise (ohne damit die Symbolwirkung zu schmälern) heil überstanden hätte.

Für Christen sieht das allerdings anders aus. Wenn nämlich das Martyrium „das erhabenste Zeugnis [ist], das man für die Wahrheit des Glaubens ablegen kann; es ist ein Zeugnis bis zum Tod“13, dann wäre ein wundersames Weiterleben eine Katastrophe, weil der Märtyrer das ewige Leben später wieder verspielen könnte. Und das würde die Frage aufwerfen, ob die Bewohner des Himmels ihren Einzug nicht bloss dem Umstand verdanken, dass sie zufälligerweise im richtigen Moment mit der richten Einstellung abgetreten sind14. Wie nachhaltig wäre dann das, was man für die richtige Einstellung hält?15

Das Leben für seine Überzeugung zu opfern braucht sicherlich Mut, es mag also durchaus ein erhabenes Vertrauenszeugnis sein, das schwierigste und grösste ist es aber nicht.
Wer beweist mehr Vertrauen in eine Brücke? Der, der sie zuerst selbst ausprobiert, oder der, der einen anderen über sie schickt? Jede halbwegs integre Person wird, bevor sie andere Menschen wissentlich in Gefahr bringt, erst mal selbst herauszufinden versuchen, ob die Brücke sicher ist. Es ist schwieriger die Gesundheit jemandes aufs Spiel zu setzen, für den man die Verantwortung trägt, als seine eigene. Denn was riskiere ich, wenn ich mich zum Schutz anderer in Gefahr bringe? Mein Leben. Was riskiere ich, wenn ich das Leben anderer in Gefahr bringe? Deren Leben und meine Seele. Was ist aus Sicht eines Christen das grössere Risiko? (Was nicht heisst, dass sich in einer solchen Dilemma der Atheist anders entscheiden würde als der Christ!)
Wenn man der Sache aber wirklich vertraut, wird man nicht zögern seinen Schützling über die Brücke zu schicken. Das ist der grösste Vertrauensbeweis: wenn einem nicht mal einfällt, dass man den anderen einer Gefahr aussetzt. Auf Gott umgemünzt heisst das: Das grössere Vertrauen in Gott beweisst der, der die diesseitigen Qualen seines Schützlings im Angesicht des jenseitigen Lohnes genau wie der Doktor, der dem Kind eine schmerzhafte Impfung gibt, guten Gewissens ignoriert.

Wohlgemerkt, von aussen ist ein solcher völlig überzeugter Gläubige, der andere lächelnd16 in den Tod schickt, von einem verschlagenen, machthungrigen Psychopathen kaum zu unterscheiden. An den berühmten Früchten lässt es sich nämlich nicht erkennen, wenn diese nicht die Anzahl älterer Damen sind, welchen man über die Strasse geholfen hat, sondern die Anzahl der Menschen, welchen man zielbewusst zum Eintritt in den Himmel verhalf.17 Man darf mich gern einen Zyniker nennen, denn ein herzensguter, gottesfürchtiger Mensch würde sowas angeblich nie tun. Ausser natürlich Abraham. Er war ein herzensguter, gottesfürchtiger Mensch und er zögerte nicht das Messer zu zücken…
Im Angesicht dieses Dilemmas, welches entsteht, weil wir nicht in die Herzen der Menschen sehen, könnte man vielleicht auf die Idee kommen, dass wir zumindest bei den Märtyrer sicher sein können, dass sie mit ihrer Tat ein unerschütterliches Zeugnis für ihren Glauben ablegen. Doch können wir auch hier von aussen nicht unterscheiden, ob den Märtyrer – ich nenne es mal – „die politische Notwenigkeit“ dazu trieb oder ein Verdruss am Leben, den er mit einer edelmütigen Tat zu kaschieren versuchte, um damit seiner Familie die Schmach zu ersparen.

Fakt ist, wenn man das Martyrium als das erhabendste Zeugnis für die Wahrheit des Glaubens zu Ende denkt, dann ist man, wo man bereit ist für etwas zu sterben, auch schnell mal bereit jemand anders dafür sterben zu lassen. Christen widersprechen dem zwar vehement, doch wo auch immer die Kirchen politisch stark genug waren um damit durchzukommen, da geschah genau das.


