In der Facebookgruppe des Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS) geht es aufgrund eines Beitrags von Giacobbo / Müller zur Zeit gerade ziemlich stürmisch zu und her.
Die beiden Satiriker Viktor Giacobbo und Mike Müller machten sich in ihrer Sendung vom 4.5.2014 lustig über die religiösen Bedenken der Staatsbehörde für Islamische Angelegenheiten in den Vereinigten Arabischen Emiraten, welche eine Fatwa gegen eine mögliche One-Way-Marsmission ausgesprochen hat.
Der IZRS glaubt in den satirischen Kommentaren des Duos einen Akt des #Rassismus0 zu erkennen: „Muslime werden in nie dagewesener Klarheit kollektiv als dumm, rückständig und gefährlich karikiert.“ Und ein paar unserer muslimischen Mitbürger unterstreichen dessen Empörung mit markigen Kraftausdrücken, während andere muslimische Mitbürger die tobenden muslimischen Mitbürger ermahnen keine Fluchwörter zu benutzen, was aber wiederum andere muslimische Mitbürger nicht davon abhält die Witze eigentlich ganz witzig finden.
Wer sich den Beitrag ansehen will, er fängt ab Minute 27:40 an:
Ich frage mich, was die tobenden muslimischen Mitbürger wohl gesagt hätten, wenn die Satire von einem muslimischen Mitbürger stammen würde?
Vielleicht hätten es einige als blasphemisch bezeichnet1, doch in der Regel würde man eher erwarten, dass man mehrheitlich drüber gelacht hätte, denn über die eigene Kultur darf man sich bekanntlich lustig machen.
(Es gibt doch islami(sti)sche Satire, oder?)
Problematisch ist es einzig, wenn man sich über andere Kulturen lustig macht.
Man sagt, die Satire halte der Gesellschaft einen Spiegel vor – auf dass sie über sich selbst erschrickt und sich idealerweise zum besseren wandelt. Er zeigt nämlich Dinge, die eigentlich falsch sein sollten, es aber leider nicht wirklich sind. Und indem man darüber lacht verschwindet die Aura der Unantastbarkeit und man kann sich daran machen die Sache in Ordnung zu bringen.
Da ist schon was dran, nicht umsonst fürchten Diktaturen die Satire wie der Teufel das Weihwasser, schliesslich sind sie mit dem gegenwärtigen Zustand ganz zufrieden und sehen keinen Bedarf an irgendwelchen Reformen. Zumindest nicht jenen, die die Satire nahelegen würde.
(Oder gibt es Satire, die sich über zu viel Menschenwürde lustig macht?)
Wieso ist es aber so wichtig wichtig, wer den Spiegel hochhält?
Man lässt sich von anderen naturgemäss nicht gern belehren, sondern neigt dann instinktiv zu einer Abwehrhaltung, welche einen daran hindert überhaupt in den Spiegel zu schauen. Abgesehen davon, ist es aber eigentlich völlig egal, wer den Spiegel hochhält. Die Frage ist einzig, ob man sich selbst drin wiedererkennt.
In einem Spiegel sollte man das eigentlich immer, doch in Tat und Wahrheit ist die Satire gar kein Spiegel, sondern ein aus Klischee gezeichnetes Bild. Ein Spiegel ist es gewissermassen nur dann, wenn man es dem Porträtierten vorhält.
Wenn man es jemand anderem zeigt, dann macht es sich nur über den Abgebildeten lustig, was – nun ja – nicht unbedingt nett ist. Denn im schlimmsten Fall zementiert es die Klischees statt sie aufzuweichen.
Fazit:
Das heisst, ich darf zwar Witze über Juden machen, aber ich sollte nicht über diese lachen, wenn ich nicht selbst ein Jude bin.
Das klingt jetzt zugegeben etwas seltsam, doch so schlimm, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, ist es gar nicht, denn wir sind alle selbst „Juden“ genug um auch uns darin erkennen zu können. Sei es, dass wir ähnliche Eigenheiten haben, oder dass wir erkennen, dass wir uns von den unterstellten Eigenheiten die Sicht vernebeln lassen.
Hinzu kommt noch ein weiterer Punkt – meines Erachtens der wichtigste. Wenn das Publikum durchmischt ist und alle herzhaft lachen2 , dann verbindet das gemeinsame Lachen mehr als der Spott trennt.
Und genau diesen Punkt haben unsere muslimischen Mitbürger vom IZRS irgendwie übersehen.
Wir lachen bei Giacobbo / Müller, weil wir insgeheim wissen, dass wir selbst auch solche Baustellen haben. Kann es sein, dass der IZRS von irgendwelchen Baustellen einfach nichts wissen will.
0 Der Islam ist keine Rasse. Insofern kann sich über ihn lustig zu machen zwar unhöflich sein, jedoch nie uns nimmer Rassismus.
1 und den Häretiker gesteinigt.
2 Witzigerweise ist das selbst dann gegeben, wenn ein Jude sich in einem Stadion voller Antisemiten befindet – zumindest, wenn dieser es ist, der auf der Bühne die Witze erzählt.
3 Worüber man sich nicht alles lustig machen kann: George Carlin About Rape