Eisenstachel oder Religion als Toleranz ohne Grenzen

Islam ist eine Religion, die auf Freiheit beruht. Es gibt keine Obermoslem. Es gibt keinen Moslem, der einem anderen Moslem sagen dürfte, wie er seine Religion zu praktizieren hat. Jeder muss aufgrund seiner Vernunft selber entscheiden, wie er denkt, was er sagt und wie er handelt. (…) Und es steht auch den Eltern nicht zu zum Beispiel den Kindern zu befehlen, ihr habt zu fasten oder ihr habt zu beten, weil das Gebet dann vollkommen ungültig ist. Es muss aus innerem Antrieb, aber immer aufgrund der Freiwilligkeit erfolgen und der Islam kennt eine zentrale Aussage im Koran: Es gibt keinen Zwang in der Religion. Das ist verbindlich für alle Muslime.
Farhad Afshar, im Club am 12.7.2016 25:38 zum Thema Religion: Toleranz ohne Grenzen? 

Das klingt doch schon mal gar nicht schlecht. Man könnte zwar darüber streiten, ob die Kinder je auf die Idee kommen würden zu fasten und zu beten, wenn die Eltern sie nicht vorher irgendwie auf die Idee gebracht hätten. Und ob sie dem Beispiel des Propheten folgen würden, wenn die Eltern sie nicht auf die Idee gebracht hätten, dass alles andere gefährlich und verdammenswert ist.
Ich meine, ich habe auch meine Helden, denen ich nacheifere. Deswegen werde ich aber nicht jeden ihrer Spleens imitieren.

Es fragt sich aber auch, ob eine nett gemeinte Empfehlung wie

Es ist besser, dass einer von euch mit einem Eisenstachel in den Kopf gestochen wird, als das er eine Frau berührt, die er nicht berühren darf.

nicht einen gewissen Erwartungsdruck aufbaut? Der Grund, warum man den Eisenstachel vorziehen soll, ist natürlich, dass die weibliche Berührung den Mann erregen und damit zu allem möglichen Blödsinn verführen kann. Dieser Blödsinn ist das Problem, das mit allen Mitteln vermieden werden soll, nicht die Berührung selbst. Doch da der Blödsinn bei muslimischen Männern offenbar unausweichlich ist, wenn sie erst mal geil sind, muss eben die Geilheit mit allen Mitteln unterbunden werden.

Ich meinte eigentlich Fenchel in Leggings und nicht Fenchel auf Leggings – aber wahrscheinlich kommt es aufs gleiche raus.

Da haben wir Männer im Westen es schon besser. Wir brauchen nur kurz an Fenchel in Leggings zu denken und schon ist tote Hose1.

Solchen Empfehlungen setzen Rolligkeit mit einer tickenden Zeitbombe gleich. (Und um eine Bombe zu entschärfen würde selbst ich mir mit einem Eisenstachel in den Kopf stechen. Jeder Mensch mit einem Fünkchen Anstand würde das tun. Zumindest vorsichtig.) Damit wird Angst geschürt und die möglichen Konsequenzen einer weiblichen Berührung werden als fürchterlich gefährlich dargestellt. Doch das Problem ist, dass wo die Angst lauert, in der Regel nicht viel Freiheit herrscht.

Wenn er den Zwang aus der religiösen Empfehlung hätte heraushalten wollen, hätte der Prophet eher verkünden sollen, dass es besser sei ein Schokoladeneis zu essen als einer fremden Frau die Hand zu geben. Damit hätte er recht gehabt, es hätte den gleichen Anit-Wuschelig-Effekt und das, ohne damit irgendwem eine Heidenangst einzujagen.

Nur so nebenbei bemerkt, diese drakonische Praxis ist auch dem Christentum nicht unbekannt:

Wenn di dein zesms Aug strauchen laasst, naacherd reiß s aus und schmeiß s wögg! Lieber laauffst mit aynn Glid weeniger umaynand, als däßst als ayn Gantzer eyn d Höll abhingworffen werst.
Matthäus 5:29

Rohe Gewalt (respektive das In-Aussicht-stellen von roher Gewalt) scheint in Erziehungsfragen seit jeher das beste Mittel gewesen zu sein…

