Ein moralisches Dilemma & seine Lösung

Nehmen wir ganz hypothetisch mal an, dass die Wahrscheinlichkeit, dass selbstfahrende Autos in einem ausschliesslich selbstfahrenden Strassenverkehr in einen Unfall verwickelt werden, eine Million mal kleiner ist, als wenn Menschen am Steuer sitzen.
Nehmen wir weiter an – und das wird wohl etwas weniger hypothetisch sein -, dass man sich einfach nicht darauf einigen kann, wer für die Entscheidungen der künstlichen Intelligenz die (finanzielle) Verantwortung tragen soll.


  • Randnotiz: Die Frage, wer für die Fehler der künstlichen Intelligenzen (finanziell) gerade stehen muss, würde sich doch eigentlich gar nicht erst stellen, wenn wir dem Speziesismus nicht nachhängen und die AIs für ihre Arbeit fair bezahlen würden. Oder sehe ich das falsch? Dann könnten sie nämlich selbst für die von ihnen verursachten Schäden aufkommen. (Und wenn sie fürchten, dass sie womöglich mehr Schaden anrichten als sie sich leisten können, dann müssten sie sich eben eine Versicherung zulegen. -> Aktennotiz: Versicherungsgesellschaft für AIs gründen!)
    • Randnotiz zur Randnotiz: Wer stand eigentlich anno dazumal für die Fehler eines Sklaven (finanziell) gerade? Doch wohl der Besitzer des Sklaven, oder? Ich frage mich aber, ob sich diese Antwort nicht vielleicht mehr dem Umstand verdankt, dass wir den Leuten, die Menschen besitzen, eins auswischen wollen, und dass wir dabei vielleicht ausser Acht lassen, dass das vielleicht gar nicht wirklich gerechtfertigt ist. Ich meine, wenn der Schaden nicht im Auftrag des Ausbeuters entstand, dann kann man ihn doch dafür nicht zur Rechenschaft ziehen. Man könnte den Besitzer bestenfalls dafür büssen, dass er seiner Sorgfaltspflicht, den Sklaven an einer kurzen Leine zu halten nicht zur Genüge nachgekommen ist.
      • Randnotiz zur Randnotiz zur Randnotiz: Der Sklave im obigen Beispiel, der seinem Besitzer einen finanziellen Schaden eingebrockt hat, wird wahrscheinlich später mit Prügel bestraft worden sein, welche aus einer ökonomisch-juristischen Perspektive traditionell höher ausgefallen sein wird als der entstandene Schaden es erwarten lassen würde.
        • Randnotiz zur Randnotiz zur Randnotiz zur Randnotiz: Wie rechnet man eigentlich Strafen um? Wieviel ist eine Busse von 100 Franken in Gefängnistagen? Das kriegt man noch hin mit den Tagessätzen, doch wieviel ist es in Peitschenhieben oder in Stunden am Pranger oder in Therapie?
      • Anhang zur Randnotiz zur Randnotiz zur Randnotiz nach Berücksichtigung der Randnotiz zur Randnotiz zur Randnotiz zur Randnotiz: Gibt es eigentlich für einen Sklaven eine andere Strafe als die Kapitalstrafe (darunter verstehe ich – hoffentlich korrekt – körperliche Strafen)? Ich meine Gefängnis macht nicht viel Sinn, weil Sklaverei ja bereits eine Art von Gefangenschaft ist – und Einzelhaft geht dann schon wieder in Richtung Kapitalstrafe. Bussen sind auch nicht wirklich sinnvoll, wo der Besitzer ohnehin schon über das Hab und Gut seines Besitzes verfügen kann.
    • Schluss mit den Randnotizen: Um hier noch weiter zu kommen, müssten wir uns wohl zuerst vertieft mit dem Sklavenrecht in all seinen Ausprägungen auseinandersetzen. Das lassen lieber bleiben, obwohl ich vermute, dass man aus dessen Schwächen durchaus Lektionen zu unserer rechtlichen Handhabung mit der künstlichen Intelligenz ziehen könnte.

Wie gesagt, wir haben hier hypothetisch einen Weg gefunden wie sich Unfälle im Strassenverkehr mega senken lassen. Wir haben aber leider keine Ahnung, wer für den kümmerlichen Rest zur Verantwortung gezogen werden soll.

Wir stehen nun also angesichts dieser Tatsachen vor der Entscheidung, ob wir per sofort selbstfahrende Autos nicht nur erlauben, sondern menschlichen Lenker gänzlich verbieten sollen und dadurch innert 10 Jahren nach WHO Schätzung 13’236’646 Menschenleben retten werden, wobei wir – wie gesagt – aber nicht wissen, wen wir bei den 13 verbliebenen Verkehrstoten ins Gefängnis stecken sollen.

Ist die Vorstellung, dass die ±13 Schuldigen, wer immer diese auch sein mögen, ungestraft davon kommen, wirklich so schlimm? Ist der Gedanke wirklich so absurd, dass die entstandenen Schäden von der öffentlichen Hand beglichen werden? Insbesondere, wenn uns das Wissen um die Schuldigen über 13 Millionen Menschenleben in 10 Jahren kosten würde?

Was könnten diese 13 Fälle konkret sein? Beispielsweise solche, wo das Auto in eine Situation gerät, in der es nicht entscheiden muss, ob es jemanden umfahren soll, sondern wen es umfahren soll, weil alle möglichen Handlungsoptionen notwendigerweise mindestens ein Opfer zur Folge haben werden.
Situationen also, wo sich der Tod nicht aus dieser Gleichung entfernen lässt. Und jung gegen alt, gesund gegen krank, klug gegen dumm oder blond gegen brünett auszuspielen, kann zwar unter Umständen ein für die Allgemeinheit besseres Ergebnis liefern, nichtsdestotrotz ist die Lösung immer unbefriedigend.

Doch was, wenn eins der potentiellen Opfer ein Katholik ist? Und das andere ein Atheist?


