Die Prinzessin und der Prügelknabe

Ava stellt was an und ich kriege den Rüffel!
Und irgendwie funktioniert’s! Ava stellt es nicht mehr an.
Echte Prinzessin eben!

Vielleicht ist das Konzept des Prügelknaben gar nicht mal so schlecht. Es ist natürlich in höchstem Masse ungerecht dem Prügelknaben gegenüber, doch im Bestreben mein Kind auf den rechten Weg zu führen, könnte die Bestrafung eines anderen durchaus zielführend sein. Wenn ich mein Kind bestrafe, dann will ich ihm schliesslich nur gerade so viel Leid zufügen, dass es seine Tat bereut und in Zukunft von dergleichen absieht (und – so ich noch weitere Sprösslinge habe – dass auch meine anderen Kinder im Angesicht der drohenden Strafe nicht auf die Idee kommen, es ihm gleich zu tun).

Eine Strafe auf eine Missetat zu verhängen ist aber ein zweischneidiges Schwert. Das Lausmädchen wird sich in Zukunft wohl überlegen, ob der Spass am Streich das Ungemach der Strafe aufwiegt. Doch wenn es das nicht tut, wird sie es nicht zwangsläufig bleiben lassen, sie könnte auch versuchen um so viel mehr Spass raus zu holen, bis es das wieder tut.
Es ist daher nicht unproblematisch, über Züchtigung den moralischen Wert einer Handlung vermitteln zu wollen. Das könnte dann auch einfach für den Preis des Spasses gehalten werden – wie das Zähneputzen für die Süssigkeiten.

Zur Illustration:
Ist der Umstand, dass Pelz teurer ist als Kunstpelz ein Hinweis darauf, dass Pelz zu tragen problematisch ist?
Sind dann auch die teureren Bio-Eier problematischer als die billigeren Batterie-Hühner-Eier?
Natürlich nicht!

Mich sollte nicht nur der Preis daran hinder einen Pelzmantel zu tragen.
Wie also vermittle ich meinem Kind, dass eine Bestrafung nicht nur der handelsübliche Preis für einen bestimmten Schabernack ist, sondern dass der Schabernack falsch und zu unterlassen ist?
Egal wie gross der Preis ist, wenn eine andere Person ihn bezahlen muss, dann ist er – und das halte ich für evident – zu gross1.

Das Problem mit ethisch falschen Handlungen ist ja, dass sie auch anderen schaden. Wenn nur ich von einer Handlung in Mitleidenschaft gezogen werde, dann kann man diese nur schwer als ethisch bedenklich bezeichnen, denn alles, was nur mich allein betrifft, unterliegt meiner Freiheit.
Doch indem ich den Prügelknaben züchtige, vermittle ich meinem Kind, dass das Verhängnisvolle an bösen Handlungen vor allem der Schaden ist, den andere dabei erleiden. Ich lehre es Verantwortung zu tragen und mache ihm bewusst, dass mit der Bestrafung die Schuld noch lange nicht beglichen ist.

Es ist aber auch gut möglich, dass es meinem Kind egal ist, wenn andere leiden2, dann wäre die ganze Übung natürlich ein Schuss in die Hose gewesen. Und mein Kind nachgewiesenermassen ein Arsch.

Wer hätte das gedacht?

Heutzutage ist jeder Samariter barmherzig. Die samarische Staatsbürgerschaft kriegt jeder Barmherzige sogar nachgeschmissen. Wenn wir also heute einen Samariter irgendwo jemandem helfen sehen, überrascht uns das nicht. Ganz im Gegenteil.

Vor 2000 Jahren schien das die Leute jedoch fast aus den Sandalen zu hauen. Wieso sonst hätte Jesus sie sonst in seinem berühmten Gleichnis verwendet?
Da wird ein Mann von Räubern ausgeraubt und verprügelt und im Strassengraben liegen gelassen. Die ersten beiden, die dann auftreten, sind ein Priester und ein Levit. Beide1 optimal bewandert in religiösen Angelegenheiten, beide wissen um das Gebot der Hilfeleistung2, doch ziehen beide weiter3. Als dritter betritt der Samariter die Bühne, hat Mitleid und hilft.

