Warteschlangen

Meine Fähigkeit, mir stets die längste Schlange zum Anstehen auszusuchen, trotzt allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit. Die einzige plausible Erklärung für dieses Phänomen kann nur ein subtiles, knapp unterhalb der Wahrnehmung befindliches Signal sein, welches alle Problemfälle aussenden und sich in einer Schlange zusammenrotten lässt. Ein Signal ähnlich jenem, welches Schwarzfahrer bei einer Billetkontrolle aussenden, während sie mit einem Pokerface sämtliche Taschen durchsuchen.
Die Zahl der Wartenden korreliert deshalb nur marginal mit der Wartezeit und das ist auch den Grund, weshalb es weitaus ökonomischer ist viele Schlangen zu machen statt nur einer, die sich dann vor den Schaltern aufteilt. Eben weil die Mehrheit der Kunden relativ schnell abgefertigt wird, während die Problemfälle scheinbar unbedingt vom Deppen vom Dienst bedient werden möchten.
Prozessoptimierungen in einem solchen Umfeld sind übrigens deshalb so heikel, weil sie drohen, die ganze Dynamik zu zerstören, welche weitaus effizienter funktioniert, als es Modelle, die dieses Deppenclustering nicht berücksichtigen, voraussagen würden.

Aus dem Leben eines Angestellten

Irgendwie haben sie es verpasst, mir den Lohn auszuzahlen. Das kann passieren, da muss man schon mal ein Auge zudrücken können. Einigermassen verwirrt hat mich jedoch die Weigerung den Sold noch vor der nächsten Lohnrunde in einem Monat auszuzahlen – ist ja nicht so, dass sie zur Bank weit laufen müssten. Vorschüsse so hiess es, würden nur in dringenden und begründeten Fällen ausbezahlt. Das ist zweifellos eine sehr vernünftige Einstellung, doch will ich keinen Vorschuss, sondern, wenn man es unbedingt ballistisch ausdrücken will, den Hauptschuss, welcher doch eigentlich analog nur in dringenden und begründeten Fällen nicht ausbezahlt werden sollte.
Ich glaube ich werde diese Strategie bei den Steuern versuchen: Ups, jetzt habe ich doch tatsächlich vergessen, die Steuererklärung abzugeben. Dann mach ich das – vorausgesetzt die Schweiz geht deswegen in der Zwischenzeit nicht bankrott – eben erst nächstes Jahr.

Das Nachspiel: Ich habe ihnen gesagt, dass das schon okay sein und dass sie die in diesem Monat aufgelaufenen Zinsen doch Greenpeace spenden sollen. Am nächsten Tag war das Geld auf meinem Konto.

Uns bleibt Paris

Es vergeht kaum ein Tag, an dem uns Paris Hilton nicht irgendeinen Körperteil aus den Pendlerpostillen entgegenstreckt. Nicht dass mich das sonderlich stören würde, ganz im Gegenteil. Trotzdem versuche ich zugunsten eines guten Buches dieser fleischlichen Lüste zu entsagen und ich darf mit Stolz behaupten, dass mir dies auch ziemlich gut gelingt. So dachte ich zumindest, bis heute.
Da stand sie mir gegenüber, in der 2. Klasse, ohne Prosecco, dafür mit brünettem Bubikopf. Wie aus dem Gesicht geschnitten und vertieft in die 20 Minuten Lektüre.
War das eine revolutionäre Art Marketing oder eine entzugsbedingte Halluzinelle? Oder schlicht und ergreifend die Unfähigkeit des Alters die Einzigartigkeit der Individuen noch vollumfänglich würdigen zu können?
Je älter ich werde, desto ähnlicher scheinen mir die Leute – und das hat nichts mit kosmetischer oder digitaler Chirurgie zu tun. Ich vermute, das hat mit der Art und Weise zu tun, wie unser Gehirn möglichst effektiv die Mustererkennung praktiziert. Und deshalb sind wir alten auch besonders anfällig auf das so genannte Schubladendenken.
Sich also auf die Weisheit alter Männer zu berufen – so lehren uns Paris Extremitäten – hat durchaus auch seine Tücken.

Lebensweisheiten I

Der weise Ludwig Köhler schrieb: „Beginne an keinem Tag deine Arbeit, ehe du einem Menschen ein gutes Wort gesagt hast.“ Seit ich diese Einstellung berücksichtige und morgens so lange als möglich jeden menschlichen Kontakt meide, ganz besonders den höflich- bis freundlichen, erspare ich mir eine Menge Arbeit und Stress.

