Föten-Seelen

Meine unheilige Allianz mit den christlichen Fundis geht in die 2. Runde. Wir teilen noch immer die Meinung, dass Gott (ungeachtet dessen, ob es ihn gibt oder nicht) etwas gegen Abtreibung hat. Doch nun sind neue Informationen aufgetaucht, die ein etwas anderes Licht darauf werfen, warum er etwas dagegen hat.

Ich ging bei meinem Argument etwas übermütig gutmütig davon aus, dass die Seelen ungetaufter Föten und Babies und Kleinkinder direkt in den Himmel kommen und dass Gott das mit dem Verbot der Abtreibung lediglich zu unterbinden versucht um den Himmel vor einer Frühchenflut zu schützen.
Damit habe ich schon recht, doch erst seit dem 20. April 2007. Davor landeten sie im Limbus puerorum (auch Limbus infantium genannt), der Vorhölle, wo diese je nach sadistischer Neigung des gerade amtierenden Kirchenvaters abgesehen vom obligaten „Verlust der Gottesschau“ auch mehr oder weniger zu leiden hatten.1
Diese zeitliche Einschränkung relativiert mein Argument tatsächlich ein bisschen, weil Abtreibungen demzufolge früher nicht den Himmel sondern lediglich die Vorhölle mit Föten-Seelen überschwemmten, was aber Gott eigentlich egal sein konnte, waren diese ja ausserhalb seines Blickfeldes (vgl. Verlust der Gottesschau).
Folglich hat Gott eben erst seit dem Frühjahr 2007 so richtig etwas gegen die Abtreibung. Davor war es lediglich das Trötzeln eines angepissten, allwissenden Wesens, das voraussah, dass an diesem Tag der laut Antonio Manetti 87.5 Quadratmeilen grosse und zu diesem Zeitpunkt wohl etwas überquellende Limbus umgezont und die Personenfreizügigkeit mit dem Himmel eingeführt wird. Für ein Paradies, das laut Offenbarung selbst nur für 144’000 Insassen ausgelegt ist, ist das schon ein einschneidendes Ereignis am Beginn der Ewigkeit.
Soweit aber noch nichts wirklich neues.

Dann aber tauchte folgende Meme in meiner Timeline:

Und mir wurde klar, dass nicht nur von den abgetriebenen Föten die Rede ist, sondern von jedem einzelnen Spermium!

Und das wirft ein mathematisches Problem auf: Ein Mann produziert in seinem Leben etwa 500 Milliarden Spermien. Eine Frau fängt mit 6 bis 7 Millionen Eizellen an, von denen zum Zeitpunkt der Geburt nur noch 1 bis 2 Millionen übrig sind und mit dem Beginn der Pubertät nur noch rund 300’000. Und von diesen schaffen im Laufe des Lebens nur etwa 500 den Eisprung. Man könnte jetzt theologische Diskussionen führen, ob die durchschnittliche Frau damit 498 ½ oder 6 bis 7 Millionen ungeborene Seelen in den Limbus schickt, uns interessiert hier aber, dass es für eine Seele ja je ein Spermium und eine zu diesem seelenverwandte Eizelle braucht2. Es also mindestens knapp 72 Tausend mal mehr Frauen geben müsste als Männer um für jedes T(r)öpfchen sein Deckelchen zu finden. Die 72 Jungfrauen sind ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht!

Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail: Beim Masturbieren wird das schnellste Spermium um seine Schicksalseizelle (kurz Schickse?) gebracht. Das ist eine verlorene Seele. Wer sind aber die Millionen, von denen im Meme sonst noch die Rede ist?
Für das zweitschnellste Spermium ist ja kein Ei mehr da. Und sich anderswo danach auf die Suche zu machen, erscheint mir ein bisschen unrealistisch…
Ich glaube daher, dass das nur heissen kann, dass es keine Schicksen gibt, sondern dass alle Seelen in die Hölle fahren, die theoretisch hätten entstehen können. Und das sind pro Eisprung und Samenerguss 20 bis 150 Millionen. Da man aber Eizellen und Spermien einfrieren kann und damit auch „asynchrone“ Seelenkombinationen zeugen kann, können wir eine Kopulation nicht gesondert anschauen.