Unterdessen wissen wir aber, dass man „Gewalt“ auch subtiler einsetzen kann. Es muss nicht mehr unbedingt die Rute sein, den gleichen – wenn nicht sogar den besseren – pädagogischen Effekt erzielt man (um beim Beispiel von oben zu bleiben) mit dem Entzug aller Schokoladeneisprivilegien2.
Das Dilemma im Zusammenhang mit dem von Herrn Farhad Afshar geäusserten Gedanken ist meines Erachtens aber folgendes: Erziehung – ob nun mit roher oder subtiler Gewalt – ist stets eine Form von Zwang. Man lässt die Kinder nicht frei entscheiden, ob sie sich an die gesellschaftlichen Regeln halten wollen, sondern bringt sie auf die eine oder andere Weise dazu, sich diesen zu unterwerfen3. In der Hoffnung, dass sie irgendwann einmal – genau wie wir selbst – erkennen werden, dass das eigentlich eine ziemlich vernünftige „Entscheidung“ war. Wenn nun aber für den Islam, wie Herr Farhad Afshar sagt, die Freiheit in der Entscheidung so wichtig ist, dann müsste man die Religion von der Erziehung trennen und deren Konzept den Leuten erst in einem Alter näher bringen, wo sie sich tatsächlich selbstständig und frei dafür oder dagegen entscheiden können.
Womit man bei den Freidenkern übrigens offene Türen einrennen würde…

Eine Frage bleibt aber noch offen. Nämlich ob Geilheit wirklich so gefährlich ist? Es ist unbestritten, dass Erregung zu fatale Veränderungen im Entscheidungsfindungs-Prozess der Betroffenen führen kann4, das heisst aber nicht, dass wir uns nicht dagegen wehren können. Tatsächlich ist es gerade die Tabuisierung der Erregung und deren pauschale Verteufelung, welche die Leute daran hindert zu lernen mit der Situation umzugehen und wirkungsvolle „Rettungsstrategien“ zu entwickeln. Nicht selten leiden gerade die am meisten unter den Folgen einer unmoralischen Handlungsweise, während anderen, die damit kein Problem haben, diese erspart bleiben5.

Die schrecklichen Konsequenzen lassen sich also durchaus in den Griff kriegen. Vielleicht sind Gott die Konsequenzen auch egal und er mag es einfach nicht, wenn die Menschen sich in diesem Zustand befinden (und es in den Griff kriegen;).

Vom richtigen Zeitpunkt die Zähne zu putzen

und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!
Markus 1,15

Wenn ü2000 Jahre nah sein soll, dann kann doch nur von geologischen Zeiträumen die Rede sein, oder? Mitnichten, die Vertreter des Junge-Erde-Kreationismus1 sind überzeugt, dass etwas bereits dann nah ist, wenn etwas anderes (ich schätze mal gleichwertiges) doppelt so weit weg ist:

(1) A&E…………………………………J………………..H

J stellt übrigens die oben zitierte Verkündung von Jesus dar. A&E steht für Adam und Eva, die gelebt haben als die Welt2 erschaffen wurde, und H symbolisiert heute, den frühest möglichen Zeitpunkt des prophezeiten Endes E. Und jeder einzelne Punkt dazwischen ist ein ganzes Jahrhundert.

J ist nach dem Verständnis der Kreationisten also nicht nur näher an H, sondern auch nah an H. Natürlich nur unter der sehr plausiblen Bedingung, dass die Welt noch bis Ende der Woche untergeht (H ≅ E). Andernfalls könnte die Sache irgendwann einmal so aussehen:

(2) A&E _ _ _ _ J _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ E

Ein Strich ist ein Jahrtausend und J zwar nicht mehr näher an E,  nach dem Verständnis der Kreationisten nichtsdestotrotz aber immer noch nahe an E. Wie das sein kann? Weil Bibel!

Aber vielleicht erspart Gott seinen Anhängern ja die Schmach solchen Blödsinn noch länger glauben zu müssen und beruft bereits nächsten Donnerstag das Jüngste Gericht ein. Lassen wir daher die Geschichte der Menschheit lieber noch ein letztes mal Revue passieren. Aufs wesentliche reduziert3. In einer anschaulichen Form:

Um 7 Uhr weckte Gott Adam und Eva.
Adam und Eva toben rum.
Um 12 Uhr versuchte Gott sie zu ersäufen.
Adam und Eva toben rum.
Ab 13 Uhr verstehen sich Adam und Eva nicht mehr.
Adam und Eva toben trotzdem weiter rum.
Um 17 Uhr ermahnte Gott Adam und Eva sich die Zähne zu putzen, weil die Schlafenszeit schon nahe sei.
Adam und Eva toben rum.
Ab 21 Uhr steigt ne Party.
Die Party ufert ein bisschen aus.
Um 22 Uhr werden Adam und Eva eingeschlaft.

