Drogenkonsum und Drogenmissbrauch

Gewisse Dinge sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich erwähnte mal, dass Drogenkonsum an sich noch nichts schlimmes sei, sondern dass erst der Missbrauch das Problem darstelle. Und natürlich wurde ich sofort als weltfremder Spinner bezeichnet. Schliesslich sei doch offensichtlich, dass Drogenabhängige ein elendes Leben führen und damit nicht nur sich selbst, sondern auch der Familie, dem Staat und weiss der Teufel wem sonst noch schaden.
Dass Drogenabhängige ein elendes Leben führen und damit nicht nur sich selbst, sondern auch der Familie und dem Staat und weiss der Teufel wem sonst noch schaden, bestreite ich gar nicht1, doch ist die Drogenabhängigkeit eine Folge eben jenes Missbrauchs, dem ich ja sehr deutlich das Problempotential attestiert habe.
Dass gewisse Drogen schon beim ersten Mal abhängig machen, bedeutet, dass bereits der einmalige Konsum ein Missbrauch ist2. Das heisst aber nicht, dass jeglicher Konsum von jeglichen Drogen zwangsläufig ein Missbrauch sein muss. Insbesondere bei legalen Drogen wie Zigaretten, Alkohol oder Medikamenten, die ja ebenfalls psychoaktive Substanzen sind und die um Grössenordungen mehr Schaden anrichten als alle illegalen Drogen zusammen, wird wohl jeder eine Trennlinie zwischen harmlosem, gelegentlichen Konsum und Missbrauch zu ziehen fähig sein.

Von daher ist es auch absurd, sich auf den rechtlichen Status der einzelnen Substanzen beziehen zu wollen und damit den moralischen Status zu rechtfertigen, wie dies gern von Konservativen und Religiösen getan wird3. Interessanterweise tun sie es aber nur in die eine Richtung: Wenn etwas verboten ist, dann ist es automatisch auch moralisch schlecht. Doch wenn etwas erlaubt ist, wie beispielsweise Homosexualität oder Fristenregelung, dann ist das deswegen noch lange nicht tolerierbar.

Dass Religionen den Drogenkonsum in einer Gesellschaft senken, und damit auch den Missbrauch, will ich gar nicht bestreiten.
Die Frage ist nur, wie sie es tut?
Und ob das Wie ethisch okay ist?

Der Islam senkt die Vergewaltigungsrate: Er gebietet den Frauen einen Schleier zu tragen und nicht allein auf die Strasse zu gehen, was die Männer daran hindert auf blöde Ideen zu kommen, und er bestraft die vergewaltigten Frauen, was diese motiviert sich besser vorzusehen (und eventuell auch mehr zu wehren). Und wenn man sich die offiziellen Statistiken anschaut, scheint das wunderbar zu funktionieren. Okay, okay, die Dunkelziffer… Wäre diese Strategie aber okay, wenn sogar die inoffiziellen Statistiken diesen Effekt belegen würden? Ich denke nicht.