Damit wird nicht nur gezeigt, dass man auch entfernten Bekannten helfen soll4 (vgl. Lev 19,18), sondern dass man Barmherzigkeit manchmal auch dort findet, wo man sie eigentlich nie erwarten würde. Sogar bei Samaritern!

Das heisst, Jesus hat keine allzu hohe Meinung von Samaritern – auch wenn er durchaus ein paar nette kennt.

Wie nennt man doch gleich Leute, die solche Sachen sagen: „Ein paar meiner besten Freunde sind Dings, aber …“
Man nennt sie dingsophob.

Ungewisse Zukunft vs persönliche Vorlieben

Dass man sich gegen die Abschaffung der Sklaverei stellt, kann ich ja noch verstehen. Ich meine, die Wirtschaft hängt von ihr ab und auch die Bibel hat nichts gegen sie einzuwenden. Klar, es gibt da Missstände, aber die lassen sich auch beseitigen ohne gleich alles zu verbieten.
Die Sache ist aber die, dass sobald die Sklaverei abgeschafft ist und es auf der Hand liegt, dass die Entscheidung die Wirtschaft ganz und gar nicht in die Knie gezwungen hat und auch dass der moralische Zerfall in der Gesellschaft mitnichten zugenommen hat, dass dann die ethische Beurteilung der Optionen bei der Frage, ob man die Sklaverei wieder einführen soll, eine ganz andere ist.
Vorher musste man ein funktionierendes System gegen eine ungewisse Zukunft abwiegen. Jetzt eine funktionierende Zukunft gegen eine funktionierende Vergangenheit, wobei bei letzterer Menschen eigentlich unveräusserliche Rechte weggenommen werden. Während vorher die Angst vor dem Ungewissen zugunsten der Sklaverei sprach, tut es jetzt nur noch das Interesse am eigenen Profit und die Abneigung/Gleichgültigkeit den eigentlichen Sklaven (zu erkennen an deren Hautfarbe?) gegenüber.

Das gleiche Gedankenspiel könnte man auch für die Gleichstellung der Frau, die Legalisierung der Abtreibung oder eben auch für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe machen.
Und im Grund auch für die Frage, ob man an einer gefährlichen Kreuzung eine Ampel aufstellen will. Zunächst weiss man nicht, ob die Ampel wirklich die Unfälle senken wird, und in dem Fall fragt man sich schon, ob das Geld nicht an einem anderen Ort besser investiert wäre. Wenn man sie aber erst mal gebaut hat und die Statistiken einen deutlichen Rückgang verzeichnen, dann wird es schwierig, die Ampel wieder abreissen zu wollen. Denn dann ist die Zukunft gewiss. Und es ist allein das Geld, das entscheidet. Und die Hoffnung etwas schneller von A nach B zu gelangen.

Sloweniens Stimmvolk hat sich gestern für die Rücknahme der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen.

Und wie die SVP uns weiszumachen versucht, hat das Volk immer Recht.
Und des Volkes Entscheid hat selbst dann umgesetzt zu werden, wenn er völkerrechtlich umstritten ist und allein auf Phobien gründet.
Phobien, wie sie sich nur allzu leicht schüren lassen.

Eine ungewisse Zukunft kann furchteinflössend sein. In einem solchen Fall kann man dem Stimmvolk seine Vorsicht nicht verübeln. Doch nicht jede Zukunft ist so ungewiss, wie sie auf den ersten Blick vielleicht erscheinen mag.
Wir wissen, dass eine Ampel die Verkehrsunfälle senkt. Wir wissen, dass die Abschaffung der Sklaverei gut für die Wirtschaft ist. Wir wissen, dass da ein Klimawandel im Anmarsch ist. Wir wissen, dass die homosexuelle Ehe nicht die Qualität der heterosexuellen Ehe schmälert.

