Wie ist es eigentlich auf der gleichen Seite zu stehen wie die Arschlöcher?

Liebe gemässigte Christen

Nach dem Tod von Stephen Hawking geisterten verschiedene Beiträge fundamentalistischer Christen durch die sozialen Medien, in denen sich diese genüsslich darüber ausliessen, dass Hawking jetzt in der Hölle schmort. 

Euch ist schon klar, liebe Christen, dass das Eure Arschlöcher sind?

Ihr haltet diese Menschen doch für Arschlöcher, oder? Nicht bloss für ein bisschen unsensibel, weil sie laut aussprechen, was man eigentlich bloss denken sollten?

Ich persönlich halte jeden für ein Arschloch, der sich über das Leid anderer freut. Ob diese es nun verdient haben oder nicht, spielt dabei eigentlich kein Rolle. Und da die Hölle das ewige Leid ist, das man mit einem endlichen Leben noch nicht verdienen kann, spricht nichts dagegen jeden für ein Arschloch halten, dem der Umstand Freude bereitet, dass irgend jemand dorthin kommt.

Stephen Hawking akzeptierte nicht Jesus. Das bedeutet nach Eurer Überzeugung doch glasklar, dass für ihn die Sache gelaufen ist und er sich deshalb schon bald genau dort wiederfinden wird.

Wie ist es mit Euch, liebe Christen? Gibt es etwas erfreulicheres als wenn Gottes Wille geschieht? Und indem jemand, der Jesus den Rücken zukehrt, in die Hölle kommt, geschieht doch genau das… Freut also auch Ihr Euch darüber, dass Hawking in der Hölle schmort?

Natürlich wünscht ihr es niemandem (und sicherlich würdet ihr es auch nie jemandem auf eine so erbärmliche Art und Weise unter die Nase reiben), aber wer in die Hölle kommt, tut es – nach eurer Ansicht – aus freien Stücken. Und indem er Jesus nicht akzeptieren wollte (nicht akzeptieren können ist nach eurer Ansicht schliesslich keine Option, weil dann ja die Willensfreiheit nicht gegeben wäre), wünscht er sich ganz offensichtlich in die Hölle zu kommen.
Folglich hat sich nicht nur Gottes Wille, sondern auch Hawkings Wunsch erfüllt. Also ein Win-Win. Wenn das kein Grund zur Freude ist…
Und es ist ja auch nicht so, dass sich der Wunsch in einer für den Wünschenden überraschenden Form erfüllt hätte (vergleichbar mit der Art wie fiese Dschinns gern die Wünsche ihrer „Opfer“ erfüllen). Hawking wusste, was die Alternative zum Himmel ist. Nun ja, er scheint nicht gewusst zu haben, dass der Himmel real ist, aber er wusste sehr genau, dass er dort nicht hinkommen würde, wenn es diesen doch geben sollte.

Ja, Ihr mögt euch nicht so recht darüber freuen, aber dürft ihr das überhaupt? Euch nicht nicht so recht darüber freuen, meine ich. Damit würdet ihr ja zum Ausdruck bringen, dass der göttliche Plan Schwachstellen hat…

Gott hingegen darf darüber traurig sein, dass sein raffinierter Plan alle Menschen in den Himmel zu lotsen, wieder mal nicht aufgegangen ist. Er darf enttäuscht sein, dass nicht mal eine 2000 Jahre alte Androhung von Höllenqualen einen von ALS gezeichneten Astrophysiker dazu bewegen konnte, an ihn zu glauben.
Aber dürft das auch Ihr? Seine Geschöpfe, die ihr die Ewigkeit an seiner Seite verbringen wollt?

Natürlich dürft (und solltet) ihr entsetzt sein über diese Unfähigkeit Gottes!

Und natürlich dürft (und solltet) ihr offen dazu stehen, dass sein Plan Scheisse ist, wenn dieser zulässt, dass Leute ewiglich gefoltert werden!

Alles worauf es schliesslich ankommt, ist, dass ihr Jesus akzeptiert. Und das tut Ihr doch. Man kann auch Götter, die man für bescheuert hält, als Erlöser akzeptieren.

