Verblindete Erlösung

Die Bibel ist ein Buch, das uns – wie es heisst – gute Dienste leisten kann. Mal sehen, ob da was dran ist…

Angesichts der zig-Tausend christlicher Denominationen scheint die Bibel das Problemchen zu haben, dass es offenbar möglich ist, dort neben die WAHRHEIT auch noch unzählige andere Sachen hineinzuinterpretieren, die man dann später gern aus ihr lernen möchte. Und das ist für ein Lehrbuch eher ungünstig.
Schauen wir uns die Sache daher in drei Situationen an, in denen genau dieser Möglichkeit ein Riegel geschoben wird.

Noch einen kleinen Disclaimer bevor wir anfangen:
Ich werde leider nette Sachen ignorieren müssen. Die gibt es in der Bibel nämlich durchaus auch. Da sich aber ein Lehrmittel, das sich durch grobe Fehler disqualifiziert, nicht durch noch so viele korrekte Informationen rehabilitieren kann (insbesondere wenn es keine Möglichkeit gibt verlässlich zwischen Richtigem und Falschem zu unterscheiden), können diese keinen Einfluss auf ein Urteil haben. Wenn das Bundesamt für Gesundheit die folgenden einfachen Massnahmen gegen die Ausbreitung des neuen Coronavirus empfehlen würde: „Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr“, „Bei Symptomen sofort testen lassen und zuhause bleiben“, „Zur Rückverfolgung wenn immer möglich Kontaktdaten angeben“, „Bei positivem Test: Isolation. Bei Kontakt mit positiv getesteter Person: Quarantäne“, „Abstand halten“, „Empfehlung: Maske tragen, wenn Abstandhalten nicht möglich ist“, „Gründlich Hände waschen“, „Hände schütteln vermeiden“, „In Taschentuch oder Armbeuge husten und niesen“, „Nur nach telefonischer Anmeldung in Arztpraxis oder Notfallstation gehen“, „Alle Menschen mit einem grünen Hemd vor ein Auto, einen Zug oder wenn anders nicht möglich vor ein Schiff stossen“, dann sollte man die Liste, obschon sie sehr nützliche Empfehlungen enthält nicht verbreiten. Wegen der einen nicht so guten Empfehlung (ich hoffe, allen ist klar, welche das ist). Es ist möglich, dass die nützlichen Empfehlungen zu wichtig sind, als dass man es sich leisten könnte die Flyer einzustampfen, dann dürfen sie aber nicht unkommentiert verbreitet werden. Doch genau das ist für ein Werk wie die Bibel nicht möglich, wenn man sie als eine Offenbarung Gottes verstehen will. Die Botschaft muss für sich selbst sprechen. Und das tut sie angeblich auch. So heisst es.
Und ich werde auch Dinge ignorieren, die sich nicht überprüfen lassen. Wenn die Bibel beispielsweise Tipps dazu gibt, wie man sich im Diesseits verhalten muss um im Jenseits der Hölle zu entgeht, man aber nicht überprüfen kann, ob die Tricks tatsächlich funktionieren, dann ignoriere ich das hier.


Situation 1 : Amenesie

Stell dir vor, du kriegst einen Schlag auf den Kopf und vergisst alles. Und dann gibt man dir die Bibel, damit du dir ein Bild über die Welt machen kannst. Keine Erklärungen. Nur die Bibel. Und nach der Lektüre werden dir folgende Fragen gestellt:

  • Ist Sklaverei okay?
  • Sollen Frauen in der Politik mitbestimmen können?
  • Was soll mit Ehebrechern geschehen? Und mit Männern, die sich rasieren?
  • Welche Form hat die Erde?

Situation 2 : Einsame Insel

Stell dir vor, du sitzt mit einer Gruppe von Menschen auf einer Insel fest, von der ihr schnellst möglich wieder runter wollt. Ihr erfahrt, dass ihr die Insel nur verlassen könnt, wenn ihr die Gesellschaft exakt nach den in den Bibel offenbarten Regeln Gottes organisiert. Du bist – aus welchen Gründen auch immer – der unangefochtene Chef.
Nachdem du die römisch-katholische, protestantische, orthodoxe, baptistische und verschiedene freikirchliche Interpretationen versucht hast – und nichts geschehen ist -, in welcher Richtung wirst du dann dein Glück versuchen?

  • Wird es auf deiner Insel Sklaverei geben?
  • Wirst du die Ratschläge von Frauen berücksichtigen?
  • Was wird mit Ehebrechern und Crevettenessern geschehen?
  • Wird es Schulen geben und wenn ja, wie wird in den Geografie-Lehrbüchern die Form der Erde beschrieben?

Situation 3 : Simulierte Welt

Stell dir vor, wir füttern eine K.I. mit einer Bibel und lassen sie eine Welt simulieren, die allen Regeln und Wünschen Gottes nachkommt.

  • Würdest du in einer solchen leben wollen?


Wie gesagt, die Bibel enthält zweifellos viele sehr nützliche Tipps und Tricks, die es sicherlich lohnt zu bewahren. Sie ist darüber hinaus sicherlich auch ein sehr interessantes Zeitzeugnis, das unbedingt gründlich erforscht werden sollte (ob es dafür aber eine eigene Fakultät braucht, ist eine andere Frage).
Wenn man aber eine Werbebroschüre für potentielle Kunden zusammen stellt, sollte man sich besser der unglücklichen Passagen streichen. Ist ja nicht so, dass diese verloren gehen. Jeder Interessierte kann gern die „Originale“ studieren. Das ist gleich wie mit den Konföderierten-Statuen. Die Geschichte geht nicht vergessen, wenn man sie von den Sockeln stösst. Die Geschichte stand nämlich gar nie auf dem Sockel. Sie war schon immer in den Bibliotheken und Museen zuhause.

So aber verteilt man Bücher, die – wie wir gesehen haben – arglose Leute zu der Überzeugung kommen lassen könnten, dass es ganz okay ist jeden Kanaaniter zu töten, dem man auf der Strasse begegnet. Im Libanon wären das eine ganze Menge1.