Verspätung

Die Zeitmaschine lässt mir einfach keine Ruhe. Ich war heute spät dran für ein Meeting, sehr spät um genau zu sein, doch statt hineinzuhetzen und mich zu entschuldigen, habe ich erst mal nur kurz reingeschaut, ob ich da nicht zufälligerweise schon sitze. Dann hätte ich mir nämlich noch einen Kaffee genehmigen und dann gemütlich per Zeitmaschine vors Meeting reisen können. Leider war ich aber nicht da. Nun wäre es aber möglich gewesen, dass ich da zwar pünktlich erschienen bin, dann aber aus irgendeinem wichtigen Grund früher hatte gehen müssen. In diesem Fall wären Entschuldigungen natürlich völlig fehl am Platz gewesen, weil ja jeder schon weiss, warum ich nicht da bin. Jeder ausser mir, wohlgemerkt. Und in diesem Fall hätte ich aber auch die Zeitmaschine verpasst, die mich zurück in die Vergangenheit bringen sollte. Darauf wollte ich es lieber nicht ankommen lassen, also habe ich mir doch noch einen Kaffee geholt und habe noch etwas gewartet. Da mich dann aber niemand abholte, stiess ich eben zu spät zum Meeting. Das kann passieren – bloss dass mir partout keiner meine absolut vernünftige Erklärung für mein Zuspätkommen gelten lassen wollten.

Über die Schafzucht

Es war wohl um das Jahr 1995, da sprach mich an der naturwissenschaftlichen Fakultät ein Kerl an und lud mich ein am Sonntag mit ihm zusammen einen Gottesdienst zu besuchen. Er heisse Benno, sagte er, und er gehöre der Gemeinde Christi an. Da ich schon längere Zeit keinem Zeugen Jehovas mehr begegnet bin, an dem ich hätte meine Krallen wetzen können, sagte ich dankend zu. Schliesslich sollte es im Anschluss noch eine Spaghettata geben und einen erbaulichen Spielenachmittag.
Hat man einen Gottesdienst gesehen, hat man alle gesehen. Was mich an diesem jedoch ausserordentlich faszinierte, waren einerseits die „Amen!“, „So ist es!“ und „Ja, sag es uns Sündern!“ Zwischenrufe während der Predigt und andererseits die Inbrunst der Gesänge. Ich habe zwar schon mal an einem ticinesischen Gottesdienst in Prato Sornico meinen Bruden begeistert Halleluja schreien gehört, doch da war er keine 4 Jahre alt, aber so laut wie die Gemeinde Christi war, kriegte ich es schon fast mit der Angst zu tun.
Im Anschluss gab es dann für die neuen Schäfchen, wir waren etwa sechs, wirklich die versprochene Spaghettata. War ganz okay – aber was kann man daran schon falsch machen?
Und nach dem Essen setzen wir uns hin und spielten Tabu. Irgendwie fand ich das bezeichnend. Was mich jedoch völlig überraschte, war, dass sie sich alle anfeuerten und zu cleveren Ideen beglückwünschten. Auch die Gegner! Von Schummeln und psychologischer Kriegsführung keine Spur. So macht Spielen doch gar keinen Spass!
Danach diskutierten wir sogar noch ein bisschen über die Bibel und das, was es heisst, Christ zu sein. Wenig überraschen war, dass bei dieser Diskussion der Dialog nur von den Gastgebern bestritten werden sollte und unsere Meinung, also die der Schäfchen, zwar durchaus interessant sein mochte, doch für das Thema absolut nicht von Relevanz.

Wieso erzähle ich nun aber das alles? Es liegt ja schon Jahre zurück.
Benno, jener Christ, der mich seinerzeit zu diesem unvergesslichen Abenteuer eingeladen hat, stand heute in der Kantine in der Schlange neben mir und erkannt mich nicht.
Keine Spur von Erinnerung.
Ich frage mich, wie kann es sein, dass der Missionar seine Schäfchen nicht erkennt? Schliesslich schenkte er mir doch das wertvollste, was er hat: Seinen Glauben in Jesus Christus als Gottes Sohn. Wie kann ich für ihn dann wieder in der Masse verschwinden? Missionieren ist doch keine Fliessbandarbeit! Er hat doch dadurch eine unmittelbare Verantwortung an meinem Seelenheil auf sich genommen.
Das ist ja, als ob man einem Kind Streichhölzer schenkt und es dann einfach vergisst.

Ich plädiere daher dafür, dass die Missionare die Verantwortung mittragen müssen für das, was ihre Schäfchen anstellen.

