Prinzipien

Seit Montag sitze ich meine Arbeitszeit im 13. Stock des rechten Sunrise Towers ab. Das Fenster des mir zugeteilten Pultes eröffnet mir die Sicht auf die Offene Rennbahn und vier Kirchen. Vier! Mir! Einem bekennend militanten Atheisten! Und ich darf noch nicht mal das Fenster öffnen um sie mit Lochern und Heftklammerheftern zu bewerfen.
Wie kann es mein Arbeitgeber wagen mir meine in den Menschenrechten und der Schweizer Verfassung garantierten Freiheiten zu verwehren? Ich verlange meine Religionsfreiheit! Ich verlange befreit zu werden von jeglichem religiösen Tand! Zumindest aus meinem Blickfeld.

Ein offenes Buch

Wenn ich mit jemandem sehr vertraut bin, so kann ich doch auch sagen, er sei für mich ein offenes Buch. Nun sind manche Menschen etwas einfacher gestrickt und andere tragen schickere Klamotten. Müsste ich dann nicht viel eher sagen, er sei für mich ein offenes Comic-Heft? Oder eine offene Modezeitschrift?
Diskoflyer- und Autoprospektmenschen werde ich in der Regel kaum so gut kennen lernen, dass sie sich vor mir öffnen würden. Und Unterwäschekatalogfrauen wohl leider auch nicht.
Es wäre natürlich töricht anzunehmen, dass jemand, der für mich ein offenes Kunstbuch ist, demzufolge ein Künstler oder ein Kunstwerk sein müsste, oder einer, der eine offene Felsenmalerei ist, ein Neandertaler. Es geht bei dieser Metapher nicht so sehr um den Inhalt des Mediums als viel mehr um dessen innere Struktur.
Ein Freund, der für mich ein offenes Kochbuch ist, braucht, wie gesagt, weder ein Koch, ein Gourmet oder fett zu sein, sondern vielmehr lässt sich sein Leben am besten mit Metaphern aus der Welt des Kochens beschreiben: Alles, was er macht, tut er nach einem klaren Rezept. Doch er kocht auch nur mit Wasser. Er lässt nichts anbrennen und verbrennt sich doch immer wieder die Finger. Er lässt seine Feinde schmoren, haut sie in die Pfanne und versalzt ihnen die Suppe.
Wenn mir also die Metaphorik eines Malennachzahlenbüchleins, eines Münztelefons oder einer DVD kategorisch fremd ist, so werde ich wohl auch nie die Tiefen von diesen Seelen ergründen können. Und wer keine Piratenschatzkarte zu lesen weiss, wird im Gegenzug mich nie verstehen. Oder war es eine Postkarte aus Entenhausen?

Auslaufende Lizenzmodelle

Die Doppelnull-Agenten haben ausgedient. Die Damenwelt kann sich heute selbst behaupten und das Kerngeschäft wurde ohnehin schon längst an Drittfirmen wie Dignitas und Exit outgesourcet. Die sind billiger und wesentlich humaner.
Heute werden Leute mit der Lizenz zum Shreddern benötigt. Kaltblütige Aktenvernichter.

Notiz: Muss unbedingt an die Presse durchsickern lassen, dass ich heute Projektakten geshreddert habe und dass der Abfalleimer vor dem Starbucks in Oerlikon nicht nach Fisch gestunken hat. Und morgen unbedingt dementieren, dass mein Killer-Geisha-Kommando je auf den Shetland Inseln im Einsatz war.

Das Bankwörterbuch kenn keine Ninjas

Ich habe gestern im Geschäft einem Walliser etwas ausgeliehen und als Motivation es mir auch ja wieder zurück zu geben, habe ich ihm gedroht andernfalls meine Ninjas auf ihn zu hetzen. Statt vor entsetzen zu erstarren, begann er jedoch zu strahlen. Wie sich dann herausstellte, war er überzeugt davon, dass Ninjas hübsche Frauen seien. Kein Wunder laufen die Walliser mit einem solch sonnigen Gemüt durch die Gegend: Wenn sie schon das Trübsal dieser grausamen Welt verdrängen, dann aber mit Stil!
Vielleicht hat er aber auch einfach Ninjas mit Geishas verwechselt (oder ich in einem schwachen, freudschen Moment). Wie auch immer, ich finde die Idee Klasse und werde mir gleich morgen ein eigenes Killer-Geisha-Kommando zusammenstellen. Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.

