Die Zürcher haben entschieden.
Und zwar falsch.
Und zwar objektiv falsch.
Aber eigentlich nicht wirklich überraschend.
Man hält die 16-Jährigen für nicht reif genug. Respektive man fürchtet sich vor ihren naiven Ängsten und vor ihrer Ignoranz den wirklich furchteinflössenden Dingen gegenüber.
«Eine linksradikale Gruppe von Minderjährigen soll mit dem Stimmrechtsalter 16 über den Kanton Zürich bestimmen»
Andreas Leupi (Leiter der SVP Nein-Kampagne)
Andras Leupi gesteht durchaus ein, dass er manchmal ein bisschen überspitzt formuliert habe, doch ändere das nichts daran, dass die laute (Klima-)Jugend links sei. Was jedoch noch immer kein Grund ist jemandem das Stimmrecht zu verwehren.
Ich frage mich, ob es nicht vielleicht sogar strafbar sein könnte die Öffentlichkeit dazu aufzurufen einer Gruppe Rechte vorzuenthalten. Wenn man sich beispielsweise auf Plakaten dafür stark machen würde, dass Juden nicht eingebürgert werden dürfen (weil sie traditionell links seien), dann würde das wohl gegen die Rassismus-Strafnorm verstossen.
Wie schafft es dann die SVP – ohne rot zu werden – den Kanton mit Plakaten zu pflastern auf denen sie sich explizit gegen das Mitspracherecht von Andersdenkende stark macht? Zweifellos haben hatte die SVP auch sachbezogene Gründe (z.B. sinnlos komplizierte und teure Trennung von aktivem und passivem Wahlrecht, fehlende praktische Lebenserfahrung oder irgendwas mit kriminellen Ausländern1), doch die standen nicht auf den Plakaten.
Inwiefern würden die Plakate der SVP nicht gegen eine Generationismus-Strafnorm verstossen, wenn es denn eine geben würde?
Artikel 261bis2 StGB : Generationismus-Strafnorm2
Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder ihrem Alter (hinzugefügt) zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
Zwischenfrage: Jemandem das Stimmrecht aufgrund seines Alters nicht zu geben, wäre dann doch wohl Diskrimierung, oder? Und das Propagieren dieser Diskriminierung würde dann doch wohl diesen Punkt erfüllen, oder?
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
Zwischenfrage: Apropos „eine linksradikale Gruppe von Minderjährigen…“ Die Gruppe bezieht sich hier auf die Gruppe der 16- und 17-Jährigen innerhalb der ganzen Bevölkerung und nicht auf eine Gruppe von Radikalen innerhalb der 16- und 17-Jährigen. Das ist dann folglich systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personengruppe, oder?
Und wenn es sich doch nur auf eine Gruppe von Radikalen innerhalb der 16- und 17-Jährigen beziehen würde, dann würde man mit der Verweigerung des Stimmrechts eine ganz Gruppe aufgrund einiger schwarzer Schafe diskriminieren – wäre das nicht noch viel schlimmer ist?
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
Zwischenfrage: Abstimmungsplakate sind doch Propagandaaktionen?
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder ihrem Alter (hinzugefügt) in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
Zwischenfrage: Ist das Nichtgewähren des Wahlrechts ein Verstoss gegen die Menschenwürde? Ich sage mal grosszügig nein.
wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion, sexuellen Orientierung oder ihrem Alter (hinzugefügt) verweigert,
Zwischenfrage: Das Wahlrecht gewährt der Stimmbürger einem ausgewählten Teil der Schweizer Bevölkerung, nicht wahr? Das selbst zu verweigern, liegt nicht in der Macht der SVP. Aber sie spornt den Souverän an, in dessen Macht es liegt, es zu tun. Von daher bin ich mir nicht sicher, ob sie dieses Kriterium erfüllt.
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Zwischenfrage: Um gegen die Generationismus-Strafnorm zu verstossen und dafür ins Gefängnis zu kommen, gegen wieviele der 5 Punkte muss man da verstossen haben?
Und solange es keine Generationsmus-Strafnorm gibt, könnte man da nicht den Blasphemie-Paragraphen geltend machen? Wie die SVP nur zu gern bestätigen wird, ist der Klimalinksradikalismus schliesslich fast sowas wie eine Religion.
Okay, Andreas Leupi hat sich eigentlich straffbar gemacht. Das ändert aber nichts am Ergebnis. Die Abstimmung ist entschieden und das Resultat gilt. Daran ist nicht zu rütteln. Zumindest bis erneut abgestimmt wird und ein anderes Resultat rauskommt.
Das heisst aber nicht, dass – wie es Andreas Leupi ausdrückt – die Bevölkerung (zur Zeit) nicht wolle, dass Jugendliche Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.
Es war nämlich nicht die Bevölkerung, die entschieden hat, sondern es haben nur die Stimmberechtigten unter sich ausgemacht. Das ist nicht das gleiche.
Es war am 1. Februar 1959 schliesslich auch nicht die Bevölkerung, die das Frauenstimmrecht abgelehnt hat, sondern die ausschliesslich männlichen Stimmberechtigten.
Noch ein Nachtrag zu den von den Jugendlichen nicht entrichteten Steuern, deretwegen die Jugendlichen des Stimmrechts unwürdig sind. Die Jugendlichen zahlen… ähm… Alkoholsteuer… ähm… Tabaksteuer… ähm… auf jeden Fall aber die Mehrwertsteuer und beteiligen sich damit an ca. 30% der Bundeseinnahmen.
Und in ein paar Jahren werden sie auch noch die restlichen Steuern zahlen. Wenn ich in ein paar Jahren die Pflicht haben werde Steuern zu bezahlen. Und mir kein Option bleibt das abzuwenden. Stecke ich dann nicht jetzt schon in der Pflicht drin?
Wir sind schon Sklaven der Gravitation, wenn wir uns noch im freien Fall befinden und sie noch gar nicht spüren kann?
Ian Hazelwood
Und auch noch ein Nachtrag zur fehlenden praktischen Lebenserfahrung. Sprich zur Erfahrung mit dem Büeze und der Steuererklärung.
Wenn erst diese einen befähigt über finanzpolitische Vorlagen zu entscheiden, müsste man dann nicht auch argumentieren, dass man über sozialpolitische Vorlagen nur entscheiden kann, wenn man mal arbeitslos gewesen ist? Ich meine, wie will jemand beurteilen, der noch nie bei RAV war, ob die Massnahmen, die den Arbeitslosen helfen sollen, auch tatsächlich zielführend sind?
Und dann merkt Jaqueline Fehr (58) irgendwo an, dass der Altersmedian der Stimmberechtigten 58 sei.
Bei mir ist er 52 für die ganze Schweiz und 50 für den Kanton Zürich.
Einer von uns hat sich wohl verrechnet.