Meine Einstellung zum Märtyrerkult:
Schokoladeneis mag so köstlich sein, dass man an einem heissen Tag beim Versuch an eins ran zu kommen ein zu grosses Risiko eingeht und stirbt. Wenn aber jemand mich dadurch zu überzeugen versucht, dass Schokoladeneis das einzig wahre ist, indem er sich anzündet, dann hat er einen an der Waffel!

mmm flambiertes schoko-cornet

Kokos-Schokolade-Würfel oder die Moral für Mehr- und Wenigerheiten

Hier eine Idee: Je nach dem, ob sie eine Minderheit oder eine Mehrheit anspricht, gibt die Moral den Leuten andere Tipps.

Ein harmonisches Zusammenleben ist zwar nett, oberste Priorität hat für die Moral1 aber ihr eigenes Fortbestehen. Warum sonst wären unter den Anleitungen der verschiedenen Religionen, die sich ja als Hüter der Moral2 verstehen, immer auch solche, die mit einem harmonischen Zusammenleben überhaupt nichts zu tun haben? Und dann auch noch an so prominenter Stelle. Das erste Gebot der Bibel zum Beispiel ist keine Anweisung, wie man sich verhalten soll, sondern bloss eine Feststellung3, die keinem anderen Zweck dient, als dass der angeblichen Urheber der Regeln im Gespräch bleibt.

Vielleicht wird es deutlicher anhand eines Beispiel aus einer anderen Domäne, wo man Regeln befolgen sollte:

  1. Es gibt nur Betty Bossi.
  2. 300g Mehl, 250g Zucker, 1 Päckli Vanillezucker, 2EL Kakaopulver, 2TL Backpulver und 1 Prise Satz in einer Schüssel mischen.
  3. 3 Eier, 3dl Milch und 200g flüssige, abgekühlte Butter gut darunterrühren. Teig in die vorbereitete Form füllen.
  4. Backen: ca. 30 Min. in der Mitte des auf 180 Grad vorgeheizten Ofens. Kuchen herausnehmen, etwas abkühlen, mit einem Holzspiesschen mehrmals einstechen.
  5. 200g Puderzucker, 1 Päckli Vanillezucker, 2EL Kakaopulver, 50g flüssige Butter und 4EL Espresso gut verrühren, auf dem warmen Kuchen verteilen. Kokosraspel darüberstreuen, Kuchen in der Form auskühlen, in Würfel schneiden.

 

Wenn man gegen eins der Gebote verstösst, mit welcher Konsequenz muss man dann rechnen? Das Ergebnis wird anders schmecken und/oder aussehen – im Idealfall schlechter/hässlicher, weil andernfalls das Rezept noch verbesserungsfähig gewesen wäre. Das gilt aber nicht für das erste Gebot. Wenn man dieses ignoriert, wird das Ergebnis genau das gleiche bleiben. Was zum Teufel sucht es dann im Pentalog?

Gar nichts! Ausser natürlich wenn die Kokos-Schoko-Würfel gar nicht das eigentliche Ziel ist: Vielleicht sollen diese den Konsumenten nur schmecken (oder sie dick machen), um sie davon abzulenken, dass es einzig und allein darum geht, dass die Betty Bossi AG auch weiterhin prosperiert! Die Kokos-Schoko-Würfel sind ein Trojanisches Pferd!
Ausser natürlich die Betty Bossi AG versucht dem Klientel weiss zu machen, dass mit dem Glauben an die Gültigkeit des ersten Gebots während der Zubereitung irgendeine besondere Qualität hinzukomme. Doch welche könnte das sein? Besserer Geschmack? Denkbar, doch dieser Effekt wird in einer Doppelblind-Verkostung nicht mehr auftreten. Hübscher? Auch denkbar, aber ebenfalls bloss ein Placeboeffekt. Dann halt etwas im Jenseits!
Wenn der Betty Bossi AG also weniger ihr Gewinn am Herzen liegt als viel mehr unser seits-übergreifendes Wohlergehen, dann stellt sich die Frage, ob der Glaube an den Monobettybossismus wirklich das einzige ist, was einen Einfluss aus die besondere Qualität im Jenseits hat. Sollte nämlich beispielsweise eine Prise weniger Kakaopulver ebenfalls jener besonderen Qualität förderlich sein, dann frage ich mich, auf welches Seits sie das Rezept optimieren?