Schliesslich erlaubte es sich selbst der Papst ans Bein Gottes zu pinkeln als er im April 2018 dem achtjährigen Emanuele erklärte, dass sein kürzlich verstorbener, atheistischer Vater natürlich im Himmel sei. Schliesslich habe er seine vier Kinder taufen lassen und er sei, wenn man Emanueles Wort Glauben schenken darf, ein guter Mensch gewesen. Gott lässt seine Kinder schliesslich nicht im Stich…
Aber natürlich lässt Gott seine Kinder im Stich. Nämlich dann wenn sie nicht genau das tun, was er von ihnen verlangt. (Es lässt sich sogar sehr genau beziffern, wie viele Seelen es sind, die er in Stich lässt: Stand heute mindestens 107’999’856’000123.) Der Papst hat dreist gelogen und damit erfreulich deutlich zum Ausdruck gebracht, was er persönlich von Gottes Plan hält. Also dürft ihr das sicherlich auch.

Zugegeben, eine solche Einstellungen wird wohl eine Zeit lang für dicke Luft im Himmel sorgen, aber selbst euer jähzorniger Gott wird sich irgendwann einmal beruhigen4.

Das heisst, als Christen braucht ihr euch tatsächlich nicht zwingend darüber zu freuen, dass ein Atheist in der Hölle schmort. Sind die Arschlöcher vielleicht also doch nicht Eure?
Aber als Christen dürft ihr euch darüber freuen. Es sind also doch Eure. Sorry.
Das heisst, dass selbst wenn ihr den Arschlöchern noch so vehement widersprecht (wonach es von aussen übrigens nicht aussieht5), sind es Eure. Ihr seht daneben einfach etwas netter aus.

Ihr beide akzeptiert Jesus. Und ihr beide glaubt, dass es eigentlich nur darauf ankommt. Und dass man allein dadurch gerettet wird. Und Ihr beide befürchtet, dass auch der jeweils andere dieses Kriterium erfüllt haben könnte – trotz eurer gegenseitigen Antipathie (ja, die Chance ist gross, dass auch sie Euch für unsympathisch halten) – und dass ihr euch im Himmel begegnen werdet.

Und vielleicht solltet Ihr auch noch folgendes bedenken: Ihr seid beide Mitglieder der grössten Religion. Was schätzt Ihr, zu einem wie grossen Teil verdankt sich die Popularität Eures Glaubens wohl der Qualität, die Ihr in diesem erkennt? Und zu einem wie grossen der Möglichkeit sich darin als Arschloch voll entfalten zu können? Hm?

Und genau das wirft die eigentliche Frage dieses Artikels auf:

Was wenn meine Seite nur dank der Arschlöcher gewinnt?

Stellen wir uns folgendes hypothetische Szenario vor: Ich möchte, dass der Staat sich aus möglichst allem raus hält. Damit würde ich tendenziell ins rechte politische Spektrum gehören. Anderen mag das eigentlich egal sein, ihnen ist nur wichtig, dass ihr Volk möglichst reinrassig bleibt. Auch diese Position ist traditionell im rechten Spektrum angesiedelt.
Das heisst, wenn es um die Auswahl der politischen Vertreter für die Regierung geht, dann ist die Chance gross, dass die Kandidaten, die sich dafür einsetzen wollen, dass sich der Staat aus allem raus hält, auch die Fantasien der Rassisten zu erfüllen versprechen.
Was, wenn erst eine solche unheilige Allianz dem Kandidaten den Sieg ermöglicht?

Im Idealfall würde ich mir natürlich eine Partei suchen, die den Staat aus allem raushalten will und die die kulturelle Vielfalt zu schätzen weiss. Wenn es aber eine solche Partei nicht gibt, muss ich im Interesse meiner primären Interessen (Staat hält sich aus allem raus) eben Abstriche bei meinen sekundären Idealen (Multikulti) in Kauf nehmen6.

Doch wie werde ich mich gegenüber der Umsetzung der Forderungen meiner arschigen Verbündeten verhalten? Von Forderungen, die meinen Überzeugungen zutiefst zuwiderlaufen, denen ich aber mit meier Stimme den Weg bereitet habe. Was muss, resp. kann ich tun?
Oder würde ich deren Gefahr verharmlosen?

Ich meine, natürlich sind die Gefahren, die von einer Idee ausgehen, nie wirklich so gross, wie von den Gegnern befürchtet. Doch sind sie auch nie so vernachlässigbar, wie von den Befürwortern beteuert. Da frage ich mich dann aber, wo auf diesem Spektrum befinde ich mich wohl als Gegner, wenn ich in einer unheiligen Allianz mit den Befürwortern stecke? Ich glaube nicht in der Mitte.

Wenn ich also möglicherweise blind bin für die Arschlochigkeit meiner Verbündeten und folglich auch für die Absurdität ihrer Argumente, wie finde ich dann raus, dass Arschlöcher und die von mir tolerierten Ansichten verwerflich sind?
Woran erkenne ich, dass ich auf der falschen Seite stehe?

