Die grosse Verführung

BoobsIst eigentlich ziemlich nett raffiniert vom Teufel, dass er vor allem auf die Verführung setzt, denn im Gegensatz zu anderen Strategien der Herbeiführung von Sinneswandel, wie zum Beispiel Gewaltandrohung oder Gehirnwäsche, ist das „Opfer“ hier wenigstens begeistert/überzeugt/angetan von der Sache. Und sollte es dann zufälligerweise doch gut raus kommen, ist man überzeugt davon, dass man eine gute Intuition hatte, während bei den anderen Methoden – sofern man noch fähig ist, sich daran zu erinnern – das ernüchternde Gefühl zurück bleibt, dass man zu seinem Glück gezwungen wurde.

Es gibt grundsätzlich zwei Formen der Verführung: Argumente (möglicherweise nicht gültige) und Brüste (möglicherweise nicht echte). Da aber weder die Anwesenheit von Argumenten noch die von Brüsten die Korrektheit der Hypothese garantiert, die man ihretwegen akzeptiert hat, kann man die Unterscheidung auch ignorieren.

Wenn ich verführt werde, halte ich das, wozu ich gerade verführt werde, für richtig. Es wird sich erst später herausstellen, dass es doch nicht richtig war und das ich bei sorgfältigerer Überprüfung der „Argumente“ es eigentlich hätte ahnen müssen. Und dass der, der mich verführte, es von vornherein wusste und mich absichtlich von den Unstimmigkeiten in der Argumentationskette abgelenkt hat. (Ein Verführer, der überzeugt ist von der Richtigkeit seines Schlusses und der Gültigkeit der Argumente, die diesen nahe legen, ist kein Verführer.)

Wir gehen hier übrigens mal stillschweigend davon aus, dass das Richtige sich mit der Zeit tatsächlich als richtig herausstellen wird und dass das Falsche als falsch. Und dass es weder falsch positive, noch falsch negativ gibt. Und dass es eine Folge von logischen Schritten gibt, die das erklären kann. Voraussetzung, die im Kontext von religiösen Überzeugungen oft nicht – zumindest nicht im Diesseits – gegeben sind. So wird sich beispielsweise ein homosexueller Lebenswandel im Diesseits nicht als nachteilig erweisen – zumindest nicht, wenn irgendwelche religiösen Fanatiker nicht nachhelfen.

Sagen wir also, dass wir im Nachhinein immer wissen, dass und wie wir verführt wurden.
Wie aber stelle ich als bibelkonformer Christ fest, ob das, was ich gerade prüfe, wirklich gut und behaltenswert ist (vgl. prüft aber alles und behaltet das Gute, 1. Thessalonicher 5:21 ) und das Gefühl, dass es gut und behaltenswert ist, nicht nur ein durch Verführung herbeigeführte Illusion ist, die sich nach einiger Zeit verpuffen wird?

Die Fortsetzung des von der Verfolgungs-Prophezeihung (Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden. 2. Timotheus 3:12) hilft uns weiter:

Böse Menschen aber und Gaukler werden im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden. Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die vermögend sind, dich weise zu machen zur Seligkeit durch den Glauben, der in Christo Jesu ist. Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, auf daß der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt.
2. Timotheus 3:13-17

Die Prüfung besteht also einzig uns allein im Abgleich mit der Bibel. Selbstständiges Denken ist keine Option – ganz im Gegenteil. Dass die richtige Position auch durch sich selbst überzeugend sein könnte, wird gar nicht erst in Betracht gezogen. Der richtige Weg wird gelernt und befolgt und basta.
Dass es auch gute Gründe für den Weg geben kann, beispielsweise indem Evidenzen für diesen sprechen, ist irrelevant und daher zu ignorieren. Weil Gründe ein Teufelswerk sind.

seinetwillen meinetwegen

[…] und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden.
Matthäus 10:39

Auf einen Märtyrer trifft das zu.
Auf einen Kreuzritter, der in der Schlacht stirbt, aber auch.
Und eigentlich auch auf den vom Kreuzritter Erschlagenen, weil er durch ein um Jesus willen geschwungenes Schwert starben.

