Je m’accuse!

Hiermit übernehme ich offiziell die Verantwortung an der heiligen Inquisition, den blutigen Kreuzzügen, der von der Kirche gebilligten und angestachelten Unterdrückung von Homosexuellen, Frauen, Sklaven und Andersgläubigen, der mutwillig nicht verhinderten Entdeckung Amerikas, den Scherereien, die die drei Musketiere (es waren in Wirklichkeit eigentlich vier – Athos und Portos) mit den Truppen Kardinal Richelieus hatten, Gottesstrafen wie Seuchen, Missernten und Hungersnöten sowie an all den anderen Gräueln der katholischen Kirche, die sie zwischen dem 9. und 19. Jahrhundert so begangen hat, und stelle mich reumütig dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag oder alternativ Kerners Tribunal und lasse mich Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Bin mal gespannt, ob mir der Vatikan einen Pflichtverteidiger zur Verfügung stellen wird.

Der Fluch der Medici

U1_Catherine-de-mediciIm ausgehenden 16. Jahrhundert galt es unter den Malern als ein offenes Geheimnis, dass Katharina de Medici (1519-1589) einem talentierten Künstler nur all zu leicht die Karriere ruinieren konnte. Sie hatte nämlich die seltsame Eigenschaft, dass sie auf ihren Portraits umso besser aussah, je schlechter der Maler war. So profilierte sich ein aufstrebender junger Maler-Azubi relativ schnell mit ästhetisch fantastischen, technisch jedoch katastrophalen Skizzen von Katharina, um dann mit zunehmender handwerklicher Fertigkeit und anspruchsvolleren, prestigeträchtigeren Aufgaben all seine Reputation am Hof von Heinrich II aufgrund immer garstigerer Werke der Königin wieder zu verlieren.
Dieses Kuriosum berücksichtigend und fürchtend, versuchten verschiedene Maler, unter ihnen beispielsweise der begnadete François Clouet, ihre Bildnisse von Katharina und ihrer Familie vor der Übergabe noch mit handverlesenen Ersatzmodellen, die diese seltsame Eigenschaft nicht hatten, zu überarbeitete. Dass sie dies auch mit ihren Kindern machten, legt die Vermutung nahe, dass nicht nur Katharina de Medici diese Eigenschaft besass sondern alle Angehörigen dieser Blutlinie zurück bis zu Lorenzo dem Prächtigen. Zu dessen Protegés zählte nämlich neben Michelangelo auch Botticelli, der sich bekanntlich im hohen Alter unter dem Einfluss des Busspredigers Girolamo Savonarola gegen die weltliche Freizügigkeit der Medicis kehrte und – wie es scheint – allen Nachkommen diesen bizarren ästhetischen Fluch an den Hals wünschte.

Fremde Federn

Interessanterweise beruhte der Erfolg der christlichen Missionare nicht etwa auf der spirituellen Überlegenheit von Jesus, sondern schlicht und ergreifend im Umstand, dass die Heidenbekehrer Gewehre, Krankheiten, Teleskope, Kettensägen, Radios, Tabellen zur exakten Vorhersage von Sonnenfinsternissen Krankheiten und Medizin, die tatsächlich funktioniert, mit sich führten. Man darf es den „Wilden“ natürlich nicht übel nehmen, dass sie die wissenschaftlichen Errungenschaften, die für sie wie Magie aussehen mussten, eben jenem Gott anrechneten, dessen Vertreter sonst immer die gewichtigsten Kritiker des wissenschaftlichen Denkens waren.

Walkman

Die Ursprünge des Militärgrusses liegen im Dunkeln. Wahrscheinlich war es einst eine typische Handbewegung des Soldatenmetiers, der mit der Zeit irgendwie der Gegenstand abhanden gekommen ist. Das heisst, dass beispielsweise das Heben des Ritterhelmvisiers doch tatsächlich das Visier selbst überlebt haben könnte.
Da stellt sich mir natürlich sofort die Frage, was für eine Geste sich aus dem Herausziehen der Stöpsel aus den Ohren entwickeln könnte, wenn jemand in der Öffentlichkeit angesprochen wird, und für was diese in Zukunft stehen wird?

Historische Momente

Ob die Schaulustigen am Golgota damals wussten, dass sie Zeugen eines Ereignissen sind, dessentwegen man sich noch Zweitausend Jahre später den Kopf einschlagen würde? Und zwar nicht nur metaphorisch!
Ahnte es zumindest der Kerl, der da an den Baum genagelt wurde?

Selbst ist der Mann!

