Interessengruppen

Die Fälle steigen wieder und der Bundesrat erwägt – entgegen der Empfehlung der Taskforce – Lockerungen der Massnahmen. Und die bürgerlichen Parteien finden, dass die Taskforce sich lieber nicht öffentlich äussern sollte.

Sehr starke Interessengruppen drängen auf Lockerungen. Dem kann sich der Bundesrat nicht einfach entziehen.

Randnotiz: Ich frage mich, was eine Interessengruppe so stark macht, dass sie sogar den Bundesrat in Bedrängnis bringen kann? Die Zahl der Interessierten kann es nicht sein, denn es gibt Interessen, die viel mehr Leute verbinden. Es liegt wohl daran, dass sich hier  diese Interessen einer Person kristallisieren, die beim Bundesrat vorstellig wird.
Ist das aber nicht unfair den anderen Interessen gegenüber? Nur weil sich bei ihnen nichts kristallisiert, bedeutet das nicht, dass ihre Anliegend nicht genauso dringend sind.
Vielleicht verhindert der Umstand, dass ein gemeinsames Interesse von zu vielen geteilt wird, die Kristallisation? Vielleicht eignen sich nur gewisse Interessen zum Kristallisieren? Vielleicht braucht die Kristallisation auch den Katalysator Geld?

Ich finde, dass die Sorgen, welche die Interessengruppen vortragen, durchaus berechtigt sind und unbedingt gehört werden müssen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob sie Basis für eine Entscheidung des Bundesrats sein sollten.
Entscheidungen sollten möglichst auf evidenzbasierten Erkenntnissen basieren. Wenn Epidemiologen sagen, dass nur ein kompletter Shutdown das Virus stoppen kann, dann hat das eine ganz andere Qualität als wenn der Wirteverband sagt, dass damit das Gastgewerbe zerstören würde. Deshalb ist es auch ausgemachter Nonsens einen Kompromiss finden zu wollen, zwischen Epidemiologie und Wirteverband.

Wie ich aber sagte, die Sorgen des Wirteverbands sind berechtigt und sie müssen unbedingt gehört werden. Aber nicht vom Bundesrat um eine Entscheidung zu treffen, sondern von den Wirtschaftswissenschaften, die das untersuchen und ihre Befunde als evidenzbasierte Erkenntnisse dem Bundesrat präsentieren.

Erst hier fangen die Kompromisssuche an: zwischen den Empfehlungen und Warnungen von Epidemiologie, Wirtschaftwissenschaft, Umweltwissenschaft, Kulturwissenschaft, etc. Und natürlich der Edi-O-matik.

Schokoladeneis oder Wieso will Gott, dass ich glaube?

Schokoladeneis ist das beste Eis der Welt.
Wieso will Gott, dass ich das unterschreibe, ohne es vorher probieren zu dürfen?
Ian Hazelwood

Wieso ist es für Gott so wichtig, dass man ohne Evidenzen an ihn glaubt?
Wieso kann er sich nicht vorstellen: „Hi, mein Name ist Jehowa, ich bin der intelligente Designer dieses Universums, freut mich dich kennen zu lernen.“ und uns dann entscheiden lassen, ob wir ihm folgen wollen?
Wieso wählte er für seine Offenbarung eine dermassen unsichere Form der Kommunikation? Als allwissendes Wesen müsste er doch eigentlich wissen, was für Schindluder mit Büchern getrieben werden kann. Fälschungen, Manipulationen und Fehlinterpretationen gehören da zur Tagesordnung. Und irgend ein kleines, zurückgebliebenes Hirtenvolk in der Pampa ist vielleicht auch nicht der ideale Überbringer. Und, nun ja, eine massive Diskrepanz zwischen Text und Evidenzen ist auch nicht wirklich hilfreich.

Man könnte fast meinen, Gott hat es drauf angelegt, dass es so wenige wie möglich schaffen…

Wieso ist es nun also Gott so wichtig, uns die Evidenzen vor zu enthalten?
Wieso will er, dass ich glaube, dass Schokoladeneis das beste Eis der Welt ist, ohne es vorher probiert zu haben?