Das ist knifflig. Aber ich persönlich habe zumindest das Gefühl auf der gleichen Seite mit meinen Idolen zu stehen. Und auf der gegenüberliegenden Seite der Arschlöcher.
Das ist natürlich noch keine Garantie dafür, dass ich richtig liege, denn die, die meine Position gut repräsentieren, sind immer Helden und die Gegner immer Arschlöcher.

Aber nun ja, wenigstens stehe ich auf der gleichen Seite wie Stephen Hawking und auf der gegenüberliegenden von denen, die sich darüber freuen oder es auch nur für gerechtfertigt halten, dass er in der Hölle schmort. Und das ist zumindest schon etwas.

Wie ist es bei euch, liebe gemässigte Christen, nagt es nicht manchmal ein klitzekleines Bisschen am Vertrauen in Euren Glauben, dass es bei euch andersrum ist? Und würdet ihr im Himmel nicht lieber Stephen Hawking begegnen als diesen Arschlöchern? Hm?

Rumpeldipumpel, Eda

Fluch oder Segen Digitalisierung – die Kirchen müssen sich anpassen

Im kath.ch-Blogbeitrag über Kommunikation in der Kirche vom 24.11.2017 fordert der Autor von kirchlichen Institutionen, dass sie sich verändern müssen um die Gläubigen in der digitalen Welt von morgen noch erreichen zu können.

Hm… Wird man denn in Zukunft offline nicht mehr erreichbar sein?
Werden die Gläubigen nicht mehr wie in den letzten 2000 Jahren über Bibel, Gottesdienst und Missionsarbeit auf der Bahnhofstrasse angesprochen werden können?

Die kirchlichen Institutionen verkneifen es sich, uns beispielsweise auf dem Klo anzusprechen. Dabei wäre das ein idealer Ort um über die existentielle Fragen zu kontemplieren. Sie könnten diesen Ort der Stille und Insichversunkenheit zu einem Ort machen, der die Menschen sachte zu den „richtigen“ Antworten lenkt. Doch das tun sie nicht. Sie lassen dem Menschen seine Privatsphäre und vertrauen darauf, dass er auch ohne diese Hilfe an diesem Ort zu Gott finden wird.
Oder es ist ihnen einfach noch nicht eingefallen, dass Sanitärinstallation ein ebenso vielversprechender Seelenfänger sein könnte wie Kindergärten oder Krankenhäuser: Wenn das Klo überläuft, ruft man den Pfarrer! Das hätte wirkliches Potential! Man erreicht den Menschen in einer Krisensituation und die Dankbarkeit ist geradezu garantiert. Und wenn gerade keine Krisensituation besteht und er seine Ruhe geniesst, dann erinnert ihn die Ruhe daran, wem er diese verdankt. Und überhaupt, was zeigt besser Nächstenliebe und Bescheidenheit als in der Scheisse seiner Mitmenschen herumzustochern? Jetzt wo die Exkremente nicht mehr einfach auf die Strasse geschüttet werden, brauchen die Füsse auch nicht mehr so oft gewaschen werden: Sanitärreparatur ist das moderne Equivalent der Fusswaschung!

Wie gesagt, die kirchlichen Institutionen könnten überall versuchen uns anzusprechen versuchen. Doch sie tun es nicht.
Wieso verkneifen sie es sich dann nicht auch in der digitalen Welt?
Ist es der Zyniker in mir, der da einen Hintergedanken wittert?

Das Perfide an der digitalen Welt (von heute) ist, dass jemanden über soziale Medien zu erreichen nie nur ein Überreichen von (hoffentlich) verlässlichen Informationen ist. Es ist immer auch ein Mitgestalten seiner Filterblase: Sich auf Facebook für eine Sache zu interessieren, führt – den Algorithmen1 sei dank – schnell dazu, dass man online nur noch diese Sachen sieht und allmählich alle kritische Stimmen verstummen.

Könnten kirchliche Institutionen vielleicht genau damit liebäugeln?
Wenn sich soziale Medien dazu eignen Flat-Earther, Impfgegner und Islamisten zu radikalisieren2, wieso sollte man dann auf diese Weise nicht auch das römisch-katholische Christentum stärken können?