Analog werden dann wohl auch gewisse Regeln, die man befolgen muss um in den Genuss der von den Göttern in Aussicht gestellten jenseitigen Privilegien zu kommen, im Bezug auf ein harmonisches Zusammenleben im Diesseits noch optimierbar sein. Wenn beispielsweise Jesus uns aufträgt, in die Welt hinaus zu gehen und alle Menschen zu taufen4, so ist das von den Gläubigen, die in die Welt hinaus gehen um alle Menschen zu taufen, sicherlich gut gemeint5, doch da manche Leute nicht getauft werden wollen, hat die Regel, die mehr Seelen in den Himmel führt, ein grosses Potential zumindest kurzfristig Zwietracht unter den Menschen zu sähen.
Die Verteidiger der Missionsbefehls werden zweifellos zu argumentieren versuchen, dass abgesehen von der himmlischen Belohnung nach dem Tod, auch im Diesseits längerfristig Vorteile zu erwarten sind, weil in einer homogenen Gruppe weniger Reibereien entstehen, und dass das daraus resultierende harmonische Zusammenleben das bisschen genervt sein mehr als wett macht. Das klingt zwar plausibel, wird durch die Geschichte Europas aber nicht wirklich bestätigt. Denn irgendwie scheinen Religionen die Tendenz zu haben, grossflächig nicht homogen zu bleiben. Es scheint im Gegenteil viel mehr so, als ob eine bunte Durchmischung von sehr verschiedenen Moralvorstellungen auf engem Raum die Leute motiviert tolerant zu sein. Und das kommt einem harmonischen Zusammenleben weit mehr zugute. Wo es dagegen nur eine einzige gesicherte Wahrheit gibt, braucht es keine Toleranz. Da ist Toleranz sogar eine Gefahr für die gesicherte Wahrheit.

Interessanterweise verstärken gesellschaftliche Konflikte den Ruf nach Moral, statt dass sie diese in Frage stellen. Konflikte wie solche, die entstehen, wenn einer einer Minderheit aufgrund der Moralvorstellung der Mehrheit gewisse Rechte vorenthalten werden. Das ist ein klares Versäumnis der Moral, auf die Wünsche von Andersdenkenden einzugehen, selbst wenn diese keine Abstriche am eigenen Lebensstandard zur Folge hätten.
Ich kann ja verstehen, dass man seine eigenen Frauen und Homosexuellem diskriminiert, wenn man zufälligerweise an einen sexistischen und homophoben Gott glaubt. Aber dass man die gleichen Regeln auch für Frauen und Homosexuellen anderer Glaubensrichtungen durchzusetzen versucht, nur weil man mächtig genug dafür ist, halte ich für gefährlich. Wenn schon, dann muss man sie erst (behutsam6) bekehren. Ihnen die eigene Religion zuzugestehen, nicht aber die von dieser gewährten Rechte, halte ich für einen Zug, der aktiv am Stuhlbein des harmonischen Zusammenlebens sägt.

(Das war jetzt komplett aus der Perspektive der Religion argumentiert. Und ich wollte damit zeigen, dass wenn die Moral ein anderes Hauptziel als das harmonische Zusammenleben hat, dass sie das harmonische Zusammenleben gefährdet. Und jede religiöse Moral hat ein anderes Hauptziel!
Demgegenüber konzentrieren sich säkulare Moralvorstellungen allein auf das harmonische Zusammenleben im hier und jetzt. Das ist natürlich kein Garant für Erfolg. Und man kann natürlich nicht ausschliessen, dass sie noch schlimmere Ergebnisse liefern als religiöse. Aber wenigstens können sich deren Vertreter im Angesicht der von ihnen angestellten Katastrophen nicht damit herausreden, dass es den Leuten dafür im Jenseits umso besser gehe und man ihnen eigentlich dafür danken sollte.)

Das Hauptziel der religiösen Moral ist aber auch nicht, möglichst viele Seelen auf die hübsche Seite des Jenseits zu befördern, wie uns das die Betty Bossi AG weiss zu machen versucht. Himmel und Hölle sind genauso wie der Zucker und der Kakao nur ein Lockmittel – wenn auch eins dessen Schädlichkeit sich nicht nachweisen lässt. Worum es geht, ist der Fortbestand. Moral ist die Überlebensstrategie einer Kultur. Sie tut alles dafür, dass sie in genau der gleichen Form fortbesteht. So stur wie möglich, so flexibel wie nötig.

Allerdings braucht es je nach dem, „wo“ sich die Kultur, welche sich  durch die Moral definiert, gerade befindet, andere moralische Regeln. Unter „wo“ verstehe ich hier weniger den den geografischen Standort, obwohl der hier sicherlich auch eine Rolle spielt, sondern den Standort im – ich nenn es mal – globalen sozialen Fluss. Also ob die Kultur eine dominierende ist wie beispielsweise jene der Römer, oder ob es sich um eine unterdrückte Minderheit irgendwo weit Abseits vom Schuss handelt wie jene der Juden.