Wieviele Seelen klopften also allein schon aufgrund von Adam un Eva an die Limbus/Himmelspforte?

500 Milliarden von Adams Spermien mal 2 Millionen von Evas Eizellen sind eine Trillion (1018 ) Seelen (die eine Hälfte männlich, die andere weiblich, die queere Geschlechter ignorieren wir jetzt mal getreu der christlichen Tradition).

Und da potentielle Seelen wie das Meme nahelegt als reale Seelen betrachtet werden, müssen wir dieses Spiel auch in den folgenden Generationen fortsetzen: Eine halbe Trillion Seelen mit je 500 Milliarden Spermien mal eine halbe Trillion Seelen mit je 2 Millionen Eizellen macht eine Sextillion (1036) Seelen in der Generation von Kain und Abel.
In der dritten Generation eine Nonillion (1054).
In der vierten eine Duodecillion (1072).

Die Reihe ist einfach fortzusetzen. (Intergenerationelle Techtelmechtel schliessen wir jetzt mal aus. Nicht weil die Bibel etwas dagegen hätte, sondern um es rechnerisch nicht ausufern zu lassen.)

Wohlgemerkt, das sind die Seelen, die pro Generation bei Petrus vorsprechen!
Das Gute ist, dass bei einem solchen Zuwachs das aufsummieren getrost ignoriert werden kann.

Das könnte übrigens vielleicht auch erklären, warum Gott nach ca. 2000 Jahren die Sintflut auf die Welt losgelassen hat: Es wurden einfach zu viele Seelen. Selbst für die Vorhölle. Nochmals mit 2 Leuten neu anzufangen, würde Gott 2000 Jahre Zeit verschaffen um sich was auszudenken…
Und 2000 Jahre nach der Sintflut kam Jesus!

Jesus is always the answer…

Wir können also festhalten:

  • Das Leben fängt nicht mit der Befruchtung an, ja noch nicht mal mit dem Glanz in den Augen der Eltern (oder zumindest des Vergewaltigers), sondern mit dem Leben selbst.
  • Abtreibung ist weniger Mord als vielmehr Verdammnis.
  • Desgleichen Masturbation, Menstruation und vorbildlich keusches Zölibat.
  • „Seid fruchtbar und mehrt euch“ ist der Auftrag von den 500 Milliarden potentiellen Seelen beim Mann und von den 6 bis 7 Millionen potentiellen Seelen bei der Frau aus Liebe zu Gott so viele wie möglich zur Welt kommen zu lassen und ihnen damit den Weg in die Hölle zu ebnen, weil: Ist man erst geboren, ist der Himmel schon verloren.

Disclaimer: Natürlich vertritt niemand ernsthaft die Ansicht, dass man mit der Masturbation Millionen von Seelen in die Hölle schickt. (Ob man das früher tat, will ich indessen nicht grundsätzlich ausschliessen.)
Doch irgendwie wird dennoch intuitiv angenommen, dass die Verschwendung von Samen Verschwendung von Leben ist. Und dass irgendjemand deswegen wird leiden müssen.
Und selbst diejenigen, die es eigentlich besser wissen und sich im Klaren darüber sind, dass hier jemand wohl ein klitzekleines bisschen übers Ziel hinaus geschossen ist, verteufeln dennoch weiterhin die Masturbation als ob sie Vergeudung von Leben wäre, und sei es auch nur von potentiellem.

Ich frage mich aber schon: wenn eine extreme Extrapolation einer Theorie zu absurden Ergebnissen führt, kann dann eine moderaten Extrapolation trauen?

Meine unheilige Allianz mit den christlichen Fundis

https://twitter.com/okemzuruoke/status/1129477757652602881

Klar kümmern ihn die Föten!!!