Und wir wissen, dass man das eigentlich wissen müsste. Dass viele aber lieber ihren persönlichen Vorlieben den Vorrang geben.

Das Wunder der Geburt Jesu

So habe ich es noch nie betrachtet… Ich ging immer davon aus, dass die Mystifizierung der Vaterschaft von Maria ausgegangen ist, doch es hätte tatsächlich genauso gut auch von Josef aus gewesen sein können. Ich meine, im Angesicht der Schmerzen einer Geburt und der damit oft einhergehenden Hasstiraden, die während dieser dem Vater entgegen geschleudert werden, kann es schon vorkommen, dass der Vater es jemand anderem in die Schuhe zu schieben versucht. Und da bietet sich Gott natürlich an, denn in einer solchen Situation den Poolboy ins Gespräch zu bringen, kann nur unschön enden.

Das eigentliche Wunder an der Geburt von Jesus war, dass Maria ihm das tatsächlich abgekauft hat1.

Stolz zu sein aufs Vaterland

Mit den Edelweisshemden wollen sie nur zeigen, dass sie stolz sind auf die Schweiz. Und stolz zu sein auf sein Vaterland ist doch nichts schlimmes. Das ist doch kein Rassismus. Sagen die Edelweisshemdträger, die Edelweisshemden tragen um zu zeigen, dass sie stolze Eidgenossen sind.

Eine Frage am Rande:
Wann wäre es denn Rassismus?

Aber sie haben natürlich schon recht, stolz auf sein Vaterland zu sein ist für sich betrachtet nichts schlimmes. Und es braucht schon gar kein Rassismus zu sein.
Es ist aber nichtsdestotrotz etwas fragwürdig. Nicht, weil die Schweiz nicht ein wundervolles Land wäre, dessen Traditionen es nicht zu schützen lohnen würde1. Ganz im Gegenteil. Die Schweiz ist super. Und daran ändert auch nichts, dass gewisse Dinge noch arg verbesserungsbedürftig sind. Aber stolz auf sie zu sein?
Ich kann stolz auf etwas sein, das ich selbst geleistet habe, oder das zumindest durch meine Mithilfe grossartig wurde2. Ohne Blut und/oder Schweiss dafür vergossen zu haben, kann man nicht wirklich stolz auf etwas sein. Ich meine, klingt es nicht seltsam, wenn ich verkünde stolz auf die Relativitätstheorie zu sein? Dass sie von einem Angehörigen der selben Spezies entwickelt wurde, reicht einfach nicht. Es reicht auch nicht, wenn ich im selben Gebäude arbeite, wie Albert Einstein von 1909-1911.
Steuern zu zahlen und ab und zu abzustimmen, reicht ebenfalls nicht. Nicht weil man damit nichts bewirken würde, sondern weil es meine Pflicht ist, das zu tun. Um auf etwas stolz sein zu können, sollte es schon über die normale Pflichterfüllung hinaus gehen.

Es gibt aber durchaus Möglichkeiten etwas für die Schweiz zu leisten, was eine Wirkung zeigt und was einen dann berechtigen würde auf das Ergebnis und die daraus hervorgehende Version der Schweiz stolz zu sein: Etwa indem man durch sein Verhalten ein Klima schafft, welches Ausländer davon abhält in die Schweiz zu kommen. Beispielsweise mit dem provokativen Tragen von Edelweisshemden. Doch das geht bereits deutlich in Richtung Xenophobie und Rassismus.
Das Problem ist einfach, dass ich die Qualitäten der Schweiz nicht im reinen Blut sehe, sondern eher in ihrer humanitären Tradition. Und dazu gehört auch Fremde willkommen zu heissen und sich gemeinsam mit ihnen weiter zu entwickeln. Worauf die Edelweisshemdträger also stolz sind, eine politisch abgeschottete und auf ihr Vermögen und ihre Folklore fixierte Schweiz, halte ich eher für einen Schandfleck eben dieser. Nicht weil ich sie nicht lieben würde, sondern weil ich einfach andere Qualitäten der Schweiz für bewundernswert halte.