Das macht nur Sinn, wenn die Chance, dass ich das glaube, grösser ist, wenn ich es vorher nicht probiere. Was dann aber schon ein sehr deutliches Indiz für die Qualität seines Eises ist.
Für diese (also die bescheidene Qualität seines Schokoladeneises!) gibt’s dagegen durchaus Indizien:

  • All die gefallenen Engel zu Beispiel. Laut der Offenbarung 12:4 zog es immerhin ⅓ aller Engel vor das Weite zu suchen.
  • Adam und Eva. War das wirklich eine Vertreibung? Und nicht vielleicht eher eine Flucht? Die Berichte von dieser Episode stammen aus einer Zeit mehrere Tausend Jahre später, nachdem alle noch verbliebenen forensisch verwertbaren Spuren von einer Sintflut beseitigt wurden, die nur eine Handvoll treuer Anhänger Gottes überlebt hatten.
  • Die Popularität des Schokoladeneises fing erst an zu wachsen, als es keine öffentlichen Degustationen mehr gab.

Also entweder weiss der liebe Gott, dass er der guten Sache irgendwie im Weg steht, oder aber es gibt wirklich nur 144’000 Plätze im Himmel und die Zeugen Jehowas haben recht.

Wie relevant sind Evidenzen beim Glauben?

So sicher wie das Amen in der Kirche, wird jeder Apologet, auf das Thema Glauben angesprochen, verkünden, dass auch die Wissenschaft ohne Glauben nicht auskomme. Dass dem Wissenschaftler einfach nichts anderes übrig bleibe als zu GLAUBEN, dass beispielsweise die Naturgesetze immer und überall gültig seien.

Doch es gibt da einen entscheidenden Unterschied zwischen dem „Glauben“ des Wissenschaftlers und jenem „Glauben“, wie ihn sich Gott diesen angeblich von uns wünscht:
Wenn ein Wissenschaftler aus einer Beobachtung schliesst (und dann „glaubt“), dass es sich dann wohl überall und immer so verhält, dann kann er damit natürlich falsch liegen, doch unbestritten gründet seine Annahme in der Evidenz der Beobachtung. Und sollte er damit tatsächlich falsch liegen, dann werden es Evidenzen gewesen sein, die ihm das unter die Nase gerieben haben. Und so der Wissenschaftler weiterhin von sich behaupten will, dass seine Erkenntnisse in Evidenzen gründen, muss er seine Schlüsse von nun an wohl oder übel aus dem erweiterten Set von Beobachtungen ziehen.
Der selig machende, religiöse Glaube braucht dagegen vielmehr die Abwesenheit von Evidenzen (vgl. „selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ – Johannes 20:29)1 Viel mehr soll man einfach sein Herz öffnen und den Schritt ins Ungewisse wagen… Die Sache ist aber leider etwas tricky, denn es heisst, dass wer diesen Schritt wagt, dem wird sich Gott persönlich „zeigen“ (vgl. „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Matthäus 7:7). Und wenn das geschieht, dann verfügt man tatsächlich über sowas wie Evidenz. Das Problem ist einfach, dass auf persönliche Erfahrungen nachweislich nicht wirklich verlass ist. Und „Suchet, so werdet ihr finden“ mag in der Religion selig machen, in der Wissenschaft ist es allerdings ein Garant für Fehler.
Und will man mit seinem Glauben selig bleiben, empfielt es sich einen weiten Bogen um die Weisen und Klugen mit ihren Evidenzen zu machen (vgl. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast!“ Matthäus 11:25), denn die Klugheit wird allzu leicht zu einer Falle (vgl. „Die Weisen erhascht er in ihrer Klugheit.“ 1.Korinther 3:19)2. Hier scheinen also die Evidenzen der Garant für Fehler zu sein. Was aber nicht heisst, dass nach einer vollständigen Analyse, zu welcher wir Menschen aufgrund unserer beschränkten geistigen Fähigkeiten womöglich nie in der Lage sein werden, die Evidenzen nicht doch die Glaubensinhalten bestätigen werden.

In ihrer Verteidigung der Unumgänglichkeit des Glaubens ignorieren die Apologeten, dass es auch gute Gründe geben kann, etwas zu glauben. Es ist ihr gutes Recht, keine solchen zu haben, jedoch zu behaupten, dass es ein guter Grund ist, aufgrund des Gefahrenpotentials guter Gründe, keine guten Gründe zu haben, ist schon ein bisschen absurd.