Ein Hauch von Nichts

Ich war gestern im Globus – rein zufällig und ohne jegliche Kaufabsichten. Überraschenderweise fehlte da im Stockwerk mit der Damenmode die Lingerie – nicht dass ich nach dieser gesucht hätte, es fiel mir einfach nur auf.
Da überlegte ich mir, wo Miederwaren sonst noch sinnvollerweise untergebracht werden könnten? In der Herrenmode würde noch Sinn machen, sind es doch Kleidungsstücke für die Herren – im Sinne von „zur Freude der holden Männlichkeit“. Aber auch die Abteilung Heim&Haushalt hätte was für sich, ist doch der meiste Tand dort Dekoration und zweifelsohne sind Dessous doch äusserst dekorativ. Und wenn man bedenkt, dass es auch essbare Unterwäsche gibt, so könnten auch das Delicatessa Untergeschoss, wo es all die Leckereien gibt, ein passender Ort sein.
Gefunden habe ist den Fummel dann aber hinter der Parfümerie – wie gesagt, nicht dass ich danach gesucht hätte. Also hinter den Duftwässerchen, Wimperntrimmern und einer duftenden Schlachtlinie von Parfumverkäuferinnen in schaurigen Kriegsbemalungen. Also am einzigen Ort, wo sich nie und nimmer ein Mann hintrauen wird. Auch dieser Ort hat was für sich – zumindest aus der Sicht der Kundinnen.

Ein Tipp an die VBZ

Wenn der Zug jeden einzelnen Tag um 8.23 Uhr ab Killwangen-Spreitenbach fährt statt um 8.18 Uhr, wie es im Fahrplan steht, so ist das keine Verspätung, sondern ein Tippfehler im Fahrplan.

Hola Che

Ich weiss nicht, wie es sich in Spanien, Paraguay oder Mexiko verhält, aber in Argentinien kann mann durchaus einen Raum voller Frauen betreten und „Hola chicas“ sagen ohne fürchten zu müssen auf der anderen Seite den Raum Achtkant durchs Fenster wieder zu verlassen.

Finde ich cool.

Hemmige

Ich habe heute versucht einer Ausländerin die literarische Tiefe der Bärner Troubadours nahe zu bringen und übersetzte kurzerhand ein oder zwei von Mani Matters Liedern aus dem Stegreif und singend ins Englische. Den Blick, den ich mir damit einzog, war schon sehr speziell. Man ist sich ja gewohnt, dass man von Liedtexten nicht allzu viel erwarten darf, doch wenn es sich statt um Liebe und Herzschmerz auf einmal um einen Eskimo, der wegen seiner Leidenschaft zur Musik sein Leben verliert, oder um die Dialektik eines Sandwichs dreht, so darf das Erstaunen nicht erstaunen.
Ich hätte sie vielleicht zunächst darauf aufmerksam machen sollen, dass so etwas wie eine literarische Tiefe in Liedtexten tatsächlich existiert und auch, dass ich mich jetzt anschicke, diese in einer gesungene Live-Transkription zum Besten zu geben.
Wenn ich mich so an das Gesicht erinnere, entwickle ich langsam eine Vorstellung davon, was man gemeinhin „Cultural Misunderstanding“ nennt.

Der Name der Hose

Soll jetzt die Frau den Namen des Mannes annehmen oder der Mann den Namen der Frau? Ist es ein Akt der Unterdrückung, wenn die Frau den Namen ändert, oder ausgleichende Gerechtigkeit, wenn der Mann im Gegenzug sich mit seinen Mitochondrien zurückhält?
Ich halte die ganze Diskussion für müssig und schlage folgende Lösung vor. Wenn Mann und Frau heiraten, oder Mann und Mann oder Frau und Frau, oder Mann und Mann und Mann oder Mann und Mann und Frau oder Mann und Frau und Frau oder Frau und Frau und Frau, oder wie auch immer, dann werden die Namen aller Beteiligten einfach verschmolzen. Bei meiner Partnerin und mir ergebe das Grepr oder Cugr oder Grupr oder Crepr oder…

Und wenn man unbedingt will, wird man sich wohl noch einen Vokal dazu kaufen dürfen.

Skinheads und die Blondine

Da war eine Gruppe von Skinheads am Bahnhof Altstetten und an ihnen vorbei ging eine Blondine, deren Sexappeal weitherum seinesgleichen sucht, und kein einziger schaute ihr nach. Skinheadismus ist definitiv nicht meine Ideologie.