Grabschen oder Nichtgrabschen

Wie heisst es doch so schön: Das Wohl der Allgemeinheit überwiegt das Wohl des einzelnen!
Ich bin überzeugt davon, dass das Grabschen dem Grabscher weit mehr Glück beschert als das Begrabschtwerden der Begrabschten Kummer und dass das Nichtbegrabschtwerden, da es je als solches nicht direkt wahrgenommen werden kann, für die Nichtbegrabschte keine positiven Gefühle weckt, wohingegen das Nichtgrabschenkönnen dem Grabscher allerhöchstes Ungemach bereitet. Unter dem Strich müsste dann also mit dem Grabschen das Wohl der Allgemeinheit angewachsen sein.
Okay, man könnte einwenden, dass die Unsicherheit vieler, begrabscht zu werden, die Freude weniger, grabschen zu können, aufwiegt, doch ist dies ein einfach zu entkräftender Trugschluss: Wenn man die Leute fragt, ob sie hin und wieder ein Begrabschtwerden in Kauf nehmen würden, wenn sie im Gegenzug Brad Pitt, Angelina Jolie oder Georg Clooney ein bisschen begrabschen dürften, so zweifle ich keine Sekunde an deren Kooperation. Tatsächlich ist es so, dass so gut wie alle das Begrabschen attraktiverer Personen befürworten, jedoch nur das Begrabschen sehr viel weniger attraktiver Personen wirklich ablehnen würden. Und wenn man dies über die ganze Skala aller Attraktivitätsstufen hochrechnet, so kommt dabei rechnerisch schlimmstenfalls Null heraus, das heisst, dass alle Zustimmung und Ablehnung sich gegenseitig aufheben würde – wenn da nicht das Quäntchen mehr Freude am Grabschen als Verdrossenheit am Begrabschtwerden wäre!
Ja man könnte noch einen Schritt weiter gehen und das Begrabschtwerden als ein Kompliment interpretieren, denn schliesslich ist man offenbar für attraktiv genug erachtet worden begrabscht zu werden.

Es ist aber nicht etwa so, dass hier einer ein Plädoyer für etwas halten würde, wovon er keine Ahnung hat. Als ich noch lange Haare hatte, wurde ich selbst auf dem Basar in Istanbul mal begrabscht. So schrecklich war das eigentlich gar nicht und als ich mich umdrehte, hatte der Grabscher, glaube ich, weniger Freude an seiner Freude als ich Kummer an meinem Kummer.

Pimp my Face

Ich bin immer wieder verblüfft von der genauso makellosen wie unwirklichen Schönheit der Hochglanzbeautys an den Plakatwänden. Ich störe mich nicht weiter daran. Dass an diesen Bildern so gut wie nichts naturbelassen wurde, empört mich genauso wenig wie laute Explosionen im Weltall oder brennendes Kerosin. Lässt man sich auf Medien ein – und das gilt im Grunde für sämtliche Medien -, so betritt man das Reich der Fiktion und Spezialeffekte. Akzeptiert man das nicht, macht man sich der fahrlässigen Selbsttäuschung schuldig.
Was mich hingegen durchaus irritiert und zwar ausserordentlich, ist, dass man genauso perfekte Hochglanzbeautys bisweilen auch in unseren öffentlichen Verkehrsmitteln antrifft. Genauso unwirklich und genauso makellos – makellos zumindest solange man das, was sie von sich geben, nicht in die Gleichung mit einfliessen lässt.
Wie machen die das? Verstehen sie sich so gut aufs Schminken oder wurde inzwischen einfach die Software aus der Beauty-Retouche in die Videokameras integriert, die uns auf Schritt und Tritt verfolgen? Macht sie die Überwachung so schön? Macht sie das auch mit mir? Dies würde zumindest erklären, wieso mein Celebrity Doppelgänger Jessica Simpson ist.