Soziale Medien sind für Ideologie-Verkäufer wahre Goldgruben. Schmeiss jemanden rein und er wird zum Fundamentalisten. Man muss lediglich dafür sorgen, dass er es in der gewünschten Weltanschauung wird. Und genau dafür braucht es die im kath.ch-Blogbeitrage geforderten neuen Fertigkeiten, die in den kirchlichen Institutionen verankert sein müssen.

Die digitale Welt (von morgen) funktioniert vielleicht ganz anders.
Sollten die kirchlichen Institutionen vielleicht ein Interesse daran haben, diese mitzugestalten? Dafür zu sorgen, dass es auch in Zukunft noch Filterblasen gibt?

Hinzu kommt, dass soziale Medien eine Art von Zensur sind. Während in den ersten Tagen des Internets 10 Millionen Menschen mit 10 Millionen Megaphonen alles, was ihnen beliebte in die Welt hinausposaunten, tun es heute 10 Milliarden Menschen mit 10 Megaphonen. Sie schreien zwar noch immer alles, was sie wollen, hinten rein, doch vorne kommt dank der Algorithmen nur raus, was der Konsument hören will – wodurch die Ansteckungsgefahr von Blasphemie elegant gebannt wäre.

Oder sollen kirchlichen Institutionen gar ein eigenes soziales Medium / Megaphon aufbauen?
Wenn es sich jemand leisten kann in diesem Markt gross einzusteigen, dann der Vatikan.
Er könnte vielleicht sogar Facebook und Google kaufen…

Das wissenschaftliche Loch des Christentums

Dass der Erfolg der Wissenschaft sich auch gewissen Aspekten des christlichen Gedankenwelt verdankt, will ich gar nicht bestreiten. Persönlich würde ich es zwar eher so formulieren, dass das christliche Establishment die Wissenschaft aufgrund verschiedener Faktoren in Europa ab einem gewissen Zeitpunkt weniger behinderte als andere Religionen in anderen Weltregionen, aber sei’s drum.

Was ich jedoch bezeichnend finde, ist, dass genau die Christen, welche der katholischen Kirche die Zugehörigkeit zum Christentum absprechen, weil diese sich offenbar nicht genug an der Bibel orientierte, es auch sind, welche die Evolutionstheorie nicht akzeptieren wollen. Und mit ihr auch alle anderen Theorien, die im Widerspruch zu ihrer Interpretation der Bibel zu stehen scheinen.
Insofern fragt man sich, wodurch die „richtigen“ Christen denn glauben sich von der „falschen“ in der katholischen Kirche zu unterscheiden, wenn diese genauso wie jene die Möglichkeit ablehnen, aus den eigenen Fehlern zu lernen? Die Wissenschaft ist schliesslich nichts anderes als der Wille Irrtümer einzugestehen und – egal wie sehr sie einem ans Herz gewachsen sind – aufzugeben. Und die Möglichkeit, dass es anders auch besser sein könnte.

Während die katholische Kirche – aus welchen Gründen auch immer – ihre Phobie vor der Wissenschaft irgendwann mal ablegte und damit das Mittelalter verliess, beharren die „richtigen“ Christen aber weiterhin auf der Hoheit der heiligen Schrift über den Erkenntnissen der Wissenschaft – wobei sie die heilige Schrift mit ihrer Interpretation der heiligen Schrift gleichsetzen und offenbar nicht realisieren, dass es auch noch ganz andere Interpretationen gibt, die genauso plausibel sind wie ihre.

Wenn also in der Bibel steht, dass 2 + 2 = 5 ist, dann würden sie es glauben, es als wahr akzeptieren und ihr bestes tun es zu verstehen versuchen – und wenn es beim besten Willen einfach keinen Sinn macht – dann sei’s drum, sie werden nicht dran zweifeln und mit den Konsequenzen, die sich im Alltag daraus ergeben, eben leben.

 

Die „richtigen“ Christen werfen den Katholiken so manches vor. Darunter das „Mittelalterliche Wissenschaftsloch“ für seine Winzigkeit.

Scheisse werfende Verwandte

Jaclyn Glenn

Warum erfüllt es manche Leute mit Entsetzen, dass wir von Affen abstammen könnten?
Was ist schlimm dran einen Bettler, Henker oder Rechtsanwalt unter den Ahnen zu haben?
Wollen wir nicht besser sein als unsere Vorfahren ?
Wollen wir nicht für unsere Nachfahren, dass sie besser sind als wir?

Was ist da als so schlimm dran Scheisse werfende Verwandte zu haben?
Haben wir die nicht so oder so?