Unter dem Strich sind Leute, die unterstreichen stolz auf die Schweiz zu sein, in aller Regel aber eben doch Rassisten. Nicht weil eine Kausalität bestehen würde, sondern weil irgendwie nur Rassisten wert darauf legen zu erwähnen, dass sie stolze Eidgenossen sind.

The-O-ptik oder ein Platz an der Sonne

 

Christen haben mir schon oft zu erklären versucht, dass die allgemeine Vorstellung von Himmel und Hölle irreführend und daher für eine Kritik an Gott ungeeignet sei.
Sie erklärten mir, dass ich mir den Himmel stattdessen als Gottes Nähe vorstellen solle und die Hölle als seine Abwesenheit. Es sei also so, als ob ich mich in die Sonne oder in den Schatten stelle. Und ich könne der Sonne ja nicht zum Vorwurf machen, dass mir kalt ist, wenn ich mich selbst in den Schatten gestellt habe.

Das mach ich aber eigentlich auch gar nicht. Was ich der Sonne vorwerfe, ist, dass sie erst zu scheinen beginnt, nachdem ich mich für ein Plätzchen entschieden habe, mir dort der Arsch festgefroren ist und ich mich nicht mehr bewegen kann.

Und was ich der Sonne auch vorwerfe, ist, dass ihre Strahlen sich nicht auf nachvollziehbare Weise nach den Gesetzen der Optik bewegen.

Gott liebt uns

godGott liebt uns.
Deshalb baut er für uns ein Labyrinth mit zwei Ausgängen, wovon der eine ewige Freude und der andere ewige Qualen verspricht. Wobei die Chancen den richtigen zu finden äusserst liebenswürdig sind.

Gott liebt uns.
Deshalb bietet er uns für die existentielle Entscheidung nur höchst zweifelhaften Informationen an.

Gott liebt uns.
Deshalb gibt er uns den Freien Willen und ein Messer zum Spielen. Und damit es noch etwas interessanter wird, füllt er das Labyrinth mit Häschen, Welpen und Babies, damit wir nicht nur uns selbst schaden, sondern auch völlig Unbeteiligten das Leben zur Hölle machen können.

Gott liebt uns.
Deshalb respektiert er die Entscheidungen, welche wir mit unserem Freien Willen treffen, versucht uns aber trotzdem mit Geboten und Verboten in eine bestimmte Richtung zu drängen. Und beauftragt auch noch andere, die dafür sorgen sollen, dass wir auch ja in die richtige Richtung gehen.

Gott liebt uns.
Deshalb bestraft er uns schweren Herzens, obwohl wir nichts mehr daraus lernen und es das nächste mal besser machen können.

Gott liebt uns.
Deshalb reibt er uns dauernd unter die Nase wie verkommen und unwürdig wir doch sind.

Gott liebt uns.
Deshalb ermahnt er uns zur Nächstenliebe, die man jemandem auch angedeihen lassen kann, indem man ihm im Interesse seines Seelenwohls einen rotglühenden Stab in den Arsch schiebt.

Gott liebt uns.
Deshalb liess er seinen Sohn auf der Erde einen qualvollen Tod sterben, wobei es für diesen Sohn ein leichtes gewesen sein dürfte die Schmerzen der Kreuzigung auszublenden.

Gott liebt uns.
Deshalb liess er seinen Sohn auf der Erde einen qualvollen Tod sterben, wobei dieser qualvolle Tod von allen qualvollen Toden längst nicht der qualvollste ist.

