Vor 2000 Jahren

GottVor 2000 Jahren war es noch einfach zu glauben.

Nicht nur, weil Gott damals dauernd irgendwelchen Menschen erschien und ihnen allerlei Anweisungen gab.
Ich meine, es dürfte einem ziemlich schwer fallen, die Existenz Gottes zu bezweifeln, wenn er einen jeden Samstag morgen aus dem Bett klingelt, oder?

Nein, vor 2000 Jahren war es noch einfach zu glauben, weil man überall das Handeln Gottes sah:
Wenn beim Nachbarn der Blitz einschlug, dann war es klar, dass das die Strafe Gottes war.
Man wusste schliesslich, was der auf dem Kerbholz hatte, und dass es höchste Zeit war, dass er mal seine verdiente Abreibung bekam.
Was man hingegen nicht wusste, war, dass Blitze völlig natürliche und durchaus vorhersagbare Phänomene sind. (Wohlgemerkt vorhersagbar in einem naturphilosophischen Sinn und nicht in einem moralischen!)
Und was man auch nicht wusste, war, dass uns die selektive Wahrnehmung einen Streich spielen kann, wenn wir irgendwo einen Akt der Gerechtigkeit zu entdecken glauben.

Zur Illustration: Wenn sich zwei Pixel zufällig über einen nicht allzu grossen Bildschirm bewegen, dann glauben wir schnell mal zu erkennen, dass der eine dem anderen hinterher jagt. Wir interpretieren das in die Situation hinein und empfinden sogar Empathie für den Verfolgten. Wir können gar nicht anders.
Unser Gehirn wurde im Lauf der Evolution genau darauf optimiert: Muster zu erkennen – und zwar lieber mal eins zu viel als ein zu wenig.

Das heisst, dass wenn ein Blitz ins Nachbarshaus einschlägt, dann hat das nichts damit zu tun, dass dieser eine Woche zuvor meine Katze überfahren hat. Und doch werde ich ein freudiges Gefühl der Genugtuung verspüren. Daran ändert auch nichts, dass ich ganz genau weiss, dass der Blitz den vermeintlichen, karmischen Ausgleich auch dann vollzogen hätte, wenn es jede beliebige andere Person erwischt hätte. Weil ich je nach dem, ob ich der Person was Gutes oder Übles wünsche, nach Guten oder Üblem als Folge des Blitzes Ausschau gehalten hätte. Und irgendwas hätte sich schon finden lassen. Garantiert!

Es gibt also offensichtlich keinen Ort auf der Welt, wo ein Blitz einschlagen könnte, wo er unserem spontanen Instinkt nach nicht etwas zum Guten wenden wird. Wenn das mal kein Beweis für die Liebe Gottes ist…
(Theoretisch wäre natürlich auch möglich, nach Folgen Ausschau zu halten, die das karmischen Ungleichgewicht verstärken und damit die Verschlagenheit des transzendenten Widersachers belegen, doch aus einem unergründlichen Grund zieht man es offenbar vor, diese Variante nur auf Ereignisse zu beschränken, wo Menschen die Finger im Spiel hatten.)

Heute wissen wir, dass wir für eine richtige Einschätzung dessen, ob etwas eine Strafe oder Belohnung ist, dem Ort, wo der Blitz eingeschlagen ist, alle anderen Orte entgegen stellen müssen, wo er genauso gut hätte einschlagen und mindestens genauso viel Gutes hätte verursachen können. Wir wissen, dass der Umstand, dass sich ein Ereignis ereignet, dessen Wahrscheinlichkeit sich ereignen zu können in keinster Weise beeinflusst.
Doch obwohl wir all das heute wissen, leitet uns unser Gefühl trotzdem immer mal wieder in die Irre!
Wohin musste einen das Gefühl erst geführt haben, als man all das noch nicht wusste?

Wenn etwas aussieht, als ob jemand dahinter steckt, man aber keinen blassen Schimmer hat, wie es tatsächlich funktionieren könnte, wie soll man da auf die Idee kommen, dass da doch niemand dahinter steckt?
Ausgeschlossen ist es nicht.
Eine sorgfältige Statistik beispielsweise würde keine Muster erkennen lassen, die man eigentlich erwarten müsste, wenn wirklich jemand dahinter stecken würde.
Oder man könnte auch die Überzeugung auf die Probe stellen, indem man die Lehre, die man aus der vermeintlichen Strafe gezogen hat, umgekehrt umsetzt und das nächste Gewitter abwartet.

