Die Kraft des Glaubens

Wenn man sagt, dass Millionen von Menschen aus ihrem Glauben die Kraft nehmen anderen Menschen zu helfen, dann mag man damit womöglich die Überzeugung dieser Millionen von Menschen wiedergeben, doch heisst das nicht, dass sie ohne ihren Glauben nicht geholfen hätten.
Denn wenn der Glaube tatsächlich verstärkt zur Hilfsbereitschaft motiviert, dann müsste man doch eigentlich ein deutliches Gefälle zwischen Gläubigen und Ungläubigen finden, oder nicht? Doch genau das tut man nicht. Vielmehr sieht es so aus, als ob diese Leute auch sonst geholfen hätten und dass der Glaube hier lediglich einem Bedürfnis, welches immer schon da war, einen Namen gab.
(Eine andere, wenn auch etwas weniger schmeichelhafte Interpretation der Daten könnte auch lauten, dass vom Glauben vorzugsweise asoziale Menschen angezogen werden, deren ursprünglich fehlendes Mitgefühl dann durch diesen auf ein normales Niveau angehoben wird…)

Der Glaube lässt die Menschen also nicht notwenigerweise mehr helfen, aber vielleicht lässt er die Helfer mehr riskieren? Am liebsten fern der Heimat, in Ländern mit bitterster Armut.
Interessanterweise scheint in diesen Ländern die Religion in der Regel eine sehr wichtige Rolle zu spielen – wenn auch aus Sicht der Helfer meist die falsche – während in Ländern, die sich nicht mehr soviel aus dem Glauben machen, die Hilfe nicht ganz so dringend ist.
In den „atheistischeren“ Ländern wird aber nicht weniger geholfen, sondern anders. Hier ist die Hilfe institutionalisiert, so dass das, was an anderen Orten von Menschen mit ihren beschränkten Mitteln aufopfernd geleistet werden muss, hier von weit mächtigeren Organisationen wesentlich effizienter übernommen wird. (Selbstverständlich funktionieren diese Organisationen viel zu oft alles andere als optimal, nichtsdestotrotz ist die soziale Sicherheit in den „atheistischeren“ Ländern in einem Masse gewährt, wie man in Gottesstaaten davon nicht mal zu Träumen wagte.)

Um es etwas provokativ zu formulieren: Wenn die soziale Sicherheit durch Institutionen gewährleistet ist, dann kann man es sich leisten, dass die Leute etwas kaltschnäuziger werden. In den Ländern mit bitterster Armut ist diese nicht gegeben und deshalb ist man auch auf den persönlichen Einsatz möglichst vieler Menschen angewiesen. Doch da es dort mit grosser Wahrscheinlichkeit auch mit dem Bewusstsein für die Menschenrechten nicht nicht besonders gut bestellt ist, wird die Hilfe wesentlich selektiver stattfinden und stigmatisierte Bevölkerungsgruppen tendenziell weniger in deren Genuss kommen. Und die Hilfe wird wohl auch nicht dergestalt sein, dass die generelle Situation zu ändern versuchen würde.
Die institutionalisierte Hilfe ist demgegenüber vergleichsweise blind, was Geschlecht, Hautfarbe, Sprache, Religion oder sexueller Orientierung betrifft, und neigt langfristig dazu die ganze Situation zu ändern.

Unsere Vorstellung davon, wie man Menschen helfen soll, lässt sich ziemlich gut mit dem folgenden nicht aus China stammenden Sprichwort ausdrücken:

„Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt,
lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern.“

Doch ist das leider eine romantisch verklärte Vorstellung, die bestenfalls noch in einer Jäger- und Sammlerkultur ihre Gültigkeit hätte. Heute braucht’s dazu ne Lizenz! Schliesslich müssen ökologische, ökonomischen und ethische Auflagen erfüllt und irgendwann mal Steuern bezahlt werden.
Wenn man heute jemandem in persönlichem Einsatz das Fischen beibringt, dann ermöglich man ihm vielleicht etwas länger dahin zu vegetieren, doch um ihm die Möglichkeit zur Entfaltung zu geben, braucht es wesentlich mehr.

Gibt es atheistische Abtreibungsgegner?

Ethische Fragen sind meist Fragen, bei denen einem keine der Antworten wirklich behagt.
Religionen neigen dazu, Handlungen unabhängig von den Konsequenzen zu bewerten.
Eine Abtreibung ist eine traurige Sache. Es ist das Töten eines Lebens und das Leben soll bewahrt werden. Darin sind sich sowohl Gegner wie auch Befürworter eigentlich einig. Die Befürworter wollen es lediglich nicht verbieten. Im Gegensatz zur „religiösen“ Moralvorstellung, spielen bei diesen die Konsequenzen einer Handlung nämlich ganz wesentlich mit in deren Beurteilung. Natürlich muss das Leben geschützt werden, doch ist die Frage immer, um welchen Preis.