Gott liebt uns.
Deshalb liess er seinen Sohn auf der Erde einen qualvollen Tod sterben, wobei dieser Tod im Vergleich zu der Qual, die uns in der Hölle droht, geradezu lächerlich ist. Die Grausamkeit liegt nämlich nicht nur in der Stärke des Schmerzes sondern auch in dessen Dauer. So dass nach einer Milliarde Milliarde Milliarde Jahren selbst ein Tropfen kalten Wassers alle zwei Minuten auf den Kopf unendlich viel grausamer ist als ein paar Stunden am Kreuz zu hängen. Was Gott uns hier also als den ultimativen Liebesbeweis vorsetzt, läuft im Grunde darauf hinaus: „ALS BEWEIS MEINER LIEBE HAB ICH MIR DIE FUSSNÄGEL GESCHNITTEN!“

Gott liebt uns.
Ist Liebe das richtige Wort?
Müsste es nicht viel eher so heissen:

Gott fickt uns.
Und das tut er auch dann, wenn er am Ende doch alles verzeiht und alle zu sich in den Himmel holt. Und zwar weil er uns Angst gemacht hat. Und zwar eine so grosse Angst, dass wir uns und vielen anderen viel zu oft selbst die Hölle auf Erden bereitet haben.

 

 

Das Tragische an der ganzen Sache ist, dass es diesen Gott gar nicht gibt und dass die Menschen demzufolge offenbar einen tiefen Drang haben, monumental „geliebt“ zu werden.

Moralkonzepte von Christen und Atheisten

Atheisten glauben nicht an Gott, weil sie sich nicht an seine Regeln halten wollen.
Wenn dem so ist, müsste man doch eigentlich erwarten – insbesondere wo sich die göttlichen Gebote doch zu einem grossen Teil mit den juristischen Gesetzen decken -, dass sich das in der Kriminalitätsstatistik niederschlägt. Doch das tut es nicht. Atheisten sind in Gefängnissen ganz und gar nicht übervertreten. Und auf den Himmel zu verzichten nur um eine Schandtat nicht zu tun, scheint nicht besonders logisch.

Die Atheisten halten sich an die Gesetze, weil die Moral in ihre Herzen eingeschrieben ist.
Das heisst, dass die Intuition darüber, was richtig und was falsch ist, die es tatsächlich zu geben scheint1, eine gottgegebene Fähigkeit ist. Die Wissenschaft hält es zwar für eine im Laufe der Evolution entwickelte Fähigkeit, doch kommt das unter dem Strich aufs gleiche raus2.

Halten wir also fest: Irgendwie fühlen wir alle3, dass es nicht richtig ist Kinder umzubringen. Es fühlt sich daher selbst dann falsch an, wenn es wirklich gute Gründe gibt, es dennoch zu tun.
Was ist aber, wenn Gott Abraham befielt seinen Sohn Isaak umzubringen? In diesem Fall hat das Töten des Kindes nicht nur aufgrund der Allwissenheit und Allgüte Gottes den ultimativ guten Grund, sondern ist – weil von Gott befohlen und weil was von Gott befohlen, automatisch moralisch gut ist – moralisch gut4. Und entsprechend müsste die ins Herzen eingeschriebene Moral diese Ausnahme vom Tötungsverbot enthalten. Sprich es dürfte sich nicht falsch anfühlen.

Tut es aber.
Oder tut es das nicht?
Schwer zu sagen.

Aber es muss ja nicht gleich um Mord und Totschlag gehen. Auch anderes Fehlverhalten fühlt sich, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, schlecht an. Die Vorstellung gegen jedes der 10 Gebote zu verstossen, fühlt sich schlecht an56. Ob es sich schlecht anfühlt sich mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zu verlustieren(Lev. 18:22), kann ich leider nicht beurteilen7. Allerdings fühlt es sich ganz und gar nicht schlecht an Crevetten zu essen (Lev. 11:10), Mischgewebe zu tragen (Lev. 19:19) und meistens auch nicht sich zu rasieren (Lev. 19:27).
Ich behaupte nicht, dass diese Dinge nach Ansicht der Christen auch heute noch falsch sein sollten. Ich will gern glauben, dass Jesus diesbezüglich was geregelt hat. Ich frage mich nur, wieso etwas, dass sich früher falsch angefühlt haben müsste, wenn es doch in die Herzen der Menschen eingeschrieben ist, sich heute nicht mehr falsch anfühlt? Oder hat Jesus, während er da so am Kreuz rumhing, vielleicht auch noch mit Tipex rumhantiert?

