Ist es Zensur, wenn man Lügen zum Schweigen bringt?

Demokratie braucht gut informierte Bürger.
Und ein demokratischer Staat muss dafür sorgen, dass seine Bürger gut informiert werden.

Darüber, was es heisst, gut informiert zu sein sein, lässt sich natürlich streiten, doch wird man sich drauf einigen können, dass ein wesentlicher Bestandteil davon eine möglichst wahrheitsgemässe und vollständige Darstellung der Fakten ist, oder nicht?

Zu dumm, dass man sich nicht drauf einigen kann, was wahrheitsgemäss ist. Oder geht das vielleicht doch?
In der Wissenschaft funktioniert es ziemlich gut. Sie versteht unter Wahrheit nämlich eher sowas wie Widerspruchsfreiheit gegenüber sich selbst und gegenüber anderen Theorien. Das ist zwar nur ein relativer Wahrheitsbegriff, aber um damit arbeiten zu können, reicht der.
Es funktioniert in der Wissenschaft unter anderem deshalb so gut, weil nicht wahrheitsgemässe und irreführend unvollständige Darstellungen streng geahndet werden.
Auch die klassischen Medien versuchen diese „relative Lügen“ zu meiden, denn die Reputation einer Zeitung oder eines Verlages steht und fällt mit der Qualität der Publikationen. Insofern hat sich hier die Aufgabe gute Informationen zur Verfügung zu stellen auch ohne Zutun des Staates erfüllt, mehr oder weniger.

Im Internet haben Lügen aber keine grösseren Konsequenzen. Suchmaschinen, welche die Präsentationsaufgabe des Verlegers übernommen haben, scheren sich nicht um den Wahrheitsgehalt der verlinkten Seiten. Das dürfen sie aus Neutralitätsgründen auch gar nicht, denn ihre Aufgabe ist zu finden, was ich suche, und nicht zu beurteilen, ob es stimmt.
Doch die Neutralität, die hier so tugendhaft hochgehalten wird, hat den gleichen Klumpfuss wie die politische Neutralität: Indem man Fehler nicht bewertet, toleriert man sie und schenkt ihnen Glaubwürdigkeit.
Und genau das läuft der Aufgabe des demokratischen Staates zuwider, seinen Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich gut informieren zu können. Eine Gesellschaft, die auf der Qualität ihrer Informationen aufbaut, kann es sich aber nicht leisten Fehlinformationen zu ignorieren.
Von daher ist es nicht abwegig vom Staat zu fordern, dass er Lügen ahndet. Doch das grenzt dann schon fast an Zensur.

Es darf den Leuten nämlich trotz allem nicht verboten werden, zu sagen und zu schreiben, was sie wollen. Die Meinungsfreiheit ist schliesslich wichtig und unter allen Umständen zu schützen.
Doch es gibt kein Recht darauf, dass die eigene Meinung nicht beurteilt werden darf.
Insofern würde sich ein Deklarationssystem anbieten, wo auf der Google Trefferseite neben den Links jeweils eine Art Gütesiegel zu den behandlten Themen steht. So würde beispielsweise neben einem Link zu einer Seite, auf der über Homöopathie geschrieben wird, sei es nun positiv oder negativ, ein Label prangen, auf dem kurz konstatiert wird, dass aus wissenschaftlicher Sicht Homöopathie nicht haltbar ist.
Dies Label müssten natürlich durch eine anerkannte Organisation legitimiert sein. Anbieten würde sich da natürlich die Regierung eines jeden Staates, die UNO oder die Feuerwehr. Ob man dem Label dann effektiv glaubt oder nicht, ist jedem selbst überlassen. Der Staat hat aber seine Schuldigkeit gegenüber seinen Bürgern getan.


 

Wenn ich „Malariaprophylaxe“ google und mir unter den ersten Treffern homöopathische Globuli empfohlen werden, dann trägt der, der mir diese verhängnisvollen Links zur Verfügung stellt, auch eine gewisse (moralische) Mitschuld, wenn ich dermassen schlecht informiert Afrika bereise und mit Malaria heimkehre.
Google wird sich herausreden, dass die Surfer alt genug sind und die Daten mit einer gesunden Skepsis konsumieren sollten, womit er natürlich recht hat, ein schaler Nachgeschmack bleibt aber trotzdem.