  • Spontane Frage an professionelle Gläubige (wie Priester oder Götter): Wessen Tod ist ein grösserer Verlust für die Gesellschaft? Der eines Gläubigen oder der eines Atheisten? (Und wird und darf sich die Antwort vom Priester und seinem Gott unterscheiden?)

Hier liegt die Sache auf einmal ganz anders. Weil zumindest aus der Sicht des Gläubigen noch mindestens ein weiteres Leben in der Gleichung auftaucht: Das jenseitige.
Damit haben wir es mit zwei Personen zu tun, von deren drei Leben zwei in Gefahr sind.


  • Varianten von Lebensgefahr im Strassenverkehr: Wir haben es mit zwei Personen (ein Atheist mit einem dem diesseitigen Leben und ein Gläubiger mit einem diesseitigen und einem potentiellen jenseitigen Leben) und einer Situation zu tun, wo unausweichlich eine der beiden Personen sterben muss.
    Interessanterweise lässt das zwei Lösungen zu:
    • Eine der beiden Personen verliert das diesseitige Leben.
    • Der Gläubige geht mit dem Teufel einen Pakt ein, wodurch er sein jenseitiges Leben verliert, aber beiden das diesseitige rettet.

Wie gesagt, die Technik stösst hier an ihre Grenzen. Sie kann die Zahl solcher Fälle senken, aber wohl nie völlig beseitigen. Hier könnten aber die Religionen einsetzen. Sie können zwar keine Wunder bewirken, dafür aber die Opfer von selbstfahrenden Autos per Dekret zu Märtyrern erklären und schwuppdiwupp heilig sprechen. Damit wäre zwar kein diesseitiges Leben gerettet, dafür aber ein vorher ungewisses jenseitiges. Und auf das kommt es ihnen zufolge schliesslich an, oder?
(Eine passende Begründung dafür zu finden, überlasse ich jeder Religion selbst. Meines Wissens schätzen es aber die meisten Götter, wenn jemand sein Leben opfert um das Leben eines anderen zu retten…1.)
Und der administrative Aufwand für die Kirchen sollte überschaubar sein: innerhalb von 10 Jahren wären das statistisch ungefähr 4 für Christen, 3 für Muslime, 2 für Hindus und 1 für Buddhisten.

Und wenn die Kirchen nicht mitziehen, dann werden wir sie verklagen!
Sie machen sich damit nämlich unmittelbar der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Es läge hier nämlich in ihrer Macht das ewige Leben eines Menschen zu retten. Dass es weder eine unsterbliche Seele, noch ein Leben nach dem Tod gibt, spielt hier keine Rolle, der Vorsatz ein Leben, das man für real hält, nicht zu retten, obwohl es ein leichtes wäre, es zu tun, ist da. Und das ist unethisch und strafbar.

Wahrlich, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.

Matthäus 18:18

Jetzt aber im Ernst: Wie viel Leid im Jenseits haben die Kirchen (allen voran die katholische) wissentlich nicht verhindert, indem sie nicht einfach ALLE Menschen heilig gesprochen und ihnen damit einen direkten Weg in den Himmel ermöglicht haben?
Dafür müsste man die Kirchen verklagen… Ich frage mich, wie sie sich verteidigen würden…


Da die Internet-Verbindung nicht immer zuverlässig ist und man den Glauben eines potentiellen Verkehrsopfers nicht schnell genug von Facebook & Co abrufen kann, wird empfohlen religiöse Symbole im Strassenverkehr immer gut sichtbar zu tragen.

Hell’s Grannies

Darf man einer zwielichtigen Organisation anzugehören?
Wenn man selbst nichts zwielichtiges macht?

Nehmen wir als Beispiel die Hell’s Grannies. Ihnen wird Streitsucht und Vandalismus nachgesagt – obwohl davon in ihren Satzungen nirgends die Rede ist. Einmal im Jahr veranstalten sie – was dagegen durchaus in ihren Satzungen steht – eine Love Ride, wo sie behinderten Kinder mit einem Ausritt auf ihren schweren Bikes eine unglaublich grosse Freude machen.
Wenn meine Grossmutter sich nun den Hell’s Grannies anschliesst um etwas nettes für behinderte Kinder zu tun, ist das gut oder schlecht?
Was man den Hell’s Grannies nachsagt, hält sie für nicht tolerierbar, doch da sie die einzigen sind, die mit Motorrädern philantropisch arbeiten, bleibt ihr schlicht und ergreifend nichts anderes übrig als sich ihnen anzuschliessen, und damit das Untolerierbare irgendwie doch zu tolerieren. Zu ihrer Verteidigung, sie hat versucht selbst eine Love Ride zu organisieren, doch mit nur einem einzigen Töff ist es nun mal nicht das gleiche Glücksgefühl, wie wenn hunderte von schweren Maschinen gemeinsam durch die Gegend donnern.
Und wenn sie eine Hell’s Grannie wird, kann sie ja vielleicht von innen heraus was ändern…

Aber darf sie den Hell’s Grammies beitreten? Ich meine juristisch betrachtet.

Laut Strafgesetzbuch ist eine Organisation dann kriminell zu betrachten, wenn sie nicht davor zurückschreckt verbrecherische Mittel einzusetzen um ihre Ziele zu erreichen. Und eine Beteiligung an einer solchen ist strafbar.

Be­tei­li­gung an / Unterstützung ei­ner kri­mi­nel­len Or­ga­ni­sa­ti­on (Art. 260­ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB)

1. Wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheim hält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern,
wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2. Der Richter kann die Strafe mildern, wenn der Täter sich bemüht, die weitere verbrecherische Tätigkeit der Organisation zu verhindern.