Oder steht bei jedem was anderes auf dem Herzen? Dann würde aber jeder eine andere Moral haben. Und was für den einen falsch ist, könnte für den anderen durchaus richtig sein. Doch genau das scheint empirisch betrachtet eben gerade nicht der Fall zu sein8.
Allerdings kommt man zu diesem Schlüss über gross angelegte Experimente, in welchen Leute hypothetische moralische Dilemma lösen müssen. Wenn es um das persönliche Erleben geht, sieht es schnell ziemlich anders aus. Bei Christen stellt sich da schnell mal eine Moralvorstellung ein, welche sehr individuelle Züge aufweist: Es gibt allgemeine Regeln und wo es seinen Interessen dient, gewährt Gott Dispensen.

Robert L. Dear, Jr., der am 27. November 2015 in einer Planned-Parenthood-Klinik in Colorado Springs drei Menschen erschoss, soll beispielsweise überzeugt davon sein, dass solange er glaubt, dass er errettet wird, er alles tun darf9. Klingt irgendwie so, als ob da einer an Gott glaubt, um ungestraft jede Schandtat begehen zu können.
Klar, man kann dieses und viele weitere Beispiele leicht abtun, weil diese Typen offensichtlich psychisch krank sind. Doch man es muss ja nicht immer gleich um Mord und Totschlag gehen. Viele Christen sind überzeugt davon einen Auftrag von Gott bekommen zu haben, wenn es darum geht, gegen die gleichgeschlechtliche Ehe einzustehen. Oder wenn es darum geht Verhütung auf der Basis der Enthaltsamkeit zu propagieren. Oder wenn es darum geht fremden Leuten unaufgefordert von Jesus zu erzählen. In all diesen Fällen mischen sie sich ungefragt in die Angelegenheiten anderer ein, während die oberste Direktive „Liebe den Nächsten wie dich selbst“ doch eigentlich Toleranz10 für die Eigenarten der anderen fordert. Liebe zwingt den anderen nämlich nicht zu seinem Glück, sie akzeptiert seine Entscheidung und lässt ihn gewähren (wie Gott es tut). Aber da sie offenbar im Herzen spüren, dass es das richtige ist, hat die oberste Direktive – natürlich im Interesse des anderen – kurzzeitig den Platz zu räumen (was dann wohl heisst, dass Gott es doch nicht tut, wenn er Leuten den Auftrag gibt, offen gegen meine Entscheidung zu opponieren).

Atheisten kennen keine Dispensen. Etwas übles ist selbst dann übel, wenn es keinen anderen Weg als den üblen gibt. Das hindert sie zwar genauso wenig wie die Theisten daran, es dennoch zu tun, aber wenigstens reden sie es nicht schön.

Wir haben hier also gewissermassen zwei Moralkonzepte. Auf der einen Seite – ich nenne sie mal – das praktische: Die Regeln sollten allen bekannt sein und für alle gelten. Und auf der anderen das transzendentale: Die meisten Regeln sind bekannt und der Rest wird unauffällig auserwählten Personen offenbart.
Ich bin überzeugt, dass das praktische Moralkonzept dem transzendentalen vorzuziehen ist, weil die Möglichkeit, dass Handlungen von aussen befohlen werden können, ohne dass man die Echtheit überprüfen könnte, einfach dazu einlädt ausgenutzt zu werden. Dem ist meines Erachtens selbst eine verunglückte Kombination von vermurksten Regeln vorzuziehen – so sie für alle gleichermassen gelten. Verlässliche und möglichst nicht widersprüchliche Regeln schaffen nämlich Ordnung, selbst dann wenn sie blöd sein mögen.

Aber vielleicht liege ich mit all dem auch furchtbar falsch und die Atheisten glauben einfach nur wegen der Lücke zwischen den Geboten und Gesetzen nicht an Gott. Sprich sie glauben nicht an Gott, weil sie masturbieren wollen.