Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen

 

Da drehen ein paar Studenten einen Fake-Film, wo sie den Gedanken weiterspinnen, was es für ein Auto heisst, eine Gefahr zu erkennen, bevor sie entsteht. Als SciFi-Aficionado ist dieses Grossvater-Paradoxon natürlich ein alter Hut. Und spätestens seit der Kurzgeschichte Minority Report von Philip K. Dick wissen wir um die Gerechtigkeits-Problematik, wenn es um die zukünftige Verbrechen geht. Doch was Hilter betrift, so ist der Versuch ihn loszuwerden in den Zeitreiseliteratur dermassen ein Klassiker, dass man ihn inzwischen eigentlich bedenkenlos unternehmen darf.
Die Daimler AG, deren Mercedes-Benz den Führer als Kind überfährt, sieht sich aber nichtsdestotrotz in einer hübschen Zwickmühle. Zum einen wollen sie nicht bestreiten, dass ihre Technologie sowas wirklich drauf hat, und zum anderen wollen sie nicht verantwortlich sein für den Tod eines Kindes. Selbst dann nicht, wenn es Adolf Hitler ist und man wahrheitsgemäss behaupten könnte, man hätte das dritte Reich verhindert.
Ironischerweise ist eher letztes etwas paradox, denn in gewissem Sinne trägt der Autohersteller natürlich genauso eine Mitschuld am Tod eines verunfallten Kindes wie der Waffenhersteller am Tod eines erschossenen Kindes. Nicht die alleinige, wohlgemerkt, doch zumindest eine in dem Masse, wie er durch ein besseres Design diesen hätte verhindern können. Was aber wiederum heisst, dass durch diese in die Zukunft blickende Technologie sie eben doch die alleinige Verantwortung am Kind tragen würden. Und entsprechend wäre jedes von einem mit dieser Technologie ausgestatteten Mercedes getötete Kind ein zukünftiger blutrünstiger Tyrann. Ein sichereres und werbeattraktiveres Auto könnte es gar nicht geben, nichtsdestotrotz ein schwacher Trost für die Eltern.

Über die temporalen, technischen und ethischen Probleme will ich mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen, sondern möchte nur mein Bedauern darüber ausdrücken, wie fantasielos die Daimler AG darauf reagiert hat. Sie hätte auch einfach erklären können, dass dieser Film Nonsens sei, weil die drei Gesetze der Robotik in der Software implementiert sei.

  1. Ein Auto darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
  2. Ein Auto muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
  3. Ein Auto muss seine Existenz beschützen, so lange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.

 

Und wenn ein kleiner Klugscheisser sie nach der Regel Null gefragt hätte, konnten sie sich ja immer noch damit rausreden, dass diese für den nächsten Update der Firmware geplant sei.

Soundtrack zum Leben

Ob die Halbstarken am Bahnhof, die zum fetten Beat des Sounds ihren Kopf wippen, tatsächlich cool rüberkommen, hängt wesentlich von dem Umstand ab, ob der Betrachter dieser Szene den Sound ebenfalls hören kann. Tut er es nicht, drängen sich ihm unweigerlich Assoziationen mit den spastischen Zuckungen eines körperlich und/oder geistig Handicapierten auf. Insofern bewahren die lästigen Kopfhörer, die genauso viel Dezibel nach aussen wie nach innen abgeben, den Headbanger zwar nicht vor dem Tinitus, doch wenigstens lassen sie ihm ein letztes Pfitzelchen Würde.
Tatsächlich scheinen gewisse technische Errungenschaften Verhaltensweisen, die früher eher typisch für einen Brändi waren – so nennen wir diese Leute politisch äusserst unkorrekt in Luzern –, innert kürzester Zeit salonfähig gemacht zu haben. Ich denke da, abgesehen von den erwähnten iPod-Spasmen, auch an die schallenden Selbstgespräche der Mobiltelefonierer in der Öffentlichkeit oder an den geschlechterübergreifenden Gehorsam bei den Benutzern von GPS-Systemen mit der Stimme des jeweils anderen Geschlechts.
Fragt man die Betroffenen, wie es bei ihnen nur so weit kommen konnte, ist die Antwort im Grunde stets dieselbe: Was will man sonst machen? Sich verfahren? Unerreichbar sein? Den Rhythmus im Blut verleugnen?
Unerschrocken habe ich den Selbstversuch in allen drei Disziplinen gewagt. Innert Sekunden war der GPS auf stumm und das Natel völlig ausgeschaltet. Und ich habe mich weder verfahren, noch einen wichtigen Termin verpasst, wodurch die Weltwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert worden wäre. Das iPod-Exeriment förderte jedoch erstaunliches zutage! Und zwar in seiner Unterschiedlichkeit je nach Musik, die ich dabei hörte.
Hörte ich die James Bond Titelmelodie, so fummelte ich bei jeder Strassenlaterne an meiner Armbanduhr rum, um gewappnet zu sein gegen russische Agenten, beim Imperialen Marsch rasselte mein Atem und ich versuchte wildfremde Leute yedimässig zu würgen, bei Singing in the Rain hüpfte ich wie besessen von Pfütze zu Pfütze und bei Eye of the Tiger stürzte ich mich jede sich bietenden Treppe hinauf. Dass bei You Can Leave Your Hat On meine Kleider fielen, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden, und dass bei Unchained Melody die Damen fluchtartig das Weite suchten, auch nicht. Und beim Main Title von Jaws, nun ja, da suchte ich möglichst viel Distanz zwischen mich und jeden einzelnen Swimming Pool zu kriegen. Das waren alles eher verstörende Einflüsse. Es gab aber auch die anderen: Beim Theme von Mission Impossible, da knackten sich die Knacknüsse fast von selbst, oder zum The Fencing Lesson bügelte es sich wie  Zorro. Und so weiter und so fort…
(Ich lade meine Leser herzlich ein, unten ihre eigenen Erfahrung mit uns zu teilen.)

Es ist doch so, dass in den Filmen die Handlungen und Gefühlslagen der Hauptrollen stets mit passender Musik untermalt werden. Wenn diese nicht gerade tumbe Desperados sind, die ohnehin jedem das Genick brechen, der ihnen in den Weg läuft, dann ist es für die Protagonisten eigentlich ein leichtes, lediglich anhand der Melodie zu erahnen, welche Überraschungen sich der Drehbuchautor wieder für sie ausgedacht hat. Ich vermute, dass die unrealistisch niedrige Verletzungsrate unter den Filmhelden bei einer so hohen Dichte an Risiken – obgleich dies nie zugeben würde – auf genau diesen Umstand zurückzuführen ist.