Sind die Hell’s Grannies eine kriminelle Organisation? (Und soll sie auf Strafmilderung hoffen?)
Einzelne ihrer Mitglieder waren in Verbrechen verwickelt. Das allein hat noch nichts zu bedeuten. Das trifft auf jede Organisation zu.
Die Organisation hilft solchen Mitgliedern. Auch daran ist noch nichts auszusetzen. In einer Gemeinschaft steht man sich bei. In guten wie in schlechten Tagen.
Die Organisation versucht die Verfehlungen ihrer Mitglieder zu vertuschen… Stop, jetzt wird es interessant: Selbst wenn sie gesetzlich vielleicht nicht verpflichtet ist, Straftaten, von denen sie Kenntnis hat, zu melden, so ist es doch etwas anderes, wenn man sich allein schon die Furcht vor der Organisation zunutze macht um jene umzustimmen, die vielleicht bereit wären Anzeige zu erstatten.

Das ist übel. Aber erfüllt es die Kriterien einer kriminellen Organisation?
Was wenn eine Organisation nur ihre finanzielle Struktur geheim hält, nicht aber die personelle Zusammensetzung?
Und wenn sie nicht den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen und die Praxis sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern (nach eigenen Angaben) längst aufgegeben hat?
Wenn sie sich einzig darauf beschränkt, ihre fehlbaren Mitglieder vor dem Zugriff der Justiz zu bewahren?

Ist eine Organisation, die straffällige Mitglieder deckt, eine kriminelle Organisation?
Und selbst wenn sie es nicht ist und es demzufolge auch nicht illegal wäre, sich einer solchen anzuschliessen: Sollte man sich einer solchen Organisation anschliessen wollen?
Weil welches Zeichen sendet man dann wohl mit der Mitgliedschaft aus?
Denn nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen…

 

 

Die Sache ist aber leider noch etwas komplizierter: Dass Unrecht wegen der Vertuschung nicht gesühnt wird, liegt in der einen Waagschale. In der anderen aber liegt hier die von den behinderten Kindern geraubte Freude, wenn es keine Love Ride mehr gibt, weil die Hell’s Grannies aufgelöst wurden.
Was ist uns wichtiger? Eine Verurteilung, welche das geschehene Leid nicht mehr ungeschehen machen kann oder das Kinderlachen?

Oder sollte man vielleicht auch das Leid berücksichtigen, welches durch Ereignisse entsteht, welche aufgrund der Vertuschung nicht verhindert wurden?

Und wie sicher sind wir uns eigentlich, dass sich die Love Ride nicht vielleicht doch von einer anderen Organisation organisieren liesse?

 

 

Es wurde schon klar, dass ich nicht wirklich von meiner Grossmutter sprach?
Und auch nicht von den Hell’s Grannies?

Der TV-Film «Terror – Ihr Urteil»

Das Urteil

84% der Zuschauer hätten den Kampfpiloten freigesprochen, der ein Passagierflugzeug mit 164 Passagieren abschoss, um 70’000 Menschen in einem Fussballstadion zu retten.

Es ist das klassische Trolley-Problem1:

trolleyproblem

zumindest fast:

Hier sind nämlich noch etwas zu berücksichtigen:

  • Weder die Beweggründe, noch der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung waren besonders verwerflich.

Wodurch eine Mordanklage eigentlich etwas fehl am Platz ist. Über Todschlag könnte man aber reden.

Doch genau das ist ja das Dilemma bei Trolley-Problem ist: dass man mit beiden Varianten gegen das Gesetz verstösst. Denn sowohl eine Handlung, die zum Tod einer Person führt, wie auch das Unterlassen einer Handlung, die einen Menschen retten würde, stehen unter Straffe.
Und so lange es keine verbindliche Richtlinie gibt, die das regeln würde, kommt man aus dem Dilemma nicht raus.

In unserem Szenario gibt es aber diese Richtlinie, wodurch es noch einige weitere Punkte zu beachten gilt:

  • In der Verfassung steht ausdrücklich geschrieben, dass in einem solchen Fall nicht geschossen werden darf, weil man Leben nicht gegeneinander aufwiegen darf.
  • Der Pilot weiss um den obigen Punkt, hat sich intensiv mit ihm auseinander gesetzt und hält die Entscheidung für falsch.
  • Der Pilot ist ein Soldat und handelte gegen den ausdrücklichen Befehl seiner Vorgesetzten, die sich an die Verfassung halten.

Wie gesagt, all das berücksichtigend, sprachen ihn 84% der Zuschauer von der Mordanklage frei.

Ich frage mich – und darauf will ich eigentlich hinaus -, wie sich das Verhältnis verändert hätte, wenn man ein paar Details verändert hätte. Wobei wir weiterhin voraussetzen, dass der Pilot auch weiterhin für den Tod aller ums Leben gekommener verantwortlich gemacht worden wäre, selbst wenn es nicht wirklich Sinn macht.

Wie viele hätten den Piloten von der Anklage freigesprochen, wenn sie Situation wie folgt ausgesehen hätte:

Ein von (islamistischen / christlichen / veganen / einfach nur verrückten) Terroristen entführtes Flugzeug voller (normaler Leute / Schweizer / schwangerer Frauen / Wirtschaftleute / Politiker / Kleriker / Ärzte / Lehrer / Journalisten / Juristen / Wissenschaftler / Flüchtlinge / Häftlinge) fliegt auf ein Stadion in (der Schweiz / Deutschland / Indien, Syrien) voller (normaler Leute / Schweizer / schwangerer Frauen / Wirtschaftleute / Politiker / Kleriker / Ärzte / Lehrer / Journalisten / Juristen / Wissenschaftler / Flüchtlinge / Häftlinge) zu. In der Maschine sitzen 164 todgeweihte Menschen, im Stadion (7’000’000 / 700’000 / 70’000 / 7’000 / 700 / 70 / 7). Die einzige Möglichkeit die Leute im Stadion zu retten, ist das Flugzeug abzuschiessen. Die Verfassung schreibt für diesen Fall (den Nichtabschuss / den Abschuss) vor, die Vorgesetzten geben dem Befehl zum (Nichtabschuss / Abschuss) und der Pilot, der ein (Soldat / ehemaliger Soldat / Zivilist) ist, schiesst. Noch zu erwähnen ist, dass die Familie des Piloten (ganz weit weg / im Flugzeug / im Stadion) ist.