Verzeihen und Nachtragen

Dass die Regierung der Vereinigten Staaten, der Vatikan und die Pharma in der Vergangenheit nachweislich gelogen haben, ist bekannt. Das Problem ist aber, dass daraus leider nicht zwangsläufig folgt, dass alles, was sie jetzt sagen, gelogen ist.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht!

Man kann es den Dorfbewohnern aus dem Märchen „Der Hirtenjunge und der Wolf“ natürlich nicht verdenken, dass sie sich nach dem x-ten falschen Alarm nicht mehr ganz so beeilen dem Hirten zu Hilfe zu eilen, doch wenn man davon ausgeht, dass der Hirte die Schafe des ganzen Dorfes gehütet hat, dann hätte es der Prosperität des Dorfes sicher nicht geschadet, wenn die Leute nicht so nachtragend gewesen wären.

Auf den ersten Blick mag es daher vielleicht so erscheinen, dass uns das Märchen lehrt, dass Lügen unerfreuliche soziale Konsequenzen nach sich ziehen können. Was natürlich durchaus stimmt. Doch wenn man sich vergegenwärtigt, dass hier den Schaden vor allem die Dorfgemeinschaft hat, weil sie es versäumte ihren Tieren zu Hilfe zu eilen, dann erkennen wir, dass es drastische Konsequenzen haben kann, wenn man auf Basis von Mutmassungen Entscheidungen trifft. Oder um es etwas zeitgemässer zu formulieren, dass die Erfahrung ein sehr unzuverlässiger Ratgeber ist.
Statt dem Hirten einfach nicht mehr zu glauben, hätten die Dorfbewohner lieber dafür gesorgt, dass er nicht mehr lügt – gern auch mit den für Märchen typische drakonischen Strafen. Auf die Reaktionszeit ihrer „Feuerwehr“ sollten dagegen solche Erfahrungen lieber keinen Einfluss haben.

Die Fähigkeit zu Verzeihen ist zweifellos ein bedeutender zivilisatorischer Schritt, denn ohne diese schlittert man früher oder später aufgrund der menschlichen Natur beinahe schon zwangsläufig in einen Teufelskreis. Kein Wunder daher, dass Jesus die Menschen dazu auffordert, auch die andere Backe hin zu halten und – ganz wichtig – es dem Übeltäter nicht nachzutragen.
Jesus erklärt zwar nicht, wie man den Grobian „umerziehen“ soll, doch zumindest legt er uns nahe, aus der Erfahrung nichts zu lernen. Was uns auf das obige Märchen übertragen einen Muskelkater kostet, aber nicht die Herde.

Dafür, dass das Verzeihen eins der zentralen Konzepte des Christentums ist, ist es dann aber schon erstaunlich, dass ganz besonders aus den Reihen der fundamentalen Christen der Regierung der Vereinigten Staaten, dem Vatikan und der Pharma kategorisch nicht geglaubt wird. Nicht gerade sehr christlich, will mir scheinen.

Militante Atheisten

Wenn es um Religion geht, besteht eine starke Tendenz zur Beschwichtigung. In diesem Sinne distanziert man sich auch gern von jeglichen Extremen, sei es nun den religiösen oder den atheistischen. Und bezeichnet diese der Ausgewogenheit zuliebe auch gern mal als gleich schlimm.
Das ist natürlich erstmal sehr nett gemeint, doch ist dies auch gerechtfertigt? Ist die extreme Religiosität wirklich gleich schlimm wie extremer Atheismus?
Hängt wohl davon ab, was man unter schlimm versteht.
Atheisten weisen gern drauf hin, dass der Unterschied zwischen dem gemässigten und dem extremen/militanten/fundamentalistischen Atheismus darin besteht, dass man es bei letzterem auch ausspricht. Demgegenüber ist der Fundamentalismus auf der theistischen Seite selbst nach Ansicht der gemässigten Gläubigen bisweilen bereit Terror einzusetzen.
Aus dieser Perspektive ist die Gleichsetzung natürlich etwas schief, doch macht man es sich damit meines Erachtens etwas zu einfach.
Es ist allgemein bekannt, dass die extreme Religiosität Leute durch die Androhung ewigen Höllenqualen verängstigen kann, die Rechte von Homosexuellen beschneidet und es legitimiert Anhänger anderer Weltanschauungen zu töten. Zugute halten muss man diesen Taten allerdings, dass sie nach Ansicht der Täter einer grossen Gruppe von Leutes einen Fensterplatz im Himmel verschaffen.
Der extreme Atheimus dagegen verängstigt durchaus auch, indem er den Leuten den Trost eines glückseeligen Lebens nach dem Tod für sich und seine nächsten nimmt, beschneidet die Rechte von Religiösen ihre gottgegebenen Gesetze nach willensfreiem Gutdünken zu befolgen und zu verbreiten und tötet durch die Legalisierung der Abtreibung schutzlose Embryonen. Verschärfend kommt hinzu, dass die extremen Atheisten nach Ansicht der religiösen Fundamentalisten mit ihren Reden nicht nur sich selbst sondern auch alle anderen in die ewige Verdammnis mit sich reissen.