Davon bin ich genauso überzeugt wie es die Gläubigen sind!1

Bloss aus gänzlich verschiedenen Gründen:
Sie, weil es ihrer Ansicht nach die einzig richtige Position ist für einen lieben (und naiven und jähzornigen) Gott.
Ich dagegen aufgrund folgenden Kalküls: Was passiert mit den Seelen der abgetriebenen Föten? Sie kommen natürlich schnurstracks in den Himmel2. Und indem Gott die Abtreibung verbietet, verhindert er, dass der Himmel von Föten-Seelen3 überschwemmt wird. Nun ja, mit dem Verbot bringt er den Strom natürlich nicht völlig zum Versiegen, denn bei fast der hälfte aller befruchteten Eizellen kommt es zu einem Abgang, aber jede Seele zählt…

Gott erschuf die Welt und als er die Menschen sah, sprach er:
„Gut und jetzt muss ich mir überlegen, wie ich verhindern kann, dass ich mit denen die Ewigkeit verbringe.“
Und so nutzt er den Umstand, dass nichts den Zutritt zum Himmel zuverlässiger verhindert als das Leben selbst.

Die Diskrepanz zwischen Prinzipien und den dazugehörigen Handlungen

Laut einer Barna-Studie hält bei Evangelikalen nur ein kleiner Bruchteil (4%) eine Abtreibung für moralisch akzeptabel, während es bei den Atheisten eine überwiegende Mehrheit (71%) ist1. Da die Barna Group eine evangelikales Meinungsforschung-Unternehemen ist, gehe ich jetzt mal einfach davon aus, dass diese Zahlen der Wahrheit entsprechen.

Das Center For Reason untersuchte 2006 die Fragestellung, ob Christen wirklich weniger Abtreibungen haben als Nicht-Christen, wie dies von Christen gern behauptet wird. Das hat sich aber nicht bestätigt. Es gibt in diesem Punkt offenbar keinen signifikanten Unterschied zwischen den Religionen (inkl. Nicht-Religionen)2.

Wahre Christen werden hier natürlich einwenden, dass es keine wahren Christen sind, denn wahre Christen haben keine Abtreibungen. (Das gilt aber auch für keine wahren Schotten ;)

Nichtsdestotrotz ist das eine interessante Diskrepanz zwischen den Prinzipien und den dazugehörigen Handlungen. Wenn unmoralisches Verhalten jenes ist, das sich von dem unterscheidet, das man eigentlich für das richtige hält, dann sind Religiöse offensichtlich wesentlich unmoralischer als Atheisten.
Man könnte schon einwenden, dass sich die Atheisten ihre Prinzipien einfach so zurechtlegen, dass sie ihren Anforderungen genau entsprechen, am Ergebnis ändert das jedoch nichts, denn obgleich sie dieser Argumentation folgend jede beliebige Abscheulichkeit moralisch gutheissen könnten, rangieren sie in Kriminalstatistiken klar hinter den Angehörigen von Religionen, die das nicht können.
Vielmehr sieht es so aus, als ob von Christen die Prinzipien sehr oft nur genau so lange hochgehalten werden, wie sie ihnen nicht im Weg stehen. Von daher ist es eigentlich auch nicht weiter überraschend, dass sie sich für ein strengeres Justizsystem aussprechen, damit die Polizei das durchsetzt, wozu sie offenbar selbst nicht in der Lage sind. Aus einer verhaltensökonomischen3 Perspektive wäre eigentlich eine durchaus vernünftige Strategie, wenn man damit nicht auch Leuten seine Wertvorstellungen aufdrücken würde, die sie gar nicht teilen wollen. Das mag – da durch Gott abgesegnet – moralisch vorbildlich sein, ethisch ist es jedoch nicht haltbar.

OMG

Es wird angenommen, dass in der Gruppe der 20– bis 29-jährigen Frauen etwa die Hälfte der befruchteten Eizellen spontan zu Grunde gehen.
Wikipedia

Wenn man mal von der Möglichkeit einer gezielten Falschinformation durch Mächte absieht, die das Vertrauen der Menschheit in Gott zu schwächen versuchen – von denen es in der Wikipedia bekanntlich nur so wimmelt – , dann wirft dieser Umstand in der Tat gewisse verwirrende theologische Fragen auf:

  • Haben diese Föten bereits eine Seele?
    • Wann beginnt der Mensch eine für Gott relevante Seele zu haben? Mit der Taufe? Mit der Entwicklung des Selbstbewusstseins? Mit der Geburt? Mit der Entstehung des Nervensystems? Mit der Zeugung? Mit dem Funkeln in den Augen der Eltern?
      • Wenn sich nach dem Zeitpunkt der Beseelung der Zellhaufen trennt und sich Zwillinge entwickeln, sind es dann zwei Seelen oder teilen sich die beiden eine?
      • Wenn nach dem Zeitpunkt der Beseelung zwei Zellhaufen zu einem verschmelzen, was passiert mit den beiden Seelen?
    • Gibt es für jede Kombination von Eizellen und Spermium eine exakt für diese zugeschnittene eigene Seele? Was geschieht mit dann mit all den (potentiellen) Seelen, deren Eizelle und Spermium sich nie begegnet sind?
    • Oder gibt es einen Fundus an Seelen, die nach und nach an die befruchteten Eizellen verteilt werden?
      • Nach welcher Strategie wird verteilt?
      • Was wenn der Fundus mal zur Neige geht?
      • Was wenn die Menschheit ausstirbt bevor, alle Seelen aufgebraucht sind?
      • Wie viele Seelen gibt es in diesem Fundus?
    • Oder wird für jede befruchtete Eizelle eine eigene Seele gemacht, die sich dann mit den gegebenen genetischen, geografischen und historischen Umständen arrangieren muss?
    • Wie unterscheiden sich diese Seelen voneinander?
      • Alle Unterschiede zwischen den Menschen sind ja überwiegend durch die Gene und die Umwelt und die Erfahrung bestimmt. Bei welcher Gelegenheit ist ein Unterschied zwischen Menschen auf die Verschiedenartigkeit ihrer Seelen und nicht auf die ihrer Gene, Umwelt und Erfahrung zurückzuführen?
      • Wodurch unterscheidet sich eine Seele, die durch das Leben geprägt wurde, von einer Seele, die nie ein Leben hatte?
      • Wenn sich im Himmel zwei Seelen begegnen, von denen die eine ein irdischen Leben gelebt hat und die andere nicht, in welcher Gestalt begegnen sie sich? Man soll da ja mit dem Körper auferstehen.
  • Kommen diese Föten überhaupt in den Himmel? Wenn Jesus der einzige Weg in den Himmel ist, dann bleibt ihnen dieser Weg ja versperrt.
    • Wenn Gott gnädig ist und sie trotzdem in den Himmel aufnimmt, wie kann er das begründen? Dass er bei abgetriebenen Föten ein Auge zudrückt, kann man ja noch verstehen, sie sind schliesslich wehrlose Opfer. Aber wenn mehr als die Hälfte einen Freischein bekommt, dann braucht es schon eine andere Begründung. Vor allem wenn man bedenkt, wie gross die Chance in unserer Welt sind in eine andere Weltregion oder Religion hineingeboren zu werden.
      • Wie gross ist den die Chance sich in unserer Welt für den Himmel zu qualifizieren?
      • Wie hat sich diese Chance im Verlauf der Geschichte verändert?
    • Oder gibt es für diese Föten einen anderen Heilsweg?
      • Heisst das, die Seele wird recycelt?
      • Sind die Chancen da besser oder schlechter?
  • Gibt es heute mehr Fehlgeburten als früher?
    • Lässt sich das nachweisen?
    • Wäre ein Anstieg der Fehlgeburten, kombiniert mit der automatischen Aufnahme in den Himmel, nicht irgendwie widersprüchlich? Dadurch würde es gerade die Erbsünde sein, die ja den Anstieg der Fehlgeburten verursacht, die mehr Seelen, der diese anhaftet, auf direktem Weg in den Himmel befördert.

Ich finde das eigentlich ziemlich interessante Fragen. Natürlich kann ich nicht ausschliessen, dass ich da etwas grundsätzliches übersehen habe, was die eine oder andere Frage dann womöglich überflüssig machen würde. Völlig trivial scheint mir die Sache aber wiederum auch nicht sein zu können, wenn man bedenkt, dass die katholische Kirche erst 2007 den Limbus abschaffte, wohin nach ihrer Lehrmeinung bis zu diesem Zeitpunkt alle ungetauft verstorbenen Kinder kamen.

Von daher erscheint mir die gängige Antwort feuriger Christen schon etwas gar knapp:

OMG.

Nix weiter.