Wenn die Eltern um 17 Uhr das Haus verlassen und die Kinder für den Rest des Abends sich selbst überlassen, dann ist es im Hinblick auf die Zahnhygiene vielleicht gar keine so schlechte Idee die Kinder sich die Zähen putzen zu lassen. Zu erwarten, dass sie es den ganzen Abend über tun und dadurch keinen Unsinn anstellen werden, halte ich jedoch für ziemlich blauäugig. Insbesondere wo die Kinder in der gleichen Zeitspanne am Morgen die Eltern dermassen zur Weissglut brachten, dass diese keine andere Lösung sahen, als das Kinderzimmer zu fluten, und sich auch am frühen Nachmittag nicht wirklich vorbildlich benommen haben.
Überhaupt frage ich mich, ob es eine gute Idee ist, solche Kinder so lange allein zu lassen…
Ob Gott tatsächlich das Haus verliess, darüber lässt sich natürlich streiten. Fest steht aber, dass er ab 17 Uhr keine öffentlichen Auftritte mehr hatte, während es diese vorher immer mal wieder gab. Er mag hie und da zu diesem oder jenem gesprochen haben, doch entspricht das eher einem kurzen Telefon-Anruf, welcher den Betroffenen zwar schon, die Umstehenden allerdings so gut wie gar nicht beeindruckte. Eine wilde Bande lässt sich damit sicher nicht zähmen.

Die Party steht übrigens für die Bevölkerungsexplosion der letzten zweihundert Jahre, die – in Anbetracht Gottes Allwissenheit – gewissermassen für diesen durchaus sichtbar auf Facebook angekündigt wurde und die Hoffnung, dass sich die Kinder stattdessen weiter die Zähne putzen werden, wie eine Schneeflocke in der Wüste schmelzen lassen sollte.

 

Damit will ich nicht behaupten, dass man Kindern nicht vertrauen könne. Ich denke einfach, dass sie sich das Vertrauen langsam verdienen müssen. Und ich wüsste kein Ereignis in der Bibel, wo sich die Menschheit als vertrauenswürdig und verantwortungsbewusst erwiesen hätte. Gott gehorcht haben sie eigentlich nur dann, wenn er ihnen befahl irgendein Volk auszurotten.

Religion des Friedens

Obelix und seine LiebenswürdigkeitOb man eine Religion als friedliebend bezeichnen kann, hängt meines Erachtens nicht von ihrem Ziel ab eine friedliche Gesellschaft zu erschaffen, denn dieses Ziel teilen ALLE Religionen, sondern vom Weg, den die Religion vorgibt, um dieses Ziel zu erreichen.

Religionen formulieren Werte und stellen Regeln auf, die ein harmonisches Zusammenleben ermöglichen sollen1. Die Grundidee dabei ist, dass wenn ALLE exakt die von der Religion gestifteten Werte übernehmen und ihr Leben entsprechend den von der Religion vorgegebenen Regeln führen, dass dann einem idyllischen Leben nichts mehr im Wege steht2. Das Problem ist aber, dass wenn nicht wirklich ALLE die Werte übernehmen und ihr Leben nach jenen Regeln führen, dass dann für die Harmonie keine Garantie übernommen werden kann. Nicht mal für die, die es tun. Wie also bringt man auch den hintersten und letzten dazu, sich zu seinem eigenen Wohl die Lehren der Religion zu Herzen zu nehmen? Und genau an der Antwort auf diese Frage muss man die Liebenswürdigkeit einer Religion messen!

Von einer Religion des Friedens würde ich erwarten, dass sie das ohne Gewalt hinkriegt. Auch ohne Androhung derselben. Weder im Diesseits noch im Jenseits.
Ich sage nicht, dass Gewalt grundsätzlich etwas schlechtes ist. Manchmal ist sie der einzige Weg um etwas wünschenswertes zu erreichen und dann soll man diese ruhig zu Hilfe nehmen. Man kann es dann einfach nicht mehr eine „friedfertige Lösung“ nennen.

Wir benamsen eine Erziehungsmethode – und nichts anderes ist eine Religion – schliesslich auch nicht nach dem erhofften Ergebnis, sonst würden alle Erziehungsmethoden „Tolle Erziehungsmethode“ heissen, sondern eher nach den Mitteln, die zur Erziehung verwendet werden.
Selbst wenn die Heranwachsenden am Ende friedfertig, höflich und hilfsbereit sind, wenn man es ihnen mit Schlägen und Drohungen eingetrichtert hat, dann war es keine „friedfertige Erziehung“. Ich will damit nicht sagen, dass man Kinder nicht schlagen soll3, ich sage nur, dass, wenn man es tut, es nicht eine „friedliche“, „friedliebende“ oder „friedfertige“ Erziehung genannt werden kann.
(btw. Was die Beurteilung einer solchen Methode betrifft, so sollten wir uns auch da weniger vom erhofften Ergebnis blenden lassen, sondern erst mal die realen abwarten4. Und wenn die endgültigen Ergebnisse aus kategorischen Gründen nicht vorgelegt werden können, dann müssen wir uns halt mit den provisorischen begnügen.5 Doch hier geht es nicht um die Beurteilung, sondern lediglich um die Zuschreibung von Attributen.)