Ob das, was ich einer Sache willen tue, wirklich der Sache förderlich ist, spielt keine Rolle, solange ich überzeugt davon bin, dass sie es doch ist. Es geht allein um die Motivation und die kann durchaus auch auf einem Irrtum beruhen.
Ich kann Schokolade essen um anzunehmen. Ergo kann ich der Schlankheit willen Schokolade essen – zumindest so lange ich keine Zweifel an der Seriosität der zugrunde liegenden Studie hege. Sobald ich Grund habe an ihr zu zweifeln, beispielsweise weil ich einen Artikel lese, der auf die Mängel der Studie hinweist, esse ich die Schokolade nicht mehr Wirklich der Schlankheit willen, sondern eher meiner Lust willen.

Die Frage ist also jeweils, wie nahe es liegt, dass eine bestimmte Handlung im Sinne von Jesus stattfindet.
Ich kann seinetwillen einem Verletzten helfen, weil ich denke, dass er mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter genau da von uns erwartet.
Ich kann seinetwillen eine Kirche bauen, weil ich glaube, dass Jesus das freuen wird. Dass es Stellen in der Bibel gibt, die etwas anderes nahelegen könnten, kann man im Angesicht der vielen Kirchen, die überall rumstehen, glatt übersehen.
Ich kann seinetwillen einen Schwuler töten, weil ich weiss, was er von Homosexualität hält und dass er an den alttestamentarischen Gesetzen erst mal nichts zu ändern beabsichtigte.

Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob ich seinetwillen in die Welt ziehen kann um die Heiden zu bekehren.
Da gibts natürlich den Missionsbefehl in Mt 28:16-20 und von daher wird er sich sicher über meinen Versuch freuen. Selbst dann, wenn ich keinen Erfolg haben sollte.
Im Endeffekt geht es dabei aber um die Rettung der verlorenen Seelen. Natürlich freut sich Jesus über jede gerettete Seele. Jedoch nicht um seiner selbst willen, beispielsweise weil er damit ein populärer Gott geworden ist, sondern vor allem um der geretteten Seele willen.
Und etwas um etwas anderes Willen zu tun, ist doch eigentlich es gleich um des anderes Willen zu tun1.

Wie dem auch sei, etwas seinetwegen zu tun ist toll. Das ewige Leben bringt es aber nur dem, der dabei drauf geht.
Und wie es klingt, tut es das garantiert.
(Könnte man auch sagen, die Motivation heiligt die Mittel und rettet die Opfer?)

Man muss bloss wirklich felsenfest überzeugt davon sein.
Und in den Zustand der absoluten Gewissheit verfällt man bekanntlich viel zu leicht2.
Doch Vorsicht! Egoistische Motive haben hier absolut keinen Platz, denn die machen aus einem seinetwillen sofort ein meinetwillen!

Und das wirft eine heikle Frage auf: Wenn der Märtyrer aufgrund des oben Zitates darum weiss, dass ihm ein Märtyrertod die himmlischen Pforten öffnen wird, und ihm das Trost und Linderung in seinen Qualen schenkt, tut er es dann wirklich noch um Jesus willen oder doch vielleicht bloss um seiner selbst willen?
Auch beim in der Schlacht gefallenen Kreuzritter kommt dieser Verdacht auf, schliesslich nahm ihm dieses Wissen die Angst vor dem Tod, was in einer Schlacht durchaus ein Vorteil sein kann, aber wenigstens plante er nicht zu sterben, respektive schlug nicht die Möglichkeit aus nicht zu sterben, wie es Märtyrer in der Regel tun.
Die besten Karten haben hier aber zweifellos die von den Kreuzrittern Erschlagenen. Die starben um Jesus willen, wussten aber nichts von ihrem Glück, insofern sind egoistische Motive ausgeschlossen.
Die von den Kreuzrittern Erschlagenen haben aber noch ein weiteres Ass im Ärmel: Sie starben auch um Allahs willen! Sie zogen schliesslich in die Schlacht, weil sie dachten, Allah wolle es so. Und auch Allah belohnt seine Streiter, die auf dem Schlachtfeld fallen. Also kriegen die von den Kreuzrittern Erschlagenen zusätzlich zum christlichen Paradies auch noch ihre 72 Jungfrauen!