Merkt es denn keiner, dass auch ich streike?

Die Writers Guild of America streikt, die witzigen Leuten sind auf einmal nicht mehr so witzig und Hollywood kommt allmählich zum Stillstand… Alles hängt zusammen.
Dass Teri Hatcher auf einmal nicht mehr weiss, was sie sagen soll, überrascht mich nicht weiter, schliesslich war sie schon als Lois Lane linde gesagt ein Schussel, aber wenn auch die ach so schlagfertigen Late-Night-Talker verstummen, dann ist das doch schon irgendwie peinlich.

Weniger aus Solidarität, sondern einfach weil mich interessierte, was wohl zum Erliegen gebracht werden würde, wenn ich meine Feder niederlege, schloss auch ich mich dem Schreibstreik an. Abgesehen vom Kursverlust der UBS-Aktien, den ich wohl kaum auf meine Kappe nehmen kann, scheint aber bisher alles beim alten geblieben zu sein. Nicht gerade Balsam für die Seele.
Vielleicht liegt es aber auch nur einfach daran, dass niemand weiss, dass ich mich im Streik befinde, und dass sich deshalb auch niemand zum Hyperventilieren gezwungen sieht.

Wie dem auch sei, ich werde die Credit Suisse darauf aufmerksam machen, dass es eine gewisse Korrelation zwischen dem Kursverlust der Konkurrenz und meinem Schweigen gibt und dass ich jeglichen Angeboten mein Schweigen fortzusetzen offen gegenüberstehe. Die haben schliesslich in der Vergangenheit für wesentlich grösseren Mist schon wesentlich mehr Geld ausgegeben.

Evakuierungs-Test-Alarm

In dem Gebäude, in dem ich arbeite, haben sie einen Evakuierungs-Alarm-Test anberaumt und zwar auf heute, den 11. September. Entweder ist das ein Zufall oder eine perfide PR-Aktion, welche auf makabre Art den Nutzen des Evakuierungs-Alarms unterstreichen will. Offenbar laufen nicht nur den Kirchen die Leute weg, sondern auch den Sirenen die Evakuierten – wobei das in diesem Fall natürlich heisst, dass sie es eben nicht tun.
Andererseits wäre Terror gerade am Jahrestag der Anschläge auf die World Trade Center besonders nachhaltig. Daher herrscht an diesem Tag auch bei allen zuständigen Stellen eine speziell hohe Alarmbereitschaft, aber wir hier im Eggbühl – wir sollen heute ruhig sitzen bleiben, wenn das Horn erklingt.

Eidgenössisches Schwingfest

Ich habe nun endlich doch noch den Glauben für mich gefunden. Ich weiss nun, wie es ist, gegen besseres Wissen und allen Fakten und aller Logik zum Trotz von etwas aus tiefstem Herzen überzeugt zu sein. Ich glaube, dass mir der Schwingerkönig noch gleichgültiger ist als der Schweizer Fussballmeister. Es handelt sich deshalb um einen Akt des Glaubens, weil mir bereits Fussball völlig, total und ganz und gar egal ist und eine exorbitante Steigerung der absoluten Indifferenz einzig durch ein spirituelles Bekenntnis zu erlangen ist. Amen!

Nachtrag 7.6.2013:
Ich habe heute lange recherchiert und herausgefunden, dass es Jörg Abderhalden gewesen sein muss, dem vor gut sechs Jahren mein volles Desinteresse gegolten hat. Seither hat sich übrigens nicht viel geändert.

