So schreibt man also heute

Albert Pfisters „Abendstimmung mit Pilatus“ – dieses Bild hing im Seminarraum

Ist es nicht seltsam, wenn man im Kurs So schreibt man heute den Rat bekommt, auf Passivsätze, Substantivketten, Adjektive, tote Verben und Kursiva zu verzichten, weil sie heutzutage eine wahre Plage seien?

Ich will ja nicht bestreiten, dass diese Undinge den Lesefluss behindern und jeder Text von ihrer Abwesenheit nur profitieren kann, das ändert aber nichts daran, dass die meisten Leute heute genau diese Undinge verwenden, ergo man heute so schreibt. Insofern hätte der Titel der Veranstaltung eigentlich eher lauten sollen: So schreibt man hoffentlich morgen oder So sollte man heute lieber nicht mehr schreiben oder – idealerweise – So schreibt man lesefreundlich.

Als Schreiber von Mails und anderem ist mir allerdings noch wichtiger als die Lesefreundlichkeit, dass möglichst viel vom Geschriebenen hängen bleibt. Also dass der Angeschriebene zum korrekten Zeitpunkt am korrekten Ort mit den korrekten Dokumenten erscheint.
Ich will ja nicht bestreiten, dass unverstehbare Texte das nicht hinkriegen, doch wenn ich die Wahrscheinlichkeit, dass etwas hängen bleibt, durch den einen oder andern Holperer steigern kann, dann werde ich den Text holpern lassen.

Ob man einen Text lesefreundlich gestalten soll, ist eine ästhetische Frage.
Ob er nachhaltig ist dagegen eine empirische.

Wäre es da nicht eine gute Idee, mal zu untersuchen wie holperflüssig ein Text sein muss, damit ein Text so verstanden wird, wie der Autor es beabsichtigt?
Insbesondere bevor man Leute lehrt, wie man schreiben soll?

 

In Ermangelung solider empirischer Daten will mal ein bisschen spekulieren:

Der confirmation bias lässt uns Texten spontan mehr Glauben schenken, wenn sie verständlich und gut leserlich geschrieben sind, während bei unverständlichen und schwer zu entziffernden Texten sofort der Skeptiker übernimmt.
Das heisst, Widersprüche zu bereits gefassten Meinungen werden im Fall eines ansprechend abgefassten Textes mit grösserer Wahrscheinlichkeit einfach überlesen. Und das bedeutet, dass Lesefreundlichkeit durchaus auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen kann.

Das heisst umgekehrt, wer eine möglichst kritische Auseinandersetzung mit seinen Texten will – also beispielsweise Wissenschaftler -, sollte sie schwer lesbar gestalten. Und intuitiv erscheint mir eine kritische Auseinandersetzung mit einem Text eine mehrversprechende1 Strategie als ein nettes Happy-Reading.
Von daher ist auch Fachchinesisch nicht etwa Snobismus, sondern eine Qualitätssicherungsmassnahme. Wobei hier noch zwei wichtige Einschränkungen zu beachten sind:
– Schwer lesbar ist das eine, Mehrdeutigkeit und Missverständlichheit etwas ganz anderes. Letzteres darf ein Text nie und nimmer sein!2
– Und schwer lesbar sollte es vor allem für das interessierte Publikum sein, nicht jedoch ausschliesslich für unbeteiligte Laien – weil dann ist es sehr wohl Snobismus.

 

Wie gesagt, es ist ein schönes Gefühl einen gut geschriebenen Text zu lesen. Das erspart einem aber nicht notwendigerweise, dass man später alles falsch macht. Dann wird man frustriert sein, aber die Schuld dafür in der Regel nicht dem Text geben.
Wenn der Text jedoch holprig geschrieben ist, ist man wütend während des Lesens. Und der Umstand, dass man alles richtig gemacht hat, hellt die düstere Stimmung bezüglich des Textes später nicht wirklich auf, weil man sich nicht bewusst ist, dass man es eben gerade nur deshalb richtig gemacht hat, weil man wütend war.
Zweifellos eine Zwickmühle mit lauter falschen Schuldzuweisungen. Da gilt es geschickt abzuwägen…

Update zu Einsteins Zapfen

Am 22. Juni 2017 habe ich exklusiv über den Baum berichtet, dessen Zapfen Einstein auf die Idee mit der (speziellen) Relativitätstheorie hätte bringen können. Und heute wird der Baum untersucht. Kann das ein Zufall sein?

Wer will einen Einsteinschen Zapfen Bruder kaufen?
Wer weiss, wie sich der Preis entwickeln wird, wenn erst die Ergebnisse der Untersuchung publiziert werden?