 

 

Catch 44: Wenn jemand einen anderen Menschen tötet und behauptet es im Auftrag Gottes getan zu haben, dann verschafft er dem Getöteten den Freipass in den Himmel. Was aber, wenn das gelogen war? Macht das einen Unterschied für den Getöteten? Und wer erklärt es ihm dann vor dem jüngsten Gericht?

Das Wunder der Befreiung von einer Sucht

Wenn man religiöse Leute fragt, woher sie ihre Gewissheit haben, erwidern sie ziemlich oft, dass sie ein Wunder erlebt haben. Meist in der Form von einer Sucht, von der sie befreit worden seien.
Ich bezweifle nicht, dass es ein wunderbares Gefühl sein muss, endlich frei zu sein. Und im Angesicht all der früheren Anstrengungen, die sie bis dahin erfolglos auf sich genommen haben, überrascht mich auch nicht, dass sie es sich nur noch durch die Intervention eines übernatürlichen Wesens erklären können. Nichtsdestotrotz braucht das nicht wirklich die einzig mögliche Erklärung gewesen zu sein.
Es stimmt schon, die Befreiung von der Sucht fand zeitgleich mit dem Finden von Gott statt. In solchen Fällen stellt man gern eine Kausalität her. Doch objektiv betrachtet, fanden zu dem Zeitpunkt auch noch ganz andere Dinge statt, so dass die Kausalität auch ganz woanders liegen könnte.

Schauen wir uns an, was Johann Hari zum Thema Sucht zu sagen hat:

[…] maybe we shouldn’t even call it addiction. Maybe we should call it bonding. Human beings have a natural and innate need to bond, and when we’re happy and healthy, we’ll bond and connect with each other, but if you can’t do that, because you’re traumatized or isolated or beaten down by life, you will bond with something that will give you some sense of relief. Now, that might be gambling, that might be pornography, that might be cocaine, that might be cannabis, but you will bond and connect with something because that’s our nature. That’s what we want as human beings.
Johann Hari, 6:03

Als Gott in sein Leben getreten ist, tat er es nicht alleine. Es war eine Gemeinschaft, die an den Süchtigen herangetreten ist. Sie nahm ihn auf und kümmerte sich um ihn. Sie gab ihm die Bindung, die ihm Erleichterung verschaffte. Und wenn man Hari glauben darf, dann reicht das allein schon um das „Wunder“ zu vollbringen. Gott braucht dafür nicht real zu sein.
Okay, manchmal findet ein Süchtiger auch ohne Anreiz von aussen zu Gott, schliesslich gilt Gott (ob zu recht oder unrecht, sei mal dahin gestellt) als ein patentes Heilmittel gegen alle Art von Beschwerden. Ein verzweifelter Suchender wird daher früher oder später auch mal diese Option probieren. In diesem Fall tauscht er eben etwas, das ihm Erleichterung verschafft gegen etwas anderes das ihm Erleichterung verschafft. Ob es Glücksspiel ist oder Pornographie, Esoterik oder ein imaginärer Freund, macht da keinen allzu grossen Unterschied. Auch hier braucht Gott dafür nicht real zu sein.

Dem Menschen ist das Bindungsbedürfnis angeboren. Wie er es befriedigt ist eigentlich egal, so lange es nur befriedigt wird. Bloss dass gewisse Formen gesünder sind und andere ausgesprochen schädlich. Die Bindung zu Menschen ist sicherlich die beste, allein schon auch deshalb, weil sie einen immer wieder auf den Boden zurück bringen, während Ideen und imaginäre Freunde einem auch beim absurdesten Vorhaben nicht Einhalt gebietet.

Und wenn es doch Gott war, der einen von der Sucht befreit hat, dann scheint er mehr Wert darauf zu legen, dass man in einer spannenden Umgebung lebt, welche einem viele Möglichkeiten bietet mit Artgenossen eine Bindung eingeht, als dass man ihn akzeptiert oder auch nur an seine Existenz glaubt (was eine Ratte wohl nicht tut). Sprich, er stört sich nicht am Atheismus, dafür aber unterstützt er vehement die Entkriminalisierung von Drogen – was er durch die Platzierung von Wundern unmissverständlich zum Ausdruck bringt1.