Die Kameliendame

U1_KameliendameFrauen lassen sich die Haare schneiden und werfen uns Männern dann vor, dass wir zum einen nichts merken und zum anderen fürchterlich oberflächlich sind.
Ist das nur für mich ein Widerspruch? Wie kann ich oberflächlich sein, wenn ich die Oberfläche gar nicht bemerke?
Nein, so einfach sind wir nicht gestrickt. Wir sind nicht in der Lage die Farbe des Minis zu benennen, dem wir eben so andächtig hinterher geschaut haben. Nein, wir Männer sind nicht oberflächlich – dafür ist unsere Neurologie schlicht und ergreifend nicht geschaffen. Wir interpretieren das verräterische Kräuseln im Faltenwurf des Kurzen Schwarzen, das schon, wir analysieren die unsichere Vibration im Pfennigabsatz, sicher, und explizieren das fiebrige Beben eines prallen Busens, aber von so was wie der Farbe, geschweige denn der Oberflächenbeschaffenheit dieser Dinge haben wir keinen blassen Dunst.
Muss hier wirklich erst noch an die virile Unfähigkeit erinnert werden zwischen Altweiss, Chamonix, Champagner, Cremeweiss, Eierschale, Elfenbein, Fjordgrau, Lichtbeige und Perlmutt zu unterscheiden?
Nun wäre es aber nichtsdestotrotz falsch Frisur und die Länge eines Rockes über den gleichen Kamm zu scheren. Während nämlich die Quantität an unverhülltem Bein mit dem weiblichen Zyklus korreliert, interferiert die Qualität der Haarpracht einzig mit dem Gemütszustand der Trägerin.
Persönlich würde ich tippen, dass sich da wohl in ferner Vergangenheit mal ein Chamäleon in die maternale Erblinie verirrt hat… Nicht umsonst ist doch einer der erfolgreichsten Filme von Greta Garbo, der einzig wahren Diva überhaupt, gerade die Chamäleondame.

Die perfekte Frau

Es gibt sie doch, die perfekte Frau. Sie sass mir heute im Zug gegenüber und sah aus wie aus einem Hochglanzmagazin gepellt. Gestylt von oben bis unten und bis hinaus zu den künstlichen Fingernägeln. Ihr Dekolleté tief und einladend und ein funkelndes Diamantcollier schmiegte sich genüsslich an ihren Busen.
Das allein macht eine Frau natürlich noch lange nicht zum Inbegriff der Perfektion. Jedoch ändert sich dies mit dem Kochlehrbuch als Accessoire auf ihrem Schoss, welches sie konzentriert und hingebungsvoll studierte.

Ich mag diese Klischee-Kontraste, wie auch kürzlich die hyperaufgetakelte Tusse mit einem Mini, der knapp unter dem Gürtel hervorlugte, Absätzen, die man im Stabhochsprung als halbe Miete bezeichnet, und einem Kinderwagen samt plärrendem Hosenmatz.

Ich liebe Klischees. Man kann sich auf sie verlassen und erlebt immer wieder erfrischende Überraschungen. Natürlich immer vorausgesetzt, man glaubt nicht wirklich an die Klischees.
Klischees sind Metaphern, die uns helfen die Welt zu strukturieren. Sie bilden einen Commonsense, von dem aus man die Eigenarten und Abweichungen der Dinge erforschen kann. Doch wie gesagt, es sind lediglich Hilfsmittel und keine Tatsachen. Zwei verschiedene Dinge, die nur allzu gern durcheinander gebracht werden.