Insofern ist der Schaden, den ein Atheist anrichten kann, wenn er bei einem Gläubigen den Zweifel weckt, in den Augen der Gläubigen wohl wirklich schwerer als wenn er ihn nur töten würde. Denn mit dem Zweifel trennt er den Menschen von Gott. Und nichts ist verheerender. Genaus dies übrigens auch die Mission des Satans. Ihm geht es darum einen Keil zwischen Gott und die Menschen zu treiben. Und um das zu erreichen, schreckt er nicht mal davor zurück sich für den Frieden einzusetzen, wenn er weiss, dass die Not und Verzweiflung des Krieges die Menschen näher zu Gott bringen, während der Friede sie träge und Ignorant gegenüber dem Schöpfer macht.

Von daher, ja, der extreme Atheismus ist mindestens genauso schlimm wie der extreme Theismus. Es wäre natürlich schon ziemlich blöd, wenn es gar keinen Gott geben würde, denn dann wäre das selbstverständlich alles ausgemachter Blödsinn, aber wir wollen den Teufel ja nicht an die Wand malen. Dann wären ja all die Qualen und Toten völlig vergebens gewesen.

Und so verbleibe ich mit einem Zitat des im Jahre 2002 heilig gesprochenen Josemaria Escriva:
„Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen lässt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis.“

Die Bibel & ich

Der Experimental-Journalist A. J. Jacobs nimmt sich vor, ein Jahr lang getreu dem Wort der Bibel zu leben. Er ist zwar eigentlich ein liberaler Agnostiker, doch da er sich die Sache nun mal in den Kopf gesetzt hat, muss er durch. Er geht es dabei meines Erachtens überdurchschnittlich vorurteilsfrei an und findet sich dann tatsächlich auch in der einen oder anderen wirklich interessanten spirituellen Erfahrung wieder.

Da er selbst aus einer jüdischen Familie stammt, widmet sich der Grossteil dem alten Testament, doch auch das neue kommt nicht zu kurz.

Interessant ist insbesondere die Beobachtung, dass es nichts gibt, was nicht von irgendjemandem, und dass alles zusammen von niemanden praktiziert wird (gar nicht werden kann). Und dass die Religionen und Gruppierungen, die sich um die Bibel scharen, alles andere als homogen sind.

An manchen Stellen hätte ich mir vielleicht etwas mehr Reflexion gewünscht. Andererseits wäre das der Intention seiner Aufgabe vielleicht aber nur im Weg gewesen.

Die meskinawsche Wette

Einer erzählt dir eine durchaus plausibel klingende Theorie. Dann stell dir die folgenden zwei Fragen:

1. Erfreut sich die Theorie breiter Zustimmung in der Wissenschaft?
2. Publiziert die Person in peerreviewten Journalen?

Wenn auf beide Fragen die Antwort Nein lautet, dann kannst du eine ganze Stange Geld drauf wetten, dass es ausgemachter Blödsinn ist.

Ist die Erde wirklich 6000 Jahre alt?

Ein Vortrag an der Uni Zürich darüber, was die Bibel über die ersten Zeitalter der Erde sagt.
Gehalten von Tobias Widmer, Dipl.-Math. vom Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik 2 der Universität Hohenheim
Organisiert durch den Verein „Christen an den Hochschulen“