Hie und da – aber längst nicht jedes Mal – wird darauf hingewiesen, dass nach biblischen Verständnis der Mensch nicht eine Seele hat, sondern eine Seele ist. Entgegen der Ansicht jener feurigen Christen hat das aber keinen allzu grossen Einfluss auf die Fragestellung. Statt der Frage, wann der Mensch seine Seele bekommt, lautet die Frage dann einfach, wann die menschliche Hülle durch den Hauch Gottes in die Seele verwandelt wird? Und je nach dem, ob das früher oder später geschieht, schlüpfen mehr oder weniger Seelen, ohne sich je mit Jesus auseinandergesetzt haben zu müssen, ins Paradies durch.

 

Warnung!
Es wird dringend davon abgeraten diese Fragen auf eigene Faust mittels Google beantworten zu wollen. Der Versuch kann zu ernsthaft bescheuerter Lektüre führen. Wenden Sie sich bitte direkt an einen Theologen ihrer Wahl.

Was wenn ein Verbot eine Sache häufiger geschehen lässt?

Alle sind sich darin einig, dass Abtreibung eine traurige Sache ist und alle stimmen auch darin überein, dass das Ziel sein sollte: je seltener desto besser.
Das einzige worin man sich nicht ganz findet, ist, wie man dieses Ziel am effektivsten erreicht.

Alle sind sich auch darin einig, dass man der Frau möglichst viel Recht Selbstbestimmung  zugestehen muss.
Das einzige worin man sich nicht ganz findet, ist, wie viel das sein soll.

Alle sind sich auch darin einig, dass hier ein trauriger Interessenkonflikt vorliegt.
Nun ja, nicht ganz alle. Denn irgendwie hält sich bei vielen religiös verbrämten Abtreibungsgegnern die Überzeugung, dass die Atheisten – welche im Hintergrund die Fäden ziehen – darauf aus sind möglichst viele Embryos um die Ecke zu bringen. Und alte Menschen mittels Euthanasie. Aber paradoxerweise niemanden mittels Todesstrafe…

Die Schweiz hat trotz seiner sehr liberalen Fristenlösung, welche religiös-fundamentalistische Kreise am 9. Februar 2014 in einer Volksabstimmung zu unterminiern versucht haben,  eine der niedrigsten Raten weltweit.
Das wirft eine interessante Frage auf:

Was wenn die Liberalisierung der Abtreibung zu deren Sinken beiträgt?

Was wenn die religiös-fundamentalistischen Kreise mit ihrer Forderung die Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr durch die Krankenkasse abzudecken oder sie gar völlig zu verbieten, die Rate nur ansteigen lassen? Kann ein tiefgläubiger Christ das Töten entgegen Gottes Gebot erlauben, wenn er damit die Zahl der Toten verringert?
Aus einer konsequenzialistischen Sicht ist das kein Problem, aus einer deontologischen, wie sie die religiös-fundamentalistischen Kreise vertreten, hingegen durchaus. Vor Gott ist – ihrem Verständnis nach – nämlich die die Reinheit des Herzens wichtiger als das schnöde Ergebnis.

Natürlich ist es nicht die Fristenlösung selbst, welche die Abtreibungsrate senkt, sondern das Klima in der Gesellschaft, wo offen über Sexualität und Verhütung gesprochen werden kann. Den erwähnten religiös-fundamentalistischen Kreisen ist aber auch das ein Dorn im Auge, den sie mit Initiativen wie „dem Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule“ zu unterbinden versuchen.

Einen grösseren Schutz des ungeborenen Lebens scheinen also unter dem Strich die blutrünstigen Atheisten zu bieten.
Und wenn man bedenkt, dass diese auch der diabolischen Gentechnik gegenüber aufgeschlossen sind, dann wohl mittels neuer Heilverfahren auch den der alten Menschen.

Und die Todesstrafe lehnen die Atheisten nur ab, weil es ihnen damit in 13 Ländern an den Kragen gehen kann. Diese Heuchler.

Gibt es atheistische Abtreibungsgegner?