Die Waffen einer Frau

Ich sah in Prager Flughafen eine Polizistin mit hohen Absätzen patrouillieren. Es waren keine halsbrecherischen Pfennigabsätze und auch gänzlich frei von jeglichem bunten Manolo Blahnik Firlefanz, aber auf stolze 8 bis 10 cm brachten sie es allemal.
Das beeindruckte mich natürlich ungemein und warf zugleich die Frage auf, wie hier wohl ein alltäglicher Polizeieinsatz aussehen mag?
Spätestens seit Charlies Engeln wissen wir natürlich, dass frau mit High Heels auch rennen und auf Distanz tödlich sein kann, doch hege ich meine Zweifel, ob die tschechische Polizei ihre Politessen wirklich die nötige Ausbildung zu finanzieren in der Lage ist – vor allem wenn man bedenkt, dass sie diese dann lediglich mit der harmlosen breiten Variante ausstattet, welche ballistisch betrachtet bestenfalls mit einem Schneeball verglichen werden kann.
Selbst das Bild mit dem Schneeball muss mit Bedacht verwendet werden, denn wenn dieser die Grösse und das Tempo eines Kometen hat, so nimmt sich gegen diesen selbst eine Atombombe mickrig heraus. Die Waffen der Frauen… so unberechenbar wie dietschechische Polizei.

Keine Selbsttäuschungen

Lesen ist eindimensional. Ein Wort kommt nach dem anderen und ein Satz folgt dem nächsten. Fernsehen hingegen, so platt es auch sein mag, ist zweidimensional. Da können Dinge nebeneinander, übereinander und diagonal zu einander geschehen. Und wenn man sich optischer Tricks bedient, lässt sich mit dem suggerierten Hintereinander noch eine weitere Dimension hinzufügen. Und noch eine, wenn man den Ton einstellt.
Natürlich gibt es auch Möglichkeiten dem Buch die eine oder andere weitere Dimension abzuringen. Zum Beispiel, wenn man es illustriert. Oder wenn es vom Buchdruck handelt.
Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich auch die Seiten in Bier zu tunken. Dann hat man neben dem literarischen auch ein olfaktorisches Vergnügen.
So geschehen mit meinem Buch „The God Delusion“, welches sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Flasche Petra befand als diese sich anschickte in meinem Rucksatz zu zerbrechen. Dies ist einer der Momente, wo man zu argwöhnen beginnt, ob es da nicht vielleicht doch eine höhere Macht gibt, die dir auf diese Weise ein Zeichen zu geben versucht. Ironischerweise handelt das getränkte Buch aber gerade davon, wie leicht sich Menschen auf diese Weise in die Irre führen lassen. Zack, eine zusätzliche Dimension.
Tja, ich nehme es pragmatisch und halte es getreu dem Motto „In pivo veritas“ für ein Zeichen dafür, dass in Dawkins Buch die Wahrheit steht: Es mag zwar durchaus winkende Schicksen geben, doch das winkende Schicksal ist bloss ne Chimäre.

Qualitätsmanagement

Es sollte doch eigentlich im Interesse eines jeden Unternehmens liegen, dass dessen Führung was taugt. Um dies zu gewährleisten, setzt man zwar allerhand ausgeklügelte Verfahren ein, doch scheute sich meines Wissens bisher noch jede Firma davor, die einzige wirklich wissenschaftlich anerkannte Strategie einzusetzen: den Vergleich mit einer so genannten Kontrollgruppe, deren Entscheidungsfindungsprozess völlig zufallsgesteuert ist.
Konkret heisst das, dass man manche Führungspositionen mit charismatischen Leuten besetzt, die jedoch über absolut keine Fachkompetenz verfügen und ihre Entscheidungen aus völlig haarsträubenden Gründen fällen. Die Identität dieser Personen sollte aus verständlichen Gründen unter allen Umständen geheim gehalten werden.
Das Niveau der Erfolge dieser kontrollgeführten Abteilungen verdankt sich demzufolge einzig und allein dem Placeboeffekt und jede Abteilung, die nicht signifikant bessere Resultate liefert, hat schlicht und ergreifend einen Chef, der sein Geld nicht wert ist.

Ich möchte hier auch gleich die Gelegenheit nutzen und mich selbst für die Position des charismatischen Placebochefs empfehlen. Meine Qualifikationen sprechen für sich.