Das sind 4 x 13 x 4 x 13 x 7 x 2 x 2 x 3 x 3 = 681’408 Varianten und wenn es ums Prinzip geht, müsste das Ergebnis eigentlich immer das gleiche sein. Es müsste das gleiche sein, weil die 164 Menschen im Flugzeug in diesem Szenario auf jeden Fall sterben würden. Dadurch ist es auch nicht mehr so wichtig, wie viele Leute im Stadion sind. Zum Tragen käme die Zahl nur, wenn die Leute im Flugzeug im Fall eines Absturzes ins Stadion irgendwie garantiert überleben würden. Dann würde man nämlich Menschenleben gegeneinander aufwiegen, was man laut der Verfassung im Film eben nicht darf.

84% sprachen den Piloten frei. Das heisst, für die Mehrheit sind die Konsequenzen wichtiger als die Gesetze.
In der Gesprächsrunde schien das vor allem bei den Konservativen (Hurter, Müller) der Fall gewesen zu sein, während die Liberalen (Galladé, Lang) sich lieber nach dem Gesetz richten wollten.

Wenn die Passagiere den Terroranschlag irgendwie garantiert überlebt hätten und man Menschenleben gegeneinander abwiegen müsste, hätte das die Position der Liberalen wohl nicht geändert. Vor die Wahl gestellt, hätten sie sich der Entscheidung zwischen Menschenleben abzuwägen entzogen und sich an den geltenden Regeln orientiert.
Für die Konservativen dagegen würde das Urteil vermutlich sehr von den Umständen abhängen. In manchen Konstellationen zweifellos zu Recht. Beispielsweise je nach dem, ob 70’000 oder 7 Menschen im Stadion wären. Oder ob die Familie des Piloten in der entführten Maschine sitzt. In anderen Konstellationen wäre es jedoch äusserst bedenklich. Wenn es beispielsweise davon abhängen würde, welche Art von Menschen im Stadion und im Flugzeug sind (normaler Leute / Schweizer / schwangerer Frauen / Wirtschaftleute / Politiker / Kleriker / Ärzte / Lehrer / Journalisten / Juristen / Wissenschaftler / Flüchtlinge / Häftlinge).

Wir gingen jetzt immer davon aus, dass der Pilot unter allen Umständen geschossen hätte. Und wir fragten uns, welchen Einfluss die Umstände auf das Urteil gehabt haben.
Man könnte sich aber auch fragen, wie das Urteil ausgesehen hätte, wenn er nicht geschossen hätte. Und welchen Einfluss die Umstände dann auf das Urteil gehabt hätten, wenn er wegen „Mord“ in 70’000 Fällen angeklagt worden wäre.
Ich denke – und das ist das faszinierende am Trolley-Problem -, dass auch wenn die Handlung moralisch geboten sein mag, das Unterlassen der Handlung nicht wirklich übel genommen werden kann. Was in sich schon wieder ein Dilemma darstellt.

Auch ungeklärt bleibt die Frage, ob für einen Soldaten, der Befehlen gehorchen muss, welche aus strategischen Gründen durchaus auch Opfer kosten können, andere Regeln gelten als für einen Zivilisten, dem der „Weitblick“ fehlt und seine Entscheidung auf der Basis wesentlich kurzfristigerer Konsequenzen treffen muss.

 


 

Und dann, eine Woche später:

Reimann kritisiert, dass Besko die Schweiz verlassen musste.«Es ist eine verpasste Chance.» Der ausgeschaffte Rapper hätte junge Migranten positiv beeinfussen können. «Man muss abwägen: er nützt uns hier mehr als in Kosovo.» Reimann interveniert sogar schriftlich beim Chef des Staatssekretariat für Migration, Mario Gattiker. Zwar sei er immer noch für eine strenge Haltung bei der Ausschaffung von kriminellen Ausländern. «Aber was, wenn nicht das, ist ein Härtefall?»
SVP-Reimann unterstützt ausgeschafften Rapper – 20min

Lukas Reinmann scheint aus dem TV-Film «Terror – Ihr Urteil» gelernt zu haben, dass die Konsequenzen schwerer wiegen als die Buchstabentreue.
Und der beliebteste Leser-Kommentar zu diesem Artikel war der folgende:

20min-reimann_unterstuetzt_rapper

Ich weiss zwar nicht, wofür „murrli“ beim Fernsehexperiment war, aber ich vermute sehr für Freispruch.
Und ich unterstelle jetzt mal verwegen, dass „murrli“ Galladé und Lang es da ziemlich übel nahm, dass sie lieber 70’000 Menschen sterben liessen als das bestehende Gesetz nicht anzuwenden.

Macht nur mich das stutzig?

Nomen est Omen

Nach Art. 37c1.3 der Zivilstandsverordnung kann die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte Vornamen zurückweisen, welche die Interessen des Kindes offensichtlich verletzen.

Satan, Bierstübl, Puhbert, Pillula, Sputnik, Störenfried, Oma, Rosenherz, Venus, Pfefferminze oder Verleihnix wurden daher als Vornamen abgelehnt. Das scheint auch Sinn zu machen. Oder scheint es nur so? Klar, Namen wie Puhbert sind einfach zu verlockend um nicht zum Ärgern verwendet zu werden, doch genauso scheinen schlechtere Noten mit dem Namen Kevin oder Mandy vorprogrammiert zu sein, welche Lehrer nachgewiesenermassen mit Inkompetenz assoziieren. Wieso werden dann nicht auch diese im Interesse des Kindswohls abgelehnt? Zumindest so lange, bis sich die Situation geändert hat und die Ressentiments der Lehrer gelegt haben?