Wenn man sich mit Abtreibungsgegnern über die Gründe ihrer kompromisslosen Ablehnung selbst in sehr krassen Fällen unterhält, dann ist es immer eine Mischung aus dem Widerwillen vor dem Eingriff selbst und der Möglichkeit einer Fehleinschätzung, sei es nun vom Arzt über den Zustand des Kindes oder von der Mutter über das zu erwartende Schicksal. Über diese Schwelle der Empörung kommt man in der Regel nicht hinaus.
Es mag pietätlos erscheinen, doch diese Einwände lassen sich biologisch und ethisch belegt relativieren. So läuft es dann auf das fast schon biblisch anmutende Schlagwort: Abtreibung ist Mord hinaus. Eine Position, die, wie oben gezeigt, den Aspekt der Konsequenzen ausser Acht lässt und deshalb meines Erachtens eine vergleichsweise schwache argumentative Stütze darstellt. Ausser sie wird von Gott höchst selbst getragen. Doch mit dem Fremdgehen, das Gott ja ebenfalls nicht gutheisst in seinen 10 Geboten, haben wir uns inzwischen auch insofern arrangiert, dass wir es zwar nicht toll finden, es aber auch nicht mehr verbieten und unter Strafe stellen wollen.

Wenn man mal die emotionale Polemik aussen vor lässt, scheint es so, dass sich die Abtreibungsablehung hauptsächlich aus der religiösen Tradition speisst. Oder gibt es auch atheistische Abtreibungsgegner, die ihre Position sachlich darlegen können ?

Can atheists hate God?

via Can atheists hate God? – YouTube.

Ich werde immer mal wieder gefragt, warum ich denn Gott so hasse. Und bisher habe ich immer gesagt, dass dem gar nicht so ist, weil man eine nicht existierende Person gar nicht wirklich hassen kann. Doch wie mich Hemant Mehta mit diesem Video überzeugt hat, stimmt das so gar nicht.
Gott ist eine sehr unangenehme Persönlichkeit in der Bibel und das kann ich auch erklären. Doch genauso wie ich den Charakter Dolores Umbridge hassen kann, so kann ich auch den Charakter Gott hassen. Und zwar ohne diesem damit auch nur ein Fitzelchen reale Existenz zu zusprechen.
Damit sage ich nur, dass mir die beschriebene literarische Person unsympathisch ist, und dass, wenn sie real hier oder ich fiktiv dort wäre, ich wohl gegen sie rebellieren würde. Aber ein Tor zwischen den Welten wie in der unendlichen Geschichte wird dadurch nicht geöffnet.

Offenbar unterscheidet der Affekt nicht zwischen Fiktion und Realität. Lieben und Hassen können wir Reales wie Fiktives und alles was , wodurch er dem, was wir lieben oder hassen, Realität unterstellt. Und tatsächlich leiten viele Gläubige aus den Gefühlen, die sie gegenüber dem fiktiven Gott und dem historischen Jesus hegen, auf deren wirkliche und gegenwärtige Präsenz, was aber das Beispiel mit Dolores Umbridge als Fehlschluss entlarvt.

Wenn man es romantisch betrachtet, könnte man sagen, dass die Liebe sowohl die Barriere der Existenz als auch jene der Zeit zu überbrücken vermag. Eine Theologie mit all ihren moralisch fragwürdigen Einflüssen würde ich aber nicht aus der Romantik heraus begründen wollen.

„Warum sind so viele Atheisten bloss solche Arschlöcher?“

Unterhält man sich über den Atheismus, so wird immer recht schnell mal das Bedauern geäussert, dass Atheisten leider oft unsympatische Personen seien. Man würde hier zwar lieber „Arschlöcher“ sagen, doch damit würde der Vorsprung der eigenen Liebenswürdigkeit leider etwas drunter leiden.
Dieser generelle Vorwurf ist insofern ziemlich verstörend, als dass man diesen der unsympatischen Tendenz anderer „Religionen“ entgegen stellt, Sachen und Menschen in die Luft zu jagen.
So nach dem Motto: Wer ohne Makel ist, werfe den ersten Stein.

Kein Wort von Gott

Im Zug, im Nachbarabteil sitzt eine Familie mit drei kleinen Kindern und ner Kinderbibel auf dem Tischchen. Eins der Kinder heisst Jonas, das andere Eleonora. Und der Vater trägt Sandalen.
Im Abteil hinter mir erklärt eine Frau, dass das Verteilen von Bibeln in Schulen kein missionieren sei, sondern schweizer Kultur.Ich bin ein ziemlich extremer Atheist – im Sinne von, dass ich mich nicht zurückhalte, dies auch zuzugeben -, doch ich habe meiner dreijährigen Tochter, bisher noch nie erklärt, dass es einen Gott nicht gibt. Ich habe schlicht und ergreifend noch keine Notwendigkeit gesehen überhaupt über Gott zu sprechen. (Der Osterhase, der Weihnachtsmann und das Christkind wurden hingegen durchaus schon thematisiert, allein schon, weil sie in unzähligen Kinderbüchern vorkommen. Und ihnen ihre Existenz abzusprechen würde mir nicht im Traum einfallen. Zum einen, weil ihr an Bedingungen geknüpfter Geschenksegen durchaus motivierende Wirkung zeigt, und zum anderen, weil ich mich freue, dass sie es durchschaut und zur Skeptikerin wird.)
Die Grossmütter erzählen ihr zwar Geschichten von Jesus, doch das lässt mich kalt. Ich erzähle sie nicht. Und kommentiere sie auch nicht weiter.
So oder so ist Rotkäppchen für meine Kleine wesentlich spannender. Und auch bei ihr geht es um die Wahl des richtigen Weges und irgendwie darum, dass sie von den Toten aufersteht.

