Die Keuschheit (und insbesondere jene der Frau) ist das Problem!
Nicht, dass nicht Sex zu haben etwas schlechtes ist, das Problem ist das Interesse aller anderen am Nichthaben!
Was aber jemand im Bett tut oder nicht tut, geht weder die Gesellschaft etwas an, noch den zukünftigen Partner!
Warum zum Teufel interessiert sich überhaupt jemand dafür?
Das lästige an sexuell übertragbaren Krankheiten ist, dass man nicht weiss, ob der Partner sie hat. Wenn der Bräutigam eine gesunde Braut haben möchte, bleibt ihm daher nichts anderes übrig als sich auf die Übertragung zu konzentrieren, sprich sich mit Heuristiken1 zu begnügen wie jener, dass die Enthaltsamkeit des Partners das Risiko vermindert, sich sexuell übertragbare Krankheiten einzufangen. Deshalb das Interesse an der Enthaltsamkeit (und dem Ehrenwort, welches alleine für die Wahrhaftigkeit der Enthaltsamkeit bürgen kann), obwohl es eigentlich *nur* um die Gesundheit geht.
Zur Illustration: Wenn wir die Mitglieder einer Expedition zum Nordpol zusammenstellen, ist es essentiell, dass alle noch beide Beine haben. Im Rekrutierungsprozess werden wir aber nicht nach den Holzhackgewohnheiten fragen, sondern (mehr oder weniger unauffällig) die Beine zählen. Anders sähe es aus, wenn beispielsweise Zigarettenrauchern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hie und da einfach ein Bein abfallen würde. Da wir dann nicht wissen könnten, ob einem Kandidaten während der Expedition ein Bein abfallen wird, würden wir ihn nach seinen Rauchgewohnheiten befragen – und uns eine Vorstellung zu machen versuchen, wie ehrlich wohl die Antwort war.
Das Holzhacken wird kein Thema sein2 – auch dann nicht, wenn es die häufigste Beinverlustursache ist. (Wenn uns das konkrete Verhältnis von Beinen zu Expeditionsteilnehmern so wichtig ist, werden wir höchstens eine Klausel in den Vertrag setzen, dass im Fall eines Beinverlusts vor dem Start der Expedition, die Teilnahme nochmals überdacht werden kann.)
Wenn man es von dieser Seite betrachtet, dann zielen eigentlich alle gesellschaftlichen Regeln darauf ab, Handlungen zu verhindern, welche nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit negative Folgen haben werden. Verhalten, deren Konsequenzen sofort offensichtlich sind, interessieren dagegen nicht wirklich, respektive nur dann, wenn ein Regel die Wahrscheinlichkeit für solche Vorkommnisse zu ändern vermag.3
Insofern machte es für eine Gesellschaft schon Sinn, der Ausbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten mittels weiblicher Enthaltsamkeit (und der Besessenheit von Ehre, welche grundsätzlich ein Garant für die Wahrhaftigkeit sein soll und überall dort zum Einsatz kommt, wo verlässliche Evidenzen fehlen) vorzubeugen4. Entsprechend musste sich die Gesellschaft auch für die Umsetzung der verordneten Lösungsstrategie interessieren und nötigenfalls angemessene Sanktionen ergreifen. Schliesslich gilt es Epidemien vorzubeugen, welche eine ernstzunehmende Gefahr für die ganze Gesellschaft darstellen.
Die Enthaltsamkeit selbst interessiert also nur insofern, als dass deren Fehlen, aufgrund der Unsichtbarkeit der Krankheit, eine potentielle Gefahr für den Rest der Gesellschaft darstellt. Genau wie die Gesellschaft sich weniger für der Impfstatus um des Kindes selbst willen interessiert, denn dessen Sorge obliegt der Verantwortung seiner Eltern, sondern viel mehr zum Wohl der Gesundheit seiner Klassenkameraden und aller anderen.
Bloss dass man heute dank des medizinischen Fortschritts eine ansonsten nicht sichtbare Infektion durchaus diagnostizieren kann!
Damit braucht der Bräutigam sich nicht mehr auf Heuristiken (und Ehrenworte) zu verlassen, sondern kann sich die vollständige Information in Form von einem ärztlichen Attest besorgen. Gesund oder Nichtgesund, das ist, was ihn interessiert. Wieso es dieses oder jenes ist, braucht ihn dagegen nicht zu kümmern. Ausser natürlich wenn es da noch was anderes gibt, das ihm Sorgen macht…5
Vielleicht die Frage, ob das Kind wirklich seins ist? Auch hierfür gibt es Atteste.
Oder vielleicht interessiert es ihn, mit welchen Leistungen die seinen verglichen werden? … Ist es wirklich gerechtfertigt aus Rücksicht auf die Unsicherheit vereinzelter Männer Frauen pauschal zu diskriminieren?
Die Gesellschaft interessiert es nicht, von wem ein Kind ist – vorausgesetzt es ist nicht von einem fremden Fötzel. Es interessierte sie nur so lange, wie die Unmöglichkeit der Klärung der Vaterschaft es unmöglich machte, gemäss klarer Regeln zu handeln. Wenn ich nicht rausfinden kann, wer der biologische Vater ist, taugt die Regel nichts, dass der biologische Vater für die Kosten aufkommen muss. Die Pflicht zur Enthaltsamkeit, welche einen Dritten als Vater ausschliessen sollte, wurde ersetzt durch die Pflicht zur Kontrolle, welche im Bezug auf Vaterschaftsfragen (wie auch auf den Gesundheitszustand der Gesellschaft) gleichermassen zuverlässiger wie auch wesentlich weniger diskriminierend ist.
Wenn jemand der Pflicht zur Kontrolle nicht nachkommt, dann ist das sein Problem6
Und wenn die Frau dem Mann ein gefälschtes Attest gezeigt hat, dann interessiert es die Gesellschaft nur insofern als es sich um Urkundenfälschung handelt, welche, wenn toleriert, zu massiven Problemen führen würde. Was die Sache war, über die gelogen wurde, spielt hier dagegen keine Rolle mehr7.
Und dann gibt’s da noch dieses seltsame Religion-Gott-Gespann, das auch unbedingt mitreden will.
Dass es ihnen um die Gesundheit geht, ist geheuchelt. Nicht umsonst stemmen sie sich regelmässig gegen medizinischen Fortschritt, weil sie darin ein Herumpfuschen in den Plänen Gottes sehen. Krankheiten füllen die Kirchen und eine solide medizinische Versorgung leert sie.
Auch die Ehelichkeit der Kinder geht es nicht. Priester lieben schliesslich alle Kinder gleichermassen.
Das Interesse der Religionen an der Keuschheit ist meines Erachten rein voyeuristischer Natur. Sie wollen wissen was in den Schlafzimmern läuft. Und sie wollen dabei mitreden8.
Fazit
Keuschheit ist ein Relikt aus einer Zeit, in der die Ehre überall dort einspringen musste, wo die Evidenzen fehlten. Und genau wie all der andere Blödsinn, den man dachte im Namen der Ehre tun zu müssen, gehört sie entsorgt. Und jeder, der seine Keuschheit zur Schau tragen zu müssen glaubt, sollte wie jeder andere behandelt werden, der der Öffentlichkeit Dinge auf die Nase zu drücken versucht, die niemanden zu interessieren haben. Wie beispielsweise die Grösse seines Gemächts.
Daher plädiere ich dafür das Tragen des Schleiers als einen Akt von Exhibitionismus zu interpretieren.
Wohlgemerkt, ich verlange nicht, den Schleier verbieten. Wenn schon, dann das Flitzen zu legalisieren!