Da ich es allmählich leid war, dauernd darauf zu warten, endlich zu einer Zeitreiseexpedition abgeholt zu werden, habe ich mich kurzerhand entschlossen die Sache selbst in die Hand zu nehmen und mir meine eigene Zeitmaschine zu bauen. Ich kann zwar nicht für die Integrität des Raum-Zeit-Kontinuums garantieren, weil ich keine Ahnung von irgendwelchen Temporalen Richtlinien habe, aber daran, geschätzte Zeitpatrouille, hätte ihr lieber vorher (resp. nachher) denken sollen.
Weil ich gerade bei der Arbeit war und zufälligerweise gerade einen Scanner zur Hand hatte, motzte ich eben den zu einer Zeitmaschine auf. Ich kann mich damit zwar noch nicht selbst in eine andere Zeit teleportieren, doch für Nachrichten und Bilder reicht es allemal. So schickte ich zum Beispiel Shakespeare eine überarbeitet Version von Hamlet, in der ich ihm empfahl die Handlung nicht in Takatukaland anzusiedeln sondern lieber in einem skandinavischen Land. Oder ich habe meinen blanken Hintern gescannt und mit tausenden von Kopien am 12. Oktober 1492 alle Strände von Guanahani tapeziert – in den Tagebüchern von Kolumbus findet sich darüber zwar kein Eintrag, doch wenn ich mir die Geschichte der neuen Welt anschaue, scheint meine Aktion doch irgendwie Wirkung gezeigt zu haben. Sorry!
Am meisten stolz bin ich jedoch auf die Aktion, als ich eine Zusammenstellung aller gezogenen Zahlen vom Swiss Lotto der Jahre 1984 bis 2002 ins Jahr 2151 gefaxt habe. Ich weiss zwar nicht, was daraus geworden ist, doch ich könnte mir vorstellen, dass sie möglicherweise wertvolle Dienste bei der Kalibrierung von Warpantrieben und Universalübersetzern geleistet haben könnten.

Der Apfel

Schaut man sich ein bisschen in der Geschichte des Abendlandes um, so erkennt man ziemlich schnell, dass wo immer was aufregendes passiert, ein Apfel nie weit weg ist. Im Bewusstsein der westlichen Kultur fing die Geschichte selbst im Grunde sogar mit einem Apfel an, jener Frucht der Erkenntnis, deren Verzehr den Menschen befähigte zwischen gut und böse zu unterscheiden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch, dass allem Anschein nach jedem Apfel stets das Chaos dicht auf den Fersen folgt. Das Weib – den Namen Eva erhielt sie erst später – sah, nachdem sie die Schlange darauf aufmerksam gemacht hat, dass von dem Baum – ich zitiere – gut zu essen wäre. Wie, frage ich mich, kann etwas gut sein, wenn die Fähigkeit zwischen gut und böse zu unterscheiden noch gar nicht vorhanden ist?
Ihr wollt mehr Beispiele? Wie war das doch gleich mit Eris, der griechischen Göttin der Zwietracht, die in die Gästeschar von Peleus und Thetis Hochzeit den berühmten goldenen Apfel warf und damit de facto den Trojanischen Krieg vom Zaun brach? Peleus und Thetis waren die Eltern von Achilles und werden diesen wohl erst nach der Vermählung gezeugt haben. Wie kann Achilles dann noch vor der Hochzeit in Sparta um Helenas Hand geworben und das von Odysseus ersonnene Schutzbündnis ratifiziert haben, welches ihn dann später in die Pflicht nahm Troja und Paris wegen der kurz nach der Hochzeit geraubten Helena platt zu machen?
Ein weiteres Beispiel gefällig? Nach der Schlacht von Camlann, in der Artus Mordred tötet und selbst tödlich verwundet wird, bringen ihn drei Priesterinnen nach Avalon, was so viel heisst wie Insel der Äpfel. Ob er da stirbt oder überlebt ist nicht überliefert, doch ist sehr wohl bekannt, dass im Anschluss Europa ins Chaos des finsteren Mittelalters stürzte.
Oder Hamlets Wahnsinn! Es gibt Augenzeugen, die beschwören, dass der Prinz von Dänemark seinen berühmten Dialog nicht mit Yorick Schädel hielt, sondern mit einem verschrumpelten, alten Apfel.
Oder Tells berühmter Apfelschuss. Auch da brach das blanke Chaos aus – zumindest aus der Sicht der Habsburger.
Oder der Reichsapfel der Monarchien, der die Weltherrschaft symbolisieren sollte und damit nie gerade zum Weltfrieden beitrug.
Oder die Mätresse Madame de Pompadour – hier findet sich der Apfel fast nur im Namen -, die Ludwig XV. den Kopf verdrehte.

