Ich fürchte, den verlässlichsten Indikator für den Zustand der Wissenschaft innerhalb einer Gesellschaft findet man in der Auswahl der Publikationen in der Sparte Wissenschaft am Kiosk.
Die Frage ist nämlich nicht einmal so sehr, was die Wissenschaft wirklich leistet, sondern was man für Wissenschaft hält – und folglich auch für deren Leistungen.
Und die Ironie an der Sache ist, dass bei der Meinungsbildung die „Kiosk-Frauen“ (man möge mir die plumpe Pauschalisierung verzeihen) mit der Zeitschriften-Triage an vorderster Front stehen. Indem sie die Zeitschrift diesem oder jenem Genre zuordnen, entscheiden sie ob etwas Astrologie oder Wissenschaft, Lifestyle oder Medizin, Literatur oder Sport ist.
In gewissem Sinne übernehmen die „Kiosk-Frauen“ demzufolge die Funktion des Peer-Reviews. Bloss dass sie nicht über die Qualität der Artikel entscheiden, sondern über die Qualität der Zeitschriften.
Ich plädiere daher dafür, dass „Kiosk-Frauen“ einen Abschluss in Bibliothekologie und ein Fähigkeitszeugnis in Vergleichender Bibliotheksklassifikation haben müssen.
Das mag auf den ersten Blick etwas übertrieben erscheinen, denn in der Regel braucht es nur eine minimale Recherche um über den Grad an wissenschaftlicher Unterstützung einer „Theorie“ aufgeklärt zu werden. Doch wieso sollte man sich überhaupt die Mühe machen zu überprüfen, ob beispielsweise die Homöopathie nicht vielleicht Scharlatanerie ist, wenn Hausärzte sie verschreiben, Apotheken sie verkaufen und wissenschaftliche Zeitschriften – so wissenschaftliche Zeitschriften jene sind, die unter der Rubrik Wissenschaft im Kiosk verkauft werden – über intelligentes Wasser berichten?
Hausärzte „verkaufen“ sie, weil es dem Patienten hilft (das bestreitet keiner – man bestreitet bloss, dass es die Globuli sind, die helfen), und Apotheker verkaufen sie aus dem genau gleichen Grund. Sie nicht zu verkaufen, bedeutet für beide eine Einbusse .
Ich denke aber nicht, dass es Einbussen für die „Kiosk-Frauen“ hätte, wenn die Kunden ihre Zeitschriften aus anderen Regalen nehmen würden. Oder – so die Kunden eher den Regalen als den Zeitschriften treu sind – wenn sie andere Zeitschriften aus ihren Regalen nehmen würden.
Genau deshalb setze ich den Hebel im Kiosk an und nicht bei den Ärzten und Apothekern, die es ohnehin schon besser wissen müssten.
Hat nicht direkt was mit der Sache zu tun, aber ein bisschen schon:
plus Science Journalism and Not Science Journalism and Naming Names von Joe Hanson