Schuld und Sühne

Wenn ein Land was wirklich übles angestellt hat, was muss es tun, damit man ihm das nicht mehr vorwerfen kann?
Wenn eine Firma was wirklich übles angestellt hat, was muss sie tun, damit man ihr das nicht mehr vorwerfen kann?
Wenn eine Familie was wirklich übles angestellt hat, was muss sie tun, damit man ihr das nicht mehr vorwerfen kann?

Der materielle Schaden ist in der Regel relativ schnell behoben, was jedoch viel schwerer wiegt, ist die Enttäuschung darüber, dass die Mechanismen, die dies hätten verhindern müssen, nicht angesprungen sind. Und es ist nicht leicht, das Vertrauen wiederherzustellen, dass die Mechanismen das nächste Mal – auch wenn die Konstellation etwas anders sein wird – doch funktionieren werden.

Das braucht Zeit, doch noch wichtiger ist, dass man sich und allen anderen eingesteht, dass die Mechanismen tatsächlich versagt haben, obschon sie eigentlich hätten funktionieren sollen. Und natürlich sollte man die Mechanismen auch irgendwie flicken.
Andernfalls besteht ja kein Grund anzunehmen, dass das nächste mal bei einer ähnlichen Konstellation nicht nochmals genau das gleiche passiert.
Die Sache einfach aussitzen und ein paar Generationen später sich damit rausreden zu wollen, dass die Übeltäter ja schon längst nicht mehr da sind, funktioniert deshalb auch nicht.

Der Vorwurf hört also dann auf, wenn man die anderen davon überzeugen kann, dass etwas in der Art nie wieder passieren kann.

Bei Familien ist es relativ einfach, denn allein schon das Schuldeingeständnis sollte eigentlich schon einen Gesinnungswandel bewirken, der es idealerweise verunmöglichen  sollte, dass das Gedankengut, welches damals zu den üblen Verwicklungen geführt hat, weiter vertreten wird.
Bei Firmen ist es etwas schwieriger, denn Übles muss nicht notwendigerweise gesetzeswidrig sein. Und wenn man sagt, man werde in Zukunft gesetzliche Schlupflöcher zugunsten höherer Prinzipien ignorieren, so muss das einem erst mal geglaubt werden.
Und bei Staaten ist es am schwierigsten, denn sie können selbst bestimmen, was gesetzeswidrig ist und was nicht. Und da die Gesetze nicht in Stein gemeisselt sind, kann man nur versuchen eine Kultur zu pflegen, die jeden Verdacht zerstreut.

Es gibt Staaten, die haben ein paar sehr, sehr dunkle Kapitel in ihrer Geschichte.
Und auch Firmen haben ihre fragwürdige Vergangenheit.
Doch verglichen mit dem Dreck, den die katholische Kirche im Laufe der Zeit an ihrem Stecken hängen geblieben ist, verblasst alles andere.

Es ist unglaublich, was für Intriganten in der Kirche das Sagen hatten.
Doch was wurde getan, damit sowohl Intriganten als auch Intrigen in Zukunft aussen vor bleiben?
Keine Ahnung. Und genau das ist das Problem!
Weder hat man das Gefühl, diese Leute würden heute öffentlich mit der angemessenen Schmach überhäuft, noch sieht man grosse Anstrengungen Prozesse einzuführen, die die Intrigen effektiv verhindern helfen sollen.
Alles was man sieht, ist, dass die Kirche gezwungen durch ihren Machtverlust Schritt um Schritt von ihren fragwürdigen Positionen zurückweicht. Nach Eigeninitiative mutet es aber ganz und gar nicht an.

Wie kann man da guten Gewissens noch dieser Organisation angehören?

Ich sage ja nicht, dass die Grundidee schlecht wäre (nun ja, eigentlich sag ich das schon, aber das tut hier nichts zur Sache), ich sage nur, dass einige CEO wirklich schlecht waren und ich nicht überzeugt davon bin, dass es Mechanismen gibt, die es solchen Leuten und Ansichten verunmöglichen nochmals an den Hebel zu kommen.

Mir fehlt, dass die Kirche wegen ihrer Fehler in der Vergangenheit zu Kreuze kriecht.
Sie betont zwar furchtbar gern, dass wir alle Sünder sind, doch von ihrer Vergangenheit distanziert sie sich nicht deutlich genug.

Wenn in den Statuten etwas steht, dass man so interpretieren kann, dass eine gewisse Sache übel ist, und man dies auch lange genau so propagiert hat, dann reicht es nicht lediglich eine andere Interpretationsart anzubieten. Denn es gibt keinen Grund, wieso man die Auslegung nicht nochmals ändern sollte. Um glaubhaft zu sein, muss man die Statuten ändern.
Klar kann man Statuten jederzeit ändern, doch es geht hier ja darum das Vertrauen wieder herzustellen. Und da entsprich eine Statutenänderung einer Reparatur, während eine andere Interpretationsart einfach eine andere Frisur darstellt.

Prüfungsstress

Sollte es uns nicht etwas zu denken geben, dass ein Spitzenchirurg von vor 50 Jahren mit seinem damaligen Wissen die Chirurgieprüfung heute nicht mehr bestehen würde, ein lausiger Homöopath von vor 200 Jahren die Homöopathieprüfung aber durchaus?