Genauso halte ich das pauschale Verdammen von Drogen und die Gleichsetzung von Konsum und Missbrauch für problematisch. Ziel soll es nämlich sein, dass man sich in einer schwierigen Situation richtig verhält, und nicht das Eintreten der Situation kategorisch verhindern zu wollen, um dann – wenn man dennoch rein stolpert – kläglich zu versagen. Mal ganz abgesehen davon, dass der Versuch etwas grundsätzlich zu verhindern, nicht selten mit der Einschränkung von Rechten einhergeht4.
Diese Herangehensweise ist auch aus einer psychologischen Perspektive vielversprechender. Wir wollen uns alle – wie man so sagt – am Morgen im Spiegel in die Augen sehen können. Das können wir selbst dann, wenn wir hie un da ein bisschen schummeln. An unserem Selbstbild moralisch integere Menschen zu sein, ändert das nichts. Wenn wir aber einen gewissen Punkt überschreiten, wo wir unsere „Schuld“ nicht mehr so einfach wegdiskutieren können, hindert uns nichts mehr daran über die Sträng zu schlagen. Ganz nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Auf die Drogen übertragen, heisst das, wenn man sie pauschal als böse abstempelt, wird man im Falle eines Kontaktes mit ihnen sich selbst ohnehin als Sünder betrachten und dann spielt eh alles keine Rolle mehr. Und da man sich stets allein darauf verlassen hat, gar nicht erst mit ihnen in Kontakt zu kommen, weiss man darüber hinaus noch nicht mal wie man sich schützen muss.
Wenn man dagegen von vornherein auf die Gefahren aufmerksam gemacht wird und lernt, wie man sich gegen diese wappnen kann, ist die Chance wesentlich grösser, dass man sich verantwortungsvoll verhält.
Mag schon sein, dass es auf diese Weise trotzdem häufiger zu Missbräuchen kommt, nichtsdestotrotz ist das meines Erachtens die ethisch bessere Herangehensweise. Man lehrt – im übertragenen Sinne – die Leute das potentiell gefährliche Autofahren, statt es komplett zu verbieten.

  1. Ich würde es allerdings ein bisschen differenzierter formulieren.
  2. Und wohl auch, dass es eine ausgewachsene Dummheit ist, sich da überhaupt freiwillig heranzuwagen.
  3. Zitat: „Ab­ge­se­hen da­von ist Dro­gen­kon­sum eine Straf­tat und da­her per se schon was schlechtes!“
  4. Im Fall der tiefen Vergewaltigungsraten mit jener der Frauen.

2 Antworten auf „Drogenkonsum und Drogenmissbrauch“

  1. „Ob die Unterschiede zwischen den Gruppen mit moralischen Vorstellungen der Betreffenden oder der sozialen Kontrolle des Umfelds zu tun haben, bleibt allerdings offen.“
    http://derstandard.at/1379292918391/Glaeubige-konsumieren-deutlich-weniger-Drogen-als-Atheisten

    Schützt die Gläubigen ihre überlegene moralische Einstellung vor den Drogen oder ist es die soziale Kontrolle des Umfeldes?
    Wenn es die moralische Einstellung wäre, dann müsste sich die sich doch auch auf andere moralische Fragen auswirken. Wieso sind dann überproportional wenige Atheisten im Gefängnis?
    Wenn es die Kontrolle des Umfeldes ist, dann hat das mit Moral des Betreffenden nichts zu tun. Man kann dann nur sagen, dass Religion die Gemeinschaft fördert (was ja bekanntlich ihr Hauptziel ist) und in einer solchem es viel schwerer ist etwas zu machen, was nicht toleriert wird. Und hier liegt dann wieder die Analogie zur Vergewaltigung in islamischen Ländern auf der Hand: Wenn die Gemeinschaft Frauen nicht erlaubt allein auf die Strasse zu gehen, dann droht ihr keine Vergewaltigung.
    Soziale Kontrolle ist gut und wichtig, doch sie bedeutet immer auch eine Einschränkung der Rechte des Einzelnen. Für die Mitläufer ist das okay, doch gegenüber Andersdenkenden ist das ungerecht, weil sie von der Gemeinschaft in eine Richtung gedrängt werden, wo sie gar nicht hin wollen.

    http://ideas.time.com/2013/11/26/religious-people-are-more-charitable/
    Diese Studie bestätigt, dass es nicht die Religion ist, sondern die sozialen Beziehungen.

    http://www.patheos.com/blogs/friendlyatheist/2013/11/28/are-religious-people-really-more-generous-than-atheists-a-new-study-puts-that-myth-to-rest/
    Doch wenn man sich anschaut, wohin das Geld fliesst, dann fliesst es bei Religiösen vornehmlich in religiöse Institutionen, welche ihr Hilfe für Aussenstehende gern an Bedingungen knüpfen. Mit der Moral ist es also doch nicht so weit her.

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