Wie gesagt, die Geschichte ist gespickt mit Äpfeln. Oder umgekehrt, der Apfel, wenn man ihn als ein höheres Prinzip verstehen will, ist gespickt mit Geschichte. Es stellt sich nur noch die Frage, mit was sonst noch?

Was brachte Isaak Newton der Gravitation auf die Spur? Der Apfel, der ihm auf die Birne fiel. Natürlich ist das nur eine nette Anekdote, mit der er seinerzeit die Damen unterhielt, nichtsdestotrotz war es ausgerechnet der Apfel, der ihm angeblich die Erkenntnis gebracht haben soll und die Frauen mit seinen süssen, roten Wangen davon abbrachte, diese Gravitation etwas genauer erklärt bekommen zu wollen.
Könnte es sein, dass die Frauen seit jenen verhängnisvollen Zeiten zu Beginn der Geschichte, im Angesicht des Apfels instinktiv die Flucht ergreifen? Auch im Schneewittchen konnten sie sich vom Apfel nichts gutes erhoffen. Dass also die in der Serie „Sex in the City“ propagierten Manolos nichts weiter sind als das Bestreben möglichst viel Distanz zwischen sich und dem Big Apple zu bringen?
Doch nicht nur New York versucht seinen Platz in der Geschichte mit einem pomologischen Spitznahmen zu ergattern. Im Mittelalter hiess man Konstantinopel auch „den goldenen Apfel“.
Mit dem Apfel schmücken sich des weiteren auch das legendäre Plattenlabel der Beatles und die ebenso berühmte Computerfirma. Ob der Name Apple jedoch auch der Tochter von Gwyneth Paltrow zu Ruhm und Ehre gereicht, wird wohl erst die Zukunft zeigen.

Ich rekapituliere.
Erstens: Erkenntnis und Zwietracht sind Schwestern, und zwar siamesische.
Und zweitens: wo auch immer in der Welt etwas dramatisches passiert, ein Apfel ist immer in der Nähe. Und sei es auch nur in der Form eines hübschen Frauenhinterns. Das heisst natürlich nicht, dass birnenförmige Hintern nicht auch wunderschön wären, bloss das die keinen Einfluss auf die Geschichte haben.

Die Zukunft

Das unentdeckte Land wird seinen Bewohnern so manch ein Rätsel aufgeben. Zum Beispiel die seltsamen Kästen, deren Aufschrift clevere Archäologen als „Beamer“ entziffern werden und in die dann die Ingenieure völlig fassungslos starren werden, weil sie sich einfach nicht erklären können, wie diese primitive Anordnung von Schaltkreisen, Chips und Ventilatoren ein Objekt von einem Ort zu einem anderen hätte teleportieren sollen.

Und die Esoteriker werden einen weiteren Beweis für das überlegene Wissen ihrer Altvorderen (also uns) zu feiern haben.

Urban Legends

U1_AntoinetteManche Grossstadtlegenden sind einfach zu schön um nicht wahr zu sein. Beispielsweise jene, dass das vor allem im 19. Jahrhundert gebräuchliche Champagner-Glas in Form einer flachen Schale dem Busen von Marie-Antoinette nachgebildet ist.
Wenn ich mir nun aber die Gläser anschaue, aus denen man heute so süffisant den Champagner schlürft, dann möchte ich gar nicht wissen, wer denen Modell gestanden hat.

