Der Fluch der Medici

U1_Catherine-de-mediciIm ausgehenden 16. Jahrhundert galt es unter den Malern als ein offenes Geheimnis, dass Katharina de Medici (1519-1589) einem talentierten Künstler nur all zu leicht die Karriere ruinieren konnte. Sie hatte nämlich die seltsame Eigenschaft, dass sie auf ihren Portraits umso besser aussah, je schlechter der Maler war. So profilierte sich ein aufstrebender junger Maler-Azubi relativ schnell mit ästhetisch fantastischen, technisch jedoch katastrophalen Skizzen von Katharina, um dann mit zunehmender handwerklicher Fertigkeit und anspruchsvolleren, prestigeträchtigeren Aufgaben all seine Reputation am Hof von Heinrich II aufgrund immer garstigerer Werke der Königin wieder zu verlieren.
Dieses Kuriosum berücksichtigend und fürchtend, versuchten verschiedene Maler, unter ihnen beispielsweise der begnadete François Clouet, ihre Bildnisse von Katharina und ihrer Familie vor der Übergabe noch mit handverlesenen Ersatzmodellen, die diese seltsame Eigenschaft nicht hatten, zu überarbeitete. Dass sie dies auch mit ihren Kindern machten, legt die Vermutung nahe, dass nicht nur Katharina de Medici diese Eigenschaft besass sondern alle Angehörigen dieser Blutlinie zurück bis zu Lorenzo dem Prächtigen. Zu dessen Protegés zählte nämlich neben Michelangelo auch Botticelli, der sich bekanntlich im hohen Alter unter dem Einfluss des Busspredigers Girolamo Savonarola gegen die weltliche Freizügigkeit der Medicis kehrte und – wie es scheint – allen Nachkommen diesen bizarren ästhetischen Fluch an den Hals wünschte.

in dubio pro angelo

Ein teuflisches Spiel hat sich Gott da ausgedacht. Unter all seinen Engeln erklärte er einen zum Satan, doch gesagt hat er dies weder diesem noch den anderen Engeln. Er liess nur den Menschen kryptische Hinweise zukommen, auf dass sie gemeinsam mit den Engeln ihre Liebe zu ihm durch den Kampf gegen den Dämon beweisen.
Nun sind Bockfuss, Schwanz und Hörner, entgegen der festen Überzeugung einer Gruppe von Männern, die sich als Spezialisten im Deuten von göttlichen Zeichen verstehen, alles andere als besondere Merkmale bei den himmlischen Heerscharen. Und so wird es niemanden überraschen, dass die erwähnten Experten mal diesen und mal jenen Engel für den Höllenfürst hielten und getreu der Überzeugung, dass dieser doch sicherlich ununterbrochen Lügen würde, das exakte Gegenteil all dessen für die reine Wahrheit hielten, was dieser ihnen an Botschaften brachte.

Und die Moral von der Geschichte ist, dass noch gefährlicher als eine Lüge die nicht akzeptierte Wahrheit ist.

Eidgenössisches Schwingfest

Ich habe nun endlich doch noch den Glauben für mich gefunden. Ich weiss nun, wie es ist, gegen besseres Wissen und allen Fakten und aller Logik zum Trotz von etwas aus tiefstem Herzen überzeugt zu sein. Ich glaube, dass mir der Schwingerkönig noch gleichgültiger ist als der Schweizer Fussballmeister. Es handelt sich deshalb um einen Akt des Glaubens, weil mir bereits Fussball völlig, total und ganz und gar egal ist und eine exorbitante Steigerung der absoluten Indifferenz einzig durch ein spirituelles Bekenntnis zu erlangen ist. Amen!

Nachtrag 7.6.2013:
Ich habe heute lange recherchiert und herausgefunden, dass es Jörg Abderhalden gewesen sein muss, dem vor gut sechs Jahren mein volles Desinteresse gegolten hat. Seither hat sich übrigens nicht viel geändert.