Das Überleben der Minderheit liegt nicht wirklich in ihrer Hand. Sie ist auf den Goodwill der dominierenden Kultur angewiesen. Da man sich nicht auf das ewige Fortbestehen des Goodwills verlassen kann, liegt es im Interesse der Minderheit zu einer dominierenden Mehrheit zu werden. Das jedoch möglichst auf eine Weise, mit der man sich den Goodwill der Mehrheit nicht verspielt.
Die Mehrheit dagegen muss zu ihrem eigenen Schutz versuchen eine Mehrheit zu bleiben, was bedeutet, dass sie verhindern muss, dass eine Minderheit zu einer Mehrheit wird. Und das möglichst auf eine Weise, die die Motivation der Minderheit möglichst schnell eine Mehrheit zu werden nicht beflügelt.
Oberflächlich betrachtet, sind beide Gruppen also darauf bedacht eine friedliche Koexistenz zu wahren. Eine offene Auseinandersetzung ist nämlich für beide mit unberechenbaren Risiken verbunden. Für die Minderheit, weil sie damit ihre Existenz aufs Spiel setzt und für die Mehrheit, weil sie vielleicht doch nicht so stark ist, wie sie denkt. Oft zeigt sich nämlich erst im Konflikt, ob wirklich alle die, die man auf seiner Seite wähnt, auch wirklich auf der gleichen Seite stehen. Die Mehrheit definiert sich nämlich weniger durch die absolute Zahl, sondern viel mehr durch das, wie sich die Leute zu verhalten scheinen. Was durchaus trügerisch sein kann. So mögen die meisten Menschen in Europa Katholiken sein, doch wenn die katholische Kirche zur Tötung aller Schwulen aufruft, wird sich ihr niemand mehr anschliessen. Insofern ist es besser für sie, den Status quo zu akzeptieren und die Welt glauben zu lassen, man vertrete die Mehrheit.

Die friedliche Koexistenz wird jedoch bei Mehrheit und Minderheit auf sehr unterschiedliche Weise gewahrt. So ist Toleranz den eigenen Leuten gegenüber bei der Mehrheit ein Vorteil, weil Andersdenkende damit nicht ausgeschlossen und in die Arme des Gegners gedrängt werden, während in einer Minderheit abweichende Meinungen nicht toleriert werden können, weil es die eh schon schwache Position noch mehr schwächt.
Bei der Mehrheit ist die Toleranz anderen gegenüber jedoch auch nur insofern okay, wie die Intoleranz die Gegenseite nicht zu einem ernstzunehmenden Gegner macht. Wenn die Mehrheit dermassen überwältigend ist, können auch leichte Abweichler als externe Minderheit betrachtet werden. Eigene Leute aus der Gruppe raus zu werfen ist riskant, kann sie insgesamt aber durchaus stärken.

Deshalb stand die Moral dem Fortbestand ihrer Gruppe auch noch nie im Weg. Dem Fortbestand der Individuen und dem anderer Gruppen durchaus, nicht jedoch der Idee, die die Gruppe zusammen hält. Moral ist der Überlebensinstinkt der Gruppe, wie der Egoismus der Überlebensinstinkt des Individuums ist.

Moralkonzepte von Christen und Atheisten

Atheisten glauben nicht an Gott, weil sie sich nicht an seine Regeln halten wollen.
Wenn dem so ist, müsste man doch eigentlich erwarten – insbesondere wo sich die göttlichen Gebote doch zu einem grossen Teil mit den juristischen Gesetzen decken -, dass sich das in der Kriminalitätsstatistik niederschlägt. Doch das tut es nicht. Atheisten sind in Gefängnissen ganz und gar nicht übervertreten. Und auf den Himmel zu verzichten nur um eine Schandtat nicht zu tun, scheint nicht besonders logisch.

Die Atheisten halten sich an die Gesetze, weil die Moral in ihre Herzen eingeschrieben ist.
Das heisst, dass die Intuition darüber, was richtig und was falsch ist, die es tatsächlich zu geben scheint1, eine gottgegebene Fähigkeit ist. Die Wissenschaft hält es zwar für eine im Laufe der Evolution entwickelte Fähigkeit, doch kommt das unter dem Strich aufs gleiche raus2.

Halten wir also fest: Irgendwie fühlen wir alle3, dass es nicht richtig ist Kinder umzubringen. Es fühlt sich daher selbst dann falsch an, wenn es wirklich gute Gründe gibt, es dennoch zu tun.
Was ist aber, wenn Gott Abraham befielt seinen Sohn Isaak umzubringen? In diesem Fall hat das Töten des Kindes nicht nur aufgrund der Allwissenheit und Allgüte Gottes den ultimativ guten Grund, sondern ist – weil von Gott befohlen und weil was von Gott befohlen, automatisch moralisch gut ist – moralisch gut4. Und entsprechend müsste die ins Herzen eingeschriebene Moral diese Ausnahme vom Tötungsverbot enthalten. Sprich es dürfte sich nicht falsch anfühlen.