Die frohe Botschaft ist aber, dass dem Christentum (wie wohl jeder anderen Religion genauso) nicht viel fehlt um eine in diesem Sinne „friedliche Religion“ zu werden.  Sie bräuchte lediglich die Bestrafung für die Abkehr von Gott zu streichen6. Und sie sollte auch aufhören die Menschen daran zu hindern, das zu tun, was sie wollen – insbesondere dann, wenn sie damit niemandem schaden.
Gott darf gern seine Wünsche formulieren und er darf auch gern diejenigen belohnen, die ihm diese erfüllen, doch er sollte niemanden dafür bestrafen, wenn er ihnen nicht nachkommt. Wenn er uns erklärt, dass er an seinem Tisch niemanden haben will, der sich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlt, dann können wir damit leben. Wir entscheiden uns, ob uns die Sodomie wichtig genug ist, um damit auf ein gewissen Bonus zu verzichten. An anderen Tischen aber weniger oder vielleicht sogar gar nichts zu servieren, steht ausser Debatte, denn das ist ein Akt von Gewalt7.
Hier zu sagen, die Leute hätten die Wahl gehabt, sie hätten sich aus freien Stücken für den Hunger entschieden und müssten nun eben die Konsequenzen tragen, hat auch seine Tücken. Weil jemanden  zu einer Entscheidung zu zwingen, noch bevor er über genügend Informationen verfügt um eine nach eigener Einschätzung fundierte Entscheidung treffen zu können, ist auch eine Form der Gewalt, denn auch hier nutzt man seine Macht um jemanden etwas tun zu lassen, was er nicht will. Zur Illustration vielleicht das folgende Szenario: Es werden einem zwei Pillen gegeben. Eine blaue und eine rote. Die blaue lässt das das Kopfweh verschwinden. Die rote lässt den Kopf explodieren. Man hat die freie Wahl. Bloss dass diese ganze Übung in einem Raum ohne Licht stattfindet. Ist dann wirklich keine Gewalt im Spiel? Auch dann nicht, wenn es ausserdem noch heisst, dass wenn man sich nicht innert einer unbekannten Frist nicht entscheidet, man so oder so die rote Pille bekommt? 8

Aber natürlich hindert niemand Gott daran, Leute zu Entscheidungen zu zwingen und sie für die falsche zu bestrafen. Es steht ihm frei zu tun und zu lassen, was immer ihm beliebt. Und er darf gern auch überzeugt davon sein, dass er damit seine Liebe gegenüber den Menschen zum Ausdruck bringt. Doch wenn man hierbei von einer friedfertigen Erziehungsmethode spricht, dann hat man irgendwie den Sinn für die Realität verloren.

Verzeihen und Nachtragen

Dass die Regierung der Vereinigten Staaten, der Vatikan und die Pharma in der Vergangenheit nachweislich gelogen haben, ist bekannt. Das Problem ist aber, dass daraus leider nicht zwangsläufig folgt, dass alles, was sie jetzt sagen, gelogen ist.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht!

Man kann es den Dorfbewohnern aus dem Märchen „Der Hirtenjunge und der Wolf“ natürlich nicht verdenken, dass sie sich nach dem x-ten falschen Alarm nicht mehr ganz so beeilen dem Hirten zu Hilfe zu eilen, doch wenn man davon ausgeht, dass der Hirte die Schafe des ganzen Dorfes gehütet hat, dann hätte es der Prosperität des Dorfes sicher nicht geschadet, wenn die Leute nicht so nachtragend gewesen wären.