Die Intention dieses Vortrages war es eine Lösung zu bieten, wie die Genesis als Tatsachenbericht aufrechterhalten werden kann, ohne mit den Erkenntnissen der Wissenschaft in Konflikt zu geraten.
Als der archimedische Punkt hierbei entpuppt sich Gen 1:2 „Und die Erde war wüst und leer,…“, wo das „war“ eigentlich auch „wurde“ heissen könnte und – tadaaa – auch sollte. Das bedeutet, dass zwischen Gen 1:1 „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ und dem Tohuwabohu im 2. Vers ungefähr 4.5 Milliarden Jahre liegen und es sich mitnichten um die aktuelle Beschreibung des Zustandes handelt, in dem sich die Erde befand, nachdem Gott die Erde erschaffen hat. Dadurch stellen natürlich auch all die alten Fossilien kein Problem mehr dar, denn es sind Überbleibsel einer Welt, die zwischen der Erschaffung der Welt und dem 6-Tagewerk vor 6152 Jahren lag, wo die Evolution das tat was die Evolution eben so tut und der Satan der Chef des ganzen war. Und dann platze Gott der Kragen und richtete das im 2. Vers erwähnte Tohuwabohu an um dann quasi aus der Asche alles neu zu erschaffen. Dass nach der Neuerschaffung alles gleich aussah wie vor dem Tohuwabohu, muss wohl daran liegen, dass es der gleiche Schöpfer war. Und da die Tageszählung erst im 5. Vers beginnt, haben wir auch in dieser Beziehung keine Probleme.
Im Grunde läuft dieses Konzept also darauf hinaus, dass alles so abläuft wie die Wissenschaft es sich vorstellt, doch vor 6152 Jahren gibt es einen mindestens 6 Tage breiten Schnitt, wo alles zerstört und exakt gleich wieder neu erschaffen wurde.

Eine Frage, die mir aber leider erst jetzt auffällt, wäre, wieso die menschlichen Überreste sich nicht ab dem Stichdatum vom Paradies aus wieder neu über die Erde verteilen mussten. Ich schätze aber, dass dies dadurch erklärt worden wäre, dass sich lediglich der Geist (wie ein Virus) von dort aus verteilte – was man ja anhand der Überreste relativ schwer beurteilen kann. (Bestenfalls anhand der durch den Geist ermöglichten Kulturgüter, wie dem Ackerbau, der sich ja dann irgendwann entwickelte und aus eben jener Region seinen Siegeszug antrat.)
Und da sich Adam und Eva nicht allzu viel Zeit genommen haben, um zu sündigen und damit den Tod in die Welt zu bringen, wird es wohl auch keinem gross aufgefallen sein, dass während ein paar Tagen die Tiger Vegetarier waren.

Bezeichnend war auch die Antwort von Tobias Widmer auf die Frage, ob denn die Sintflut ebenfalls eine Tatsache sei? Er berief sich darauf in diesem Punkt kein Experte zu sein und enthielt sich lieber einer Antwort.

Grosse Ideen und der Weg zur Akzeptanz

Jede grosse Idee war mal ein absurdes Hirngespinst, das von der Fachwelt nur belächelt wurde. Und in manchen Fällen brauchte es leider eine zähe und langwierige Überzeugungsarbeit, bis sie sich durchgesetzte. Doch verlief der Weg zur Akzeptanz in der Fachwelt nie über den Kindergarten, wo sich die Knirpse selbst ein Bild machen sollten!
Wenn man Kinder etwas lehrt, auf dass sie es dann später mal in den Hochschulen durchsetzen, dann ist das meines Erachtens ethisch höchst bedenklich, denn auf diese Weise werden die Kinder von den Ideen instrumentalisiert. Instrumentalisiert, weil sie die Gültigkeit der Argumente, welche sie zu überbringen bestimmt wurden, noch gar nicht beurteilen können.

Die auf den ersten Blick sehr tolerant wirkende Position, dass sich jeder seine eigene Meinung bilden soll, verlangen die Fundamentalisten wenig überraschend allerdings nur dort, wo ihre Ansichten lediglich eine verschwindende Minderheit zu überzeugen vermögen. Bei anderen Themen setzen sie dagegen eher auf ein Verbot überhaupt Fragen zu stellen, was ja nichts anderes ist, als wenn man etwas als heilig erklärt. Ich denke da beispielsweise an die Abtreibung, wo das Leben heilig ist, an die Homosexualität, wo die Ehe heilig ist, oder Blasphemie, wo die persönliche Beziehung zu Gott heilig ist.

Thermodynamik der Fundamentaltoleranz

Bis wohin die eigene Meinung gebildet werden soll und ab wann es heilig ist, lässt sich witzigerweise ziemlich exakt bestimmen:

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein allgemein als gültig anerkanntes Argument für eine bestimmte Ansicht aus ideologischen Gründen nicht akzeptiert, sei pi.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein allgemein als gültig anerkanntes Argument für eine bestimmte Ansicht zufällig nicht akzeptiert, sei pz.
  • Dann wird so lange auf die eigene Meinungsbildung gesetzt wie pz > pi ist. Sobald sich das Grössenverhältnis umdreht, wird auf die Heiligkeit gepocht, weil die Zufälligen auch in den eigenen Reihen gefunden werden können und entsprechend wieder die Seite wechseln können.
  • Die Kindergartenkinder gehören übrigens zu den Zufälligen, weil es weder die Qualität des Arguments noch die Treue zur Ideologie ist, was sie überzeugt, sondern weil sie einfach alles nachplappern und glauben, was ihnen gesagt wird – und ob der Lehrer nun ein Theist oder Atheist ist, ist nicht nur in Istrien gewissermassen Zufall.