Tut es aber.
Oder tut es das nicht?
Schwer zu sagen.

Aber es muss ja nicht gleich um Mord und Totschlag gehen. Auch anderes Fehlverhalten fühlt sich, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, schlecht an. Die Vorstellung gegen jedes der 10 Gebote zu verstossen, fühlt sich schlecht an56. Ob es sich schlecht anfühlt sich mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zu verlustieren(Lev. 18:22), kann ich leider nicht beurteilen7. Allerdings fühlt es sich ganz und gar nicht schlecht an Crevetten zu essen (Lev. 11:10), Mischgewebe zu tragen (Lev. 19:19) und meistens auch nicht sich zu rasieren (Lev. 19:27).
Ich behaupte nicht, dass diese Dinge nach Ansicht der Christen auch heute noch falsch sein sollten. Ich will gern glauben, dass Jesus diesbezüglich was geregelt hat. Ich frage mich nur, wieso etwas, dass sich früher falsch angefühlt haben müsste, wenn es doch in die Herzen der Menschen eingeschrieben ist, sich heute nicht mehr falsch anfühlt? Oder hat Jesus, während er da so am Kreuz rumhing, vielleicht auch noch mit Tipex rumhantiert?

Oder steht bei jedem was anderes auf dem Herzen? Dann würde aber jeder eine andere Moral haben. Und was für den einen falsch ist, könnte für den anderen durchaus richtig sein. Doch genau das scheint empirisch betrachtet eben gerade nicht der Fall zu sein8.
Allerdings kommt man zu diesem Schlüss über gross angelegte Experimente, in welchen Leute hypothetische moralische Dilemma lösen müssen. Wenn es um das persönliche Erleben geht, sieht es schnell ziemlich anders aus. Bei Christen stellt sich da schnell mal eine Moralvorstellung ein, welche sehr individuelle Züge aufweist: Es gibt allgemeine Regeln und wo es seinen Interessen dient, gewährt Gott Dispensen.

Robert L. Dear, Jr., der am 27. November 2015 in einer Planned-Parenthood-Klinik in Colorado Springs drei Menschen erschoss, soll beispielsweise überzeugt davon sein, dass solange er glaubt, dass er errettet wird, er alles tun darf9. Klingt irgendwie so, als ob da einer an Gott glaubt, um ungestraft jede Schandtat begehen zu können.
Klar, man kann dieses und viele weitere Beispiele leicht abtun, weil diese Typen offensichtlich psychisch krank sind. Doch man es muss ja nicht immer gleich um Mord und Totschlag gehen. Viele Christen sind überzeugt davon einen Auftrag von Gott bekommen zu haben, wenn es darum geht, gegen die gleichgeschlechtliche Ehe einzustehen. Oder wenn es darum geht Verhütung auf der Basis der Enthaltsamkeit zu propagieren. Oder wenn es darum geht fremden Leuten unaufgefordert von Jesus zu erzählen. In all diesen Fällen mischen sie sich ungefragt in die Angelegenheiten anderer ein, während die oberste Direktive „Liebe den Nächsten wie dich selbst“ doch eigentlich Toleranz10 für die Eigenarten der anderen fordert. Liebe zwingt den anderen nämlich nicht zu seinem Glück, sie akzeptiert seine Entscheidung und lässt ihn gewähren (wie Gott es tut). Aber da sie offenbar im Herzen spüren, dass es das richtige ist, hat die oberste Direktive – natürlich im Interesse des anderen – kurzzeitig den Platz zu räumen (was dann wohl heisst, dass Gott es doch nicht tut, wenn er Leuten den Auftrag gibt, offen gegen meine Entscheidung zu opponieren).

Atheisten kennen keine Dispensen. Etwas übles ist selbst dann übel, wenn es keinen anderen Weg als den üblen gibt. Das hindert sie zwar genauso wenig wie die Theisten daran, es dennoch zu tun, aber wenigstens reden sie es nicht schön.