Ich frage mich, wieviel die gleichaltrigen Kinder in Religiösen Familien wohl schon von Jesus und Gott gehört haben? Und welche Antworten sich die Eltern erspart haben durch einen Verweis auf diese?

Welchen Vorteil hat es wohl, den Bibelgeschichten einen anderen Fiktionsstatus zuzusprechen als die Märchen der Brüder Grimm?

Die Sandalen des oben erwähnten Vaters mit den drei Kindern und der Kinderbibel waren übrigens die gleichen wie meine. Ich trug zu diesen aber keine (schwarze) Socken.

Militante Atheisten

Wenn es um Religion geht, besteht eine starke Tendenz zur Beschwichtigung. In diesem Sinne distanziert man sich auch gern von jeglichen Extremen, sei es nun den religiösen oder den atheistischen. Und bezeichnet diese der Ausgewogenheit zuliebe auch gern mal als gleich schlimm.
Das ist natürlich erstmal sehr nett gemeint, doch ist dies auch gerechtfertigt? Ist die extreme Religiosität wirklich gleich schlimm wie extremer Atheismus?
Hängt wohl davon ab, was man unter schlimm versteht.
Atheisten weisen gern drauf hin, dass der Unterschied zwischen dem gemässigten und dem extremen/militanten/fundamentalistischen Atheismus darin besteht, dass man es bei letzterem auch ausspricht. Demgegenüber ist der Fundamentalismus auf der theistischen Seite selbst nach Ansicht der gemässigten Gläubigen bisweilen bereit Terror einzusetzen.
Aus dieser Perspektive ist die Gleichsetzung natürlich etwas schief, doch macht man es sich damit meines Erachtens etwas zu einfach.
Es ist allgemein bekannt, dass die extreme Religiosität Leute durch die Androhung ewigen Höllenqualen verängstigen kann, die Rechte von Homosexuellen beschneidet und es legitimiert Anhänger anderer Weltanschauungen zu töten. Zugute halten muss man diesen Taten allerdings, dass sie nach Ansicht der Täter einer grossen Gruppe von Leutes einen Fensterplatz im Himmel verschaffen.
Der extreme Atheimus dagegen verängstigt durchaus auch, indem er den Leuten den Trost eines glückseeligen Lebens nach dem Tod für sich und seine nächsten nimmt, beschneidet die Rechte von Religiösen ihre gottgegebenen Gesetze nach willensfreiem Gutdünken zu befolgen und zu verbreiten und tötet durch die Legalisierung der Abtreibung schutzlose Embryonen. Verschärfend kommt hinzu, dass die extremen Atheisten nach Ansicht der religiösen Fundamentalisten mit ihren Reden nicht nur sich selbst sondern auch alle anderen in die ewige Verdammnis mit sich reissen.

Insofern ist der Schaden, den ein Atheist anrichten kann, wenn er bei einem Gläubigen den Zweifel weckt, in den Augen der Gläubigen wohl wirklich schwerer als wenn er ihn nur töten würde. Denn mit dem Zweifel trennt er den Menschen von Gott. Und nichts ist verheerender. Genaus dies übrigens auch die Mission des Satans. Ihm geht es darum einen Keil zwischen Gott und die Menschen zu treiben. Und um das zu erreichen, schreckt er nicht mal davor zurück sich für den Frieden einzusetzen, wenn er weiss, dass die Not und Verzweiflung des Krieges die Menschen näher zu Gott bringen, während der Friede sie träge und Ignorant gegenüber dem Schöpfer macht.

Von daher, ja, der extreme Atheismus ist mindestens genauso schlimm wie der extreme Theismus. Es wäre natürlich schon ziemlich blöd, wenn es gar keinen Gott geben würde, denn dann wäre das selbstverständlich alles ausgemachter Blödsinn, aber wir wollen den Teufel ja nicht an die Wand malen. Dann wären ja all die Qualen und Toten völlig vergebens gewesen.

Und so verbleibe ich mit einem Zitat des im Jahre 2002 heilig gesprochenen Josemaria Escriva:
„Ich nenne dir die wahren Schätze des Menschen auf dieser Erde, damit du sie dir nicht entgehen lässt: Hunger, Durst, Hitze, Kälte, Schmerz, Schande, Armut, Einsamkeit, Verrat, Verleumdung, Gefängnis.“