 

Noch eine relative Relativierung

Okay, wenn die absurden Hirngespinste Toleranz und Gleichberechtigung sind, dann sollte man es trotzdem machen. Nicht weil es dann ethisch wäre, denn das ist es strenggenommen noch immer nicht, weil die Kinder es noch immer nicht wirklich beurteilen können, sondern weil die positiven Konsequenzen am Ende überwiegen.
Okay, genau das sagen natürlich auch die Fundamentalisten über ihre Inhalte, doch ihr Kassensturz wird erst im Jenseits gemacht und entzieht sich damit leider jeglicher institutioneller Kontrolle.

Okay, die Thermodynamik der Fundamentaltoleranz ist schon ein klitzekleines Bisschen überzogen. Doch der Punkt bleibt: Wenn man Laien zwei Seiten präsentiert, wird die Verteilung der Anhänger nicht mit der Qualität der Argumente der beiden Seiten korrelieren, sondern wesentlich ausgeglichener sein, was natürlich den verrückten Theorien zugute kommt. Ein schönes Beispiel hierfür demonstriert der folgende Artikel über den Konsens bezüglich der Akzeptanz des Klimawandels.

The fast and the Furious

Ich vermute auch in Österreich und Deutschland sind Raser und die von ihnen ausgehende Gefahr für sich selbst und alle übrigen Verkehrsteilnehmer ein Thema. Es ist mir daher ein Rätsel, wie die Fernsehsender auf die Idee kommen, Filme wie The Fast and the Furious zur Primetime über den Äther zu schicken. Ist das nicht Aufwiegelung zu kriminellem Verhalten? Ich merke ja bereits an mir selbst, dass ich allein wegen ein paar Szenen dieses Films in einen Geschwindigkeitsrausch verfalle. In meinem Fall ist das natürlich nichts schlechtes, denn da ich weder Führerschein noch Auto habe, renne ich einfach etwas schneller dem Zug hinterher und erwische ihn für einmal sogar, aber behüte Gott wenn ich in diesem Zustand etwas mit noch mehr PS unter den Hintern bekäme.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sich meine Velofahrtechnik nach einer Star-Trek-Raumschlacht verändern konnte. Ich liess mich jeweils absichtlich von einem Auto überholen, klemmte mich dann an dessen Stossstange und feuerte vor meinem inneren Auge aus allen Phaser- und Disruptoren- und Polaron-Bänken eine Salve auf dieses ab. Und wenn das noch nicht reichte, schickte ich ihnen auch gleich noch ein paar Photonen-, Quanten-, Transphasen-, Tri-Kobalt- und Chronotontorpedos hinterher. Wie gesagt, zum Glück sass ich da nur auf einem Fahrrad, denn andernfalls hätte ich mit einem einzigen solchen Manöver wohl ein ganzes Parsek ins Jenseits befördert.

Sind es die Einschaltquoten, die die Fernsehsender vergessen lassen, dass der Einfluss aufs Publikum, den sie ihren Werbepartnern verkaufen, auch von ihnen selbst ausgehen kann? Ist das nicht sträflich naiv?
Ich plädiere daher für eine Kollektivschuld, welche man den Medien anhängen kann, wenn etwas passiert, was so aussieht, als ob es von ihnen inspiriert worden wäre. Und als Beweis dafür, dass dieses Gesetz auch tatsächlich greift, müsste man als erstes mich in den Kerker werfen, weil ich dieses Gesetz hier im DisOrganizer initiert habe.

 

Dies darf aber nicht mit jener Art von Selbstzensur verwechselt werden, zu welcher die Politiker als Reaktion auf die Unruhen in der arabischen Welt nach der Veröffentlichung der 12 Mohammed-Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten aufgerufen haben.  Es ist nämlich ein fundamentaler Unterschied zwischen Imitation und Reaktion. Letztere ist nämlich etwas, das gelernt und kultiviert werden muss, mitunter eben gerade durch die Konfrontation mit dem Auslöser.