Wir haben hier also gewissermassen zwei Moralkonzepte. Auf der einen Seite – ich nenne sie mal – das praktische: Die Regeln sollten allen bekannt sein und für alle gelten. Und auf der anderen das transzendentale: Die meisten Regeln sind bekannt und der Rest wird unauffällig auserwählten Personen offenbart.
Ich bin überzeugt, dass das praktische Moralkonzept dem transzendentalen vorzuziehen ist, weil die Möglichkeit, dass Handlungen von aussen befohlen werden können, ohne dass man die Echtheit überprüfen könnte, einfach dazu einlädt ausgenutzt zu werden. Dem ist meines Erachtens selbst eine verunglückte Kombination von vermurksten Regeln vorzuziehen – so sie für alle gleichermassen gelten. Verlässliche und möglichst nicht widersprüchliche Regeln schaffen nämlich Ordnung, selbst dann wenn sie blöd sein mögen.

Aber vielleicht liege ich mit all dem auch furchtbar falsch und die Atheisten glauben einfach nur wegen der Lücke zwischen den Geboten und Gesetzen nicht an Gott. Sprich sie glauben nicht an Gott, weil sie masturbieren wollen.

Was ist dran, wenn steinigen drin steht?

Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn oder deine Tochter oder das Weib in deinen Armen oder dein Freund, der dir ist wie dein Herz, heimlich überreden würde und sagen: Laß uns gehen und andern Göttern dienen! – die du nicht kennst noch deine Väter, von den Göttern der Völker, die um euch her sind, sie seien dir nahe oder ferne, von einem Ende der Erde bis an das andere, so willige nicht darein und gehorche ihm nicht. Auch soll dein Auge seiner nicht schonen, und sollst dich seiner nicht erbarmen noch ihn verbergen, sondern sollst ihn erwürgen. Deine Hand soll die erste über ihm sein, daß man ihn töte, und darnach die Hand des ganzen Volks. Man soll ihn zu Tode steinigen, denn er hat dich wollen verführen von dem HERRN, deinem Gott, der dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthaus, geführt hat, auf daß ganz Israel höre und fürchte sich und man nicht mehr solch Übel vornehme unter euch.
5. Mose 13:6-12

Ein guter Gott würde sagen: „Geh nur mal einen anderen Gott ausprobieren, du wirst schon sehen, dass es dir bei mir wesentlich besser geht. (Pass einfach auf, dass du während dem Schnupperdienst nicht stirbst, weil das wäre leider ziemlich übel. Ach was, ich passe schon auf, dass dir während dieser Zeit nichts passiert.)“
Das gut im „guter Gott“ oben ist natürlich nicht moralisch gemeint, sondern rein qualitativ1. Ein guter Gott, also einer mit einem hervorragenden Portfolio, braucht die Konkurrenz nicht zu fürchten2. Im Gegenteil. Seine Schäfchen werden ihn durch den direkten Vergleich nur noch mehr zu schätzen wissen.

Wie dem auch sei, Gottes Wege sind unergründlich und er wird schon seine Gründe haben, warum er seine Kinder vor der Begegnung mit anderen Göttern abzuschirmen versucht. Und er wird auch seine Gründe haben, warum er ausgerechnet das Steinigen als adäquates pädagogisches Hilfsmittel dafür vorsah.
Eine Person von Gott weg zu führen ist auch heute noch verwerflich, steinigen tut man (zumindest hier) dafür aber  niemanden mehr. Und das finden auch alle völlig in Ordnung – ein Busse in Form einer Spende an ein Waisenhaus würde in den Augen vieler aber schon noch angebracht sein. Mir persönlich ist übrigens nicht wirklich klar, wie das zusammen geht. Ich meine, wenn Gott sagt „Wenn X, dann Y“, dann sehe ich nicht ein, wie man sich dann mit Z statt Y zufrieden geben kann? Aber sei’s drum. Die Leute haben einen direkten Draht zu Gott und werden diese Modifikation wohl abgesegnet bekommen haben.
Und wenn dann irgendein Verrückter tatsächlich Y macht, dann liegt das wohl am fehlenden (oder defekten) direkten Draht3. (Es entbehrt übrigens nicht einer gewissen Komik, dass einer, der genau das tut, was Gott in der Bibel verlangt, einhellig als Verrückter bezeichnet wird. Aber das finden wohl nur Atheisten lustig.)