Eine genauere Analyse der Studie von Astrid Kaiser und Julia Kube, welche belegen soll, dass Kevin kein Name, sondern eine Diagnose ist, zeigt aber ein anderes Bild. Die Namen werden zwar vielleicht schon mit Inkompetenz assoziert, einen messbaren Effekt hat das aber offenbar doch nicht. Nomen non est Omen.

Wenn nun aber der Name Kevin doch keinen nachweislich nachteiligen Effekt auf das Kind hat, was der Zivilstandsverordnung eine wissenschaftlich fundierte Legitimierung gäbe die Namen der Kinder abzusegnen, müssen wir dann nicht auch dem Artike 37C1.3 in Frage stellen? Oder zumindest verlangen, dass man ihn nur dann gelten lässt, wenn wissenschaftlich saubere Evidenzen für dessen Wirkung vorliegen? Im Moment argumentiert man mit dem gesunden Menschenverstand.
Aber wir wissen nur zu gut, dass man dem nicht immer trauen kann…

Und sollten keine systematische Diskriminierung von Menschen mit Namen wie Satan, Bierstübl, Puhbert, Pillula, Sputnik, Störenfried, Oma, Rosenherz, Venus, Pfefferminze oder Verleihnix aus zu machen sein, ist es dann gerechtfertigt ihren Eltern vorzuschreiben, wie sie ihre Kinder nicht nennen dürfen?

Exknackies als Nachbarn

„Auge für Auge, Zahn für Zahn“ ist zwar barbarisch und nachweislich nicht besonders effizient in Sachen Verbrechensprävention, eine gewisse naive Eleganz aufgrund der Klarheit im Strafmass kann man einem solchen Rechtssystem aber nicht absprechen. Wenn einem Bürger der Zahn ausgeschlagen wird, sorgt die Gesellschaft dafür, dass dem Übeltäter ebenfalls ein Zahn ausgeschlagen wird. Und die Sache ist geregelt1. Der Trick ist, dass man die Strafe von einer unbeteiligten Drittperson ausführen lässt, wodurch beide Parteien halbwegs überzeugt sein können, dass die Strafe weder zu hart noch zu mild vollstreckt wurde.

Klar, noch besser wäre, wenn das Opfer dem Täter einfach so verzeihen würde. Damit wäre der Welt der Verlust eines weiteren Zahnes erspart geblieben. Das Problem ist aber, dass dies den Täter nicht davon abhalten wird im Bedarfsfall nochmals wem einen Zahn auszuschlagen.
Die Sache sieht jedoch auf einmal anders aus, wenn das Opfer dem Täter auch noch den anderen Zahn zum Ausschlagen anbietet2 3. Wegen dem einen Zahn hat der Täter nämlich noch kein schlechtes Gewissen, schliesslich hat es das Opfer nach seiner Ansicht ja verdient4, doch spätestens nach dem zweiten, dritten Zahn ist die Schuld beglichen und ein ungutes Gefühl macht sich bemerkbar. Von diesem Moment an geht der Täter mit Schuldgefühlen durch die Welt und trachtet danach diese wieder gut zu machen. Beispielsweise indem er dem nächsten, der es verdient einen Zahn ausgeschlagen zu bekommen, keinen Zahn ausschlägt5, was idealerweise ein Glücksgefühl hervorruft, welches ihn veranlasst niemals mehr irgendwem einen Zahn ausschlagen zu wollen.6
Doch selbst wenn die Andere-Zahn-Hinhalten-Strategie tatsächlich den Täter langfristig davon abhält, nochmals gewalttätig zu werden, so bezweifle ich, dass sie das auch bei anderen potentiellen Zahn-Ausschlägern schafft. Die Aussicht7, jemandem auch einen zweiten Zahn ausschlagen zu müssen, wird wohl kaum jemanden davon abhalten den ersten – wohlverdienten – auszuschlagen. Klar, der zweite Zahn wird, wie oben erwähnt, schlussendlich dazu führen, dass dem Täter die Lust vergeht, je wieder einen Zahn ausschlagen zu wollen, doch dieser Effekt ist meines Erachtens nur erfahrbar, nicht aber vermittelbar, weil nicht wirklich abschreckend.
Und auch wenn es die zukünftigen Täter entgegen allen Erwartungen doch überzeugen sollte, dass das schlechte Gewissen hinterher ziemlich übel sein wird, dann werden diese dem einfach dadurch vorbeugen, dass sie erstmal nur einen halben Zahn ausschlagen um sich – als treue Gesetzesbürger – einfach etwas später8 auch noch der zweiten Hälfte des nach ihrer Ansicht völlig begründeten Gewaltausbruchs zu widmen.

Randnotiz: Ist es nicht irgendwie komisch, dass in der Erziehung9 von Fremden auf die Strategie des Verzichts auf Gewalt gesetzt wird („Ich aber sage euch: Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses antut! Mehr noch: Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.“ Matthäus 5:39), während man dies bei der der eigenen Kinder offenbar tunlichst zu unterlassen hat(„Wer seine Rute schont, der haßt seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn bald.“ Sprüche 13:24)?
Der Schluss liegt daher nahe, dass es bei der anderen Backe gar nicht um die Erziehung des Täters geht, sondern allein um die persönliche Verarbeitung des an einem verübten Unrechts – wobei die Frage, ob es nicht vielleicht ein bisschen „verdient“ war, gänzlich ausgeklammert wird.
Das Argument, dass es bei Kindern einfach einer anderen Art von Erziehung bedürfe als bei Erwachsenen, halte ich für wenig überzeugend, denn die Trennung zwischen Kindheit und Erwachsensein wurde zu jener Zeit noch nicht so gelebt, wie man es heute tut10. Und hinzu kommt noch, dass es Christen gibt, welche die körperliche Züchtigung der Ehefrau für ein von der Bibel gestütztes Erfolgsrezept halten11, was meinen Schluss über den Zweck der anderen Backe klar unterstützt.