Wie gesagt, vor 2000 Jahren war es noch einfach zu glauben.
Man konnte Gott sogar auf die Probe stellen: Man betete mal provokativ zu einem anderen Gott und prompt jagte der einzig wahre Gott einem den Mossad auf den Hals. Oder man konnte das auserwählte Volk in eine ausweglose Situation bringen, aus der Gott es dann mit einem Wunder wieder herausführte.
Heute geht das nicht mehr.

Okay, manche Christen sagen, man könne Gott auch heute noch auf die Probe stellen. Man müsse es sogar. Man müsse sich ihm bloss anvertrauen und man würde die Antwort erkennen.
Erinnert mich an die Sache mit dem Blitz. Bei einem Test sagt man das Ergebnis voraus und schaut, ob es dann auch so rauskommt. Hier schaut man sich die Ergebnisse an und überlegt sich, welches davon den Test beantwortet.
Erinnert mich an Bad Pharma… #AllTrials

 

Eigentlich lustig, dass fundamentale Gläubige sich lieber von der Intuition leiten lassen, die ein Produkt der Evolution ist, und sich gegen die Vernunft auflehnen, die in gewisser Weise die Evolution überwunden hat.

2 + 2 = 5

If somewhere within the Bible, I were to find a passage that said two plus two equals five, I wouldn’t question what I’m reading in the Bible. I would believe it, accept it as true, and then do my best to work it out and understand it.
Pastor Peter LaRuffa

Widersprüche in der Bibel
in voller Auflösung

Also hier muss ich Pastor Peter LaRuffa wirklich in Schutz nehmen. Das klingt zwar ausserordentlich absurd, was er da sagt, doch da es sich gewissermassen um das Daily Business eines Theologen handelt, scheinbare Widersprüchlichkeiten aufzulösen, ist es nicht absurder als vieles andere, was er sonst so auflöst, und von daher wohl auch nicht wirklich ausserordentlich.
Absurd natürlich schon, aber eben nicht ausserordentlich.

Die Bibel steckt nämlich voller „scheinbarer“ Widersprüche. Im Bild links sind 439 davon aufgeführt. Und wenig überraschend wird ein jeder sattelfeste Theologe für jeden einzelnen dieser Fälle eine völlig plausibel klingende Auflösung parat haben.
Okay vielleicht nicht für jeden, doch wenn man 400 aufgelöst hat, dann liegt es nahe anzunehmen, dass das auch für die restlichen funktionieren wird. Irgendwie. (Die gleiche Einstellung haben wir Naturalisten je bezüglich noch ungelöster Fragen in der Wissenschaft. Hier nehmen wir auch an, dass unsere Erfolgssträhne beim Finden von Antworten wohl schon noch etwas anhalten wird und dass wir eine offene Frage in der Wissenschaft noch nicht als eine Bedrohung des gesamten Gebäudes zu fürchten brauchen.)

Dass sich alle Widersprüche – sei es in der Bibel oder sonstwo – irgendwie auflösen lassen, bestreitet niemand. (Man kann mich diesbezüglich gern auf die Probe stellen!) Es fragt sich bloss, ob die Auflösung auch Sinn macht? Wenn man nämlich an der möglichen Bedeutung der Begriffe zu sehr herumschraubt, wird das Ergebnis beliebig. Denn wenn man diese in die eine Richtung biegt, dann kann man es genauso gut in die andere. Und dann sind nicht mehr die Worte, die etwas sagen, sondern die Absicht des Interpretierers, die den Worten ihren Sinn geben. Und das ist eben beliebig.
Dies ist eine bekanntes und gefürchtetes Problem, das sich nur durch den Konsens verschiedener Leser in Schach halten lässt. Verschiedener Leser im Sinne von Lesern mit verschiedenen weltanschaulichen Hintergründen und Interessen.

2 + 2 = 5 wird jeder Gläubige irgendwie rechtfertigen können. Bloss, dass es jeder von ihnen auf eine andere Weise tun wird.
Die Entstehung der Arten wird nach der Lektüre von Darwin demgegenüber nur auf sehr wenige verschiedene Arten verstanden.