Die Bibel ist inzwischen wirklich nur noch ein moralischer Kompass, der uns sagt, was gut und was böse ist4. Sie ist kein Gesetzbuch mehr, welches das Strafmass festsetzt (auch wenn es in Matthäus 5:17-19 irgendwie anders gedacht war5). Und wenn es uns allen weiterhin gut genug geht, wird es auch so bleiben. Man wird sich je nach politischer Stärke der fundamentalistischen Christen mehr oder weniger nach dem biblischen Kompass ausrichten, nicht jedoch nach den von der Bibel vorgeschriebenen Strafen.
Und wenn es uns so übel geht, dass wir uns genötigt fühlen, die alten Strafen wieder hervorzukramen, dann fürchte ich, haben wir grössere Probleme als diese Strafen. Denn dann leben wir in einer („entmagnetisierten“) postapokalyptischen Mad Max Welt und versuchen mit drakonischen Strafen eine fragile Ordnung aufrecht zu erhalten. Zumindest so lange, bis wir es einfach mal mit einer etwas raffinierteren  Strafe versuchen und – welch Überraschung – bessere Ergebnisse erzielen.

Das Problem ist, wenn man sich mal an die göttlichen Strafen hält (wie zum Beispiel der IS oder Saudi Arabien), dann ist es verdammt schwierig sie zu lockern, weil das gewissermassen ein blasphemischer Akt ist. (Überflüssig zu erwähnen, welche Strafe drauf steht.)
Doch wenn man den ersten Schritt geschafft und ein Y zu einem Z verbogen hat, ist es ganz einfach zu begründen, weshalb das durchaus im Sinne des liebenden Gottes war.
Und dann ist es nur eine Frage der Zeit bis das Z völlig ohne Steine auskommt.

Jetzt muss ich nur noch erklären, warum Strafen mit der Zeit immer ungöttlicher (sprich milder) werden: Der erste Impuls auf Unrecht ist stets der Rachedurst. Und der ist immer blutig. Irgendwann schaut man sich aber das Ergebnis an und das ist bescheiden.
Und man merkt, dass man anders weiter kommt.  Dass man sich nicht vom Rachedurst leiten lassen sollte, sondern lieber von der Frage, wie man das Verbrechen in Zukunft verhindert.


Noch eine Frage am Rand: Wenn ich Pastafarier dritter Generation bin und ein Christ zu mir kommt und mir sagt, ich solle seinem Gott dienen, und ich dem Vorschlag wirklich nachkomme, muss ich ihn dann nach meiner Konversion steinigen (= Spende für ein Waisenhaus einfordern)? Er hat mich schliesslich überredet zu einem Gott zu gehen, den weder ich noch mein Vater kannte. Und was Gott davon hält, ist hinlänglich bekannt…

Assoziation zwischen Religiosität und Altruismus bei Kindern

Der Neurowissenschaftler Jean Decety von der University of Chicago hat vor wenigen Tagen im Fachjournal Current Biology eine Studie zum Altruismus bei Kindern veröffentlicht, der zufolge religiös erzogene Kinder deutlich altruistischer sind als solche, die nicht religiös erzogen wurden.

Er schloss dies aus den Ergebnissen der folgenden drei Experimente:

  • Die Kinder sollten aus 30 Stickern die 10 aussuchen, die ihnen am besten gefallen. Diese durften sie behalten, wurden jedoch gefragt, ob sie nicht ein paar ihrer Sticker abgeben möchten für Mitschüler, die an diesem Test nicht teilnehmen konnten.
  • Die Kinder schauten sich kurze Filmchen an, wo Kinder angerempelt wurden, und sollten beurteilen wie schlimm das ist.
  • Die Kinder sollten das böse Verhalten in den Filmchen bestrafen.

Durchs Band verhielten sich die religiösen Kinder altruistischer: Sie gaben mehr Sticker ab, verziehen das rüpelhafte Verhalten und waren milder bei der Strafe. Das deutet klar darauf hin, dass Religionen die Wichtigkeit von Wohltätigkeit, Vergebung und Nächstenliebe tatsächlich zu vermitteln schaffen und die Gläubigen diese Ideale auch in der realen Welt umsetzen. Das wird wohl keinen Christen überraschen.

Es gab dabei nur ein Problem. Es verhilt sich gerade andersrum. Die religiös erzogenen Kinder waren in jedem einzelnen Versuch signifikant weniger altruistisch als die Kinder, die keine religiöse Erziehung genossen haben. Und die Moral vor der Geschichte ist eher die, dass Religion den Altruismus verhindert, während sie den betroffenen Personen das gegenteilige Gefühl vermittelt.

Im Rahmen der Studie wurden auch die Eltern befragt und eine der Fragen war, wie sie den Altruismus ihrer Kinder im Vergleich zu anderen Kindern einschätzen würden. Die religiösen Eltern waren überzeugt davon, dass ihre Kinder überdurchschnittlich altruistisch seien.

Wie ist es möglich, dass Leute, die so viel Wert auf Nächstenliebe legen, diese nachweislich weniger praktizieren, aber überzeugt davon sind, es mehr als die anderen zu tun1?