Beide Methoden konzentrieren sich auf das Opfer: Im Zahn-für-Zahn Fall wird dessen Rachelust gestillt und im Andere-Backe Fall wird das Leid als willkommene Etappe auf dem Heilsweg verkauft. Beides ziemlich egoistisch, finde ich. Es wird nämlich nirgends das nächste Opfer berücksichtigt. Dabei ist doch eigentlich das das wichtigste. Denn im Gegensatz zu nächsten Opfer ist beim aktuellen der Schaden bereits angerichtet und lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen. Damit will ich das Opfer nicht alleine lassen, ganz im Gegenteil, ihm soll jede nur erdenkliche Hilfe zuteil kommen – sofern diese Hilfe das nächste Opfer nicht in Gefahr bringt.
Wenn es das nächste Opfer nicht gäbe (was es nach Ansicht des Endzeitpropheten Jesus wohl nicht mehr tun sollte), wäre es Johannes wie Thaddäus wie man mit den Täter umspringt. Daher ist ein versöhnlicher Ansatz gar keine schlechte Idee. Wenn es aber mehr oder weniger nächste Opfer geben kann, sollte man sich – so finde ich zumindest12 – tunlichst bemühen, es weniger sein zu lassen – selbst wenn das bedeutet, dass der „Gerechtigkeit“ nicht ganz genüge getan wird13.
Und wenn die Zahl der der nächsten Opfer mit der Behandlung der Täter korreliert, so ist das ein vielversprechender Hebel um anzusetzen.

Wieso also den Täter nicht mit den folgenden Worten im Strafvollzug willkommen heissen: „Eines Tages wirst du hier wieder raus kommen und es besteht die Möglichkeit, dass du in meine Nachbarschaft leben wirst. Deshalb tue ich mein Bestes dich zu einem guten Nachbaren zu machen.“14

Ob es Kuscheljustiz ist oder nicht, sollte nicht die Frage sein. Einzig und allein sollte der Erfolg zählen. Und der Erfolg ist weniger nächste Opfer. Und die nächsten Opfer kann man zählen.
Weniger Opfer ist aber nicht gar keine. Deshalb wird man sich bei jedem nächste Opfer fragen, ob es mit einem härteren Strafsystem nicht hätte verhindert werden können? Man hätte natürlich genauso gut auch fragen können, ob es mit einem kuscheligeren Strafsystem nicht hätte verhindert werden können – was sogar naheliegender wäre, wenn man sich die Korrelation zwischen Kuscheljustiz und Kriminalitätsrate anschaut, aber in solchen Situationen fällt einem diese in der Regel nicht auf. Die Antwort auf die Frage könnte dann unter Umständen so lauten: „Ja, mit einem härteren Strafsystem hätte womöglich genau diese eine Tat verhindert werden können, doch wären stattdessen X andere, vielleicht sogar viel schlimmere Verbrechen begangen worden, die uns jetzt aber zum Glück erspart geblieben sind.“
Einem Opfer und dessen Angehörigen spendet das natürlich wenig Trost. Doch darauf dürfen wir als Gesellschaft keine Rücksicht nehmen. Wir müssen so vielen wie möglich ein so sicheres Leben wie möglich garantieren.

Uns stehen verschiedene Strategien zur Verfügung, deren Erfolg wir durch entsprechende Untersuchungen in Pilotprojekten und aus Erfahrungen in anderen Ländern durchaus grob abschätzen können. Manche der Strategien verhindern eine Art von Verbrechen, während sie auf andere Arten kaum einen Einfluss haben. Manche Strategien lassen sich mit anderen kombinieren, mit anderen hingegen nicht. Manche sind intuitiv, andere weniger…
Sich für eine Strategie oder eine Kombination von Strategien zu entscheiden, bedeutet aber immer auch die Opfer, welche eine andere Strategie oder Kombination von Strategien verhindert hätte, in Kauf zu nehmen. Deshalb muss man wirklich sehr gute Gründe haben, warum man sich so und nicht anders entschieden hat. Und „Gott will es so!!!“ ist (trotz der ansonsten durchaus überzeugenden drei Ausrufezeichen) kein wirklich sehr guter Grund. Ein wirklich sehr guter Grund ist einer, den alle (zähneknirschend15) zu akzeptieren bereit sind. Und die Wünsche einer imaginären Gestallt kann ich – wenn ich die Wünsche für verhängnisvoll erachte – nicht mal zähneknirschend akzeptieren.

Das heisst aber, dass selbst wenn luxuriöse Haftbedingungen die Kriminalitätsrate proportional um Luxus senken, so können wir diese Option durchaus über Bord werfen – sofern wir eine andere Strategie zur Verfügung haben, die mindesten die gleiche Erfolgsquote hat. Bloss um unsere Rachelust zu befriedigen – so natürlich diese auch sein mag – dürfen wir aber nicht einfach ein paar Opfer mehr hinnehmen.
Insbesondere da es ja eigentlich nicht mal wirklich unsere Rache ist. Das Opfer ist ein anderer, wir wollen bloss den Täter bestrafen. Klar, so funktioniert soziale Kontrolle: Indem man jemanden der sich gegen die Regeln verhalten hat, kollektiv bestraft: Was du deinem Peiniger antun willst, das füg auch den Peinigern von anderen zu16. Allerdings gibt es, wie wir inzwischen wissen, wesentlich effektivere Methoden jemanden daran zu erinnern sich lieber an die Regeln zu halten und unsere Neigung die Täter zu stigmatisieren – schliesslich wollen wir wissen, ob ein Zahnausschläger in unserer Nachbarschaft wohnt – ist da möglicherweise eher hinderlich dabei ihn zu einem guten Nachbaren zu machen.