H2O – Plötzlich Meerjungfrau

Da sind diese drei Mädchen, Cleo, Emma und Rikki, die sich nach einem astrologischen Zwischenfalls in einem Kratersee, jedesmal wenn sie mit Wasser in Kontakt kommen, in Meerjungfrauen verwandeln. Abgesehen von dieser Eigenschaft, die es ihnen verunmöglicht je wieder Geschirr zu spülen, verfügt jede von ihnen neu auch über eine besondere Fähigkeit: Cleo kann Wasser verformen, Emma es gefrieren und Rikki es erhitzen.
Und nun verbringen sie ihre Zeit damit in Anwesenheit anderer Wasser zu meiden, zu pubertieren und hie und da eine Schildkröte zu retten1.

Und das, während sie mit ihren Fähigkeiten genau so gut Dürren beenden, Energieengpässe beheben und den Klimawandel abwenden könnten! Was für eine grausame Verschwendung…

Ihre grösste und einzige Sorge gilt dem nicht entdeckt werden. Klar, für Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten besteht immer die Gefahr, dass sie sich irgendwann auf einem Sezier-Tisch wiederfinden und irgendwelche Behörden, Konzerne, Verbrechersyndikate oder traditionelle chinesische Mediziner dabei ertappen, wie sie aus ihren Eingeweiden Profit zu schlagen versuchen. Schliesslich vermögen diese Meerjungfrauen Dinge zu tun, für die eigentlich Unmengen an teurer Energie nötig wären.
Doch selbst in diesem Worst-Case-Szenario werden die Erkenntnisse mit der Zeit durchsickern2 und der Welt damit einen wesentlich grösseren Dienst erweisen, als wenn die Fähigkeiten geheim gehalten und lediglich zur Vertuschung eben jener Fähigkeiten eingesetzt werden. Vielleicht mal abgesehen von der TMC, denn die ist weniger daran interessiert, sich die zugrundeliegenden Mechanismen zunutze zu machen, als viel mehr die Mädels zu Pillen zu verwursten und als Potenzmittel zu verkaufen3.
Für viel wahrscheinlicher halte ich jedoch, dass solche „Mutanten“ von Instituten untersucht werden würden, die ihre Vorgehensweisen von Ethikkommissionen absegnen lassen müssen. Und dass diese Ethikkommissionen ihren Namen auch wirklich verdienen. Das heisst nicht, dass am Ende nicht irgendwelche skrupellosen Geschäftsleute durch windige Tricks sich die ganzen Patente unter den Nagel reissen, doch das hindert uns zumindest nicht daran – im Austausch gegen horrende Lizenzgebühren – die Welt dennoch zu retten.

Ein Gedanke am Rande: Diese optimistische Einschätzung, nämlich dass das Studium der Mädels ihnen kein Leid zufügen würde, leite ich übrigens aus folgender Überlegung ab: Seinen Profit steigern kann man nicht nur damit, dass man die Konkurrenz madig macht, sondern noch viel mehr, indem man sich deren Know how einverleibt. Wenn die Magie (=Esoterik) also tatsächlich funktioniert, dann liesse sich die Wirkung eines schulmedizinischen Medikaments in jeder beliebige Richtung enorm optimieren, wenn man am Ende der Produktionskette einen Alternativmediziner (gern auch gegen dessen Willen) die Präparate segnen (oder was auch immer) liesse. Eine „Investition“, der die Pöse Pharma unmöglich widerstehen könnte. Dass dies aber offenbar nicht gemacht wird, schliesse ich aus der Abwesenheit von Verschwörungstheorien, die das mysteriöse Verschwinden von Wunderheilern, Wahrsagern und Wünschelrutengängern thematisieren.
Okay, das Fehlen der entsprechenden Verschwörungstheorien könnte natürlich auch daran liegen, dass jene, die Verschwörungstheorien verbreiten, die das thematisieren, von geheimen Organisationen mundtot gemacht werden – was dann allerdings wohl auch zur Folge hätte, dass dieser Artikel hier nie von irgendwem gelesen wird…

Ich finde es schade, dass in so vielen Geschichten die Wissenschaft als eine Gefahr für Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten betrachtet wird. Und im Fall von H2O ganz besonders, weil die einzige Person, welche die Meerjungfrau in ihr Geheimnis einweihen, der Klassenkamerad und Wissenschafts-Nerd Lewis ist, welcher die Verwandlung mit wissenschaftlichen Methoden4 zu ergründen und behandeln versucht – man wäre als theoretisch in der richtigen Richtung unterwegs gewesen.
Man könnte den Drehbuchautoren anrechnen, dass sie die Mädels erst gar nie in den Fokus von Wissenschaftlern und skrupellosen Geheimbehörden und Verbrechensyndikaten kommen lassen und sich damit die unweigerlichen Verfolgungsjagden und grausame unterirdischen Laboratorien ersparen, schliesslich ist es ja eine Teenie-Serie mit weiblichem Zielpublikum. Andererseits passieren durchaus Dinge, die jeden vernünftigen Menschen stutzig machen und die Polizei alarmieren lassen würden: Ich will hier nicht spoilern, aber wenn ein Mädchen (sich in einer Juice-Bar mit Wasser bekleckert und dann – um die sich 10 Sekunden später erfolgende Verwandlung zu verheimlichen -) vom Balkon ins Hafenbecken stürzt, dann sollte es die Gäste doch eigentlich schon stutzig machen, wenn das Mädchen nicht mehr auftaucht.