Plädoyer vom Advocatus Diaboli

Bei der Beurteilung des problematischen Verhaltens auf den kurzen Filmchen waren die religiösen Kinder also strenger. Okay. Die eigentliche Frage ist aber, warum sie das waren? Vielleicht waren die Kinder ohne religiöse Erziehung einfach nur deshalb weniger streng, weil sie sich der Schwere der Verfehlung nicht bewusst sind? Die christlichen Kinder wissen dagegen sehr genau, was richtig und falsch ist. Und um beurteilen zu können wer altruistischer ist, müsste man doch erst wissen, von welcher Position man ausgeht. Wenn man einen Mord für harmlos hält, dann gibts am Schubsen nichts zu verzeihen und demzufolge kommt hier auch nicht Altruismus zum Zug.
Und wenn man etwas weniger strenger beurteilt, dann wird man sich auch nicht gezwungen fühlen es überhaupt zu bestrafen. Beurteilung und Strafe sind gekoppelt. Deshalb kann das nicht als unabhängige Bestätigung interpretiert werden.

Und dass man weniger Sticker abgibt, muss nicht notwenigerweise am Egoismus liegen. Vielleicht sind sich die religiösen Kinder auch einfach darüber im klaren, dass anderen Kindern grundlos etwas zu schenken ein falscher Anreiz wäre? Wie sollen sie dann lernen, dass jeder seines Glückes eigener Schmid ist? Nächstenliebe ist jemandem wirklich zu helfen, ihn mit Stickern zu verhätscheln erweist ihm dagegen keinen Dienst. Klar, der andere wäre glücklich, doch solches Glück währt nur kurz. Deshalb zeugt es von wahrer Selbstlosigkeit, wenn man sich das schöne Gefühl, Freude in den Augen seines Gegenübers zu sehen, verkneift und ihm statt dessen eine Lektion fürs Leben erweist, für die er einem in der Zukunft dankbar sein wird.

Einwand vom Advocatus Diaboli Diabolici

Es gibt da diesen lustigen psychologischen Effekt, den jeder Supermarkt kennt: Wenn man Gemüse in sein Einkaufskörbchen gelegt hat, hat man seine Schuldigkeit in Punkto gesunde Ernährung getan und kann ohne schlechtes Gewissen noch eine Schokolade kaufen. Das gleiche gilt für gute Taten: Wenn man am Morgen für die Armen der Welt gebetet hat, braucht man ihnen am Nachmittag nicht auch zu helfen.
Und da die nicht religiösen Kinder am morgen nicht beteten, haben sie ihr moralisches Soll für den Tag noch nicht erfüllt und versuchen es mit dem Verschenken von Stickern zu kompensieren.

Und was die Kopplung von Beurteilung und Strafe betrifft: Wenn die nicht religiös erzogenen Kinder, wie der Advokatus Diaboli nahelegt, keinen moralischen Kompass besitzen, im Bezug auf den sie überhaupt erst altruistisch handeln können, dann sollte ihre Gleichgültigkeit (resp. ihre Freude) der Grausamkeit gegenüber sie eigentlich nicht daran hindern jede beliebige Strenge von Strafe zu verhängen – was jedoch nicht der Fall war.

Wie dem auch sei…

Das Ergebnis der Studie lautet: Der Nachwuchs christlicher und muslimischer Familien teilte seltener mit Altersgenossen, wollte aber unsoziales Handeln anderer härter bestrafen.

Vielleicht ist der Altruismus aber auch gar kein christliches Ideal? Vielleicht wird er nur irrtümlich mit der Nächstenliebe gleichgesetzt?
Wenn Gott die Todesstrafe fordert, dann gebietet der Altruismus Kuscheljustiz. Doch das ist für einen Christen nicht wirklich eine Option, denn der Wille Gottes ist überaus deutlich. Die Nächstenliebe verlangt den Verurteilten zu lieben wie sich selbst (und wenn er verletzt ist, ihn zu heilen), davon ihn deshalb nicht zum Schafott zu führen, kann jedoch keine Rede sein.  Denn nur so respektiert man die Person wirklich – und genau das macht Liebe schliesslich aus – man respektiert seine Entscheidung dem verbrecherischen Pfad zu folgen und entsprechend auch dessen Konsequenzen zu tragen.

Ironie des Schicksals

This research was supported by a grant from the John Templeton Foundation (Science of Philanthropy Initiative).

Wenn das mal nicht ein Schuss nach hinten war…

Disclaimer

Aber natürlich waren das gar nicht „echte“ Christenkinder…