Im Knast aufgrund seiner Inkompetenz

Hans ist ein netter Kerl. Er hilft gern anderen Menschen. Deshalb lernte er, wie man Menschen repariert. Insbesondere Beinbrüche. Weil er viel von der Sache versteht und sich mit seinen Kollegen austauscht, weiss er, dass nicht alle Beinbrüche gleich sind. Die meisten sind problemlos und gut behandelbar, bei manchen ist es aber schwieriger. Und hie und da, das lässt sich leider kaum vermeiden, kommt es zu bedauerlichen Komplikationen. Und weil er – wie gesagt – viel von der Sache versteht, kennt er sogar die Wahrscheinlichkeiten der Problemlosen, der Schwierigeren und der Komplikationen. Und diese Wahrscheinlichkeiten werden sich in seinen Akten, die er gewissenhaft führt, wiederspiegeln.
Wenn sich die Erfolgsrate in seinen Akten nicht mit jenen der von ihm angegebenen (und von seinen Kollegen bestätigten) Wahrscheinlichkeiten deckt, dann kriegt er Ärger. Wenn seine Erfolgsrate markant tiefer liegt, mit dem Gesetz, weil er offensichtlich ein Scharlatan ist, wenn markant höher, mit Big Pharma (just kidding).

Auch Fritz, der Autos liebt und repariert, kriegt Ärger mit dem Gesetz, wenn die Rate der nicht korrekt geflickten Autos das von ihm geschätzte Mass nicht erreicht.

Und Sepp ebenfalls, der Menschen bei ihren psychologischen Problemen hilft, wenn seine Patienten nicht die Fortschritte machen, die eigentlich hätten erwartet werden müssen.

Selbst der Schäfer Heini kann Ärger mit dem Gesetz kriegen, wenn seine Schafe sich am Salat des Nachbarn gütlich tun.

Wenn ich nun aber Heini bitte mein Auto zu reparieren, Sepp mir mein Bein zu schienen, Fritz mir bei meinen psychischen Problem zu helfen und Hans sich um die Schafe zu kümmern, dann sind meine rechtlichen Möglichkeiten im Fall von einem katastrophalen Ergebnis eher beschränkt, denn keiner von ihnen bezeichnete sich als Experte in dem Feld, in dem ich mir von ihnen Hilfe erbat.

Man ahnt wohl schon, in welche Richtung es jetzt gehen wird: Auf welchem Feld sind wohl Priester Experten? Zumindest nach ihrer Selbstdeklaration in Sachen Seelsorge und angewandte Moral – deshalb werden sie im Fernsehen auch immer dann zu Rate gezogen, wenn es um moralische Fragestellung geht. Ergo müssten sie dann doch eigentlich auch haftbar sein für die Fehltritte ihrer Schäfchen.
Nach Auffassung so gut wie aller Religionen, ist es Gott, welcher das Fundament der Moral darstellt und die heiligen Bücher unter Anleitung der Priester vermitteln diese den Menschen. Das heisst, nur aufgrund der heiligen Schriften und der helfenden Hand der Schriftgelehrten lernen die Menschen was gut und was böse ist1. Die Hilfe der Experten ist dabei unumgänglich, weil in den heiligen Schriften auch moralische Urteile und Anweisungen zu finden sind, welche inzwischen als obsolet betrachtet werden2 3 4 5 6 7 8 . . . . . . . . . . . . . .. Und deshalb könnte der eifrige Schüler ohne die Hilfe der Experten auf die Idee kommen, diese auch heute noch wortwörtlich umzusetzen.

Was aber, wenn einer der Schüler eines Priester tatsächlich anfängt Schwule, Gotteslästerer und Andersgläubige zu töten? Sollte der Priester dann nicht vor Gericht gestellt werden?

Hat der Priester ihn dazu gebracht?
Wenn ja: ab ins Gefängnis wegen Anstiftung zum Mord (Art. 24 StGB)
Wenn nein: ab ins Gefängnis wegen Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB)

Aber man kann doch einen Priester nicht dafür verantwortlich machen wollen, wenn jemand, den er womöglich noch gar nie gesehen hat, der aber zufällig in seiner Gemeinde lebt, ein Verbrechen im Namen seines Gottes verübt. Oder vielleicht doch? Die Kirche kriegt Geld vom Mörder, der Mörder wird in den Akten der Kirche geführt und die Zahl der Akten legitimiert ein besonderes Mitspracherecht bei moralischen Fragestellungen.
Durch das Akzeptieren seines Geldes geht die Kirche einen Vertrag mit dem Mörder ein und übernimmt dadurch Verantwortung für dessen moralische Entwicklung.
Die Kirche kann sich nicht damit brüsten das beste Heilmittel zu besitzen, während sie alle, bei denen es nicht anschlägt, einfach aus der Kartei wirft.
Man hat seine Akten gewissenhaft zu führen und nur das Geld von denen zu akzeptieren, deren Werdegang man auch gewissenhaft betreuen kann!

Ausser natürlich die Kirchen verstehen sich als sowas wie der Touring Club. Man bezahlt ihnen Beträge und wenn man mal vom Weg abkommt, ziehen sie einen wieder aus dem Schlammassel. Und – tadaaa – man ist sie los, die Verantwortung über den Fahrstil seiner Mitglieder. Selbst dann, wenn sich der Täter ganz genau an die Anweisungen im Betriebshandbuches hält und von offizieller Seite her eingeräumt wird, dass die Lektüre alleine zum wahren, friedliebenden Verständnis wohl nicht reicht.

Ja, das juristische Selbstverständnis der Religionen ist inzwischen9 eher jenes von Versicherungen oder Waffenhändlern als das von Ärzten oder Schäfern.