Auf den ersten Blick mag es daher vielleicht so erscheinen, dass uns das Märchen lehrt, dass Lügen unerfreuliche soziale Konsequenzen nach sich ziehen können. Was natürlich durchaus stimmt. Doch wenn man sich vergegenwärtigt, dass hier den Schaden vor allem die Dorfgemeinschaft hat, weil sie es versäumte ihren Tieren zu Hilfe zu eilen, dann erkennen wir, dass es drastische Konsequenzen haben kann, wenn man auf Basis von Mutmassungen Entscheidungen trifft. Oder um es etwas zeitgemässer zu formulieren, dass die Erfahrung ein sehr unzuverlässiger Ratgeber ist.
Statt dem Hirten einfach nicht mehr zu glauben, hätten die Dorfbewohner lieber dafür gesorgt, dass er nicht mehr lügt – gern auch mit den für Märchen typische drakonischen Strafen. Auf die Reaktionszeit ihrer „Feuerwehr“ sollten dagegen solche Erfahrungen lieber keinen Einfluss haben.

Die Fähigkeit zu Verzeihen ist zweifellos ein bedeutender zivilisatorischer Schritt, denn ohne diese schlittert man früher oder später aufgrund der menschlichen Natur beinahe schon zwangsläufig in einen Teufelskreis. Kein Wunder daher, dass Jesus die Menschen dazu auffordert, auch die andere Backe hin zu halten und – ganz wichtig – es dem Übeltäter nicht nachzutragen.
Jesus erklärt zwar nicht, wie man den Grobian „umerziehen“ soll, doch zumindest legt er uns nahe, aus der Erfahrung nichts zu lernen. Was uns auf das obige Märchen übertragen einen Muskelkater kostet, aber nicht die Herde.

Dafür, dass das Verzeihen eins der zentralen Konzepte des Christentums ist, ist es dann aber schon erstaunlich, dass ganz besonders aus den Reihen der fundamentalen Christen der Regierung der Vereinigten Staaten, dem Vatikan und der Pharma kategorisch nicht geglaubt wird. Nicht gerade sehr christlich, will mir scheinen.

Kein Wort von Gott

Im Zug, im Nachbarabteil sitzt eine Familie mit drei kleinen Kindern und ner Kinderbibel auf dem Tischchen. Eins der Kinder heisst Jonas, das andere Eleonora. Und der Vater trägt Sandalen.
Im Abteil hinter mir erklärt eine Frau, dass das Verteilen von Bibeln in Schulen kein missionieren sei, sondern schweizer Kultur.Ich bin ein ziemlich extremer Atheist – im Sinne von, dass ich mich nicht zurückhalte, dies auch zuzugeben -, doch ich habe meiner dreijährigen Tochter, bisher noch nie erklärt, dass es einen Gott nicht gibt. Ich habe schlicht und ergreifend noch keine Notwendigkeit gesehen überhaupt über Gott zu sprechen. (Der Osterhase, der Weihnachtsmann und das Christkind wurden hingegen durchaus schon thematisiert, allein schon, weil sie in unzähligen Kinderbüchern vorkommen. Und ihnen ihre Existenz abzusprechen würde mir nicht im Traum einfallen. Zum einen, weil ihr an Bedingungen geknüpfter Geschenksegen durchaus motivierende Wirkung zeigt, und zum anderen, weil ich mich freue, dass sie es durchschaut und zur Skeptikerin wird.)
Die Grossmütter erzählen ihr zwar Geschichten von Jesus, doch das lässt mich kalt. Ich erzähle sie nicht. Und kommentiere sie auch nicht weiter.
So oder so ist Rotkäppchen für meine Kleine wesentlich spannender. Und auch bei ihr geht es um die Wahl des richtigen Weges und irgendwie darum, dass sie von den Toten aufersteht.

Ich frage mich, wieviel die gleichaltrigen Kinder in Religiösen Familien wohl schon von Jesus und Gott gehört haben? Und welche Antworten sich die Eltern erspart haben durch einen Verweis auf diese?

Welchen Vorteil hat es wohl, den Bibelgeschichten einen anderen Fiktionsstatus zuzusprechen als die Märchen der Brüder Grimm?

Die Sandalen des oben erwähnten Vaters mit den drei Kindern und der Kinderbibel waren übrigens die gleichen wie meine. Ich trug zu diesen aber keine (schwarze) Socken.

Moralisches GPS

Das Zürcher Opernhaus inszenierte am letzten Samstag eine Sexorgie auf der Bühne, angeblich als integralen Bestandteil des Stücks „The Rake’s Progress“. In Wien wurde es im November für Jugendliche unter 18 verboten, hier besteht jedoch keine Altersfreigabe. Politiker sind entrüstet, während der Intendant Alexander Pereira eloquent festhält, dass es Alterslimiten brauche, um Kinder und Jugendliche vor Pornographie zu schützen, nicht jedoch vor der Kunst.
Mich beeindruckt, wie sicher er sich der Seite ist, auf welcher er sich befindet.