CSI Oerlikon: Der Samichlaus

Ist der Samichlaus wirklich lieb?
Klar, er bringt doch Geschenke.


»Timeo Danaos et dona ferentes«


Mit Geschenken ist es aber bekanntlich so eine Sache…
Lassen wir uns also nicht von der sympathischen Erscheinung und dem guten Ruf des populären Bartträgers täuschen und schauen uns die Fakten an.

Es scheint mindestens zwei kulturabhängige Varianten zu geben:

Der eine ist ein fetter Kerl (Samichlaus), der am Abend mit einem Assistenten (Schmutzli) in fremde Wohnungen eingeladen wird, wo er gegen Rezitation von Gedichten und dergleichen Geschenke verteilt.
Und der andere ist ein fetter Kerl (Santa Claus), der in der Nacht ungesehen in fremde Wohnungen einbricht und statt Fingerabdrücken Spielsachen hinterlässt. Diesen gibts auch in der pausbackigen Variante (Christkind) – bis auf das Aussehen des (nicht gesehenen) Einbrechers bleibt der Coup derselbe.

Aufhorchen lassen sollten einen in der ersten Variante der Sack und die Fitze vom Schmutzli. Instrumente der Folter, wie es scheint.
In den Sack, da kommen aber nicht etwa die bösen Kinder rein. Nein, so wird auf Nachfrage versichert, da sind die Geschenke für die lieben Kinder drin.
Und die Fitze sei nicht zum Züchtigen der bösen Kinder, sondern um sich den Schnee von den Schuhen zu putzen.
Die Erklärung mit dem Sack muss man gelten lassen, schliesslich eignet sich ein solcher tatsächlich etwa gleich gut zum Geschenke, wie zum Kinder reinstecken. Aber die Sache mit dem Schuheputzen bleibt verdächtig. Denn wenn der Schmutzli sich die Schuhe putzen will, wieso bringt er dann nicht eine Schuhputzmaschine mit? Wieso ein Utensil, das man – wie alle Kinder sehr wohl wissen – notfalls auch zum Züchtigen verwenden kann? Etwas, wozu sich eine Schuhputzmaschine nicht im Geringsten eignet.
Und wenn eine Schuhputzmaschine zu sperrig ist, wieso lässt er die Fitze nicht draussen stehen? Wieso muss er sie unbedingt mit rein bringen?
Das ist wie wenn ein Cowboy einem zu versichern versucht, dass man sich vor ihm nicht zu fürchten brauche, weil er mit dem Revolver bloss Nägel einschlage – wobei in diesem Fall immerhin die Zielgenauigkeit immer schlechter wird, je länger man die Knarre als Hammer benutz.

Verdächtig ist bei der ersten Variante darüber hinaus, dass der Samichlaus mit seinem Insiderwissen durchaus die Kinder überrascht – jedoch nie die Eltern! Das sollte doch eigentlich stutzig machen, oder?

Der folgende Punkt ist wohl weniger kriminalistisch als viel mehr pädagogisch problematisch, soll aber dennoch nicht unerwähnt bleiben: Der Samichlaus erzählt dem Kindern, die offenbar ALLE – und zwar ohne Ausnahme – Probleme mit dem Zimmeraufräumen haben, dass auch er Probleme mit dem Zimmeraufräumen hat. Er erzählt, dass da der Schmutzli wesentlich disziplinierter sei. Hallo? Ich finde es ja bewundernswert, dass der Samichlaus sich sein kindlichen Gemüht bewahrt hat, aber inwiefern soll das die Kinder motivieren im nächsten Jahr das Zimmer besser aufzuräumen? Sie wollen doch nicht als Schmutzli enden – Nichts für Ungut! – als Handlanger ohne jegliche Chance auf Beförderung.

Die zweite Variante unterscheidet sich von der ersten lediglich dadurch, dass der „Geschenkbringer“ nicht gesehen wird. Schwierigkeiten mit Outfits, Accessoires und fragwürdigen Aussagen bleiben uns dankenswerterweise erspart. Wir können uns also dem eigentlichen Problem zuwenden, welches allen Varianten gemeinsam ist:

Ein Kerl, der in alle Wohnungen der Welt in einer einzigen Nacht einzusteigen vermag, muss die Zeit selbst manipulieren können. Mit Geschwindigkeit allein ist das nämlich nicht zu schaffen. Da würden die Renntiere nämlich wegen des Luftwiderstand in Flammen aufgehen.
Und wenn er die Zeit nach belieben laufen lassen kann, was wenn er das Spielzeug nicht bringt, sondern holt? Das perfekte Verbrechen! Er beklaut Kinder und niemand merkts, weil diese vor Freude strahlen.

Dafür spricht, dass er es oft ungesehen zu machen versucht, weil das seltsame umgekehrte Rückwärtslaufen ihn wohl verraten würde, und dass die Geschenke von den Eltern bezahlt werden.

Und selbst wenn der Samichlaus kein Dieb ist, so schmückt er sich doch mit fremden Federn!
Ich finde es übrigens bezeichnend, wie bereitwillig Menschen ihre Verdienste sich von einer höheren Instanz, wie Gott oder hier dem Samichlaus, abspenstig machen lassen. Sie finden es völlig okay, wenn man sich bei der imaginären Gestallt bedankt, statt bei ihnen. Wodurch sie eigentlich nicht mehr zu unterscheiden sind von einem willenlosen Werkzeug eben jenes „Wohltäters“…

Eins muss man dem diebischen, zurück durch die Zeit reisenden Samichlaus aber lassen. Er nimmt von den reichen Kindern mehr als von den armen.

 

Fazit

Entweder ist der Samichaus ein Dieb, der Kinder bestiehlt und dies dadurch vertuscht, dass er es rückwärts durch die Zeit tut. Oder er ist ein Wohltäter, der denen, die mehr haben, mehr gibt, als denen, die es nötiger hätten.