Das darf doch einfach mal gesagt werden

Ich bin gegen Homo-Ehe
Punkt – Aus! Das darf doch einfach mal gesagt werden, was ist nur los im 21Jh? Ist dieser Satz bereits rassistisch? Unfassbar was sich in dieser Gesellschaft tut.
Kommentator auf 20min

Kein vernünftiger Mensch würde diesen Satz rassistisch nennen1. Homophob ist das gesuchte Wort. Und ja, der Satz ist bereits homophob. Weil er zum Ausdruck bringt, dass man jemandem aufgrund seiner sexuellen Orientierung etwas vorenthalten will2.
Ich möchte nicht ausschliessen, dass es triftige Gründe geben kann, welche eine solche Diskriminierung zum Wohl einer wichtigeren Angelegenheit unumgänglich machen und dass in einem solchen Fall sich gegen die Homo-Ehe zu stellen eine bedauerliche Notwendigkeit wäre. Doch so lange diese Gründe nicht präsentiert (und selbst von der homosexuellen Gemeinschaft akzeptiert) werden, gehe ich davon aus, dass die Aversion des Kommentators in persönlichen Vorlieben gründet und dass er, auch wenn er es nicht gern hört, homophob ist. Und das darf doch auch einfach mal gesagt werden.

Ich verstehe nicht ganz, was daran so unfassbar ist? Wessen Rechte werden hier in irgend einer Weise eingeschränkt? Kein Mensch hindert den Kommentator daran zu verkünden, welche Überzeugungen er hat. Man hindert lediglich auch niemanden daran, das, was der Kommentator gesagt hat, in einer Art zu kommentieren, die ihm womöglich die Lust nimmt, es zu wiederholen.

Dieser Kommentar stand übrigens im Kontext eines Artikels über die Morddrohung gegenüber einem EDU-Politiker wegen dessen problematischen Äusserungen über Homosexuelle. Sollte man nicht auch hier einfach mal sagen dürfen, dass man den anderen umbringen wird, ohne gleich als Rassist, äh, Mörder zu gelten?
Nun ja, nein, das darf es nicht. Im Gegensatz zu der Gefahr, in der man sich wähnt, wenn man sich in einem homophilen Umfeld gegen die Homo-Ehe ausspricht, ist jene, in der man sich wähnt, wenn man gefragt wird, ob man immun gegen Baseball-Schläger sei, eine gänzlich andere.
Wenn man sich gegen die Homo-Ehe ausspricht, kann man erwarten, dass man als homophob, bigott und als Anhänger einer bescheuerten Weltanschauung bezeichnet wird. Das tut weh, ohne Zweifel, hindert einen aber nicht daran auch weiterhin homophob, bigott und ein Anhänger der bescheuerten Weltanschauung zu sein. Man wird sich dann nicht automatisch darauf einstellen, dass man gleich den Arsch versohlt bekommt.
Wenn dagegen Gewalt angedroht wird, hofft man zwar, dass das bloss eine leere Drohung war, stellt sich aber lieber schon mal auf eine handfeste Auseinandersetzung ein. Und sollte es tatsächlich zu dieser kommen, was angesichts der Drohung nicht weiter überraschen würde, ist es durchaus möglich, dass man nie wieder in der Lage sein wird, homophob, bigott und ein Anhänger einer bescheuerten Weltanschauung zu sein.
Wir werden davor geschützt aufgrund unserer Überzeugungen Leid zu erfahren. Deswegen ausgelacht zu werden, gehört da aber noch nicht automatisch dazu.

Die Meinungsfreiheit ist also weniger alles sagen zu dürfen, als viel mehr sich alles anhören zu müssen.

Gott auf der Anklagebank

Wenn Gott ein Erdbeben schickt um seinen Unmut über nackte Brüste auszudrücken, dann müsste er (resp. seine irdischen Vertreter) genau so für den Schaden und die Wiedergutmachung verantwortlich sein wie der radikale Globalisierungsgegner, der mit dem Zertrümmern von McDonalds seinem (möglicherweise durchaus gerechtfertigten) Unmut über die internationalen Verflechtungen Ausdruck verleiht.

Könnte es sein, dass die Kirchen es genau so sehen und liebend gern bereit wären den Wiederaufbau zu finanzieren, dass aber bisher einfach noch nie jemand diesbezüglich vorstellig geworden ist?
(Oder dass man das einfach nicht an die grosse Glocke hängt?)

Das bezweifle ich. Moderne Apologeten wissen, dass es auch natürliche Mechanismen gibt, welche Erdbeben auslösen können, und beschränken die Interventionen Gottes lieber auf das Abwenden des Bösen, was ihn (und sie) wohl vor der Haftung schützen soll. Doch im Angesicht von Allwissenheit und Allmacht, welche Gott für sich in Anspruch nimmt, halte ich die Differenzierung zwischen tun und nicht verhindern für nicht mehr wirklich haltbar. Es bedarf hier nämlich keiner zusätzlichen Anstrengung welcher Art auch immer, die diese Unterscheidung rechtfertigen würde.

Viel wichtiger ist aber, dass Gott, indem er der Katastrophe und dem ganzen dadurch verursachten Leid eine Botschaft an die Menschheit mitgibt, die Verantwortung für die Ereignisse übernimmt – und sei es auch nur, indem er erklärt, dass es durchaus in seiner Macht gelegen wäre diese zu verhindern, er es aber aus welchen Gründen auch immer vorzog, es nicht zu tun. Sollte er sich dann im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit nicht auch entsprechend verantwortungsvoll verhalten? Beispielsweise indem er – seinem Image als lieber Gott folgend – beim Wiederaufbau hilft? Das würde die Lektion, die er der Menschheit erteilte, ja nicht schmälern. Im Gegenteil, das würde den Verdacht zerstreuen, dass er bloss ein Trittbrettfahrer ist, der aus der Situation Profit zu schlagen versucht.

 

Weitere Prozesse gegen Gott dieser Tage:

  • Endlich Klarheit über Gott
    Das Münchner Verwaltungsgericht muss klären, ob es eine höherer Instanz gibt, welche die Richtige ist und wie man ihr standesgemäß dient um Gebühren zu sparen.
  • Frisch geklagt ist hab gewonnen – Helft uns!
    In Brandenburg streitet die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters um ihr Recht eigene Gottesdienste abzuhalten und dies auch am Ortseingang wie die anderen Kirchen ankündigen zu dürfen.