Die Kameliendame

U1_KameliendameFrauen lassen sich die Haare schneiden und werfen uns Männern dann vor, dass wir zum einen nichts merken und zum anderen fürchterlich oberflächlich sind.
Ist das nur für mich ein Widerspruch? Wie kann ich oberflächlich sein, wenn ich die Oberfläche gar nicht bemerke?
Nein, so einfach sind wir nicht gestrickt. Wir sind nicht in der Lage die Farbe des Minis zu benennen, dem wir eben so andächtig hinterher geschaut haben. Nein, wir Männer sind nicht oberflächlich – dafür ist unsere Neurologie schlicht und ergreifend nicht geschaffen. Wir interpretieren das verräterische Kräuseln im Faltenwurf des Kurzen Schwarzen, das schon, wir analysieren die unsichere Vibration im Pfennigabsatz, sicher, und explizieren das fiebrige Beben eines prallen Busens, aber von so was wie der Farbe, geschweige denn der Oberflächenbeschaffenheit dieser Dinge haben wir keinen blassen Dunst.
Muss hier wirklich erst noch an die virile Unfähigkeit erinnert werden zwischen Altweiss, Chamonix, Champagner, Cremeweiss, Eierschale, Elfenbein, Fjordgrau, Lichtbeige und Perlmutt zu unterscheiden?
Nun wäre es aber nichtsdestotrotz falsch Frisur und die Länge eines Rockes über den gleichen Kamm zu scheren. Während nämlich die Quantität an unverhülltem Bein mit dem weiblichen Zyklus korreliert, interferiert die Qualität der Haarpracht einzig mit dem Gemütszustand der Trägerin.
Persönlich würde ich tippen, dass sich da wohl in ferner Vergangenheit mal ein Chamäleon in die maternale Erblinie verirrt hat… Nicht umsonst ist doch einer der erfolgreichsten Filme von Greta Garbo, der einzig wahren Diva überhaupt, gerade die Chamäleondame.

Die Waffen einer Frau

Ich sah in Prager Flughafen eine Polizistin mit hohen Absätzen patrouillieren. Es waren keine halsbrecherischen Pfennigabsätze und auch gänzlich frei von jeglichem bunten Manolo Blahnik Firlefanz, aber auf stolze 8 bis 10 cm brachten sie es allemal.
Das beeindruckte mich natürlich ungemein und warf zugleich die Frage auf, wie hier wohl ein alltäglicher Polizeieinsatz aussehen mag?
Spätestens seit Charlies Engeln wissen wir natürlich, dass frau mit High Heels auch rennen und auf Distanz tödlich sein kann, doch hege ich meine Zweifel, ob die tschechische Polizei ihre Politessen wirklich die nötige Ausbildung zu finanzieren in der Lage ist – vor allem wenn man bedenkt, dass sie diese dann lediglich mit der harmlosen breiten Variante ausstattet, welche ballistisch betrachtet bestenfalls mit einem Schneeball verglichen werden kann.
Selbst das Bild mit dem Schneeball muss mit Bedacht verwendet werden, denn wenn dieser die Grösse und das Tempo eines Kometen hat, so nimmt sich gegen diesen selbst eine Atombombe mickrig heraus. Die Waffen der Frauen… so unberechenbar wie dietschechische Polizei.

Dürft ich mal schnuppern?

U1_kidman_channel5-1Die Abflughallen sind schon eine Welt für sich. Man kann da Schnaps, Zigaretten und Parfums abgabenfrei erstehen – Zucker und Butter wohl theoretisch auch, doch das tut scheinbar keiner -, es werden Leute ausgerufen, deren Namen aus Lauten besteht, die noch nie ein Mensch zuvor artikuliert hat und Flüssigkeiten sind kein Aggregats- sonder ein Kriegszustand. Kurz gesagt, es ist eine hyperrealistische, global vernetzte, utopische Welt.
In der hyporealistischen, lokal geklusterten, geistig etwas rückständigen Welt, man nennt sie bisweilen auch Realität, habe ich gelernt den duftenden Tentakeln der Parfumverkäuferinnen in den Wahrenhäusern geschickt auszuweichen. Doch in den Flughäfen gelten andere Gesetze. Hier entrinnt man weder Scarlett Johansson „Eternity Moment“ von Calvin Klein, noch Gisele Bündchens „Liberté“ von Cacharel, noch Kate Winslets „Tresor“ von Lancôme.
Zumindest für mich verschmelzen nirgends sonst Duft und Ikone zu einer dermassen kompakten, sich aufdrängenden Einheit wie im aufgetakelten Ökosystem der Abflughallen. Doch meine Seele wehrt sich dagegen, sie weigert sich mir nichts dir nichts eine Identität zwischen Duft und Gesicht herzustellen. Und dieses Dilemma entfesselt in mir den unbändigen Drang mal an Scarlett, Gisele oder Kate zu schnuppern. Ich möchte erfahren, wie der Duft des Gesichts des Dufts riecht und zwar ohne den Duft.