Bruno ist tot

Dass Braunbären nicht zur Gattung der Teddybären gehören, ist mir bekannt. Dass sie gefährlich sein können, ist unbestritten, aber das sind Autos, Motorsägen und Skinheads ja auch. Zum Abschuss wird von diesen aber trotzdem keiner freigegeben.
Wir stecken hier aber tatsächlich in einem Dilemma, denn in den Zoo kann man ein solches Tier nicht guten Gewissens stecken, da ein Bär nun mal die Weite braucht, und einfach weiter rumlaufen lassen, ist auch problematisch, weil er inzwischen angeblich die natürliche Scheu vor dem Menschen verloren hat. In den Ländern, die eine grössere Bärenpopulation besitzen, wäre ein solcher Problembär längst zum Abschuss freigegeben worden.
Andererseits ist der Schaden an Schafen, Hühnern und womöglich auch an gekidnappten Fahrrädern (Bären lieben bekanntlich das Fahrradfahren) zwar sicherlich beträchtlich, doch lässt sich deswegen der Abschuss nicht ernsthaft mit wirtschaftlichen Argumenten rechtfertigen. Der einzige Grund, den man akzeptieren könnte, ist – wie gesagt – die Gefahr für den Menschen. In Europa kam es während des gesamten 20. Jahrhunderts aber nur zu 36 tödlichen Bärenangriffen auf Menschen, wobei sich 24 davon in Rumänien ereigneten als Folge von Ceaucescus Bestreben der grösste Bärenjäger aller Zeiten zu werden. Ist das nicht eine Zahl, die einen ermutigen könnte einfach mal ein Risiko einzugehen?
Mir gefallen immer die Argumente von der Art, wie der Tierschützer – bitteschon – einer Mutter zu erklären beabsichtige, dass ihr Kind vom Bären gefressen wurde, den er beschützt hat. Das ist die hinterletzte Polemik und widerspricht, wenn mich nicht alles täuscht, sogar unseren grundlegendsten Rechtsgrundsatz: Ein Opfer darf nie und nimmer Richter sein. Und wie die Einleitung erahnen lässt, kann sich der Tierschützer ja immer noch der Floskeln der Auto-, Motorsägen- und Skinheadlobby bedienen.
Bruno stellte also womöglich tatsächlich eine Gefahr für Menschen dar, jedoch bezweifle ich ob wirklich für alle 82 Millionen Deutschen?

Keine 5 Stunden nachdem er in Österreich zum Abschuss freigegeben wurde, lief er in Bayern einem Jäger vor die Flinte, wo ihm eigentlich noch 19 Stunden bleiben sollten um sein Testament in Ordnung zu bringen. Kein ruhmreicher Tag für Europa.

Arche Noah Poaceae

Ist das nicht fast ein bisschen gespenstisch? Mein WM-Tipp war Spitzbergen! Auf den ersten Blick mag das vielleicht etwas unrealistisch erscheinen, vor allem da Spitzbergen gar keine Mannschaft nach Deutschland geschickt hat, aber wenn man bedenkt, dass ein Krieg nicht nur auf dem Schlacht-, resp. Fussballfeld geführt wird, war noch nie alles verloren.
Nun wurde aber auf Spitzbergen der Grundstein gelegt für ein Projekt, dessen Ziel es ist, in einer Eishöhle drei Millionen Samen aller derzeit gängigen Getreidesorten einzulagern. Bei den dort herrschenden Temperaturen, sollte die Saat über tausende von Jahren anbaufähig bleiben.
Auf diese Weise sollen diese Getreidesorten für die Menschheit erhalten bleiben im Fall einer globalen Katastrophe – zum Beispiel wenn Deutschland Weltmeister wird.
Aus dem Getreide lässt sich nämlich Bier brauen und damit lässt sich das Ergebnis vergessen. Es fehlt zwar der Hopfen mit seinem psychoaktiven Phytoöstrogen, da dieser aber dem weiblichen Östrogen ziemlich ähnlich ist, könnte man nötigenfalls auch die Frauen anzapfen (Soylent Green lässt grüssen – aber was bleibt einem in einer postapokalyptischen Welt schon anderes übrig?).
Die Kunst ist nicht Weltmeister zu werden, sondern es zu bleiben. Und wie wir sehen ist Hopfen und Malz noch nicht verloren.