Ich verlange ja nicht, dass alle Bücher und Serien wissenschaftlich sauber sein sollen, alles was ich mir wünsche, ist, dass sie es verdammt nochmal sind! Wenn sie Kindern vorgesetzt werden, dann müssen  sie genauso qualitativen Mindestanforderungen erfüllen wie Nahrungsmittel und Spielzeuge. Wir schützen sie vor der Darstellung von Sex und Gewalt, die es in unserer Welt durchaus gibt, stören uns aber nicht daran, wenn man einen auf die Erde zustürzenden Kometen (eine durchaus reale Gefahr) mit Magie abwendet? Was nehmen die Kinder davon mit? Auf jeden Fall nicht, dass sie Ingenieure werden sollen, die an der Asteroidenabwehr arbeiten sollen.

Das heisst natürlich nicht, dass man nicht wissenschaftlich unplausible Elemente in die Abenteuer integrieren darf. Nur zu. Doch diese sollten spezifisch, als solche erkennbar und quasi die Prämissen der Geschichten sein und nicht lediglich ein Hilfsmittel, das man aus dem Ärmel zieht, um einer brenzligen Situation zu entkommen.

Ein paar Beispiele zur Illustration:
In „Star Trek“ ist eine der Prämissen das Beamen. Man anerkennt deren physikalische Problematik und löst sie mit dem Heisenbergkompensator. Umgekehrt stellt man sich aber auch allen Konsequenzen, die sich daraus voraussichtlich ergeben werden5. Das ist okay.
In „Harry Potter“ dagegen benutzt Hermine im dritten Buch/Film einen Zeitumkehrer. Zweifellos eine originelle Idee, doch wurde vorher oder nachher nie irgendwo erwähnt, dass nicht nur die Wahrnehmung der Zeit durch Magie manipulierbar ist, sondern auch die Richtung. Was insofern wichtig gewesen wäre, weil man mit einem solchen Apparat in der Zeit zurück hätte reisen und Tom Riddle daran hindern können, mit dem Unfug überhaupt erst anzufangen. Klar, geklappt hätte das natürlich nicht, was aber nicht heisst, dass man es nicht dennoch versucht haben würde. Unter dem Strich hätte die Geschichte ganz anders aussehen müssen. Denn Zeitreisen, wenn es sich dabei nicht zum ein zufälliges, nicht reproduzierbares Phänomen handelt, spielen IMMER die Hauptrolle. Von daher ist der Zeitumkehrer in Harry Potter ganz und gar nicht okay.
Im „Per Anhalter durch die Galaxis“ verstehen sich alle Spezies im Universum dank des Babelfisches. Das ist okay.
In „Game of Thrones“ ist die Mauer so gross, dass sie ihr eigenes Gewicht unmöglich tragen kann. Es ist Magie im Spiel, welche aber irgendwie niemand so richtig im Griff hat. Das ist zwar keine befriedigende Erklärung, aber zumindest ist die Frage noch irgendwie offen und es ist möglich, dass sie noch beantwortet wird. Das ist zumindest solala.

Dagegen, dass es in H20 Meerjungfrauen gibt, die über Wasserkräfte verfügen, habe ich nichts. Das ist die Prämisse der Geschichte. Dass sie sich weigern damit zum Arzt zu gehen, weil sie eine falsche Vorstellung davon haben, was dieser mit ihnen anstellen will, kann ich auch noch akzeptieren – wünschte mir aber, dass diese verzerrte Weltbild thematisiert würde. Was jedoch nicht geht, ist, dass die Menschen um die Mädchen herum so bescheuert sind und nicht merken, dass die Gesetze der Physik gerade komplett ausser Kraft sind. Das heisst nicht, dass es nicht eine plausible Erklärung für die um sich greifende Bescheuertheit in der Nähe von magischen Wesen im Allgemeinen und Meerjungfrauen im speziellen geben könnte, doch die müsste genau die präsentiert werden.
Und wenn man das nicht tut, sollte man nicht senden dürfen.

Das ist keine Zensur.
Zumindest genausowenig, wie es Zensur gegenüber der Spielzeugindustrie ist, wenn man ihnen nicht erlaubt selbstentzündbare Babyspielzeuge auf den Markt zu bringen.