Ethische Fragen sind meist Fragen, bei denen einem keine der Antworten wirklich behagt.
Religionen neigen dazu, Handlungen unabhängig von den Konsequenzen zu bewerten.
Eine Abtreibung ist eine traurige Sache. Es ist das Töten eines Lebens und das Leben soll bewahrt werden. Darin sind sich sowohl Gegner wie auch Befürworter eigentlich einig. Die Befürworter wollen es lediglich nicht verbieten. Im Gegensatz zur „religiösen“ Moralvorstellung, spielen bei diesen die Konsequenzen einer Handlung nämlich ganz wesentlich mit in deren Beurteilung. Natürlich muss das Leben geschützt werden, doch ist die Frage immer, um welchen Preis.

Wenn man sich mit Abtreibungsgegnern über die Gründe ihrer kompromisslosen Ablehnung selbst in sehr krassen Fällen unterhält, dann ist es immer eine Mischung aus dem Widerwillen vor dem Eingriff selbst und der Möglichkeit einer Fehleinschätzung, sei es nun vom Arzt über den Zustand des Kindes oder von der Mutter über das zu erwartende Schicksal. Über diese Schwelle der Empörung kommt man in der Regel nicht hinaus.
Es mag pietätlos erscheinen, doch diese Einwände lassen sich biologisch und ethisch belegt relativieren. So läuft es dann auf das fast schon biblisch anmutende Schlagwort: Abtreibung ist Mord hinaus. Eine Position, die, wie oben gezeigt, den Aspekt der Konsequenzen ausser Acht lässt und deshalb meines Erachtens eine vergleichsweise schwache argumentative Stütze darstellt. Ausser sie wird von Gott höchst selbst getragen. Doch mit dem Fremdgehen, das Gott ja ebenfalls nicht gutheisst in seinen 10 Geboten, haben wir uns inzwischen auch insofern arrangiert, dass wir es zwar nicht toll finden, es aber auch nicht mehr verbieten und unter Strafe stellen wollen.

Wenn man mal die emotionale Polemik aussen vor lässt, scheint es so, dass sich die Abtreibungsablehung hauptsächlich aus der religiösen Tradition speisst. Oder gibt es auch atheistische Abtreibungsgegner, die ihre Position sachlich darlegen können ?

Lasst uns ein Mammut klonen!

Die Gegner der Abtreibung monieren ja gern, dass man mit dieser einem potentiellen Leben das Recht zu leben vorenthält.
Das gleiche Recht enthalten diese Leute jedoch ohne mit der Wimper zu zucken geklonten Menschen, Neandertalern und Mammuts vor!
Hier sprechen sie statt dessen von „Gott spielen“. (Das ist paradoxerweise etwas schlechtes!)

Klonen ist also Gott spielen. Krebs heilen ist aber okay und deshalb offenbar nicht Gott spielen.
Heilen scheint wohl keine Kernkompetenz von Gott zu sein. Erschaffen ist sein Ding.
Aber auch der Bau von Brücken oder die Zucht von neuen Hunderassen scheint kein Gott spielen zu sein.
So richtig fassen kann man das, was nun Gott spielen ist und was nicht, ja nicht. Es macht aber den Eindruck, dass man offenbar nur das nicht darf, was man nicht kann. Und wenn man es kann, dann sollte man es noch eine Zeitlang nicht können. Und danach ist es dann okay.

Die Frage, ob sich der Neandertaler in unserer Zeit „artgerecht leben könnte“, ist zwar berechtigt, doch nach Ansicht der Abtreibungsgegner genau so irrelevant wie die Frage, ob der Mensch überhaupt überlebensfähig ist. Beide haben die Potenz zu leben und das allein reicht schon
Und wenn die Chancen noch so schlecht sind, kann immer noch ein göttliches Wunder die Sache richten. Dies gehört offenbar auch noch zur Potenz des Lebens.

Die Sache ist aber die, dass die Potenz nicht erst mit der Zeugung beginnt, sondern eigentlich schon früher. Unmittelbar bevor das Spermium das Ei befruchtet ist sie schon da. Respektive wenn die Eltern sich gegen das Kondom entscheiden. Respektive wenn auf dem Sofa wild rum knutschen. Respektive eine Zeit davor, wenn sie sich in der Bar zum ersten Mal in die Augen blicken.
Und entsprechend auch, wenn die Augen des Forschers zu funkeln beginnen.

Von daher sind das Können und das Wollen bereits die Potenz und so ist es unsere heilige christliche Pflicht um dieser Potenz Willen ein Mammut zu klonen!
Amen!