Italien 1 : 1 USA

Das Spiel selbst habe ich nicht gesehen. Ich habe die Zeit lieber damit verbracht, die metaphysischen Abgründe einer solchen Begegnung auszuloten.
Wie muss es wohl sein, gegen ein Land zu spielen, welches seinerzeit von einem Landsmann entdeckt wurde? Gut, Spanien hat die Reise finanziert, doch wahrscheinlich auch nur um den ewig quengelnden Genuesen endlich loszuwerden. Drei Schiffe waren da ein leicht zu verkraftendes Opfer.
Man wusste damals natürlich, dass die Erde rund ist, und dass man, wenn man nur lange genug nach Westen segelt, irgendwann mal in Asien landen musste. Doch man wusste auch, wie gross die Erde ist – ein Detail, dem Kolumbus nicht ganz so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, wie es vielleicht angebracht gewesen wäre. Er ging von lächerlichen 28’000 km aus, was die Entfernung von Potugal nach Japan auf leicht zu überwindende 4’500 km schrumpfen liess. Diese Zahlen hatte er von Toscanelli, der sie wiederum von den antiken Autoren Strabo und Ptolemäus abgeschrieben hatte. Hätte er sich statt dessen, wie viele seiner Kollegen, an Eratosthenes orientiert, der schon im 3. Jahrhundet vor Christus relativ nahe an die tatsächlichen 40’000 km herangekommen war, so wären es unüberwindliche 14’000 km bis nach Japan gewesen. Und wer hätte schon ahnen können, dass da noch was dazwischen sein könnte?
Hätte dieser Italiener damals nicht die falschen Bücher konsultiert und daraus die noch falscheren Schlüsse gezogen, so wäre Amerika erst entdeckt worden, wenn 14’000 km nicht mehr ganz so unüberwindlich gewesen wären. Und diese ein oder zwei Jahrhunderte – wenn wir optimistisch sind – hätten den Ureinwohnern jener Neuen Welt womöglich durchaus gereicht um einen Stand der Zivilisation zu erreichen, den es den Conquistadoren zumindest erheblich erschwert hätte, da überhaupt Fuss zu fassen. Die Inkas beispielsweise waren gerade im Begriff Schrift und Metallverarbeitung zu entwickeln, was es ihnen ermöglicht hätte effektivere Massnahmen gegen die Eindringlinge zu ergreifen. Des weiteren hätte dieser Zivilisationsschritt, der unmittelbar bevorstand, eine Bevölkerungsexplosion verursachen können, in deren Folge auch heimtückische Krankheiten sich hätten entwickeln können, gegen die die Europäer nicht immun gewesen wären.
Wie man es auch dreht und wendet. Hätten die Spanier damals den Italiener statt nach Westen zum Teufel geschickt, so hätte sich die Geschichte von Amerika grundlegend anders entwickelt und die USA wäre nicht die USA.
Das bedeutet also, dass den Italienern (und in gewissem Sinne auch den Spaniern) im Spiel gegen ein amerikanisches Land – seien es nun die USA, Argentinien oder Brasilien – immer die Option bleibt, Kolumbus zurückzunehmen und die gegenwärtige Existenz des Gegners, sowie die des Spielstandes zu einer blossen Phantasmagorie zu erklären.

Modern modern

Das Wort „modern“ ist je nach Betonung ein Adjektiv oder ein Verb und ich vermute, dass das kein Zufall ist.

Wenn etwas modern ist, dann ist es neu, fortschrittlich, aktuell, progressiv, trendig und zeitgemäss – also in gewissem Sinne unserer Epoche zugehörend. Wenn also eine aktuelle Technologie modern ist, dann müssten wir logischerweise in der Moderne leben. Oder zumindest irgendwo da in der Nähe. Gewisse Philosophen sehen uns bereits in der Postmoderne, während verschiedene Ökonomen gern von der .com-Ära sprechen. Wenn wir nun diesen beiden durchaus bedeutenden Lagern gerecht werden wollen, so könnten wir unsere Epoche kurzerhand .compost-Moderne nennen und der Link vom Adjektiv zum Verb würde damit erfreulicherweise auch gleich klar auf der Hand liegen.
Leben wir aber tatsächlich in einer modernden Kompost-Moderne? Ich fürchte ja, denn wir sind mit unserern modernen Technologien zwar durchaus in der Lage eine Flut von Informationen zu produzieren, nicht jedoch diese für die Zukunft zu bewahren, denn die Lebenszeit unserer digitalen Medien ist begrenzt.
Wahrscheinlich wird nur ein Bruchteil unserer poetischen Erzeugnis die Zeit überdauern. Womöglich sogar noch ein weit kleinerer als aus dem dunklen Mittelalter. Und dass der Querschnitt wenigstens repräsentativer sein wird, wage ich auch zu bezweifeln.

Modern modern ist eben doch voll im Trend.

Mozart zum Kugeln

Das sind Nachrichten von der Art, wie ich sie mir wünsche. Keine Kriege, keine Krankheiten, keine Unfälle, keine Politiker, keine Diebstähle, keine Sexskandale. Bloss unglaubliche Enthüllungen, die alles, was wir zu wissen glauben, auf den Kopf stellen.
Heute im Kulturteil des Tagesanzeigers: Rossinis Opern sind Mozarts Werk. Da steht, dass Mozart mitnichten 1791 gestorben und in einem Massengrab verscharrt worden sei, sondern sich nach Italien absetzte und dort unter Rossinis Namen weiter Opern komponierte. Und das bis 1829.
Ganz besonders gefällt mir daran, dass damit die ganze Literatur zu Mozart (Mozartkugeln inklusive) von einem Augenblick zum anderen Makulatur wurde. Das nenn ich epistemologisches Recycling.

Und noch eine Bemerkung am Rande: Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft. Sollte es da nicht dem Souverän überlassen bleiben, zu entscheiden, welcher Artikel in der 1. April – Ausgabe die Zeitungsente ist?