Das fröhliche Landleben

In unserem Dorf wird gemunkelt, dass ein Ehemann sich mit seiner Frau dermassen in die Haare kam, dass er gar einen DNA-Test verlangte um Gewissheit darüber zu erlangen, ob er auch wirklich der Vater des gemeinsamen zweijährigen Kindes sei. Nun stellte sich heraus, dass er tatsächlich der Vater ist, sie jedoch nicht die Mutter. In der Entbindungsklinik wurden nämlich – wie man in der Folge herausfand – zwei Kinder verwechselt, von denen in beiden Fällen der erwähnte Ehemann der Vater war.
Die Ehe ist damit definitiv nicht mehr zu retten, es ist aber angeblich noch offen, ob die beiden Kinder nicht zu ihren leiblichen Müttern zurückkehren sollen.
Die Presse wird aus verständlichen Gründen aus der ganzen Sache herausgehalten. Ich bitte daher auch Euch mit dieser Information diskret umzugehen.

Schluss mit den Doping-Skandalen

Formel-1-Rennen beziehen ihre Legitimität daraus, dass in dort verwendeten Boliden neue Technologien getestet werden, die im Endeffekt der Sicherheit, der Umwelt und dem ganzen Rest zugute kommen. Weshalb unterstellt man dann nicht auch Radrennen einfach einer Industrie? Beispielsweise der Pharmaindustrie – da würden dann auch gleich all die Doping-Skandale obsolet werden.
Dann würde dieses Jahr Novartis die Nase vorn haben und nächstes Jahr eben Pfizer etwas anderes. Alles wäre reglementiert, kontrolliert und nichts korrumpiert. Statt in irgendwelchen muffigen Labors Studien an unmotivierten Probanden durchzuführen, könnte man diese hier allein für Ruhm und Ehre unter idealen Testbedingungen über sieben Pässe scheuchen.
Man bräuchte natürlich nicht bei den Pharmaka Halt zu machen. Auch die Biotechnologie könnte sich mit reinhängen und die Gentechnik endlich in den Dienst der Menschheit stellen. Und wo die Natur an ihre Grenzen stösst, könnte die Bionik mit raffinierten Prothesen gar noch einen Schritt weiter gehen.
Forschung und Werbung in einem. Die Entwicklungskosten – und sicherlich auch die Dauer – könnten so massiv gesenkt werden, was evidenterweise allen zugute käme. Und ich, ich würde mir dann sicher mein Aspirin von jener Firma kaufen, welche das Siegerteam gedopt hat.

Was ist Kunst?

Der Versuch Kunst definieren zu wollen, ist natürlich ein Widerspruch in sich, denn seit jeher war es eine der vornehmlichsten Eigenschaften der Kunst – ob nun gewollt oder nicht – den universellen Gültigkeitsanspruch jeder Struktur und Ordnung in Frage zu stellen.
Eine Implikation davon ist, dass die Wahl des Mediums oder Materials, aus dem die metaphorische Abrissbirne gegossen wird, dem Künstler offen steht. Dass er sie ganz den Bedürfnissen entsprechend anpassen kann – oder viel mehr muss.
In einem Land, wo sich die Grenzen darauf beschränken, dass man nicht bei Rot über die Strasse geht, was zu allem Überfluss sogar relativ vernünftig ist, was will man da schon mit Farben, Klängen oder Formen ausrichten? Guerilla-Zebrastreifen malen? Motorengeräusche fälschen? Strassen verlegen? Soll man sich gegen Politikerinnen auflehnen, die fordern, dass bei der Ampel violett statt orange verwendet wird? Oder gegen Polizisten, die nach Lust und Laune die Grünintervalle verkürzen oder verlängern?
An einem solchen Ort trägt der wahre Künstler keine Jesus-Latschen und mieft nicht nach Terpentin, billigem Wein und filterlosen Zigaretten. Nein, er trägt nicht allzu teure Lackschuhe, einen Anzug und eine Aktentasche mit einer Banane und ner Birne drin. Es ist der Bürokrat, der täglich pflichtbewusst seine Arbeit verrichtet und Kopien von Kopien durch die weit verzweigte Verwaltung schleust. Das Interessante an der Beamtenherrschaft ist nämlich insbesondere, dass sie weniger ihre Arbeit verrichtet, als sich vielmehr selbst erschafft. Es ist ein graues, unauffälliges, exponentielles System, welches seine Dynamik aus der enormen Kreativität seiner Formulare, Stempel und Softwarelösungen schöpft.
Kein normaler Mensch würde einen solchen Moloch füttern, genauso wie kein normaler Mensch zugunsten eines unverkäuflichen Bildes sich ein Ohr absäbeln würde. Doch Künstler sind keine normalen Menschen und sie tun nicht, was zu ihrem persönlichen Vorteil gereicht, sondern was die Gesellschaft von ihren verstaubten Altlasten befreit. Und die Bürokratie zerstört man am effektivsten, denn man sie so lange füttert bis sie explodiert. Und dafür braucht man nicht allzu teure Lackschuhe, einen Anzug und eine Aktentasche mit einer Banane und ner Birne drin.